Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (3. Senat) - L 3 R 556/14

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1. werden der Klägerin auferlegt. Im Übrigen sind den Beigeladenen Kosten nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beigeladene zu 1. im Rahmen seiner Tätigkeit bei der Klägerin versicherungspflichtig beschäftigt war.

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Die Klägerin betrieb eine staatlich anerkannte Fach- und Berufsfachschule in H. an der S ... Sie ermöglichte ihren Schülern das Erreichen eines bestimmten Berufsabschlusses im Rahmen einer außerbetrieblichen Ausbildung oder einer beruflichen Qualifikation. Im umstrittenen Zeitraum waren acht fest angestellte Lehrkräfte sowie ca. 40 sogenannte freie Mitarbeiter an der Schule tätig.

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Der am ... 1946 geborene Beigeladene zu 1., ausgebildeter Lehrer für Mathematik und Chemie, war seit Mai 2003 als Lehrkraft für die Klägerin tätig. Das Vertragsverhältnis zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. wurde durch Vereinbarung vom 19. Dezember 2010 mit Ablauf des 31. März 2011 beendet. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. beruhte auf so genannten freien Dozentenverträgen, die jeweils für ein Semester bzw. Schulhalbjahr abgeschlossen wurden. Die Verträge datieren vom 5. Mai und 17. September 2003, 26. Januar und 19. August 2004, 1. Februar und 10. Oktober 2005, 13. Februar und 4. September 2006, 22. Februar und 17. September 2007, 1. Februar und 8. September 2008 sowie 27. Februar und 6. August 2009. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug dabei zwischen 24 und 30 Unterrichtsstunden.

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Am 11. Januar 2010 beantragte der Beigeladene zu 1. die Feststellung seines sozialversicherungsrechtlichen Status als abhängig Beschäftigter. In dem Antragsvordruck gab er an, von seiner Seite erfolge kein eigener Kapitaleinsatz, keine eigene Kalkulation, keine freie Preisgestaltung und keine eigene Werbung. Er fügte die Dozentenverträge beginnend mit demjenigen vom 5. Mai 2003 bei. Bezüglich der Beschreibung seiner Tätigkeit für die Klägerin verwies der Beigeladene zu 1. auf eine beigefügte Klageschrift zu einer Klage gegen die Klägerin vor dem Arbeitsgericht H. vom 30. Dezember 2009. Ergänzend führte er aus, die Klägerin habe nach ihren Bedürfnissen über seine Arbeitskraft verfügen können. Vor Semesterbeginn habe er Lage und Umfang der Einsatzzeiten als Wunsch äußern können. Über den Einsatz der Lehrkräfte sei aber erst kurzfristig vor Schuljahresbeginn entschieden worden, weil erst dann die Schülerzahlen bekannt gewesen seien. Die Vergütung sei nach den tatsächlich geleisteten Unterrichtsstunden erfolgt. Er habe an Prüfungen sowie zum Semesterende an Notenkonferenzen teilgenommen. Hinsichtlich des Unterrichts habe er einen Rahmenlehrplan zu beachten gehabt. Prinzipiell sei die Ablehnung von Aufträgen möglich gewesen. Im Interesse der Schüler sei dies in der Schulpraxis aber nicht vorgekommen.

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Mit Bescheiden vom 8. April 2011 an die Klägerin sowie an den Beigeladenen zu 1. stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Dozent bei der Klägerin seit dem 1. Mai 2003 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. In diesem Beschäftigungsverhältnis bestehe Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung. Merkmale für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit seien nicht gegeben. In der Ausgestaltung seiner Tätigkeit habe sich der Beigeladene zu 1. an Richtlinien, Ausbildungs- bzw. Lehrpläne zu halten. Er sei in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Als Vergütung werde dem Beigeladenen zu 1. eine erfolgsunabhängige Pauschalvergütung gezahlt, die kein Gewinn- oder Verlustrisiko erkennen lasse. Er setze zur Ausübung seiner Tätigkeit kein eigenes Kapital in erheblichem Umfang mit der Gefahr des Verlustes ein.

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Dagegen legte die Klägerin am 26. April 2011 Widerspruch ein. Die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis lägen nicht vor. Zusätzliche Aufgaben habe der Beigeladene zu 1. nur nach Absprache und gegen gesonderte Vergütung übernommen. Etwaige Vorgaben hinsichtlich seines Unterrichts hätten sich lediglich aus den Rahmenrichtlinien des Kultusministeriums des Landes Sachsen-Anhalt ergeben. Im Übrigen sei der Beigeladene zu 1. in der Ausgestaltung seines Unterrichts vollkommen frei gewesen. Eine Vergütung habe er nur für die Stunden erhalten, die tatsächlich von ihm durchgeführt worden seien. Insoweit habe er ein eigenes unternehmerisches Risiko getragen. Ihm seien anderweitige Tätigkeiten in anderen Einrichtungen freigestellt gewesen. Im Gegensatz zu abhängig beschäftigten Lehrkräften habe er keine weiteren (verbindlichen) Nebenpflichten gehabt. Soweit er nach vorheriger Absprache zusätzliche Leistungen erbracht habe (z.B. Führen des Klassenbuchs, Teilnahme an Noten- und Lehrerkonferenzen), sei ihm diese Tätigkeit gesondert vergütet worden. Er habe keinen Lehrplan einzuhalten gehabt. Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der Beigeladene zu 1. sei in die arbeitsorganisatorischen Abläufe der Klägerin eingegliedert.

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Dagegen hat die Klägerin am 1. September 2011 Klage beim Sozialgericht Halle erhoben und die Begründung aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt und vertieft. Ihr habe es zu Beginn eines jeden Semesters freigestanden, einen Dozentenvertrag mit dem Beigeladenen zu 1. abzuschließen. Insoweit habe der Beigeladene zu 1. einem regelmäßigen Unternehmerrisiko für das kommende Semester unterlegen. Allein die (gesetzlich notwendige) Aufstellung von Stoffverteilungsplänen zu Beginn eines Semesters bedeute nicht, dass der Beigeladene zu 1. weisungsabhängig gewesen sei. Dass die landesrechtlichen Regelungen einen Unterrichtsrahmen vorgäben, stehe der Weisungsfreiheit nicht entgegen. Anderenfalls wäre es keinem Schulbetrieb, der den landesrechtlichen Vorgaben unterliege, möglich, seine Unterrichtseinheiten mit freiberuflichen Dozenten zu besetzen. Der Beigeladene zu 1. habe nur die Unterrichtseinheiten vergütet bekommen, die er tatsächlich geleistet habe. Er habe weder Urlaub noch Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingtem Ausfall der Unterrichtseinheiten erhalten. Der Beigeladene zu 1. habe für jedes Semester seine Verfügbarkeit im Einzelnen vorgegeben. Sie habe sich an diesen Vorgaben orientiert. Er habe seinen Unterricht methodisch und didaktisch vollkommen frei durchführen können. Er sei jederzeit berechtigt gewesen, seine Unterrichtsräume auszuwählen. Auch auf die Unterrichtsmittel habe sie keinen Einfluss genommen. Der Beigeladene zu 1. sei nicht verpflichtet gewesen, ausgefallene Unterrichtsstunden nachzuholen oder Vertretungsstunden abzuhalten. Er sei jederzeit berechtigt gewesen, sich durch eine andere Unterrichtsperson vertreten zu lassen.

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Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 6. Oktober 2011 die Beiladung zu 1. bewirkt. Schließlich hat es mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 26. Juni 2014 die Klage abgewiesen. Der Beigeladene zu 1. habe für die Klägerin eine abhängige Beschäftigung ausgeübt. Bei Vornahme einer Gesamtschau der das Vertragsverhältnis prägenden Umstände ergebe sich eine Eingliederung des Beigeladenen zu 1. in die betriebliche Organisation der Klägerin als entscheidendes Differenzierungskriterium. Es ließen sich unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen der Vollzeittätigkeit des Beigeladenen zu 1. als Honorarkraft und der Tätigkeit eines angestellten Berufsschullehrers erkennen. Der Beigeladene zu 1. habe in dem Schulbetrieb der Klägerin, der strikten staatlichen Regelungen unterliege, als Lehrkraft umfassend daran mitgewirkt, dass der Betriebszweck, Schüler zu einem staatlich anerkannten Schulabschluss zu bringen, habe verwirklicht werden können.

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Gegen das ihr am 6. November 2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 8. Dezember 2014 (einem Montag) Berufung beim Landessozialgericht Sachsen-Anhalt eingelegt. Die Gesamtumstände stünden einer abhängigen Beschäftigung entgegen. Der Beigeladene zu 1. sei für sie als freier Dozent tätig gewesen.

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Die Klägerin beantragt,

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das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 26. Juni 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 aufzuheben und festzustellen, dass der Beigeladene zu 1. in der Zeit ab 1. Mai 2003 in seiner Tätigkeit für die Klägerin nicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung sozialversicherungspflichtig war.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie hat ausgeführt, die prüfungsrelevante Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. setze wegen der staatlichen Anerkennung des Abschlusses eine unter staatlicher Aufsicht stehende Weisungsgebundenheit voraus.

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Der Beigeladene zu 1. beantragt ebenfalls,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Er hat vorgetragen, dass er einen Stundenwunschzettel habe ausfüllen dürfen und hierbei seine zeitliche Verfügbarkeit angegeben habe, unterscheide ihn nicht von einem Arbeitnehmer. Ihm habe es nicht frei gestanden, inhaltlich beliebig zu unterrichten, wonach ihm gerade der Sinn gestanden habe. Vielmehr habe er zwingend durch die Vorgabe der Klägerin das Wissen zu vermitteln gehabt, das für den Berufsabschluss erforderlich gewesen sei.

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Mit Beschluss vom 2. November 2015 hat der Berichterstatter die Beigeladungen zu 2. bis 4. bewirkt. Diese Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen. Diese Akten sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat hat den Rechtsstreit verhandeln und entscheiden dürfen, obwohl die Beigeladenen zu 2. bis 4 im Verhandlungstermin weder erschienen noch vertreten gewesen sind. Auf diese Möglichkeit sind sie mit den ihnen ordnungsgemäß zugestellten Ladungen hingewiesen worden.

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Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das Sozialgericht Halle hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 8. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 2011 ist rechtmäßig. Die Beklagte ist zu Recht von einer abhängigen Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei der Klägerin ab 1. Mai 2003 ausgegangen.

22

Die Sozialversicherung umfasst gemäß § 2 Abs. 1 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - SGB IV) Personen, die kraft Gesetzes oder Satzung (Versicherungspflicht) oder aufgrund freiwilligen Beitritts oder freiwilliger Fortsetzung der Versicherung (Versicherungsberechtigung) versichert sind. In allen Zweigen der Sozialversicherung sind nach Maßgabe der besonderen Vorschriften für die einzelnen Versicherungszweige nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 SGB IV Personen versichert, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt sind. Es unterliegen hier nur Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, in der sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung; § 1 Satz 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung; § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung; § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung).

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Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Liegen schriftliche Vereinbarungen vor, so ist neben deren Vereinbarkeit mit zwingendem Recht auch zu prüfen, ob mündliche oder konkludente Änderungen erfolgt sind. Diese sind ebenfalls nur maßgebend, soweit sie rechtlich zulässig sind. Schließlich ist auch die Ernsthaftigkeit der dokumentierten Vereinbarungen zu prüfen und auszuschließen, dass es sich hierbei um einen bloßen "Etikettenschwindel" handelt. Auf der Grundlage des festgestellten (wahren) Inhalts der Vereinbarungen ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (BSG, Urteil vom 18. November 2015 - B 12 KR 16/13 R -, juris, RdNr. 16 f., m.w.N.).

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Im Rahmen der Gesamtbetrachtung der rechtlichen und tatsächlichen Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1. ist der erkennende Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Beigeladene zu 1. wie eine angestellte Lehrkraft in die betriebliche Organisation der Klägerin eingegliedert war. Dieses wesentliche Differenzierungskriterium hat bereits das Sozialgericht Halle in dem angefochtenen Urteil zutreffend herausgearbeitet. Völlig richtig hat es ausgeführt, dass unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls keine signifikanten Unterschiede zwischen der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. und der Tätigkeit eines angestellten Berufsschullehrers zu erkennen sind. Dem schließt sich der erkennende Senat nach eigener Überzeugungsbildung vollumfänglich an und macht sich insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Halle in seinem Urteil vom 26. Juni 2014 zu eigen. Darüber hinaus verweist der Senat auf das den Beteiligten bekannte rechtskräftige Teil-Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Sachsen-Anhalt vom 26. Juni 2012 (S 6 Sa 242/11). Die dortigen überzeugenden Ausführungen zum Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses sind auf die hier umstrittene Frage eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses in jeder Hinsicht übertragbar. Insoweit macht sich der Senat auch die Erwägungen des LAG aufgrund eigener Urteilsbildung zu eigen und verweist zwecks Vermeidung von Wiederholungen auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Entscheidungsgründe (Seiten 11 bis 16 des Teil-Urteils).

25

Lediglich ergänzend merkt der Senat an, dass der Beigeladene zu 1. nicht - wie ein Unternehmer - in nennenswertem Umfang eigenes Kapital mit der Gefahr des Verlustes einsetzte. Er musste keine Kosten für Unterrichtsmittel tragen und setzte ausschließlich die eigene Arbeitskraft ein. Ein Unternehmerrisiko bestand mithin nicht. Der Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin dem Beigeladenen zu 1. keinen Urlaub und keine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gewährte. Insbesondere führt es noch nicht zur Annahme eines unternehmerischen Risikos, wenn jemand von seinem Vertragspartner keinen für Beschäftigte typischen Schutz zur Verfügung gestellt erhält (BSG, Urteil vom 24. März 2016 - B 12 KR 20/14 R -, juris, RdNr. 21). Das von der Klägerin erwähnte Risiko, dass der Beigeladene zu 1. unter Umständen bei nicht zufriedenstellender Arbeit nicht weiter beschäftigt bzw. beauftragt worden wäre, stellt ebenfalls kein unternehmerisches Risiko dar. Die Beklagte wies in ihrem Widerspruchsbescheid vom 24. August 2011 zu Recht darauf hin, dass Arbeitnehmer typischerweise ein Risiko der Nichtbeschäftigung tragen. Dort ist auch zutreffend ausgeführt worden, dass aufgrund der Möglichkeit des Beigeladenen zu 1., neben der Tätigkeit für die Klägerin weitere Tätigkeiten auszuüben (was er tatsächlich auch gemacht hat), nicht auf das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit geschlossen werden kann. Denn von der Möglichkeit der Ausübung mehrerer Beschäftigungsverhältnisse geht der Gesetzgeber z.B. in §§ 8 Abs. 2 Satz 1 und 22 Abs. 2 SGB IV selbst aus.

26

Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spricht auch der - nach Ablauf einer kurzen "Anlaufphase" 2003/2004 - erhebliche zeitliche Umfang der Tätigkeit des Beigeladenen zu 1. für die Klägerin. Für eine abweichende Entscheidung die Zeiträume betreffend, in denen der Beigeladene zu 1. auch noch für andere Institutionen tätig war, sieht der Senat - wie bereits das Sozialgericht - keine Grundlage, da sich die maßgeblichen Umstände für die Annahme eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht wesentlich geändert haben. Während des gesamten umstrittenen Zeitraumes ab Mai 2003 war der Beigeladene zu 1. wie ein angestellter Lehrer in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert. Signifikante Unterschiede sind insoweit nicht erkennbar. Er musste sich wie diese an die Ausbildungs- bzw. Lehrpläne halten. Die Klägerin gab Arbeitsrichtlinien für Lehrkräfte an ihrer Schule in H. heraus, die auch für den Beigeladenen zu 1. verbindlich waren und den Inhalt seiner Tätigkeit bestimmten. Er musste u.a. Stoffverteilungspläne erstellen (1.4 der Arbeitsrichtlinien). Die Arbeitsrichtlinien enthielten auch sonstige Hinweise (1.6), die den Unterricht selbst betrafen. So sollten die Lernenden z.B. ermuntert werden, sich bei nicht verständlichem Lernstoff zu melden; stures Auswendiglernen von Einzelheiten sollte nicht verlangt werden. Die Arbeitsrichtlinien enthielten zudem detaillierte Vorgaben zur Leistungsbewertung (1.7). Der Beigeladene zu 1. nahm an Lehrer- und Notenkonferenzen teil und wirkte bei der Erstellung und Abnahme von Prüfungen mit. Auch wenn der Beigeladene zu 1. die Einsatzzeiten im Vorfeld mit der Klägerin abgesprochen hat, war er doch nach Aufstellung des Stundenplanes faktisch weitgehend an diesen gebunden. Anders wäre ein organisierter Schulbetrieb auch kaum möglich gewesen, weil der Unterrichtsplan maßgeblich nicht zuletzt von der Anwesenheit der Schüler und der Verfügbarkeit der Räume geprägt sein musste. Eine weitgehend freie Zeiteinteilung, wie sie für einen selbstständig tätigen Unternehmer charakteristisch ist, war dem Beigeladenen zu 1. daher nicht möglich. Er musste grundsätzlich die durch den Stundenplan vorgegebenen Einsatzzeiten einhalten. Auch der Arbeitsort war in Gestalt des Schulgebäudes vorgegeben. Variationsmöglichkeiten bestanden allenfalls hinsichtlich der Schulräume. Schließlich überzeugt die Auffassung der Klägerin, der Beigeladene zu 1. habe sich jederzeit vertreten lassen können, nicht. Abgesehen von der aufsichtsbehördlichen Zulassung des Lehrkörpers setzte eine erfolgreiche Ausbildung der Schüler, die das vordringliche Interesse der Klägerin war, eine kontinuierliche Betreuung durch die jeweilige - gleiche - Fachkraft voraus. Insgesamt war der Beigeladene zu 1. vollständig in die arbeitsorganisatorischen Abläufe und den Schulbetrieb der Klägerin eingegliedert. Nach Gesamtwürdigung aller relevanten Tatsachen überwiegen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis deutlich, so dass die Berufung der Klägerin zurückzuweisen war.

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Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladenen zu 2. bis 4. haben keine Anträge gestellt und sich damit auch nicht in ein Kostenrisiko begeben, sodass eine Erstattung ihrer Kosten hier nicht geboten gewesen ist, § 162 Abs. 3 VwGO.

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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


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