Urteil vom Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht (3. Senat) - L 3 AL 7/14

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 5. Februar 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Klägerin begehrt die Gewährung von Insolvenzgeld nach dem Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III).

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Die 1978 geborene Klägerin stand vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2010 in einem Beschäftigungsverhältnis als Raumpflegerin bei der Firma K... in A... Im Rahmen einer Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Elmshorn, Az. .../10, verpflichtete sich der Arbeitgeber am 7. Januar 2011 in einem Vergleich zur Zahlung von Insolvenzgeldesamt 1.600,00 EUR netto. Am 21. Februar 2011 wurde über das Vermögen des Arbeitgebers das Insolvenzverfahren eröffnet.

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Am 14. Juli 2011 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin bei der Beklagten für die Monate September bis Dezember 2010 die Gewährung von Insolvenzgeld in Höhe von jeweils netto 400,00 EUR. Auf Nachfrage der Beklagten erklärte der Prozessbevollmächtigte, dass seine Zwangsvollstreckungsabteilung mit der Beitreibung der Forderung beauftragt war, im Rahmen des Beitreibungsverfahrens Kenntnis von der Insolvenz erhalten und die Forderung am 11. März 2011 bei dem Amtsgericht Meldorf, Az. …/11) angemeldet habe. Mit Bescheid vom 1. August 2011 lehnte die Beklagte den Antrag ab und führte zur Begründung aus, die Klägerin bzw. ihr Anwalt habe ausweislich der Anmeldung zur Insolvenztabelle bereits am 11. März 2011 Kenntnis von der Insolvenz gehabt. Nach § 324 Abs. 3 SGB III sei der Insolvenzgeldantrag jedoch innerhalb von 2 Monaten nach dem Insolvenztag zu stellen. Der Antrag vom 14. Juli 2011 sei mithin verspätet.

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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erhob Widerspruch und führte aus, dass ein Mandatsverhältnis lediglich in Bezug auf die Beitreibung der streitgegenständlichen Forderung, nicht aber in Bezug auf die Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld bestanden habe. Mit Schreiben vom 2. März 2011 habe der Insolvenzverwalter Rechtsanwalt H... mitgeteilt, dass über das Vermögen des K... das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei. Die Klägerin habe bis zur Mitteilung durch einen Kollegen des Büros der Zwangsvollstreckungsabteilung keine Kenntnis vom entsprechenden Insolvenzverfahren gehabt. Die Kenntnisse der Zwangsvollstreckungsabteilung des Rechtsanwaltes von der Insolvenz seien ihr – der Klägerin - aufgrund des begrenzten Mandatsverhältnisses nicht zuzurechnen.

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Den Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 4. August 2011 zurück. Bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer die Fristversäumnis zu vertreten habe, sei ihm das Verschulden bzw. die Kenntnis seines Bevollmächtigten zuzurechnen. Gerade in Fällen, in denen der Bevollmächtigte mit der Durchsetzung von Arbeitsentgeltansprüchen beauftragt sei, sei es dem Arbeitnehmer – hier der Klägerin – zuzurechnen, wenn der Prozessbevollmächtigte sie nicht darauf hinweise, dass ein Antrag auf Insolvenzgeld zu stellen sei.

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Die Klägerin hat am 11. August 2011 Klage bei dem Sozialgericht Itzehoe erhoben und zur Begründung vorgetragen: Sie habe im arbeitsgerichtlichen Verfahren einen Titel gegen ihren ehemaligen Arbeitgeber erstritten und ihren Bevollmächtigten im Weiteren beauftragt, die Zwangsvollstreckung hinsichtlich ihrer rückständigen Lohnforderungen zu betreiben. Die Geltendmachung von Insolvenzgeldansprüchen gegenüber der Beklagten sei nicht Gegenstand des Auftrages gewesen. Erst am 8. Juli 2011 habe sie ihrem Prozessbevollmächtigten eine Vollmacht zur Geltendmachung des Insolvenzgeldes („wegen Insolvenzgeld“) erteilt.

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Die Klägerin hat beantragt,

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1. den Bescheid der Beklagten vom 1. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 aufzuheben

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2. die Beklagten zu verurteilen, ihr Insolvenzgeld nach dem Insolvenzfall K..., A..., auf ihren Antrag vom 14. Juli 2011 hin zu gewähren.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung hat sich die Beklagte auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

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Nach Anhörung der Beteiligten zum beabsichtigten Vorgehen hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 5. Februar 2014 die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Insolvenzgeld. Sie erfülle zwar die Voraussetzungen auf Insolvenzgeld nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III; sie habe den Antrag auf Insolvenzgeld hingegen nicht rechtzeitig gestellt. Nach § 324 Abs. 3 SGB III sei Insolvenzgeld innerhalb einer Ausschlussfrist von 2 Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen, vorliegend mithin bis zum 21. April 2011. Diese Frist habe die Klägerin unstreitig versäumt. Der Klägerin sei auch keine Nachfrist im Sinne von § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III einzuräumen. Danach werde Insolvenzgeld auch geleistet, wenn der Antrag innerhalb von 2 Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt werde und der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt habe, die er nicht zu vertreten habe. Der Arbeitnehmer habe die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Das Verschulden des Bevollmächtigten stehe dabei dem Verschulden der Partei gleich (§ 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung [ZPO]). Hinsichtlich des Umfangs der Sorgfaltspflicht und der zurechenbaren Kenntnis sei zwar grundsätzlich der Umfang des Auftrags des Bevollmächtigten maßgeblich. Wie aus der Anmeldung zur Insolvenztabelle am 11. März 2011 durch den Bevollmächtigten der Klägerin ersichtlich sei, umfasste der ihm seinerzeit erteilte Auftrag auch die Durchsetzung der im arbeitsgerichtlichen Verfahren festgestellten Ansprüche der Klägerin. Bei Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Bevollmächtigte der Klägerin diese zumindest auf die rechtzeitige Stellung eines Insolvenzantrages hinweisen oder aber die Ansprüche der Klägerin durch Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld direkt geltend machen müssen.

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Gegen diesen der Klägerin am 20. Februar 2014 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich deren bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht am 21. Februar 2014 eingegangene Berufung. Zur Begründung vertieft die Klägerin ihr bisheriges Vorbringen und führt ergänzend aus: Die Klägerin treffe persönlich kein Verschulden, denn sie habe ursprünglich keine Kenntnis vom Insolvenzverfahren ihres Arbeitgebers gehabt. Die Klägerin habe ihre Bevollmächtigten zunächst lediglich mit der Titulierung der streitgegenständlichen Forderung beauftragt. Im Rahmen dieses Mandats habe der Prozessbevollmächtigte für die Klägerin einen arbeitsgerichtlichen Titel erstritten. Die Klägerin habe dann ihren Bevollmächtigten mit der Beitreibung der Forderung im Rahmen der Zwangsvollstreckung beauftragt (Vollmacht „Insolvenz“ vom 7. März 2011). Die outgesourcte Zwangsvollstreckungsabteilung – Ansprechpartner Herr L... – habe die streitgegenständliche Forderung mit Schreiben vom 9. März 2011 für die Klägerin angemeldet. Die Geltendmachung etwaiger Forderungen im Insolvenzverfahren habe dieser Auftrag nicht umfasst. Vor diesem Hintergrund sei die Auffassung des Sozialgerichts erkennbar falsch, dass der Bevollmächtigte die Klägerin zumindest auf die rechtzeitige Stellung des Insolvenzantrages hätte hinweisen oder aber die Ansprüche der Klägerin durch Stellung eines Antrages auf Insolvenzgeld direkt hätte geltend machen müssen. Die Rechtsauffassung des Gerichts würde dazu führen, dass der Bevollmächtigte ohne Mandat und ohne Auftrag seitens der Klägerin hätte tätig werden müssen. Nur bei einem entsprechenden Auftrag könne auch eine entsprechende Beratung erfolgen.

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Die Klägerin beantragt,

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den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Itzehoe vom 5. Februar 2014 sowie den Bescheid vom 1. August 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Insolvenzgeld nach dem Insolvenzfall des Herrn K..., A..., auf den Antrag vom 14. Juli 2011 zu gewähren.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie stützt das angefochtene Urteil und vertieft ihre bisherige Rechtsauffassung. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten umfasse das Anwaltsmandat zur Durchsetzung von Arbeitsgeldansprüchen auch deren insolvenzrechtliche Durchsetzung durch Anmeldung zur Insolvenztabelle sowie die Information über Insolvenzgeldansprüche und deren rechtzeitige Beantragung. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der Vollmacht vom 7. März 2011.

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Mit Beschluss vom 22. April 2014 ist der Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern übertragen worden.

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Die die Klägerin betreffende Leistungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte haben vorgelegen. Diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und des Vorbringens der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung der Klägerin, über die die Berichterstatterin zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern gemäß § 153 Abs. 5 SGG entscheiden kann, hat keinen Erfolg.

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Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist in der Sache indes nicht begründet, denn das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Insolvenzgeld, da sie den entsprechenden Antrag nicht rechtzeitig gestellt hat.

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Nach § 183 Abs. 1 Satz 1 SGB III (in der Fassung des Gesetzes vom 2. Dezember 2006 - BGBl. I S. 2742, im Folgenden: a.F.) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei

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1. Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen ihres Arbeitgebers,

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2. Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder

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3. vollständiger Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt,

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(Insolvenzereignis) für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

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Insolvenzgeld ist innerhalb einer Ausschlussfrist von zwei Monaten nach dem Insolvenzereignis zu beantragen (§ 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III). Hat der Arbeitnehmer die Frist aus Gründen versäumt, die er nicht zu vertreten hat, so wird Insolvenzgeld geleistet, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hinderungsgrundes gestellt wird. Der Arbeitnehmer hat die Versäumung der Frist zu vertreten, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht hat (§ 324 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB III).

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Das Insolvenzereignis im Sinne des § 183 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB III ist hier am 21. Februar 2011 eingetreten. Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 324 Abs. 3 Satz 1 SGB III beginnt am Tag nach dem Insolvenzereignisses zu laufen ohne Rücksicht darauf, ob das Insolvenzereignis dem Arbeitnehmer bekannt ist (ständige Rechtsprechung des BSG zur insoweit wortgleichen Bestimmung des § 141 e Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetz [AFG] i.F. des Fünften AFG-ÄndG vom 23. Juli 1979 - BGBl. I S. 1189, vgl. BSG, Urteil vom 26. August 1983 – 10 RAr 1/82 – ; BSG, Urteil vom 10. April 1985 – 10 RAr 11/84 –, juris). Diese Frist ist am 21. April 2011 abgelaufen, so dass der am 14. Juli 2011 gestellte Antrag verspätet ist. Bei der Zweimonatsfrist zur Stellung des Insolvenzgeld-Antrags handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist, so dass der Anspruch mit der Fristsäumnis erlischt (vgl. Stratmann in Niesel/Brand, SGB III, 5. Aufl., § 324 Rn. 18). Eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 3 SGB III ist vorliegend nicht eröffnet. Diese kommt nur in Betracht, wenn der Arbeitnehmer die Versäumung der Antragsfrist nicht zu vertreten hat. Diese Vorschrift stellt eine spezialgesetzliche Ausprägung des Rechtsinstituts der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X], § 67 SGG) dar (BSG, Urteil vom 4. März 1999 - B 11/10 AL 3/98 R -; BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 –, juris). Daher reicht die Unkenntnis vom Eintritt des Insolvenzereignisses, des Laufens der Antragsfrist oder der sonstigen Rechtslage nicht aus. Vielmehr muss sie unverschuldet sein, wobei für das Verschulden bereits leichte Fahrlässigkeit genügt. Maßgeblich ist, ob die Klägerin die Antragsfrist unter Außerachtlassung derjenigen Sorgfalt versäumt hat, die für einen gewissenhaft Handelnden nach den Umständen erforderlich und ihm nach seiner Persönlichkeit zumutbar ist (BSG, Urteil vom 26. August 1983 - 10 Rar 1/82 –, juris). Bei der Beurteilung, ob der Arbeitnehmer die Fristversäumnis zu vertreten hat, ist ihm grundsätzlich auch das Verschulden (und in diesem Rahmen die Kenntnis) seines Bevollmächtigten zuzurechnen (vgl. § 276 BGB, § 73 Abs. 6 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24. Februar 2010 - L 12 AL 10/09 -, Rn. 37; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24. März 2011 – L 1 AL 89/10 –, Rn. 31, juris).

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Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze war der Klägerin eine Nachfrist nach § 324 Abs. 3 Satz 2 SGB III nicht einzuräumen, weil sie sich das Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen muss.

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Ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Rahmen des ihm ursprünglich erteilten Auftrags im arbeitsrechtlichen Verfahren auch zur Beitreibung der Forderung befugt war, lässt sich nicht feststellen. Nach den Einlassungen des Prozessbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung beruhte das arbeitsrechtliche Mandat nicht auf einer schriftlichen Vollmacht und kam zudem ohne persönlichen Kontakt zustande. Grundlage des Mandats soll allein eine Mitteilung der Klägerin gegenüber einer Mitarbeiterin der Kanzlei gewesen sein. Der Umfang eines Mandats dürfte im Falle einer mündlichen Beauftragung in der Regel eher umfassender zu verstehen sein, da für den Mandanten der Umfang des Auftrages bei einer Absprache ohne jeglichen persönlichen Kontakt mit dem Prozessbevollmächtigten unklar bleiben dürfte (so auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8. Dezember 2005 – L 28 AL 167/04 – Rn. 30; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23. Juni 2009 – L 1 AL 61/07 -, Rn. 33, juris). Insoweit lässt sich bereits nicht feststellen, ob das ursprüngliche Mandat tatsächlich auf einer ausdrücklichen Eingrenzung auf das Arbeitsrecht beruhte. Zur Überzeugung des Senats kann das letztlich dahinstehen, denn jedenfalls hätte dem Prozessbevollmächtigten die Benachrichtigung der Klägerin von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens oblegen (so schon BSG, Urteil vom 29. Oktober 1992 – 10 RAr 14/91 –, Rn. 23; Chab, Anwaltshaftung in der arbeitsgerichtlichen Praxis – Anwaltsblatt 2009, S. 139, 140). Dabei kommt es entgegen den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten nicht entscheidungserheblich darauf an, ob ihm in Kenntnis der Insolvenz des Arbeitgebers eine eigene Beratungspflicht bereits im Rahmen des arbeitsrechtlichen Mandats oblag (so AG Siegburg, Urteil vom 3. September 1987 – 7 C 171/87 –, NJW-RR 1989, 155 ff). Denn es bestand ausweislich der Vollmacht vom 7. März 2011 („wegen Insolvenz“) auch ein Mandat über das Ende des arbeitsgerichtlichen Verfahrens hinaus zur Durchführung der Zwangsvollstreckung aus dem arbeitsgerichtlichen Vergleich. Nach Aktenlage ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin der protokollierte Vergleich der öffentlichen Sitzung des Arbeitsgerichts Elmshorn - .../10 – erst am 24. Februar 2011 zugestellt worden. Bereits mit Schreiben des Insolvenzverwalters Dr. H... vom 2. März 2011 hat der Prozessbevollmächtigte unter Bezugnahme auf das arbeitsgerichtliche Mandat (Az. …/05) Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen den ehemaligen Arbeitgeber der Klägerin durch Übersendung des Eröffnungsbeschlusses vom 21. Februar 2011 erlangt. Bei diesem zeitlichen Ablauf war bereits frühzeitig deutlich, dass die Mandantin des Prozessbevollmächtigten aus dem arbeitsgerichtlichen Titel nicht mit Zahlungen ihres Arbeitgebers rechnen konnte. Dem Schreiben des Insolvenzverwalters war zudem ein optisch durch Fettdruck hervorgehobener Hinweis an die Klägerin („Ich weise darauf hin, dass Ihre Mandantin einen Anspruch auf Insolvenzgeld hat und stelle anheim, sich diesbezüglich mit dem zuständigen Arbeitsamt in Verbindung zu setzen.“) zu entnehmen, so dass es ausgereicht hätte, den Schriftsatz an die Klägerin weiterzuleiten. Soweit der Prozessbevollmächtigte meint, das Schreiben des Insolvenzverwalters sei ihm ungefragt nach Abschluss des arbeitsrechtlichen Mandats übersandt worden, wobei in der Kanzlei aus Kostengründen Durchschriften anfallender Schriftsätze im Rahmen der Auftragsverhältnisse nicht an die Mandaten weitergeleitet und teilweise auch nicht zu den Aktengenommen werden, vermag dies die unterlassene Weiterleitung des Schreiben des Insolvenzverwalters des früheren Arbeitgebers und die damit einhergehende Informationspflichtverletzung nicht zu rechtfertigen (in diesem Sinne auch LSG Land Nordrhein-Westfalen Urteil vom 24. Februar 2010 – L 12 AL 10/09 -, Rn. 27, juris). Auch bei eingeschränkten Mandaten – gleich ob es sich um ein arbeitsrechtliches Mandat oder ein Mandat zur Beitreibung der Forderung im Rahmen der Zwangsvollstreckung handelt - bestehen Warnpflichten, wenn der Anwalt während der Bearbeitung eines Mandats Kenntnis von einer Ausschlussfrist unterliegenden Ansprüchen Kenntnis erlangt (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 – IX ZR 324/97 –, juris).

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Ungeachtet dessen hat die Klägerin selbst auch Kenntnis von der Insolvenz ihres Arbeitgebers erlangt und eine weitere Vollmacht „Insolvenz“ am 7. März 2011 unterzeichnet. Ob die Kenntnis der Klägerin von der Insolvenz ihres früheren Arbeitgebers eher zufällig auf einem Anruf einer Kanzleimitarbeiterin beruhte, wie die Einlassungen des Prozessbevollmächtigten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vermuten lassen, kann dahinstehen. Denn spätestens im Rahmen des der Kanzlei am 7. März 2011 erteilten weiteren Mandats „Insolvenz“ hätte es dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin oblegen, die Forderung am 9. März 2011 nicht lediglich zur Insolvenztabelle anzumelden, sondern die Klägerin auch über einen Anspruch auf Insolvenzgeld zu informieren. Es erscheint lebensfremd, das Mandat „Insolvenz“ ausschließlich auf die Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle begrenzen zu wollen, zumal sich eine so verstandene Begrenzung aus dem in der Vollmacht verwandten Begriff „Insolvenz“ nicht ergibt und der Insolvenzverwalter in seinem dem Mandat vom 7. März 2011 zugrundeliegenden Schreiben vom 2. März 2011 ausdrücklich – neben der Anmeldung des Anspruchs zur Insolvenztabelle - auch auf den Anspruch auf Insolvenzgeld gegenüber der Beklagten hingewiesen hat. Der Einwand der „outgesourcten Zwangsvollstreckungsabteilung“ überzeugt in diesem Zusammenhang nicht, zumal die Einlassungen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Kanzleiorganisation nicht geeignet sind, sich zu exkulpieren (vgl. BSG Beschluss vom 14. August 2012 – B 6 KA 10/12 B -, Rn. 9, juris).

34

Mit dem weiteren Auftrag „Insolvenz“ am 7. März 2011 war zudem die Kenntnis der Klägerin von der Insolvenz ihres früheren Arbeitgebers noch innerhalb der zweimonatigen Ausschlussfrist verbunden. Dass die Klägerin ggf. keine Kenntnis von einem Insolvenzgeldanspruch und der diesbezüglichen Ausschlussfrist hatte, da das Schreiben des Insolvenzverwalters vom 2. März 2011 nicht an die Klägerin weitergeleitet worden ist, spielt insoweit keine Rolle. Denn eine solche Unkenntnis rechtfertigt nicht ein „Nichtvertretenmüssen“ der Versäumung einer gesetzlichen Ausschlussfrist. Spätestens im Rahmen des Mandatsverhältnisses „Insolvenz“ hätte sich die Klägerin um umfassenden Rechtsrat zur Durchsetzung ihrer Ansprüche bemühen müssen (BSG, Urteil vom 10. April 1985 – 10 RAr 11/84 –, Rn. 16; BSG, Urteil vom 04. März 1999 – B 11/10 AL 3/98 R –, Rn. 17, juris).

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.


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