Beschluss vom Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen (2. Senat) - L 2 R 129/22 B ER

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die 1967 geborene Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Gewährung einer „stationären Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer in Israel“.

2

Die Antragstellerin leidet seit dem 3. Lebensjahr an einer psoriasis vulgaris, welche seit vielen Jahren mit einer Arthritis psoriatica einhergeht. Ferner leidet sie insbesondere an einer entzündlichen Spondylopathie sowie an einem psychovegetativen Erschöpfungszustand.

3

Vom 24. April bis 22. Mai 2019 nahm die Antragstellerin auf Kosten der Krankenkasse an einer „Klimaheilbehandlung“ in einem Zentrum am Toten Meer teil. Im Vordruck des „Ärztlichen Berichts“ über die damalige Behandlung (Bl. 101 GA) finden sich insbesondere die Begriffe „Medizinisches Zentrum“, „Rehabilitationszentrum“ und „Lot Spa Hotel“.

4

Bereits im Februar 2020 wandte sich die Antragstellerin erneut an die Krankenkasse mit der Bitte um Bewilligung einer weiteren Maßnahme am Toten Meer. Dieser erläuterte mit Email vom 19. März 2020, dass die Antragsgegnerin die „Kosten für die Klimaheilbehandlung am Toten Meer“ grundsätzlich übernehme, sofern die Voraussetzungen gegeben seien. Von Seiten der Krankenkasse könnten hingegen nicht Leistungen für einen anderen Leistungsträger übernommen werden.

5

Im Dezember 2021 wandte sich die Antragstellerin an die Beklagte und bat um Bewilligung einer erneuten Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer (wobei sie unter Beifügung des sich auf 6.190 € belaufenden Angebots eines Reiseveranstalters alternativ eine Einrichtung in Israel oder eine in Jordanien vorgeschlagen hat).

6

Die Beklagte bewilligte daraufhin der Antragstellerin mit Bescheid vom 12. Januar 2022 eine stationäre medizinische Rehabilitation in der Frankenland-Klinik in Bad Windsheim.

7

Mit ihrem mit Schreiben vom 3. Februar 2022 eingelegten Widerspruch begehrt die Antragstellerin, ihr an Stelle der bewilligten Maßnahme in der F. -Klinik die gewünschte „Rehabilitationsmaßnahme am Toten Meer“ zuzusprechen. Die Angelegenheit sei eilbedürftig, da sie sich in einem akuten Krankheitsschub befinde.

8

Mit dem vorliegenden Antrag vom 12. März 2022 begehrt sie eine entsprechende Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung. Diesen Antrag hat das Sozialgericht mit Beschluss vom 25. April 2022 abgelehnt. Ein Erfolg des Eilantrages würde voraussetzen, dass sich die begehrte Maßnahme am Toten Meer aus medizinischer Sicht als einzig mögliche hilfreiche Maßnahme darstelle. Diese Voraussetzung lasse sich nach Aktenlage jedoch nicht objektivieren.

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Mit der am 17. Mai 2022 eingelegten Beschwerde hat die Antragstellerin insbesondere folgende aktuelle Unterlagen vorgelegt:

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Eine Bescheinigung der Hautärztin Dr. G. vom 7. Juni 2022, wonach eine erneute „Klimaheilbehandlung“ am Toten Meer dringend erforderlich sei. Dort könnten die Erkrankungen effektiv und schonend behandelt werden. Bei der Antragstellerin sei der Psoriasisbefall insbesondere im Genitalbereich nur sehr schwierig zu behandeln.

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Der Hausarzt H. weist in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2022 auf eine zunehmende Funktionsbeeinträchtigung insbesondere auch in den Bereichen der Halswirbelsäule und der Hände hin. Er unterstütze die Antragstellerin „bereits seit Jahren“ bei ihren Bemühungen, medizinische Rehabilitationsmaßnahmen am Toten Meer bewilligt zu erhalten. Die ambulanten und stationären Therapiemöglichkeiten seien ausgeschöpft.

12

Der Rheumatologe Dr. I. verweist in seinem Bericht vom 8. Juni 2022 auf ein hohes Schmerzniveau. Das Schmerzbild, die enthesiopatischen Beschwerden und Synovitiden seien schwierig voneinander abzugrenzen. Unterstützend zu dem angewandten „sehr breiten Therapieschema“ sei eine weitere „Klimaheilbehandlung“ am Toten Meer erforderlich.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

II.

14

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens vermag der Senat die Voraussetzungen für den Erlass der von der Antragstellerin gewünschten einstweiligen Anordnung nicht festzustellen.

15

Es ist nicht ersichtlich, dass ohne den Erlass der begehrten Anordnung die Verwirklichung eines Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde oder dass die Anordnung anderweitig zur Abwendung wesentlicher Nachteile erforderlich ist (§ 86b Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

16

Antragsteller sind nach § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO verpflichtet, den Anordnungsanspruch und den Anordnungsgrund glaubhaft zu machen. Es genügt nach diesen gesetzlichen Vorgaben gerade nicht, theoretische Möglichkeiten in den Raum zu stellen, vielmehr sind die den geltend gemachten Anspruch auf Erlass einer einstweiligen Anordnung tragenden Umstände substantiiert aufzuzeigen und (im Rahmen des jeweils Möglichen) auch glaubhaft zu machen, also insbesondere auch, soweit möglich, mit geeigneten Belegen zu bestätigen. Dementsprechend können auch im Rahmen einer Folgenabwägung nur solche Umstände berücksichtigt werden, die von Seiten des Antragstellers im erläuterten Sinne substantiiert dargetan und glaubhaft gemacht worden sind.

17

Diese einfachgesetzlichen Vorgaben sind unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben auszulegen: Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ansonsten dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung seiner Rechte droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann. Dies gilt gleichfalls für Anfechtungs- wie für Vornahmesachen. Hieraus ergeben sich Anforderungen an die Auslegung und Anwendung der jeweiligen Gesetzesbestimmungen über den Eilrechtsschutz. Hinsichtlich des fachgerichtlich begründeten Erfordernisses der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs bedeutet dies, dass die Anforderungen an dessen Vorliegen, gemessen an der drohenden Rechtsverletzung, nicht überspannt werden dürfen. Die Entscheidungen dürfen sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden, erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs. Hierbei ist dem Gewicht der in Frage stehenden und gegebenenfalls miteinander abzuwägenden Grundrechte Rechnung zu tragen, um eine etwaige Verletzung von Grundrechten nach Möglichkeit zu verhindern. Je gewichtiger die drohende Grundrechtsverletzung und je höher ihre Eintrittswahrscheinlichkeit ist, desto intensiver hat die tatsächliche und rechtliche Durchdringung der Sache bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu erfolgen. Ist eine der drohenden Grundrechtsverletzung entsprechende Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich - etwa weil es dafür weiterer, in der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit nicht zu verwirklichender tatsächlicher Aufklärungsmaßnahmen bedürfte -, ist es von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, wenn die Entscheidung über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes dann auf der Grundlage einer Folgenabwägung erfolgt (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des 1. Senats vom 14. März 2019 – 1 BvR 169/19 – NZS 2013, 459 mwN).

18

Je schwerer die Belastungen des Betroffenen wiegen, die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbunden sind, umso weniger darf das Interesse an einer vorläufigen Regelung oder Sicherung der geltend gemachten Rechtsposition zurückgestellt werden. Art. 19 Abs. 4 GG verlangt auch bei auf eine Vorwegnahme des Sachverfahrens gerichteten Eilanträgen jedenfalls dann vorläufigen Rechtsschutz, wenn ohne ihn schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre. Die Gerichte sind, wenn sie ihre Entscheidung nicht an einer Abwägung der widerstreitenden Interessen, sondern an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientieren, in solchen Fällen gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gehalten, die Versagung vorläufigen Rechtsschutzes auf eine eingehende Prüfung der Sach- und Rechtslage zu stützen. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen (BVerfG, B.v. 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 - NZS 2009, 674 mwN).

19

Die im Ausgangspunkt heranzuziehende Folgenabwägung stößt natürlich an Grenzen, wenn sich eben diese Folgen nicht verlässlich überblicken lassen. Dies gilt noch verstärkt, wenn – wie auch im vorliegenden Zusammenhang – der Rechtsstreit gerade von unterschiedlichen Einschätzungen der Beteiligten hinsichtlich der mit den in Betracht kommenden Maßnahmen verbundenen Folgen geprägt wird. Zusätzliche Schwierigkeiten sind mit der Folgenabwägung verbunden, wenn nicht nur vorläufige Maßnahmen, sondern die tatsächliche Gewährung der begehrten Leistung im Eilrechtsschutzverfahren begehrt wird, so dass bei Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung eine Fortführung des Hauptsacheverfahrens nur in Form der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen des Leistungsträgers gegen den Versicherten nach § 945 ZPO i.V.m. § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Betracht kommt (vgl. dazu BVerfG, B.v. 25. Februar 2009 – 1 BvR 120/09 –, BVerfGK 15, 133-138, Rn. 17).

20

Jedenfalls darf die gebotene Folgenabwägung nicht in einem Sinn missverstanden werden, dass allein aufgrund der Geltendmachung gesundheitlicher Risiken bei Nichterlass einer begehrten einstweiligen Anordnung die Notwendigkeit ihres Erlasses festzustellen sein könnte. Vielmehr bedarf es zunächst, wie bereits dargelegt, der Glaubhaftmachung entsprechender Gefahren, wobei allerdings, wie ebenfalls schon ausgeführt, die Anforderungen an eine solche Glaubhaftmachung nicht überspannt werden dürfen.

21

Darüber hinaus verlangt die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung einen hinreichenden Grad entsprechender Grundrechtsgefährdungen. Die Grundrechtsgefährdung ist in diesem Fall einer Grundrechtsverletzung namentlich im Sinne einer hinreichend sicheren Prognose über den Schadenseintritt. Unterhalb der Wahrscheinlichkeitsgrenze liegende bloße Möglichkeiten selbst schwerer gesundheitlicher Schädigungen des Betroffenen oder auch letaler Verläufe, stehen etwa der Durchführung mit entsprechenden Risiken verbunden staatlichen Maßnahmen nicht entgegen (wobei auch in diesem Zusammenhang allerdings die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts nicht überspannt werden dürfen, vgl. dazu – bezogen auf die begehrte Aussetzung einer strafgerichtlichen Hauptverhandlung – BVerfG, B. der 2. Kammer des 2. Senats vom 16. November 2020 – 2 BvQ 87/20 –,NStZ-RR 2021, 19, Rn. 51). Mit einzustellen in die Abwägung sind auch die von der Entscheidung betroffenen öffentlichen Interessen (vgl. BVerfG, B.v. 16.11. 2020, aaO: Interesse einer wirksamen Strafrechtspflege).

22

Ausgehend von der gebotenen Folgenabwägung ist im vorliegenden Eilverfahren unter Berücksichtigung der die Interessen der Betroffenen schützenden gesetzgeberischen Wertentscheidungen in § 14 SGB IX nicht weiter der Frage nachzugehen, ob die Antragsgegnerin, welche ihre Zuständigkeit selbst bejaht hat, dafür auch von Rechts wegen alle Voraussetzungen erfüllt. Diesbezüglich wäre im vorliegenden Zusammenhang insbesondere zu klären, dass nicht etwa die Krankenkasse aufgrund ihrer bereits 2020 erfolgten Befassung mit dem erneuten Rehabilitationsbegehren der Antragstellerin erstangegangene Rehabilitationsträgerin im Sinne des § 14 SGB IX war. In Fällen eines erfolgreichen Eilverfahrens wären entsprechende Bedenken erforderlichenfalls im Verhältnis der in Betracht kommenden Träger untereinander im Rahmen der nachfolgenden Geltendmachung von Kostenerstattungsansprüchen abzuklären, wenn der die Leistung erbringende Träger im Ergebnis nicht zuständig sein sollte.

23

Im vorliegenden Fall ist jedoch in der Sache gerade nicht ersichtlich, dass der Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile im vorstehend erläuterten Sinne drohen würden. Die gebotene Folgenabwägung geht nicht in ihrem Sinne aus.

24

Nach derzeitigem Sach- und Streitstand sind entsprechende Nachteile nicht als glaubhaft gemacht anzusehen. Im Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, dass die Antragsgegnerin dem Rehabilitationsantrag der Antragstellerin gerade stattgegeben und ihr eine stationäre Maßnahme in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik bewilligt hat. Damit hat die Antragsgegnerin zugleich anerkannt, dass die vorzeitige Erbringung einer weiteren stationären Maßnahme im Sinne von § 12 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dringend erforderlich ist. Sie ist daher ungeachtet dessen zu erbringen, dass die für den Regelfall in § 12 Abs. 2 Satz 1 SGB VI normierte Vierjahresfrist seit der letzten von der Krankenkasse im Frühjahr 2019 finanzierten Maßnahme noch nicht abgelaufen ist.

25

Wenn die Antragstellerin sich gleichwohl gegen diese Bewilligung mit ihrem Widerspruch und dem vorliegenden Eilantrag wendet, dann verfolgt sie das Ziel, dass ihr anstelle der bewilligten Maßnahme in der spezialisierten deutschen Rehabilitationsklinik eine Maßnahme am Toten Meer gewährt werde, weil diese aus Sicht der Antragstellerin bessere medizinische Erfolgsaussichten aufweisen soll. Dabei strebt die Antragstellerin nach ihrem Vortrag und auch nach Maßgabe des von ihr selbst eingeholten Reiseangebotes der Struktur nach eine Wiederholung der 2019 am Toten Meer auf Kosten der Krankenkasse durchgeführten Maßnahme an.

26

Ziel der Rehabilitation ist nach den Vorgaben des § 1 Satz 1 SGB IX Menschen mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohte Menschen in ihrer Selbstbestimmung und ihrer vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern; ihre Benachteiligung ist zu vermeiden oder dieser jedenfalls entgegenzuwirken. Die maßgebliche Behinderung setzt eine dauerhafte (im Sinne einer jedenfalls sechsmonatigen Beeinträchtigung) voraus (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Gerade vor dem Hintergrund, dass ein Großteil der Betroffenen langjährig, vielfach auch für den Rest des Lebens, von den Behinderungen erfasst wird, strebt die Rehabilitation im Sinne des SGB IX auch eine langfristige Wiedereingliederung der Betroffenen in das Leben der Gesellschaft an.

27

Auch vor diesem Hintergrund ist die vierjährige Regelmindestfrist zwischen zwei stationären Heilverfahren zu verstehen, wie sie der Gesetzgeber in § 12 Abs. 2 SGB VI und § 40 Abs. 3 Satz 16 SGB V normiert hat. Der Gesetzgeber strebt eine langfristige Auslegung entsprechender Maßnahme in dem Sinne an, dass sie über einen längeren im Regelfall jedenfalls mehrjährigen Zeitraum die Teilhabe der Versicherten am Leben der Gesellschaft nachhaltig fördern. Nur kurzfristige wirkende medizinische Behandlungserfolge sind im Ausgangspunkt nicht dem Bereich der Rehabilitation, sondern der Krankenbehandlung zuzurechnen.

28

Dementsprechend ist ein Großteil der medizinischen Rehabilitationsmaßnahmen dadurch geprägt, dass mit ihnen durch geeignete Anleitungen, Informationsvermittlungen und Motivationsförderungen eine den gesundheitlichen Beeinträchtigungen Rechnung tragende möglichst dauerhafte Änderung der Lebensführung im Sinne einer besseren Leidensbewältigung bewirkt werden soll.

29

Rehabilitation ist eine komplexe und multidisziplinäre Leistung, die sich aus verschiedenen Leistungen zusammensetzt und von einem ärztlichen Behandlungsplan zusammengefasst wird (Schnitzler in BeckOK Sozialrecht, 64. Ed. 1.3.2022, SGB V § 40 Rn. 2). Rehabilitationsmaßnahmen sind im Ausgangspunkt unter einen komplexen, ganzheitlichen und interdisziplinären Ansatz zu stellen und mit der vorrangigen Verantwortlichkeit eines qualifizierten Arztes zu verbinden (BSG, Urteil vom 1. September 2005 – B 3 KR 3/04 R –, SozR 4-2500 § 40 Nr 2, Rn. 26).

30

Dieser (trägerübergreifend maßgebliche) Ansatz wird etwa in § 4 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (Rehabilitations-Richtlinie/Reha-RL vom 16. Dezember 2021) wie folgt umschrieben: Medizinische Rehabilitation umfasst einen ganzheitlichen Ansatz im Sinne des biopsycho-sozialen Modells der Weltgesundheitsorganisation (WHO), um den im Einzelfall bestmöglichen Rehabilitationserfolg im Sinne der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere in Familie, Arbeit und Beruf zu erreichen. Dieser Ansatz berücksichtigt neben dem Erkennen, Behandeln und Heilen einer Krankheit bei einem Menschen mit einem Gesundheitsproblem nicht nur die Auswirkungen dieses Gesundheitsproblems, sondern auch die möglichen Wechselwirkungen zwischen der Krankheit, Körperstrukturen und -funktionen, Aktivitäten und Teilhabe und den dabei individuell relevanten Kontextfaktoren (umwelt- und personbezogene Faktoren als Förderfaktoren und Barrieren).

31

Wird die 2019 von der Klägerin absolvierte Maßnahme am Toten Meer, deren strukturelle Wiederholung mit dem vorliegenden Eilverfahren angestrebt wird, an diesen Maßstäben gemessen, dann ist die Verfolgung eines entsprechenden ganzheitlichen Ansatzes im Ergebnis letztlich nicht zu objektivieren. In dem o.g. ärztlichen Bericht vom 22. Mai 2019 werden zwar Gelenkbeschwerden und ein psychovegetativer Erschöpfungszustand angesprochen. Diesbezüglich sind jedoch weder zielgerichtete nähere Abklärungen noch weiterführende Behandlungsmaßnahmen wie etwa Krankengymnastik oder psychologische Beratungen durchgeführt worden.

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Der in §§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VI, 9 Abs. 2 SGB IX normierte Grundsatz "Vorrang der Rehabilitation vor Rente" spricht dafür, dass Rehabilitationsmaßnahmen auch dann durchgeführt werden sollen, wenn der Erfolg unsicher, aber möglich ist (BSG, Urteil vom 24. März 1983 – 8 RK 2/82 –, SozR 2200 § 184a Nr 5, Rn. 12). Dabei ist allerdings auch dem in § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V normierten Grundsatz Rechnung zu tragen, wonach Qualität und Wirksamkeit der Leistungen dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen haben. Nach ihrem Regelungszweck ist diese Vorschrift bei medizinischen Rehabilitationsleistungen auch dann zu berücksichtigen, wenn diese von anderen Trägern als den unmittelbar vom SGB V erfassten Krankenkassen erbracht werden. Die Grundprinzipien der medizinischen Rehabilitation sind trägerunabhängig zu gewährleisten. Dementsprechend hat der Gesetzgeber im 9. Kapital des SGB IX auch trägerübergreifende gemeinsame Vorschriften für die medizinische Rehabilitation normiert.

33

Eine Fehlerhaftigkeit der von der Beklagten gemäß § 13 Abs. 1 SGB VI getroffenen Auswahlentscheidung im Sinne der Bewilligung einer stationären Maßnahme in der deutschen Rehabilitationsfachklinik ist auch nach dem Ergebnis des Beschwerdeverfahrens nicht ersichtlich. Noch weniger ist eine Ermessensreduzierung in dem Sinne festzustellen, dass allein die Bewilligung einer „Klimaheilbehandlung“ (so die Formulierung in dem o.g. Entlassungsbericht vom 22. Mai 2019) am Toten Meer sich als von Rechts wegen gebotene Entscheidung darstellen würde.

34

Die Antragsgegnerin weist einleuchtend darauf hin, dass die von ihr ausgewählte Frankenland-Klinik auf die Krankheitsbilder der Dermatologie, entzündlicher Gelenkserkrankungen sowie der speziellen Schmerztherapie spezialisiert ist. Auch die Klinik hebt hervor, dass sie insbesondere speziell auf die Behandlung von Patienten mit Schuppenflechte, Schuppenflechte in den Gelenken sowie sonstigen Formen der Psoriasis ausgerichtet sei (https://www.frankenland-klinik.de/NBKFL/de/Navigation/3_ihre_klinik_fuer_aerzte_und_zuweiser/030_
therapiekonzepte/therapiekonzepte_node.html#doc768602bodyText3).

35

Im Ausgangspunkt entspricht es gerade dem maßgeblichen allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, wenn der Rehabilitationsträger wie im vorliegenden Fall eine stationäre Maßnahme in einer auf das maßgebliche Krankheitsbild spezialisierten Fachrehabilitationsklinik bewilligt. Auch im Rahmen der gebotenen Folgenabwägung ist jedenfalls in aller Regel davon auszugehen, dass ein entsprechendes Vorgehen auch die bestmöglichen Chancen auf möglichst gute Rehabilitationserfolge verspricht. Natürlich kommen in diesem Zusammenhang keine konkreten Feststellungen des künftigen Verlaufs in Betracht. Auch ein Sachverständiger könnte nicht konkret beurteilen, wie sich etwa der – von vielfältigen künftigen Unwägbarkeiten abhängige - Gesundheitszustand der Antragstellerin in einer gerade unter Rehabilitationsgesichtspunkten anzustrebenden mehrjährigen Perspektive in Abhängigkeit davon entwickeln würde, ob sie zeitnah an der bewilligten Rehabilitationsmaßnahme in der F. -Klinik oder an einer Klimaheilbehandlung am Toten Meer teilnehmen würde. Ohnehin bietet das vorliegende summarisch ausgerichtete Eilverfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes keinen Raum zur Einholung komplexer Sachverständigengutachten.

36

Es lässt sich derzeit nicht einmal überblicken, welche Dauer im Ergebnis die von der Antragsgegnerin bewilligte Maßnahme haben wird, ob diese etwa auf Anregung der Klinik verlängert wird, und ob es bei ihr sein Bewenden haben wird. Die Antragsgegnerin ist ohnehin nach § 28 Abs. 2 SGB IX verpflichtet, bei Bedarf ihre Rehabilitationsleistungen dem Verlauf der Rehabilitation unter Berücksichtigung der Zielvorgabe anzupassen, der Antragstellerin unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles zügig, wirksam, wirtschaftlich und auf Dauer eine den Zielen der §§ 1 und 4 Absatz 1 SGB IX entsprechende umfassende Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu ermöglichen.

37

Es kann insbesondere derzeit gar nicht ausgeschlossen werden, dass im Anschluss an die derzeit bewilligte Maßnahme weitere Maßnahmen der Krankenbehandlung etwa im Sinne einer stationären Überprüfung der medikamentösen Behandlung in einer dermatologischen Akutklinik oder auch (unter der Voraussetzung eines dringenden Erfordernisses im Sinne des § 12 Abs. 2 SGB VI) die Bewilligung weiterer medizinischer Rehabilitationsmaßnahmen angezeigt ist.

38

Bei entsprechend schweren Verläufen der Hauterkrankung (wie sich im vorliegenden Fall bislang nach Aktenlage schon mangels hinreichend detaillierter Erhebungen der hautärztlichen Befunde und ihres Verlaufs allerdings nicht objektivieren lässt) käme in diesem Rahmen bei Bejahung einer entsprechenden medizinwissenschaftlichen Indikation sogar rechtsgrundsätzlich nach der Durchführung einer ganzheitlich ausgerichteten Rehabilitationsbehandlung in der deutschen Rehabilitationsklinik unter Berücksichtigung ihrer Ergebnisse auch eine ergänzende spezifisch ausgerichtete Psoriasisbehandlung am Toten Meer zur Verbesserung des Teilhabeerfolges in Betracht. Entsprechende Fragen sind aber vor Durchführung der bewilligten Maßnahme weder klärungsfähig noch –bedürftig.

39

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lässt die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin jedenfalls keine Fehler erkennen. Die angegriffene Bewilligung einer stationären Maßnahme in einer spezialisierten Fachklinik könnte vom Senat nur korrigiert werden, wenn mit hinreichender Verlässlichkeit ihre Fehlerhaftigkeit festzustellen wäre. Dafür gibt es im vorliegenden Zusammenhang aber keine Grundlage.

40

Bloße theoretische Möglichkeiten können im vorliegenden Zusammenhang keine ausschlaggebende Bedeutung gewinnen, zumal gerade auch die Wahrscheinlichkeit ernsthaft in Betracht ziehen ist, dass in der gebotenen ganzheitlichen und längerfristigen Betrachtung eine Durchführung der bewilligten Maßnahme in der F. -Klinik bessere gesundheitliche Erfolge zeigen wird als die begehrte Maßnahme am Toten Meer.

41

Gerügt werden könnte natürlich ein Widerspruch zum allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, welche insbesondere in den Behandlungsrichtlinien der wissenschaftlichen Fachgesellschaften festgehalten werden. Demgegenüber begründet eine Ausrichtung der bewilligten Maßnahme am allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse die Vermutung, dass damit bestmöglich den gesundheitlichen Interessen der Betroffenen Rechnung getragen wird.

42

Die sog. S3-Leitlinie zur Therapie der Psoriasis vulgaris (AWMF-Register-Nr.: 013 - 001, 2021, Stand: 19.02.2021; https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-001l_S3_Therapie-Psoriasis-vulgaris_2021-07-verlaengert.pdf) befasst sich auf rund 170 Seiten mit den komplexen Einzelheiten medikamentöser Behandlungen. Der vage Hinweis in dem von der Antragstellerin vorgelegten Bericht der behandelnden Dermatologin Dr. G. vom 7. Juni 2022, wonach in den Kliniken „im Ansatz“ keine Behandlungsformen angeboten würde, als solche, die bei der Antragstellerin „ambulant bereits stattfinden oder stattgefunden“ haben, bringt schon keine ernsthafte wissenschaftliche Abklärung der Möglichkeiten einer verbesserten medikamentösen Behandlung zum Ausdruck.

43

Zu diesen Richtlinien gibt es ergänzend noch einen sog. Appendix A: „Topische Therapie, Phototherapie, Sonstige Therapien, Schnittstellendefinition“ (Fortbestand der Empfehlungen vom Update 2015, vgl. https://debm.charite.de/fileadmin/user_upload/microsites/ohne_
AZ/m_cc12/debm/D-Psoriasis/Appendix_UV-topisch_Fortbestand_S3-LL_Pso.pdf; vgl. auch die Vorbemerkung auf S. 3: Im Bereich der topischen Therapie und Fototherapien sind keine neuen Therapieoptionen seit der Erstellung der Leitlinienfassung 2015 verfügbar geworden. Studien, die die Einschätzung der Interventionen relevant verändern würden, sind ebenfalls nicht publiziert worden. Somit wurde im Konsens der Expertengruppe entschieden, dass dieser Abschnitt der Leitlinie unverändert fortbesteht).

44

Dort wird auch die sog. „Klimatherapie“ behandelt. Dach umfasst diese die Gesamtheit aller meteorologischen Einflüsse auf die Haut. Bei Klimatherapien handelte es sich im Zusammenhang mit der Behandlung der Psoriasis vulgaris in erster Linie um längere Aufenthalte in sonnenreichen Regionen. So unterhielten z. B. mehrere skandinavische Länder therapeutische Einrichtungen auf den kanarischen Inseln. Auch eine Balneotherapie in natürlichen Gewässern könne als Bestandteil einer Klimatherapie verstanden werden (z.B. Klimatherapie am Toten Meer). Häufig würden Balneo- und Klimatherapie zur Behandlung der Psoriasis vulgaris kombiniert eingesetzt. Diese Maßnahmen könnten beispielsweise am Toten Meer, an der Nord- oder Ostsee und im Hochgebirge durchgeführt werden (Appendix, aaO, S. 60).

45

Zur Wirksamkeit der sog. „Klimatherapie“ wird dort Folgendes festgehalten: Insgesamt erfüllen zwei Studien mit dem Evidenzgrad C mit insgesamt 149 Patienten die Einschlusskriterien der Leitlinie. Hieraus ergibt sich ein Evidenzniveau von 3. Eine prospektive Fallserie von Cohen et al. zeigte, dass die Klimatherapie am Toten Meer, bestehend aus zwei Starksolebädern pro Tag in Kombination mit einem Sonnenbad, nach im Mittel etwa zwei Wochen Behandlung bei etwa 55 % der Patienten zu einer PASI 75-Reduktion führte und bei 87 % zu einer PASI 50-Reduktion... Die Studie von Harari et al. zeigt, dass der therapeutische Effekt durch längeren Aufenthalt am Toten Meer noch gesteigert werden könnte. So hatten nach vier Wochen alle Patienten eine PASI-Reduktion um 50 %, 76 % hatten eine PASI 75-Reduktion und 63 % beendeten die Studie mit einer PASI-Reduktion um 100 %... (vgl. Appendix, aaO, S. 61).

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Ähnliche Erfolge konnten allerdings auch mit anderen therapeutischen Maßnahmen erzielt werden. So erreichten etwa 50 - 75 % aller mit UV-B-Phototherapien behandelten Patienten eine mindestens 75 %ige Verbesserung des PASI nach vier bis sechs Wochen, häufig wurde bei ihnen eine vollständige Erscheinungsfreiheit erzielt (vgl. Appendix, aaO, S. 58).

47

Bei der beschriebenen wissenschaftlichen Erkenntnislage lässt sich im Ergebnis nichts dafür objektivieren, dass es dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechen würde, anstelle der bewilligten Maßnahme in der deutschen Fachklinik eine Maßnahme am Toten Meer zu bewilligen. Angesichts der dargelegten rechtlich gebotenen längerfristigen Ausrichtung rehabilitativer Maßnahmen kommt es ohnehin nicht auf einen vorübergehenden Behandlungserfolg etwa nach zwei oder vier Wochen an, sondern darauf, ob über längere Zeiträume hinweg mit nachhaltigen positiven Auswirkungen auf den Gesundheitszustand zu rechnen ist. Es sind nach Aktenlage keine wissenschaftlichen Erkenntnisse mit hinreichender Verlässlichkeit dafür zu objektivieren, dass die in Betracht kommenden Maßnahmen am Toten Meer insoweit mit entsprechend dauerhaften Erfolgen verbunden sind. Noch weniger ist hinreichend verlässlich etwas dafür zu erkennen, dass in der gebotenen längerfristigen Perspektive diesbezüglich durchgreifende Vorteile im Vergleich zu einer herkömmlichen Behandlung in einer deutschen Fachklinik zu verzeichnen sein könnten.

48

Dies würde schon dann gelten, wenn bei der Antragstellerin allein die Psoriasiserkrankung behandlungsbedürftig wäre. Tatsächlich weist sie aber auch weitere gesundheitliche Beeinträchtigungen auf. Es liegt bei ihr im Ergebnis ein komplexes Krankheitsgeschehen vor, welches in besonderem Maße für die Befolgung eines ganzheitlichen Behandlungsansatzes im Rahmen rehabilitativer Maßnahmen spricht, wie dies in deutschen Fachkliniken auch angestrebt wird.

49

Schon der Hausarzt verweist auf eine psychische Komorbidität insbesondere auch in Form eines psychovegetativen Erschöpfungssyndroms. Der Rheumatologe Dr. I. hebt insbesondere auch einen hohen Schmerzmittelkonsum hervor, wobei sich nach Aktenlage mangels nachvollziehbarer konkreter Abklärung gar nicht abschließend überblicken lässt, ob dies noch im Rahmen eines sinnvollen Einsatzes entsprechender Medikamente erfolgt oder ob nicht tendenziell schon die Gefahr eines Schmerzmittelabusus in Betracht zu ziehen ist.

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Darüber hinaus verweist Dr. I. in seinem Arztbrief vom 8. Juni 2022 auf Schwierigkeiten bei der Abgrenzung von Synovitiden und enthesiopatischen Beschwerden (vgl. zum Begriff der Enthesopathie: Eine krankhafte Störung im Bereich der Stelle am Knochen, an der eine Sehne oder eine Gelenkkapsel ansetzt, wird Enthesopathie genannt. Sie ist in der Regel schmerzhaft. Die Erkrankungen der Sehnen treten in erster Linie als nicht entzündliche Erkrankungen im Bereich der Sehnen selbst auf. Man spricht von der so genannten Tendinose, vgl. https://www.reha-freienwalde.de/beh-weichteil-4.htm). Damit spricht er im Ergebnis Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen entzündlichen und nicht entzündlichen Beeinträchtigungen an, was im Ergebnis dafür spricht, dass auch Beschwerden im Gelenkbereich außerhalb der Arthritis psoriatica in Betracht zu ziehen sind. Soweit dieser Arzt darüber hinaus auch Schwierigkeiten bei einer Abgrenzung zum „Schmerzbild“ zum Ausdruck bringt, dürfte jedenfalls die Verdachtsdiagnose einer eigenständigen Schmerzerkrankung anklingen (vgl. auch die in dem Attest angesprochenen Auffälligkeiten im Bereich der sog. Tenderpoints, welche oft im Zusammenhang mit einer sog. Fibromyalgieerkrankung abgeklärt werden).

51

Nur ergänzend sei angemerkt, dass ohnehin auch bei Psoriasiserkrankungen Wechselwirkungen zwischen Psyche und Haut in Betracht zu ziehen sind (vgl. etwa https://www.aerzteblatt.de/archiv/34406/Hautkrankheiten-Wechselwirkung-zwischen-Haut-und-Psyche). Auch vor diesem Hintergrund erscheint eine sorgfältige Abklärung möglicher psychischer Komorbiditäten, wie sie in der von der Antragstellerin favorisierten Einrichtung am Toten Meer nach Aktenlage überhaupt nicht erbracht werden kann, nachdrücklich indiziert.

52

Gerade in Anbetracht des komplexen Krankheitsgeschehens stellt sich die von der Antragsgegnerin bewilligte ganzheitlich ausgerichtete stationäre Maßnahme in einer spezialisierten Rehabilitationsklinik im Rahmen der insoweit allein möglich prognostischen Einschätzung als Mittel der Wahl dar. Nach derzeitigem Streitstand ist davon auszugehen, dass gerade auch im Interesse der Antragstellerin damit im Rahmen des (bei einer im Ergebnis nicht heilbaren Erkrankung, vgl. auch den Befundbericht von Dr. G. vom 7. Juni 2022) Möglichen Erfolge bei der Linderung der gesundheitlichen Beeinträchtigung auch im Sinne einer möglichst langfristigen Sicherung einer weiteren möglichst umfassenden Teilnahme am Leben in der Gesellschaft und am Erwerbsleben zu erzielen sind.

53

Auch den zur Glaubhaftmachung von Seiten der Antragstellerin vorgelegten medizinischen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte vermag der Senat keine an hinreichend gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse anknüpfende Grundlage für eine Einschätzung zu entnehmen, dass an Stelle der bewilligten Behandlung in einer spezialisierten Fachklinik eine letztlich eher symptomatisch ausgerichteten Behandlung insbesondere in Form von Massagen, Kaltschlammapplikationen und einer Balneotherapie, wie sie 2019 während des letzten Aufenthaltes der Antragstellerin am Toten Meer erfolgt ist (vgl. den von der Antragstellerin vorgelegten Bericht vom 22. Mai 2019), in der gebotenen längerfristigen Betrachtung nachhaltigere Erfolge verspricht.

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Bezeichnenderweise macht bereits der Umstand, dass sich die Antragstellerin nicht einmal ein Jahr nach Ablauf der 2019 gewährten Maßnahme wieder an die Krankenkasse mit der Bitte um Bewilligung einer weiteren Maßnahme gewandt hat, deutlich, dass die Maßnahme im Ergebnis gerade nicht die unter Rehabilitationsgesichtspunkten anzustrebenden längerfristigen sich über Jahre erstreckenden Erfolge nach sich gezogen hat. Unter Rehabilitationsgesichtspunkten nach Maßgabe der dabei gebotenen längerfristigen Prognose spricht schon der Zeitablauf tendenziell eher für einen Nichterfolg im Hinblick auf die anzustrebende längerfristige Teilhabeförderung als für einen entsprechenden Erfolg der 2019 durchgeführten Maßnahme. Dies kann natürlich nicht dafür Anlass sein, unkritisch eine Wiederholung dieser Maßnahme für erforderlich zu erachten.

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Nur ergänzend sei angemerkt, dass es der Antragstellerin natürlich freisteht, (auf eigene Kosten) Urlaubswochen am Toten Meer zu verbringen, soweit sie sich (etwa anknüpfend an den auch in den vorgelegten ärztlichen Stellungnahmen herangezogenen Begriff einer „Klimaheilbehandlung“) nach eigener Einschätzung positive gesundheitliche Auswirkungen schon eines Aufenthalts im dortigen Klima versprechen mag. Bei vielen Krankheitsbildern sind die Betroffenen nicht selten der Einschätzung, dass einige Wochen in einem besonderen Klima wie etwa am Meer oder im Gebirge sich positiv auswirken. Allein entsprechende subjektive Erfahrungen bieten aber keine hinreichende Grundlage für die Annahme eines Anspruchs auf Bewilligung von rehabilitativen Maßnahmen in einem entsprechenden Klima. Dementsprechend ist nicht weiter darauf einzugehen, dass auch unabhängig vom konkreten klimatischen Umfeld schon ein mehrwöchiger Urlaub als solcher (und auch vielfach eine mehrwöchige medizinische Maßnahme in einem urlaubsähnlichen Ambiente) nicht selten mit einer Linderung chronischer Beeinträchtigungen verbunden sein kann.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 


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