Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (5. Senat) - L 5 AS 269/12 B ER

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 17. April 2012 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2012.

2

Der am 1963 geborene Antragsteller bezog vom Antragsgegner in der Vergangenheit ausweislich der Angaben in der Gerichtsakte laufend Leistungen nach dem SGB II in Höhe von zuletzt 569,82 EUR. Auf seinen Weiterbewilligungsantrag zum 1. April 2012 bewilligte der Antragsgegner dem Antragsteller keine Leistungen mehr.

3

Unter dem 27. März 2012 hat der Antragsteller bei dem Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht und die Gewährung von Leistungen in gesetzlicher Höhe begehrt. Im Erörterungstermin am 12. April 2012 hat er klargestellt, es gehe um die Weitergewährung in bisheriger Höhe. Mit Beschluss vom 17. April 2012 hat das SG den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache verpflichtet, dem Antragsteller vom 1. April bis zum 30. September 2012 monatlich 456,00 EUR zu gewähren und hat den Antrag im Übrigen abgewiesen. Im Wege der Folgenabwägung würden 80% der vormals gewährten Leistungen zugesprochen. Ausweislich der Rechtsmittelbelehrung sei gegen diesen Beschluss die Beschwerde zum Landessozialgericht Sachsen-Anhalt möglich.

4

Der Antragsteller hat gegen den ihm 17. April 2012 zugestellten Beschluss am 16. Mai 2012 Beschwerde beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt und beantragt, den Antragsgegner unter Abänderung des Beschlusses des SG zu verpflichten, ihm weitere Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2012 in Höhe von monatlich 113,82 EUR zu gewähren. Zudem hat der beantragt, ihm Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren zu bewilligen.

5

Der Senat hat den Antragsteller darauf hingewiesen, dass die Beschwerde unstatthaft sein dürfte, da der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR nicht übersteige. Daraufhin hat der Antragsteller seinen angekündigten Antrag und die ursprüngliche Beschwerdebegründung korrigiert und ausgeführt, der Antragsgegner müsse statt der in der Vorzeit gewährten 195,82 EUR insgesamt 396,71 EUR für Kosten der Unterkunft und Heizung bewilligen. Im Ergebnis gehe es ihm damit um monatliche Mehrleistungen gegenüber dem SG-Beschluss in Höhe von 314,71 EUR, so dass die Beschwerde zulässig sei.

II.

6

1. Die Beschwerde ist unzulässig und daher zu verwerfen.

7

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der hier maßgeblichen, seit dem 1. April 2008 gültigen Fassung ist die Beschwerde in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung nicht zulässig wäre. Die nach ihrem Wortlaut nicht völlig eindeutige Regelung des § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ist nach ihrer Systematik dahingehend zu verstehen, dass die Beschwerde dann ausgeschlossen ist, wenn die Berufung in der Hauptsache nicht kraft Gesetzes ohne Weiteres zulässig wäre, sondern erst noch der Zulassung bedürfte (ständige Rechtsprechung des Senats: Beschluss vom 7. Oktober 2009 – L 5 AS 293/09 B ER – juris).

8

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG ist die Berufung zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 EUR übersteigt. Dies ist hier nicht der Fall.

9

Nach dem Begehren bei Einlegung der Beschwerde ging es dem Antragsteller um die Gewährung von weiteren 113,82 EUR monatlich für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2012, mithin also um einen Betrag von (nur) 682,92 EUR.

10

Die erst im weiteren Verlauf des Beschwerdeverfahrens begehrte Mehrzahlung von Kosten der Unterkunft und Heizung ist bei der Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstands nicht zu berücksichtigen, denn dieses Begehren war nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens. Insoweit handelt es sich um eine (unzulässige) Antragserweiterung. Maßgeblich für die Bestimmung des Beschwerdewertes ist derjenige Wert, mit dem der Beschwerdeführer durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert ist und was er mit seinem Antrag in der Rechtsmittelinstanz weiterverfolgt Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 144 Rn. 14). Maßgeblicher Zeitpunkt ist der der Einlegung des Rechtsmittels (Leitherer a.a.O. Rn. 19; Beschluss des Senats vom 3. April 2009 – L 5 B 589/08 AS ER – juris). Vorliegend hat der Antragsteller in der nichtöffentlichen Sitzung am 12. April 2012 erklärt, dass er die Weitergewährung der bisher bewilligten 569,82 EUR im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehre. Nachdem das SG dem Antrag in Höhe von 456,00 EUR entsprochen hat, hat der Antragsteller auch in seiner Beschwerde zunächst nur die Differenz zwischen 569,82 EUR und 456,00 EUR, nämlich 113,82 EUR pro Monat geltend gemacht. Insoweit hat er sein Begehren beziffert.

11

Die Erhöhung des Beschwerdewerts im Beschwerdeverfahren nach dem Hinweis des Senats, dass die Beschwerde unstatthaft sein dürfte, führt nicht zur Statthaftigkeit der Beschwerde. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Berechnung des Wertes des Beschwerdegegenstandes in der Rechtsmittelinstanz ist der Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels (§ 202 SGG i.V.m. § 4 Zivilprozessordnung (ZPO)). Eine nachträgliche Veränderung des Beschwerdewertes würde grundsätzlich auch nicht zur Zulässigkeit der Berufung führen (LSG Berlin, Urteil vom 5. Mai 2004 - L 9 KR 1093/01 - juris; BAG, Beschluss vom 4. Juni 2008 - 3 AZB 37/08 – juris; Leitherer a.a.O. Rn. 20).

12

Aus der unzutreffenden, von einer Zulässigkeit der Beschwerde ausgehenden Rechtsmittelbelehrung des SG folgt keine Statthaftigkeit der Beschwerde (BSG, Urteil vom 18. Januar 1978 - 1 RA 11/77 - Breithaupt 1978, 996, 998; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 66 Rn. 12a).

13

2. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist nicht begründet, da die gemäß § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 ff. ZPO erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussichten nicht gegeben sind. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 1. verwiesen.

14

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG. Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG endgültig.


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