Beschluss vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 411/11

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

1

Zwischen den Beteiligten ist die Versicherungspflicht des Klägers nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (Gesetzliche Rentenversicherung - SGB VI) streitig.

2

Der am ... 1956 geborene Kläger ist seit dem 1. August 1990 als selbstständiger Gastronom tätig. Zuvor war er bis zum 31. Juli 1990 als Werkzeugmacher versicherungspflichtig beschäftigt.

3

Er beantragte am 13. Februar 2006 bei der Beklagten die Klärung seines Versicherungskontos. Auf dem Formantrag ist unter 3.1 angegeben: "Von: ab- Bis: 01.08.1990 Selbstständiger (Imbiß/Gastronom) später befreit. Nachweise über Beitragszahlung werden Ggfs.nachgereicht". Ausweislich des Vermerks auf Blatt 4 der Verwaltungsakte der Beklagten teilte der Kläger am 17. Mai 2006 telefonisch mit, Beiträge vom 1. August 1990 bis zum 31. Dezember 1991 gezahlt zu haben; die Belege seien aber durch seinen dreimaligen Umzug abhanden gekommen. Über ein Befreiungsschreiben verfüge er auch nicht.

4

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2006 wies die Beklagte den Kläger auf eine seit Januar 1992 fortbestehende Versicherungspflicht hin und bat um Mitteilung, auf welcher Grundlage die Beitragsberechnung erfolgen solle. Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 24. Januar 2007 teilte der Kläger daraufhin mit, die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt zu haben, und legte ein an die "LVA S." gerichtetes und von ihm unterzeichnetes Schreiben vom 30. August 1991 mit folgendem Inhalt vor: "Betrifft Befreiung aus der gesetzlichen Rentenversicherung Sehr geehrte Damen und Herren, hiermit beantrage ich meine Befreiung aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 01.01.1992. Meine 216 Pflichtbeträge habe ich einbezahlt. (siehe Anlage) Auch zukünftig werde ich Mindestbeiträge einbezahlen." Darüber hinaus legte er die Durchschrift eines Überweisungsbeleges vom 21. Februar 1992 mit Eingangsstempel 24. Februar 1992 bei der Volksbank L. eG über den Betrag von 654,50 DM vor. Als Empfänger ist die Landesversicherungsanstalt (LVA) S. und als Verwendungszweck "Vers. Nr ... Nachzahlung Aug. - Dez. 1990 Pflichtbeitr." angegeben. Mit Schreiben vom 10. März 2007 teilte der Kläger ergänzend mit, zu dem Zeitpunkt, als er den Antrag auf Befreiung von der gesetzlichen Rentenversicherung bei der LVA S., der Rechtsvorgängerin der Beklagten, in L. eingereicht habe, habe dort ein "heilloses Durcheinander" für die jeweiligen Zustellungsbereiche bestanden. Einen Bescheid bzw. eine Rückantwort zu seinem Antrag habe er nicht erhalten.

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Im Rahmen der Ermittlungen der Beklagten teilte die Deutsche Rentenversicherung Bund unter dem 6. Februar 2007 mit, ihr lägen keine Unterlagen des Klägers vor. Das Finanzamt N. gab mit Schreiben vom 21. März 2007 zur Kenntnis, der Kläger habe ausweislich des Steuerbescheides vom 2. September 1996 im Jahr 1991 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 47.015,00 DM erzielt. Unter dem 23. April 2007 legte es eine Übersicht über die aus Gewerbebetrieb erzielten Einkünfte des Klägers für die Jahre 2001 bis 2004 vor.

6

Mit Bescheid vom 8. Mai 2007 stellte die Beklagte die über den 31. Dezember 1991 hinaus fortbestehende Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 229a Abs. 1 SGB VI auf Grund seiner selbstständigen Tätigkeit im Beitrittsgebiet fest. Sie forderte Beiträge jeweils in Höhe des maßgebenden Regelbeitrages entsprechend der beigefügten Beitragsrechnung für die Zeit vom 1. Dezember 2001 bis zum 31. Mai 2007 in Höhe von insgesamt 25.951,88 EUR.

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Zur Begründung seines hiergegen am 15. Mai 2007 erhobenen Widerspruchs führte der Kläger aus, aufgrund seines Befreiungsantrags, den er am 30. August 1991 und damit in der Frist des § 229a Abs. 1 Satz 2 SGB VI gestellt habe, sei zum 1. Januar 1992 das Ende der Versicherungspflicht gemäß § 229a Abs. 1 Satz 3 SGB VI eingetreten.

8

Mit Bescheid vom 24. Juli 2007 forderte die Beklagte Pflichtbeiträge von Dezember 2001 bis Juni 2007 einschließlich der Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 26.633,28 EUR. Die Mitarbeiterin der Beklagten, Frau G., tätig beim Standort L., teilte telefonisch am 28. August 2007 mit, in L. existierten keine Anträge, die nicht im Versicherungskonto erfasst seien. Jeder Antrag sei einer Akte zugeordnet und dabei statistisch erfasst worden. Der vom Kläger behauptete Antrag liege in S. folglich nicht vor.

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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25. September 2007 als unbegründet zurück. Die Bescheide vom 24. Juli, 23. August und 20. September 2007, mit denen die bereits fälligen Beiträge gefordert worden seien, seien gemäß § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des anhängigen Widerspruchsverfahrens geworden. Nach § 10 Abs. 1 des Gesetzes über die Sozialversicherung (SVG) seien alle selbstständig Tätigen im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig gewesen. Ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 20 SVG wäre möglich gewesen. Die Behauptung des Klägers, einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht bei der LVA L. am 30. August 1991 gestellt zu haben, sei nicht nachgewiesen. Nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast trage jeder die Beweislast für die Tatsache, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründe. Die Beiträge für den Zeitraum bis zum 30. November 2001 könnten nicht mehr gezahlt bzw. gefordert werden, da diese verjährt seien.

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Hiergegen hat der Kläger am 23. Oktober 2007 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben. Aufgrund seines Antrags vom 30. August 1991 sei zum 2. September 1991 das Ende seiner Versicherungspflicht gemäß § 230 Abs. 3 Satz 3 SGB VI, spätestens jedoch - wie von ihm beantragt - zum 1. Januar 1992, eingetreten. Nach den Verkehrsanschauungen sei mit dem Zugang des Antrags, den er am 30. August 1991 im Beisein seiner am 6. Dezember 1993 verstorbenen Ehefrau in einen Briefkasten geworfen habe, spätestens am 2. September 1991 bei der Beklagten zu rechnen gewesen. Im Weiteren hat der Kläger vorgetragen, der für ihn damals tätige Steuerberater Diplom-Ökonom J. K. habe ihn seinerzeit dahingehend beraten, bei der Rentenversicherung einen dort persönlich einzureichenden Befreiungsantrag zu stellen. Er habe deshalb in Begleitung seiner Ehefrau den Befreiungsantrag an einem Behördensprechtag mit Parteiverkehr, seiner Erinnerung nach an einem Dienstag, in die Geschäftsräume der Beklagten nach L. gebracht. Er habe nach dem Tod seiner Ehefrau im Rahmen des Witwen- und Waisenrentenverfahrens regelmäßig gegenüber der Beklagten seine Einkünfte nachgewiesen. Diese habe deshalb den Unterlagen unschwer entnehmen können, dass er wegen der Befreiung eigene Rentenversicherungsbeiträge nicht leiste. Er mache im Übrigen geltend, dass die von der Beklagten geforderten Beiträge verwirkt seien. Schließlich habe sich die Beklagte trotz Kenntnis bzw. Kennenmüssens hinsichtlich der Nichtzahlung der Beiträge zur Rentenversicherung erst nach mehr als 15 Jahren nach Einstellung der Beitragszahlungen durch ihn gemeldet, obwohl er einen entsprechenden Befreiungsantrag gestellt habe und zudem seit dem 6. Dezember 1993 eine große Witwenrente von der Deutschen Rentenversicherung Bund beziehe.

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Die Beklagte hat die Beitragsbescheide vom 23. Oktober, 22. November, 18. Dezember 2007, 23. Januar, 21. Februar und 19. März 2008 vorgelegt und mitgeteilt, diese seien Gegenstand des Streitverfahrens geworden.

12

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenerklärung von Diplom-Ökonom K. zu der Behauptung des Klägers, 1991 einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt zu haben. Diplom-Ökonom K. hat mit Schreiben vom 8. September 2011 mitgeteilt, er habe den Kläger als gewerblichen Mandanten im Rahmen der steuerlichen Beratung auch auf die Problematik des Versicherungsstatus in der gesetzlichen Rentenversicherung angesprochen. Er habe ihn seiner Erinnerung nach auf die Möglichkeit eines Ausscheidens hingewiesen, da auch schon damals eine private Altersvorsorge im Vergleich zur gesetzlichen Rentenversicherung als "ertragreicher" angesehen worden sei. Der Kläger habe dies selbst erledigen wollen, zumal ihm als Steuerberater ein Tätigwerden in sozialrechtlichen Belangen nicht erlaubt sei. Aktennotizen oder sonstige schriftliche Unterlagen existierten darüber allerdings nicht.

13

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung beim Sozialgericht am 25. Oktober 2011 beantragt, "den Bescheid der Beklagten vom 08.05.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.09.2007 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit 01.01.1992 von der Versicherungspflicht befreit ist".

14

Mit Urteil vom 25. Oktober 2011 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen. Der Kläger unterliege der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Er sei nicht nach § 20 SVG von der Versicherungspflicht befreit. Er habe den Zugang des Befreiungsantrages bei der Beklagten nicht nachweisen können. Darüber hinaus seien auch die übrigen Befreiungsvoraussetzungen des § 20 SVG nicht vorgetragen bzw. nachgewiesen worden. Das Bestehen einer anderen Versicherung mit einem Anspruch auf gleichwertige Leistungen gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 SVG habe der Kläger auf die gerichtliche Anfrage nicht vorgetragen. Ihm könne auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Antragsfrist gewährt werden. Objektive Gründe, die ihn an der Einhaltung der gesetzlichen Fristen gehindert hätten, seien nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht ergebe sich zudem nicht im Wege eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs. Die bloße Einstellung von Beitragszahlungen begründe keine Pflicht der Beklagten zur Einzelberatung. Schließlich sei die Beitragsforderung der Beklagten auch nicht verwirkt. Diese habe keine Vertrauensgrundlage geschaffen; eine bloße Untätigkeit sei als Verwirkungsverhalten nicht ausreichend.

15

Gegen das ihm am 6. Dezember 2011 zugestellte Urteil hat der Kläger an demselben Tag Berufung beim Sozialgericht Halle eingelegt, welches diese an das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt weitergeleitet hat. Er wende sich weiterhin gegen eine Versicherungspflicht als selbstständig Tätiger ab dem 1. Januar 1992 in der gesetzlichen Rentenversicherung. Anhand des Überweisungsbeleges vom 21. Februar 1992 könne er beweisen, dass er Rentenbeiträge für August bis Dezember 1990 nachgezahlt habe. Da bei der Beklagten bzw. der Deutschen Rentenversicherung Bund jedoch für den Zeitraum vor 2006 keine Unterlagen über ihn vorhanden seien, führe dies für den Nachweis des Zugangs des Befreiungsantrags vom 30. August 1991 bei der Beklagten zu einer Beweislastumkehr. In Fällen, in denen es dem Anspruchsteller regelmäßig unmöglich sei, den Vollbeweis für einen Anspruch zu führen, weil die nötigen Beweismittel dazu regelmäßig und gewöhnlich in der Hand des Anspruchsgegners seien, erfolge eine solche Beweislastumkehr, wie in Arzt- und Produkthaftungsprozessen. Fehlten Rentenversicherungsunterlagen, zu deren Aufbewahrung die Beklagte verpflichtet sei, gehe dies zu ihren Lasten. Ferner hat er angegeben, 1992 und früher habe "eine Lebensversicherung Allianz" bestanden. Unterlagen hierzu ließen sich nicht mehr beschaffen.

16

Der Kläger beantragt ausdrücklich,

17

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 25. Oktober 2011 und den Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2007 und die Bescheide vom 24. Juli, 23. August und 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. September 2007 aufzuheben und festzustellen, dass er in seiner selbstständigen Tätigkeit als Gastronom ab 1. Januar 1992 nicht der Versicherungspflicht unterliegt,

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die Beweislast umzukehren und

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hilfsweise, den Zeugen K. als Zeugen zu vernehmen zu der Tatsache, dass er ihm zur Befreiung von der Versicherungspflicht geraten hat.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

22

Sie hält das Urteil des Sozialgerichts und ihren angefochtenen Bescheid für zutreffend.

23

Die Beklagte hat am 26. Februar 2013 mitgeteilt, die Versicherungsnummer des Klägers sei am 18. Oktober 1990 vergeben worden; der Grund für die Vergabe sei nicht feststellbar. 1990/1991 seien sämtliche Datenbestände der DDR-Rentenversicherung übernommen und aufgearbeitet worden. Sofern Unterlagen vorhanden gewesen seien, seien damals Versicherungsnummern auch ohne konkreten Anlass vergeben worden. Im Versicherungsverlauf des Klägers seien ab August 1990 keine Pflichtbeiträge mehr verbucht. Die auf dem Überweisungsbeleg vom 21. Februar 1992 angegebene Bankleitzahl sei nicht korrekt gewesen. Deshalb sei anzunehmen, dass das Geld dem Kläger von seiner Bank wieder zurücküberwiesen worden sei.

24

In der mündlichen Verhandlung am 29. Mai 2013 hat der Kläger die Vorsitzende Richterin und die beiden beisitzenden Richterinnen wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Das Gesuch gegen die beiden beisitzenden Richterinnen hat er am 18. Juni 2013 zurückgenommen, das Gesuch gegen die Vorsitzende Richterin ist mit Beschluss vom 6. September 2013 als unbegründet zurückgewiesen worden.

25

Mit dem ihm nachweislich vor dem 16. Oktober 2013 zugegangenen Richterbrief vom 23. September 2013 ist der Kläger sodann darauf hingewiesen worden, dass der Senat die Berufung einstimmig für unbegründet sowie eine (weitere) mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält und beabsichtigt, den Rechtsstreit durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG zu entscheiden. Der Beklagten ist eine Abschrift des Anschreibens zugestellt worden.

26

Der Kläger hat sich mit Schreiben vom 16. Oktober 2013 gegen eine Verfahrensweise des Senats nach § 153 Abs. 4 SGG gewandt. Im Hinblick auf die am 9. Mai 2013 stattgefundene mündliche Verhandlung des Senats finde diese Vorschrift keine Anwendung. Darüber hinaus bestehe die Notwendigkeit der Durchführung einer weiteren mündlichen Verhandlung, da der Sachverhalt nicht ausermittelt sei.

27

Die Beklagte hat sich hierzu nicht geäußert.

28

Mit Beschluss vom 27. November 2013 hat der Senat den Antrag des Klägers vom 28. Oktober 2013 auf Aussetzung des Verfahrens nach § 100 Grundgesetz (GG) abgelehnt.

29

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Verwaltungsakten der Deutschen Rentenversicherung Bund die verstorbene Ehefrau des Klägers betreffend (VSNR.), die sämtlich Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senates waren, Bezug genommen.

II.

30

Der Senat konnte durch Beschluss über die Berufung des Klägers entscheiden und diese zurückweisen, weil sie nach der Beurteilung der beteiligten Berufsrichter unbegründet und eine (weitere) mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist sowie die Beteiligten vorher gehört worden sind (§ 153 Abs. 4 Satz 1 SGG). Die Durchführung der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2013 steht der Entscheidung des Senats durch Beschluss nicht entgegen (vgl. Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl. 2012 § 153 Rdnr. 15a; Littmann in Lüdtke, SGG Kommentar 3. Aufl. 2009, § 153 Rdnr. 41; Hennig, SGG, Stand August 2009, § 153 Rdnr. 67). Denn der Senat ist nach der mündlichen Verhandlung am 9. Mai 2013 wieder in das vorbereitende Verfahren eingetreten, hat über den Aussetzungsantrag des Klägers durch Beschluss entschieden und danach eine weitere mündliche Verhandlung nicht für erforderlich erachtet.

31

Die Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

32

Gegenstand des Verfahrens sind der Bescheid über die Feststellung der Versicherungspflicht vom 8. Mai 2007 einschließlich der diesem angefügten Beitragsrechnung sowie - auf Grund der von der Beklagten vorgenommenen Verbescheidung im Rahmen des Widerspruchsbescheides - die Beitragsbescheide vom 24. Juli, 23. August und 20. September 2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. September 2007. Diese Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

33

Nicht zu beanstanden ist, dass die Beitragsbescheide, die dem Widerspruchsbescheid vom 25. September 2007 folgten und die Beitragsrückstände mitteilten bzw. mit denen weitere monatliche Beiträge unter Angabe einer Gesamtforderung gefordert wurden, nicht in das Klageverfahren einbezogen worden sind. Denn der Kläger wendet sich ausdrücklich gegen die Entscheidung der Beklagten über seine Einbeziehung in die gesetzliche Rentenversicherung und macht seine Befreiung hiervon geltend.

34

Nach § 229a Abs. 1 SGB VI in der Fassung des Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1791) bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren, nicht ab dem 1. Januar 1992 nach den §§ 1 bis 3 SGB VI versicherungspflichtig geworden sind und nicht bis zum 31. Dezember 1994 beantragt haben, dass die Versicherungspflicht enden soll, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des jeweiligen Leistungsbezugs versicherungspflichtig. Diese Vorschrift knüpfte an § 229a Abs. 1 Satz 1 SGB VI in der vom 1. Januar 1992 bis zum 31. Juli 2004 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 47 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25. Juli 1991, BGBl. I S. 1606) an, der einen Fortbestand der Versicherungspflicht unter den vorgenannten Voraussetzungen ohne Vorgabe eines Stichtags für die Versicherungspflicht nach §§ 1 bis 3 SGB VI als Ausschlussgrund vorsah. Gleichzeitig trat nach Satz 2 dieser Regelung bei einem Befreiungsantrag bis zum 30. Juni 1992 das Ende der Versicherungspflicht vom 1. Januar 1992, bei einem vom 1. Juli 1992 bis zum 31. Dezember 1994 gestellten Antrag vom Antragseingang an ein.

35

Für die Frage einer Versicherungspflicht des Klägers am 31. Dezember 1991, die Voraussetzung seiner Versicherungspflicht nach § 229a Abs. 1 SGB VI wäre, hat die Beklagte zutreffend auf § 10 SVG abgestellt. Das SVG vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr. 38 S. 486) trat nach § 84 SVG am 1. Juli 1990 in Kraft. Die am 30. Juni 1990 geltenden Rechtsvorschriften zur Sozialversicherung waren unter Berücksichtigung der Bestimmungen dieses Gesetzes anzuwenden (§ 1 Satz 1 SVG). Nach § 10 Abs. 1 SVG unterliegen Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht unterliegt, der Versicherungspflicht, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Personen, die eine selbständige Tätigkeit ausüben, werden nach § 20 Abs. 1 Satz 1 SVG auf Antrag innerhalb von fünf Jahren nach erstmaliger Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit von der Versicherungspflicht unter bestimmten Voraussetzungen befreit.

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Gleichzeitig galten für den Versicherungszweig der gesetzlichen Rentenversicherung die Regelungen des SVG noch bis zum 31. Dezember 1991 weiter (Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 2, 3 und 4 Einigungsvertrag) und es traten die Regelungen über die Versicherungspflicht im SGB VI in Kraft (Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet H Abschnitt III Nr. 1).

37

Der Gesetzgeber hat in Art. 35 Abs. 3 des Gesetzes zur Herstellung der Rechtseinheit in der gesetzlichen Renten- und Unfallversicherung vom 25. Juli 1991 (BGBl. I 1606) vor In-Kraft-Treten der Regelungen über die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung im SGB VI im Beitrittsgebiet für den Zeitraum vom 1. August bis zum 31. Dezember 1991 (Art. 42 Abs. 8 des Gesetzes) bestimmt, dass § 10 SVG nicht mehr gilt, soweit er regelt, dass auch andere als die in § 2 oder § 229a Abs. 2 SGB VI genannten selbstständig Tätigen durch Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit in der Rentenversicherung versicherungspflichtig werden.

38

Für den Senat steht fest, dass der Kläger als selbstständiger Gastronom ab 1. August 1990 nach § 10 SVG versicherungspflichtig war. Er gehörte weder zu dem nach § 2 SGB VI noch dem nach § 229a Abs. 2 SGB VI erfassten Personenkreis und hat darüber hinaus die selbstständige Tätigkeit vor dem 1. August 1991 aufgenommen.

39

Nach § 10 SVG in den vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden - gleichlautenden - Fassungen vom 28. Juni 1990 (GBl. I Nr. 38 S. 486) und vom 25. Juli 1991 (BGBl. I S. 1606) sind Personen, die Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielen, das entsprechend den Rechtsvorschriften der Beitragspflicht unterliegt, pflichtversichert, soweit in Rechtsvorschriften nichts anderes bestimmt ist. Gemäß § 19 SVG in der vom 3. Oktober 1990 bis zum 31. Dezember 1991 geltenden Fassung sind Personen in der Rentenversicherung frei, die geringfügig oder geringfügig selbstständig tätig sind.

40

Eine geringfügige Beschäftigung liegt nach § 5 Abs. 1a SVG vor, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als 15 Stunden in der Woche ausgeübt wird und das Arbeitsentgelt regelmäßig im Monat ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße (§ 6 SVG) nicht übersteigt. Aus § 5 Abs. 3 SVG ergibt sich, dass entsprechendes gilt, wenn anstelle einer Beschäftigung eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt wird.

41

Die monatliche Bezugsgröße betrug gemäß § 6 Abs. 1 SVG ab dem 1. Juli 1990 1.400,00 DM. Mit dem Beitritt der neuen Bundesländer blieb es bis zum 31. Dezember 1990 bei dieser Bezugsgröße (Anlage I Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 1 c). Die Fortschreibung erfolgte dann zunächst durch Rechtsverordnung ab dem 1. Januar 1991 mit 1.540,00 DM und ab dem 1. Juli 1991 mit 1.750,00 DM (Aichberger Textsammlung Sozialversicherungswerte 4/11).

42

Der Kläger erzielte von Januar bis Dezember 1991 aus seiner selbstständigen Tätigkeit mehr als geringfügige Einkünfte, d.h. mehr als 220,00 DM bzw. ab dem 1. Juli 1991 mehr als 250,00 DM monatlich. Dies ergibt sich aus dem Schreiben des Finanzamtes N. vom 21. März 2007 unter Bezugnahme auf den Steuerbescheid vom 2. September 1996 für das Jahr 1991.

43

Nach § 229a Abs. 1 SGB VI in der bis zum 31. Juli 2004 geltenden Fassung bleiben Personen, die am 31. Dezember 1991 im Beitrittsgebiet versicherungspflichtig waren und nicht nach den §§ 1 bis 3 versicherungspflichtig sind, in der jeweiligen Tätigkeit oder für die Zeit des jeweiligen Leistungsbezuges versicherungspflichtig. Selbstständig Tätige und mitarbeitende Familienangehörigen können jedoch bis zum 31. Dezember 1994 beantragen, dass die Versicherungspflicht nach Satz 1 endet. Das Ende der Versicherungspflicht tritt vom 1. Januar 1992 ein, wenn der der Antrag bis zum 30. Juni 1992 gestellt wird, sonst vom Eingang an. Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 SVG ist Voraussetzung für die Befreiung, dass der selbstständig Tätige Anspruch auf Leistungen, die den Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung gleichwertig sind, aus einer anderen Versicherung hatte. Der Kläger konnte bereits nicht darlegen, dass für ihn bereits 1991 bzw. 1992 eine entsprechende Lebensversicherung bestand. Er verfügt über keine Unterlagen mehr. Für den Abschluss einer solchen Versicherung trägt er die Konsequenzen der Nichterweislichkeit.

44

Der Kläger hat darüber hinaus weder vor dem 31. Dezember 1991 noch später einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht gestellt. Bei dem Antrag handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung im Sinne des § 130 Abs. 1 Satz 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Eine solche Erklärung wird erst dann wirksam, wenn sie dem Erklärungsgegner zugeht. Nach § 130 Abs. 3 BGB finden die Vorschriften auch Anwendung, wenn die Willenserklärung einer Behörde gegenüber abzugeben ist. Auch für den Zugang des - fristgerechten - Antrags bei der Beklagten trifft den Kläger die objektive Beweislast. Den Zugang des von ihm behaupteten Befreiungsantrages vom 30. August 1991 bei der LVA L. hat der Kläger nicht nachweisen können. Eine Anfrage bei der Deutschen Rentenversicherung Bund in B. hat ergeben, dass entsprechende Unterlagen über einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht dort nicht vorliegen. Im Übrigen ist der Vortrag des Klägers über das Gelangen des Befreiungsantrages in den Machtbereich der LVA S. in L. bereits in sich widersprüchlich. Zunächst hat er angegeben, er habe den Antrag an die LVA S. versandt und ihn dazu im Beisein seiner Ehefrau in den Briefkasten geworfen. Später hat er vorgetragen, den Antrag in Begleitung seiner Ehefrau persönlich während der Geschäftszeiten bei der LVA in L. abgegeben zu haben. Allein die Behauptung des Klägers, er habe diesen Antrag ordnungsgemäß - sei es mit per Post oder persönlich - an die LVA versandt, lässt jedoch für sich betrachtet keinen Rückschluss auf den Zugang bei dieser zu. Zweifel über den Zugang hätte der Kläger vermeiden können, wenn er das Schriftstück förmlich zugestellt, durch Einschreiben mit Rückschein übermittelt hätte oder sich den Eingang hätte persönlich bestätigen lassen.

45

Falls der Kläger das Schreiben vom 30. August 1991 tatsächlich abgesendet bzw. persönlich bei der LVA abgegeben haben sollte, ist ihm vorzuhalten, dass er nichts weiter unternommen hat. Einem rechtlich nicht versierten selbstständigen Gastwirt kann zugemutet werden, dass er sich um seine geschäftlichen Belange kümmert. Auch als juristischer Laie hätte er wissen müssen, dass eine öffentlich-rechtliche Körperschaft auf einen Antrag mit einem Bescheid oder zumindest mit einem einfachen Brief reagiert hätte. Es ist nicht erklärbar, weshalb der Kläger keine Sachstandanfrage bei der LVA tätigte, nachdem diese als Adressat eines bedeutsamen Schreibens nicht innerhalb angemessener Zeit auf das Schreiben reagiert hatte. Hinzu kommt, dass er in dem Schreiben vom 30. August 1991 ausdrücklich darauf verwiesen hat, weiterhin zukünftig Mindestbeiträge einzubezahlen. Auch diesbezüglich hat er nichts weiter unternommen und nicht mehr bei der Beklagten hinsichtlich der Aufrechterhaltung seines Versicherungsschutzes wegen Erwerbsminderung mit Mindestbeiträgen nachgefragt.

46

Entgegen der Auffassung des Klägers hat keine Beweislastumkehr zu erfolgen. Die Unerweislichkeit einer Tatsache geht nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast, wenn das Gericht im Rahmen der Amtsermittlung alle Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft hat, grundsätzlich zu Lasten des Beteiligten, der aus ihr eine ihm günstige Rechtsfolge herleiten will (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 103 Rdnr. 19a m.w.N.; Urteil des erkennenden Senats vom 10. November 2010 - L 3 R 88/10 - juris). Die Beklagte hat den Beweis des Klägers weder vereitelt noch erschwert; auch ist die Beweisführung nicht unmöglich, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich der Beklagten abgespielt haben und diese an der ihr möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat. Vielmehr war der Kläger durch die Beratung seines Steuerberaters über seine Versicherungspflicht und die Möglichkeit der Beendigung derselben aufgeklärt worden. Er hätte dafür Sorge tragen müssen, dass der Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht nachweislich der damaligen LVA zugeht, und auf eine Verbescheidung desselben drängen müssen. Der Beklagten ist kein Fehlverhalten vorzuwerfen.

47

Der Senat war nicht gehalten, Diplom-Ökonom K. als Zeugen zu vernehmen. Dieser hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage bereits nicht bestätigen können, dass der Kläger einen Befreiungsantrag bei der Beklagten gestellt hat. Die vom Kläger unter Beweis gestellte Tatsache, dass ihm Diplom-Ökonom K. ausdrücklich zur Stellung eines Befreiungsantrages geraten hat, ist nicht entscheidungserheblich. Darüber hinaus geht der Senat aufgrund der schriftlichen Zeugenaussage des Diplom-Ökonom K. davon aus, dass dieser den Kläger seinerzeit auf die Möglichkeit des Ausscheidens aus der gesetzlichen Rentenversicherung als selbstständig Tätiger und die Vorteile einer privaten Altersvorsorge hingewiesen hatte. Der Senat hat keinen Zweifel, dass der Kläger über seine Versicherungspflicht als Selbstständiger, die Möglichkeit der Befreiung von derselben sowie über die anstelle der gesetzlichen Versicherung notwendige private Altersvorsorge informiert gewesen ist.

48

Die Beklagte hat erstmals im Rahmen des Kontenklärungsverfahrens am 13. Februar 2006 von der selbstständigen Tätigkeit des Klägers ab August 1990 erfahren. Dem steht nicht der Umstand entgegen, dass der Kläger im Rahmen der Einkommensanrechnung beim Bezug der Witwerrente gegenüber der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte - BfA - angegeben hat, Arbeitseinkommen als Gastwirt zu beziehen. Er hat jedenfalls keine Angaben zum Beginn seiner selbstständigen Tätigkeit vor dem 1. Januar 1992 gemacht.

49

Der Umstand, dass an den Kläger nach Auskunft der Beklagten bereits am 18. Oktober 1990 eine Versicherungsnummer vergeben wurde, lässt im Übrigen auch keine Rückschlüsse darauf zu, dass er von der Versicherungspflicht befreit worden ist. Am 18. Oktober 1990 hatte die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin nach dem eigenen Vortrag des Klägers keine Kenntnis von dessen selbstständiger Tätigkeit, so dass die Vergabe nicht im Zusammenhang mit der Tätigkeit des Klägers als Gastronom und erst recht nicht in Verbindung mit dem vom Kläger behaupteten Befreiungsantrag erfolgt sein kann.

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Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 231 Abs. 6 Satz 1 SGB VI, da ein entsprechender Antrag bis zum 30. September 2001 nicht vorlag. Nach dieser Vorschrift konnten Personen, die am 31. Dezember 1998 eine versicherungspflichtige selbständige Tätigkeit ausgeübt haben, auch befreit werden, wenn sie - neben anderen Voraussetzungen - glaubhaft machten, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt von der Versicherungspflicht keine Kenntnis hatten. Nach § 231 Abs. 6 Satz 2 SGB VI ist die Befreiung bis zum 30. September 2001 zu beantragen und wirkt vom Eintritt der Versicherung an. Erstmalig hat die Beklagte jedoch erst im Rahmen der Vorsprache des Klägers bei der Beklagten am 24. Januar 2007 Kenntnis von dem Schreiben vom 30. August 1991 und damit von einem Antrag des Klägers auf Befreiung von der Versicherungspflicht erhalten.

51

Die Vorschrift des § 230 Abs. 3 SGB VI findet keine Anwendung, da sie Übergangsvorschriften zur Versicherungsfreiheit kraft Gesetzes enthält; der Kläger gehört nicht zum Personenkreis des § 230 Abs. 3 SGB VI.

52

Die von der Beklagten eingeforderten Beiträge ab 1. Dezember 2001 waren nicht verjährt. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der bis zum 31. Dezember 2005 gültigen Fassung werden Beiträge, die nach dem Arbeitsentgelt oder dem Arbeitseinkommen zu bemessen sind, spätestens am 15. des Monats fällig, der dem Monat folgt, in dem die Beschäftigung oder Tätigkeit, mit der Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt wird, ausgeübt worden ist oder als ausgeübt gilt. Der Beitrag für Dezember 2001 ist damit spätestens am 15. Januar 2002 fällig gewesen und wäre nach der vierjährigen Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 2006 verjährt. Durch das bereits im Jahr 2006 eingeleitete Beitragsverfahren ist die Verjährung gemäß § 198 Satz 2 SGB VI zu unverjährter Zeit unterbrochen bzw. gehemmt worden. Ein die Verjährung von Beitragsforderungen zur gesetzlichen Rentenversicherung unterbrechendes Beitragsverfahren liegt bereits bei einer darauf bezogenen, in die Sphäre des Betroffenen hineinwirkenden tatsächlichen Tätigkeit der Behörde vor; einer förmlichen Kenntnisverschaffung des Betroffenen darüber bedarf es nicht (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 R 19/09 R - juris). Eine solche Tätigkeit stellt das vom Kläger am 13. Februar 2006 in Gang gesetzte Kontenklärungsverfahren dar.

53

Die aufgrund der Versicherungspflicht vom Kläger zu leistenden Beiträge sind zudem nicht verwirkt. Grundsätzlich sind strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten zu stellen, weil dem Interesse des Beitragsschuldners, das Ausmaß der wirtschaftlichen Belastung durch Beitragsforderungen in Grenzen zu halten, bereits durch die "kurze" vierjährige Verjährungsfrist gemäß § 25 Abs. 1 SGB IV hinreichend Rechnung getragen wird (BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - 13 R 67/09 R - juris). Das Rechtsinstitut der Verwirkung gilt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung und findet seinen Ausfluss im Grundsatz von Treu und Glauben. Für die Nachforderung von Versicherungsbeiträgen für zurückliegende Zeiten findet das Rechtsinstitut auch Anwendung im Sozialversicherungsrecht. Voraussetzung ist, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechtes während längerer Zeit unterlassen hat und weitere besondere Umstände des Einzelfalles die verspätete Geltendmachung des Rechtes dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dieser werde das Recht nicht mehr geltend machen, und wenn der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, weshalb ihm eine verspätete Durchsetzung des Rechtes einen unzumutbaren Nachteil bringen würde. Bloßes Nichtstun des Berechtigten reicht als Verwirkungsverhalten regelmäßig nicht aus. Vielmehr muss ein konkretes Verhalten hinzukommen, welches bei dem Verpflichteten die berechtigte Erwartung weckt, eine Beitragsforderung werde nicht geltend gemacht. Nur ausnahmsweise kann ein Unterlassen ein schutzwürdiges Vertrauen begründen, wenn der Verpflichtete das Nichtstun des Berechtigten nach den Umständen als bewusst und planmäßig betrachten durfte (vgl. BSG, Urteil vom 30. November 1978 - 12 RK 6/76 - BSGE 47, 194; Urteil vom 6. Oktober 1977 - 7 RAr 55/76 - BSGE 45, 38; Urteil vom 29. Januar 1997 - 5 RJ 52/94 - SozR 3-2200 § 1303 Nr. 6; Beschluss des erkennenden Senats vom 30. November 2010 - L 3 R 53/09 B ER - juris).

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Vorliegend fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür, dass das Nichtstun der Beklagten bewusst oder planmäßig gewesen ist. Vielmehr hat die Beklagte erst mit dem Kontenklärungsantrag am 13. Februar 2006 Kenntnis von der seit August 1990 andauernden Selbstständigkeit des Klägers erhalten.

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Zudem liegen weder die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in vorherigen Stand noch die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs vor. Insoweit nimmt der Senat in entsprechender Anwendung von § 153 Abs. 2 SGG nach eigener Prüfung der Sach- und Rechtslage auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts vom 25. Oktober 2011 Bezug.

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Eine Fehlerhaftigkeit der von der Beklagten erlassenen Beitragsbescheide ist nicht erkennbar und von dem Kläger auch nicht gerügt worden. Die Höhe der Beiträge ergibt sich aus den §§ 157 bis 160, 165 SGB VI. Grundlage der Erhebung von Säumniszuschlägen ist § 24 Abs. 1 SGB IV.

57

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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