Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (5. Senat) - L 5 AS 179/12 B

Tenor

Die Beschwerden werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

I.

1

Die Klägerin begehrt die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Beklagten zur Vollstreckung einer Forderung aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen. Das Sozialgericht Dessau-Roßlau hat mit Beschlüssen vom 13. und 14. Januar 2011 aufgrund des Kostenanerkenntnisses des Beklagten in zwei sozialgerichtlichen Klageverfahren die von diesem der Klägerin zu erstattenden Kosten auf je 166,60 EUR festgesetzt. Mit Schreiben vom 23. November 2011 hat die Klägerin jeweils einen Antrag auf Androhung von Zwangsgeld gemäß § 201 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Sozialpflicht gestellt. Der Beklagte solle angehalten werden, die offenen Forderungen zu begleichen. Mit Beschlüssen vom 27. März 2012 hat das Sozialgericht die Anträge abgelehnt. Sie seien unzulässig. § 201 SGG finde nur bei Verpflichtungsurteilen Anwendung sowie bei einstweiligen Anordnungen, mit der einer Behörde eine Verpflichtung auferlegt werde. Die Vollstreckung eindeutig bestimmter Geldforderungen erfolge dagegen gemäß § 198 SGG i.V.m. § 882a Zivilprozessordnung (ZPO). Vollstreckungsgericht sei das Amtsgericht.

2

Gegen die Beschlüsse hat die Klägerin am 24. April 2012 Beschwerde eingelegt. Die Nichtanwendung der Regelungen des § 201 SGG in den vorliegenden Fällen sei mit dem Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes und den dazu ergangenen Eingangsbestimmungen des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches Allgemeiner Teil (SGB I) unvereinbar. In Angelegenheiten der Grundsicherung den Hilfeempfänger wegen seiner Gebührenerstattungsansprüche auf die ordentliche Gerichtsbarkeit zu verweisen, widerspreche den Absichten des Gesetzgebers, die Rechtsverfolgung kostenfrei zu gestalten. Aus einem erfolgreich geführten Rechtsstreit resultierende Gebührenerstattungsansprüche überträfen sehr oft die Ansprüche auf Grundsicherung selbst, so dass bei deren Nichterfüllung durch die Behörde ein erfolgreich verlaufender Rechtsstreit zu einer noch größeren Rechtsbeeinträchtigung führen würde, als dies durch die ursprüngliche Rechtsverletzung durch die Behörde der Fall gewesen sei. Dies könne nur dadurch vermieden werden, dass § 201 SGG auch für Kostenerstattungsansprüche angewandt wird.

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Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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unter Aufhebung der Beschlüsse des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 27. März 2012 in den Verfahren S 2 AS 4001/09 und S 2 AS 502/09 den Beklagten zur Erfüllung seiner Verpflichtung aus den Kostenfestsetzungsbeschlüssen vom 13. und 14. Januar 2011 aufzufordern und jeweils ein Zwangsgeld bei Nichterfüllung anzudrohen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Beschwerde zurückzuweisen.

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Er verweist auf die Gründe des angegriffenen Beschlusses des Sozialgerichts.

8

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

9

Die nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegten und nach § 172 Abs. 1 SGG statthaften Beschwerden sind unbegründet. Das Sozialgericht hat zu Recht die Anträge auf Festsetzung eines Zwangsgeldes abgelehnt.

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Kommt die Behörde in den Fällen des § 131 SGG der im Urteil auferlegten Verpflichtung nicht nach, so kann das Gericht des ersten Rechtszugs nach § 201 SGG auf Antrag unter Fristsetzung ein Zwangsgeld bis zu tausend Euro durch Beschluss androhen und nach vergeblichem Fristablauf festsetzen. Über den Wortlaut der Regelung hinaus findet eine Zwangsvollstreckung in Form einer Androhung eines Zwangsgeldes bei einem Leistungsurteil in Form eines Grundurteils im Sinne von § 130 Satz 1 SGG statt (BSG, Beschluss vom 6. August 1999, B 4 RA 25/98 B, Rn. 13, Juris). Denn solche Urteile sind mit den vom Wortlaut des § 201 SGG direkt erfassten Arten von Verpflichtungsurteilen als "verkappte" Verpflichtungsbescheidungsurteile in ihrem vollstreckungsrechtlich bedeutsamen Inhalt rechtlich identisch, lediglich anders benannt (vgl. BSG, a.a.O., Rn. 22, Juris). Vollstreckt werden soll nach § 201 SGG folglich eine in der Regel nicht vertretbare Handlung der Behörde (s. auch § 888 ZPO).

11

Davon zu unterscheiden sind Vollstreckungen, die eine Geldforderung zum Gegenstand haben. Für diese sind nach § 198 Abs. 1 SGG die Regelungen des Achten Buches der ZPO entsprechend anzuwenden, soweit sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Eine Sonderregelung ist aus den oben genannten Gründen im SGG nicht enthalten. Mithin ist für die Vollstreckung der Forderung aus dem Kostenfestsetzungsbeschluss das Amtsgericht als Vollstreckungsgericht nach § 828 Abs. 1 ZPO zuständig.

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Dem steht entgegen der klägerischen Ansicht nicht die in § 183 SGG geregelte Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entgegen. Diese bezieht sich zum einen allein auf die Gerichtskosten des Verfahrens (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 183, Rn. 3). Nicht erfasst ist mithin das eigenständige Vollstreckungsverfahren. Der Vollstreckungsgläubiger wird zum anderen finanziell nicht belastet, denn die notwendigen Kosten der Zwangsvollstreckung fallen dem Schuldner zur Last. Sie sind zugleich mit dem zur Zwangsvollstreckung stehenden Anspruch beizutreiben (§ 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO.). Es besteht zudem die Möglichkeit, Prozesskostenhilfe für das Zwangsvollstreckungsverfahren zu beantragen.

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Die Beschwerden unterlagen mithin der Zurückweisung.

14

Die Kostenentscheidungen beruhen auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

15

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).


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