Urteil vom Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (6. Senat) - L 6 AS 34/15


Tenor

1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 11. Dezember 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Freistellung der Kläger von den Kosten eines Widerspruchsverfahrens in Höhe von 177,25 €.

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Die Klägerin zu 1., ihr am ... 2009 geborener Sohn J… (Kläger zu 2.) sowie der am ... 2010 geborene Sohn E… (Kläger zu 3.), die eine Bedarfsgemeinschaft bilden, beziehen von dem Beklagten Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Mit bestandskräftigem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.07.2011 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen an die Kläger im betreffenden Zeitraum vom 1. März 2011 bis 30. April 2011 teilweise auf. Für die Klägerin zu 1) ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 175,80 €, für den Sohn J ein Erstattungsbetrag in Höhe von 62,96 € sowie für den Sohn E ein Betrag in Höhe von 62,96 €. Daraus ergab sich eine Gesamtforderung in Höhe von 301,72 €. Der an die Klägerin zu 1. adressierte Bescheid enthält den weiteren Hinweis, dass der Bescheid, soweit er ihre Kinder betreffe, an die Klägerin zu 1. als gesetzlichen Vertreter ergehe. In einem weiteren Verfahren erklärte sich der Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 (Verfahren W-56304-00136/12; 00137/12 betreffend die Bescheide vom 8. Mai 2012 und vom 25. Mai 2012) bereit, die im Widerspruchsverfahren entstandenen und notwendigen Aufwendungen zu 2/3 zu erstatten. Des Weiteren wurde die Zuziehung des Bevollmächtigten als notwendig anerkannt. Die Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte daraufhin mit Schreiben vom 19. September 2012, die Kläger aus den im Einzelnen bezeichneten Kostenrechnungen freizustellen. Beigefügt war die an die Klägerin zu 1. adressierte, das Widerspruchsverfahren W 136/12 und W 137/12 (Bescheide vom 8. Mai 2012 und vom 25. Mai 2012) betreffende Rechnung 0163.12 vom 19. September 2012, welche nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) eine Geschäftsgebühr (Nr. 2400 VV RVG) für 3 Auftraggeber in Höhe von 384,00 € zuzüglich einer Post- und Telekommunikationspauschale (Nr. 7002 VV RVG) in Höhe von 20,00 €, zusammen 404,00 €, aufführte, und hiervon 2/3 = 269,33 € zuzüglich 19% Umsatzsteuer in Höhe von 51,17 €, insgesamt einen Betrag in Höhe von 320,50 € ausweist.

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Die Dienstanweisungen der Bundesagentur für Arbeit (BA) regeln unter Ziffer 11. Abs. 1, dass vor einer Auszahlung von zu erstattenden Kosten im Vorverfahren und außergerichtlichen Kosten in Sozialgerichtsverfahren stets zu prüfen ist, ob gegen den Kläger Forderungen seitens der BA bestehen. Soweit die BA Forderungen gegen den Kostengläubiger hat, ist eine Aufrechnungsmöglichkeit nach § 387 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu prüfen. Ziffer 11. Abs. 2 sieht vor, dass, sofern eine Aufrechnung in Betracht kommt, diese nicht mit hoheitlichen Mitteln (Verwaltungsakt) erfolgt, sondern mittels einseitiger Willenserklärung. Dementsprechend teilte der Beklagte der Klägerin zu 1. mit Schreiben vom 04.10.2012 mit, dass die Kosten in Höhe von 320,50 € erstattungsfähig seien, dieser Anspruch jedoch gegen die Forderung aus dem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 11.07.2011 in Höhe von 177,25 € aufgerechnet werde (175,80 € sowie 1,45 € Mahngebühren). Der Differenzbetrag in Höhe von 143,25 € wurde an die Prozessbevollmächtigte der Kläger ausgezahlt.

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Nach erfolgloser Zahlungsaufforderung vom 09. Oktober 2012 unter Bezugnahme auf den beigefügten Berechtigungsschein der Beratungshilfestelle bei dem Amtsgericht B ... (Az.: 10a UR II 262/12) vom 29.Juni.2012, in dem als betreffende Angelegenheit das Widerspruchsverfahren gegen das Jobcenter - Bescheid vom 25. Mai.2012 – bezeichnet ist, haben die Kläger am 3. Januar 2013 Klage beim Sozialgericht Trier (SG) erhoben. Die Kläger vertreten die Auffassung, die Aufrechnung gehe schon mangels Gleichartigkeit der Ansprüche ins Leere. Zudem würde nur bei von der Prozessbevollmächtigten vertretenen Leistungsempfängern in dieser Weise verfahren, was einen Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) darstelle. Die Aufrechnung sei auch nach Sinn und Zweck der Kostenvorschriften ausgeschlossen. Der Beklagte hat vorgetragen, bei dem Kostenerstattungsanspruch handele es sich um eine Forderung, die auf Geld gerichtet sei. Die Forderungen seien als Ansprüche auf Geld gleichartig. Der Aufrechnung stehe weder § 43 SGB II noch § 51 i. V. m. § 54 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entgegen. Auch ein Verstoß gegen Art. 3 GG liege nicht vor. Die Aufrechnung werde generell in Verfahren mit Bevollmächtigten angewandt, sofern eine offene Forderung des Mandanten bestehe.

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Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 11. Dezember 2013 den Beklagten verurteilt, die Kläger von ihrer Verbindlichkeit aus der Rechtsanwaltsgebühren-Rechnung Nr. 0163.12 der jetzigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 177,25 € freizustellen. Die Klage sei als Leistungsklage zulässig und auch in der Sache begründet. Der Anspruch gegen den Beklagten auf Freistellung von ihrer noch bestehenden Verbindlichkeit aus der genannten Rechtsanwaltsgebühren-Rechnung ergebe sich aus einer entsprechenden Anwendung der §§ 63 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) i. V. m. 257 BGB. Der Anspruch sei nicht durch die mit Schreiben vom 4.Oktober.2012 erklärte Aufrechnung erloschen. Es mangele an der vorausgesetzten Gleichartigkeit der Forderungen. Der Anspruch auf Erstattung überzahlter Leistungen sei eine Geldforderung, während der geltend gemachte Anspruch auf Freistellung von einer Geldforderung gerade keine Geldforderung darstelle (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2009 – IX ZR 135/08). § 257 BGB, der mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch im Bereich des Aufwendungsersatzes i. S. v. § 63 SGB X entsprechend anzuwenden sei, sehe jedoch auch die Möglichkeit vor, Befreiung von der Verbindlichkeit zu verlangen. Der Annahme des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen, auch gegen einen solchen Anspruch könne eine Aufrechnung erfolgen (Urteil vom 4. März 2013 – L 19 AS 85/13 – juris, Rn. 40) könne angesichts der eindeutigen Gesetzes- und Rechtsprechungslage nicht gefolgt werden. Auch die in der zitierten Entscheidung des Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen aufgestellte Behauptung, die Vorschrift des § 257 BGB sei auf den „verfahrensrechtlichen“ Aufwendungsersatz aus § 63 SGB X überhaupt nicht anwendbar, sei nicht überzeugend. Es sei kein sachliches Differenzierungskriterium ersichtlich, die Vorschrift des § 257 BGB nicht entsprechend auf Aufwendungsersatzansprüche gemäß § 63 SGB X anzuwenden. Offenbleiben könne dabei, ob in der Zusicherung der Kostenerstattung im Widerspruchsbescheid bereits eine Zusicherung i. S. d. § 34 Abs. 1 SGB X zu sehen sei. Die Auffassung, der Befreiungsanspruch sei „bereits durch die Kostenentscheidung des Beklagten im Widerspruchsbescheid erfüllt worden, der konkrete Auszahlungsanspruch durch die Aufrechnung werde hierdurch nicht berührt“, sei nicht überzeugend, denn es fehle ja gerade am Eintritt einer Erfüllungswirkung. Der Prozessbevollmächtigte könne vielmehr von den Klägern weiterhin den noch offenen Vergütungsbetrag einfordern.

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Zur Begründung der vom Landessozialgericht auf die Beschwerde des Beklagten zugelassenen Berufung (Beschluss vom 23. Juni 2014) verweist der Beklagte auf die Rechtsprechung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, wonach die Vorschrift des § 257 BGB auf den verfahrensrechtlichen Aufwendungsersatz des § 63 SGB X überhaupt nicht anwendbar sei. In weiteren Rechtsstreitigkeiten habe das Sozialgericht Trier ebenfalls darauf hingewiesen, dass die Anwendung des § 257 BGB im Sozialrecht problematisch sei. Denn der Aufwendungsbegriff sei zumindest im Zivilrecht auf freiwillige Vermögensopfer beschränkt, die der Gläubiger des Anspruchs im Interesse eines Dritten für erforderlich halten durfte und getätigt habe. Die Beauftragung eines Anwalts zur Durchsetzung von Ansprüchen mit den aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag anfallenden Ansprüchen werde daher im Zivilrecht nicht als Unterfall des Aufwendungsersatzes angesehen, weil sie auch im Falle des Klageerfolgs ausschließlich im eigenen Interesse des Klägers erfolgt sei. Zumindest in den Fällen, in denen der Anspruch des Bevollmächtigten bereits beziffert sei, sei fraglich, ob es einer „entsprechenden“ Rechtsanwendung des § 257 BGB noch bedürfe.

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Der Beklagte beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 11. Dezember 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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hilfsweise,

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Schriftsatznachlass zur Vorlage einer Erklärung der Kläger betreffend die Ermächtigung zur Geltendmachung der Forderung aufgrund des erteilten richterlichen Hinweises.

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Unter dem Begriff der Aufwendungen i. S. d. § 63 SGB X seien auch Kosten eines Bevollmächtigten zu verstehen. Mit Rechnungstellung entstehe ein fälliger, einredefreier Anspruch des Rechtsanwalts gegenüber dem Mandanten. Daher könne der Widerspruchsführer im Rahmen des § 63 SGB X verlangen, von der Vergütungsforderung seines Rechtsanwalts freigestellt zu werden (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen vom 5. Mai 2009 – L 1 AL 13/08 unter Hinweis auf § 257 BGB). Auf die tatsächliche Zahlung des Mandanten komme es nicht an. Die geschuldete Naturalrestitution bestehe im Falle der Beauftragung eines Rechtsanwalts in erster Linie in der Freistellung von den Kosten des Bevollmächtigten, weil bei Beauftragung eines Rechtsanwalts zuerst der Zahlungsanspruch des Bevollmächtigten gegenüber dem Mandanten bestehe. Einer entsprechenden Anwendung des § 257 BGB bedürfe es daher nicht. Nach der Rechtsprechung des BGH seien durch den Gläubiger bislang nicht gezahlte Rechtsverfolgungskosten mit der Klage auf Befreiung geltend zu machen (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – VI ZR 63/10). Auch in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei geklärt, dass auch im Sozialrecht § 257 BGB Anwendung finde.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten. Diese waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung.

Entscheidungsgründe

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Die form- und fristgerecht (§ 145 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten ist als Berufung (§ 145 Abs. 5 SGG) begründet.

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Das Sozialgericht Trier hat im Ergebnis zu Unrecht entschieden, dass den Klägern ein Freistellungsanspruch von weiteren Kosten der Widerspruchsverfahren

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W 136/12/, W 137/12 in Höhe von 177,25 € gegen den Beklagten zusteht.

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Die Kläger verfolgen ihr Begehren zutreffend mit der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG). Danach kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Vorliegend begehren die Kläger die Befreiung von dem Gebührenanspruch in Höhe von weiteren 177,25 €, die der Beklagte als der Höhe nach als angemessen anerkannt hat und bezüglich derer die Zuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt wurde (vgl. § 63 Abs. 2 SGB X). Der gleichzeitigen Erhebung einer Anfechtungsklage bedurfte es nicht, weil die Aufrechnung, gegen die sich die Kläger wenden, nicht durch Verwaltungsakt, sondern - entsprechend den internen Richtlinien der BA - als schlicht-öffentliche Erklärung erfolgt ist. Dies konnte auch vom objektiven Empfängerhorizont so verstanden werden, weil weder Form (keine Bezeichnung als Bescheid, fehlende Rechtsbehelfsbelehrung) noch Formulierung der Aufrechnung auf eine Regelung durch Verwaltungsakt hinweisen.

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Der Beklagte hat im Ergebnis zu Recht eine Freistellung der Kläger von den noch verbliebenen Rechtsanwaltskosten abgelehnt, denn den Klägern steht kein dahin gehender Anspruch in dieser Höhe zu. Anspruchsinhaber sind nicht die Kläger (die Kläger zu 2. und 3. vertreten durch die Klägerin zu 1.) sondern ihre Prozessbevollmächtigte.

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Grundsätzlich steht der Anspruch auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes für ein isoliertes Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 SGB X zwar nur dem Widerspruchsführer gegenüber dem Beklagten, nicht dagegen dem Rechtsanwalt im eigenen Namen zu (vgl. Bundessozialgericht , Urteil vom 25. Februar 2010 – B 11 AL 24/08 R -, juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 2. April 2012 – L 19 AS 312/12 B -, juris; Hessisches LSG, Urteil vom 29. Oktober 2012 – L 9 AS 601/10 -; juris; LSG Berlin Brandenburg, Urteil vom 15. August 2013 – L 34 AS 53/12 -, juris; Becker, Hauck/Noftz, SGB X, § 63 Rn. 42; Gierke, Antragsbefugnis im Kostenfestsetzungsverfahren, SGb 2012, 141, 142).

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Vorliegend sind jedoch die Voraussetzungen des Forderungsüberganges gemäß § 9 Satz 2 Beratungshilfegesetz (BerGH), der auch Kostenerstattungsansprüche nach § 63 SGB X für die Vertretung in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren erfasst (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Mai 2014 – L 11 AS 1360/12 NZB-, juris; Gierke, a.a.O., S. 141), erfüllt. Nach dieser Vorschrift geht ein Anspruch des Rechtsuchenden gegen seinen Gegner auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten in Höhe der gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren auf den Rechtsanwalt über. Hierbei handelt es sich um einen gesetzlichen Anspruchsübergang, bei dem der Rechtsuchende sein Recht verliert und der Rechtsanwalt dieses Recht erwirbt. Der Rechtsanwalt tritt damit an die Stelle des Rechtsuchenden als Gläubiger des Ersatzanspruchs (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2013, a.a.O.; LSG Niedersachsen-Bremen, a.a.O.; a.A. Schafhausen, ASR 2012, 36: Vergütungsanspruch entsteht unmittelbar bei dem Bevollmächtigten).

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Gegenstand des Anspruchsübergangs nach § 9 S. 2 BerHG kann allein ein als Rechtsfolge der Regelung in § 9 S. 1 BerHG eintretender Anspruch auf Zahlung sein, nicht jedoch (lediglich) die für seine Entstehung vorausgesetzte materielle Verpflichtung des Gegners zum Kostenersatz. Eine anspruchsbegründende Verpflichtung gemäß § 9 S. 1 BerHG entsteht nicht bereits dadurch, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Erstattungsanspruch nach § 63 Abs. 1 S. 1 bis 3 SGB X vorliegen. Vielmehr konkretisiert sich die abstrakt vorgesehene Rechtsfolge des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X erst durch den Erlass eines konstitutiven Verwaltungsaktes über die Kostenerstattung (Kostengrundentscheidung) zu einem einklagbaren subjektiv-öffentlichen Recht des jeweiligen Widerspruchsführers auf Ersatz seiner Aufwendungen, das nach § 63 Abs. 3 Satz 1 SGB X seinerseits Voraussetzung für eine nachfolgende bezifferte Kostenfestsetzung ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. Juli 2014 – L 15 AS 281/10-, juris unter Bezugnahme auf Roos, in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010, § 63 Rn. 31 ff.).

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Vorliegend waren die Voraussetzungen gemäß § 9 S. 1 BerHG für die Entstehung eines nach Satz 2 der Vorschrift übergehenden Anspruchs erfüllt. Denn in dem Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 wurde eine Kostengrundentscheidung zugunsten der Kläger getroffen, weil der Widerspruch zum größten Teil erfolgreich war. Zu den zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zählen gemäß § 63 Abs. 2 SGB X regelmäßig die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwaltes, soweit die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war, was der Beklagte ebenfalls anerkannt hat. Mit dem Anspruchsübergang, der nach Erhalt des Berechtigungsscheins vom 29. Juni 2012 mit der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 ausgelöst worden ist, waren daher nicht mehr die Kläger, sondern war ihre Prozessbevollmächtigte Gläubiger des Erstattungsanspruchs. Der Anspruchsübergang betrifft die gesamten Kosten der Widerspruchsverfahren W-56304-00136/12, 00137/12, die mit der Rechnung 0163.12 vom 19. September 2012 abgerechnet wurden, denn der Berechtigungsschein vom 29. Juni 2012 bezieht sich nicht nur auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25. Mai 2012, sondern, weil - durch diesen Bescheid abgeändert – auch auf den gegen den Bescheid vom 8. Mai 2012 erhobenen Widerspruch, über den der Beklagte ebenfalls mit Widerspruchsbescheid vom 31. August 2012 entschieden hat. Die Prozessbevollmächtigte hat den Erstattungsanspruch auch nicht an die Kläger rückabgetreten.

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Der Senat brauchte schließlich dem aufgrund richterlichen Hinweises auf die Rechtslage gestellten Hilfsantrag der Kläger auf Schriftsatznachlass zur Vorlage einer Erklärung, mit der diese zur Geltendmachung der Forderung ermächtigt werden sollten, nicht nachzukommen. Die Kläger wären durch eine solche gewillkürte Prozessstandschaft infolge einer Ermächtigung zwar prozessführungsbefugt; jedoch mangelte es ihnen an dem für diese gewillkürte Prozessstandschaft vorausgesetzten schützenswerten Interesse, das Verfahren in eigenem Namen zu führen (vgl. Weth in Musielak/Voit, ZPO, 12. Aufl. 2015, § 51, Rn. 27). Denn die Kläger als vormalige Widerspruchsführer haben kein erkennbares rechtliches oder wirtschaftliches Interesse daran, dass ihre Prozessbevollmächtigte einen Wahlanwaltsvergütungsanspruch gegen die erstattungspflichtige Behörde durchsetzen kann. Aufgrund von § 44 RVG, 8 Abs. 2 Satz 1, § 9 Satz 3 BerHG wären die Kläger selbst dann nicht verpflichtet, eine Vergütung an die Rechtsanwältin zu leisten, wenn diese von anderen Stellen keine Zahlung erhielte (vgl. Gierke, a.a.O., S. 142 unter Bezugnahme auf OLG Köln, Beschluss vom 5.Mai.2008 – 17 W 57/08 -, juris).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Revisionszulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.

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