Urteil vom Landessozialgericht Sachsen-Anhalt (4. Senat) - L 4 AS 236/16

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern auch die notwendigen außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Der Beklagte und Berufungskläger (im Weiteren: Beklagter) wendet sich gegen seine Verurteilung zur Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdU) bei der Gewährung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum vom 1. Juni bis zum 30. November 2012 an die Kläger und Berufungsbeklagten (im Weiteren: Kläger).

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Die 1973 geborene Klägerin trennte sich am 12. Mai 2012 von ihrem Ehemann, mit dem sie in C., Ortsteil H., gewohnt hatte. Zusammen mit dem Kläger, ihrem am ... 2002 geborenen Sohn, zog sie am 22. Mai 2012 in das Haus eines Bekannten in C., Ortsteil J., ein.

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Am 22. Mai 2012 beantragte sie SGB II-Leistungen. In der Anlage KdU erklärte sie unter dem 29. Mai 2012, das 2002 gebaute Haus, das von drei Personen bewohnt werde, habe acht Räume, ein Bad und eine Küche (Gesamtgröße 193 m²). Die Nebenkosten beliefen sich einschließlich Schuldzinsen auf monatlich 560,21 EUR. In der Anlage HG ("zur Feststellung des Umfangs der Hilfebedürftigkeit bei Vorliegen einer Haushaltsgemeinschaft") kreuzte sie an, die Unterkunft werde unentgeltlich zur Verfügung gestellt. In der Anlage VE ("zur Überprüfung, ob eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft vorliegt") gab sie an, sie lebe nicht in einer Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft und ergänzte: "Herr D. lebt seit Okt. 2011 alleine und erfuhr, das ich aus persönlichen Gründen trennen möchte. Da wir uns schon länger kennen (keine Beziehung) und verstehen bot er mir an die ungenutzten Räume nutzen zu können da er auch alle 4 - 6 Wochen nur zuhause ist und er froh wäre das sich jemand um das Haus kümmert".

4

In einer nachgereichten Erklärung vom 7. Juli 2012 führte sie aus, sie beteilige sich mit monatlich 300 EUR an den Haus- und Nebenkosten. In einer beigefügten Rentabilitätsberechnung auf einem Vordruck des Beklagten bezifferte Herr D. unter dem 24. Juni 2012 die jährlichen Aufwendungen für das Haus einschließlich Schuldzinsen auf 5.926,13 EUR und fügte Belege über Grundsteuer, Abfallgebühren, Wasser- und Abwasserkosten, Schornsteinfeger, Wohngebäudeversicherung und Stromversorgung bei. Die Klägerin gab an, sie erziele Erwerbseinkommen aus einer Beschäftigung bei N. in C. Der Kläger erhalte Kindergeld und Unterhalt des Vaters. Im Mai 2012 wurde dem Girokonto ein Lohn von 339,31 EUR gutgeschrieben. Aus der Einkommensbescheinigung für Mai 2012 ergibt sich ein Nettoentgelt von 480,76 EUR, das zum Letzten des Folgemonats fällig war. Das Einkommen sei nicht gleichbleibend, denn der Einsatz der Klägerin erfolge nach Bedarf.

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Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 6. August 2012 SGB II-Leistungen in Höhe von 48,86 EUR für den Zeitraum vom 22. bis zum 31. Mai 2012, in Höhe von 12,00 EUR für Juni 2012 und in Höhe von 5,88 EUR monatlich für Juli bis November 2012. Im August 2012 wurden zusätzlich 70 EUR für den Schulbedarf des Klägers bewilligt. Der Beklagte führte aus, KdU seien nicht zu berücksichtigen, da die Klägerin in der Anlage HG erklärt habe, die Unterkunft unentgeltlich nutzen zu können.

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Am 15. August 2012 legte die Klägerin Widerspruch ein: Soweit sie angekreuzt habe, sie habe keine KdU-Aufwendungen, sei ihr ein Fehler unterlaufen. Sie sei sich sicher, auch erklärt zu haben, dass sie für die Unterkunft monatlich pauschal 300 EUR zahlen müsse. Ergänzend führte der Prozessbevollmächtigte unter dem 5. November 2012 aus, ein wirksamer Mietvertrag könne auch vorliegen, wenn das Mietobjekt keine abgeschlossene Wohnung sei und der Mieter noch keine Zahlungen an den Vermieter erbracht habe. Die Klägerin sei mit den Fragen im Formular überfordert gewesen; neben der Unentgeltlichkeit der Wohnungsnutzung habe sie zugleich erklärt, dass sie sich mit 300 EUR an den Hauskosten beteilige. Auf Wunsch könne die Absprache mit dem Vermieter auch klarstellend in einem schriftlichen Mietvertrag fixiert werden.

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Ab 1. September 2012 wechselte die Klägerin bei der Firma N. in eine Teilzeitbeschäftigung als Lagerhelferin mit einem monatlichen Verdienst von anfänglich 870 EUR brutto. Daraufhin stellte der Beklagte die Leistungsgewährung vorläufig ein und teilte dies der Klägerin am 4. September 2012 mit. Seit Juli 2013 zahlt die Klägerin monatlich 300 EUR per Dauerauftrag mit dem Verwendungszweck "Unterkunftskosten Springer" auf das Konto des Vermieters.

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Mit Änderungsbescheiden vom 27. November 2012 und 16. Juni 2014 berücksichtigte der Beklagte das monatlich erzielte, unterschiedliche Erwerbseinkommen der Klägerin und das Ausbleiben der Unterhaltszahlungen für den Kläger. Auf die Erstattung eines Überzahlungsbetrags für November 2012 (Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 27. Mai 2013) verzichtete er. Mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2014 wies der Beklagte den Widerspruch zurück: Die geltend gemachten KdU von 300 EUR könnten wegen fehlender Zahlungsnachweise und der ungeklärten Wohnverhältnisse nicht anerkannt werden. Ein schriftlicher Mietvertrag liege nicht vor. Die Klägerin sei mehrmals vergeblich aufgefordert worden, Nachweise über die Miethöhe und deren Zahlung vorzulegen. Den Kontoauszügen sei eine Mietzahlung nicht zu entnehmen. Ein Hausbesuch sei nicht erfolgt, weil die Klägerin die Terminanfrage nicht beantwortet habe. Die tatsächlich Wohnverhältnisse und die Ernsthaftigkeit des Mietvertrags hätten daher nicht festgestellt werden können. Obwohl die Klägerin seit September 2012 ein höheres Einkommen erziele, habe sie keine Mietzahlungen erbracht. Gleichwohl habe der Vermieter den Mietvertrag nicht gekündigt.

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Dagegen haben die Kläger am 16. August 2014 Klage beim Sozialgericht Dessau-Roßlau (SG) erhoben. Es seien monatliche KdU von 300 EUR zu berücksichtigen. Es komme es nicht darauf an, ob die Miete tatsächlich gezahlt worden sei. Maßgeblich sei das Bestehen einer rechtswirksamen Zahlungspflicht.

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In der mündlichen Verhandlung des SG am 8. März 2016 hat die Klägerin ausgeführt, sie habe nach der Trennung von ihrem Ehemann nicht gewusst, wo sie hinziehen solle. Über eine Freundin habe sie dann erfahren, dass – nach der Trennung von der Ehefrau – das Haus des Herrn D. quasi leer stehe, da er in B. auf Montage arbeitete. Die Freundin habe sich dann mit ihm in Verbindung gesetzt und organisiert, dass sie dort einziehen könnten. Herr D. sei erst nach ihrem Einzug wieder in sein Haus gekommen. Er sei ganz froh darüber gewesen, dass das Haus während seiner Abwesenheit nicht leer stehe. Gemeinsam mit der Freundin, die ihn auch in Finanzangelegenheiten unterstütze, habe man vereinbart, dass sie einen Beitrag von 300 EUR für das Wohnen zu zahlen habe. Eine Kaltmiete sei nicht vereinbart worden. Herr D. habe nichts verdienen, sondern die entstehenden zusätzlichen Kosten decken wollen. Der als Übergangslösung geplante Einzug sei zur Dauerlösung geworden, weil der Kläger nicht mehr aus J. weg gewollt habe. Das Haus befinde sich in unmittelbarer Nähe seiner Schule; auch seine Freunde lebten im Ort. Als sie mehr verdient habe, habe sie nicht sofort die Mietzahlungen aufgenommen, da sie Ratenzahlungsverpflichtungen aus Krediten aus der Ehe gehabt habe, deren Begleichung sie als vorrangig angesehen habe. Herr D. habe immer wieder mal gefragt, wann sie denn die Miete zahle, aber nicht formell gemahnt. Im Termin hat die Klägerin Fotos vom Haus und den von ihr bewohnten Räumen vorgelegt. Das SG hat den Vermieter D. als Zeugen vernommen. Wegen der Angaben des Zeugen wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung verwiesen.

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Mit Urteil vom 8. März 2016 hat das SG den Beklagten verurteilt, den Klägern im Zeitraum von Juni bis November 2012 SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung von KdU in Höhe von 300 EUR monatlich zu gewähren und seine Bescheide entsprechend abzuändern. Da es allein um die KdU gehe, könne durch Grundurteil entschieden werden. Die Kläger seien dem Grunde nach leistungsberechtigt und hätten einen Anspruch auf KdU-Leistungen. Nach Würdigung der Umstände des Vertragsschlusses, unter Auswertung der Verwaltungs- und Gerichtsakte, Berücksichtigung der Angaben der Klägerin sowie nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei ein Bindungswillen der Klägerin und des Vermieters bezüglich des Mietverhältnisses festzustellen. Die Vertragsparteien hätten sich auf einen Mietzins von 300 EUR geeinigt, der vorrangig die verbrauchsabhängigen Kosten habe decken sollen. Der Annahme eines Mietverhältnisses stehe nicht entgegen, dass nur eine geringfügige "Gefälligkeitsmiete" vereinbart sei oder der Mieter lediglich die Betriebskosten oder sonstige Lasten zu tragen habe. Es sei nicht lebensfremd, wenn unter Bekannten mit dem Abschluss eines Mietvertrags keine Gewinnerzielungsabsicht verbunden sei. Soweit die Klägerin im streitbefangenen Zeitraum keine Miete gezahlt habe, deute dies nicht auf eine fehlende Zahlungsverpflichtung hin. Denn anfänglich sei sie dazu wirtschaftlich nicht in der Lage gewesen. Zudem habe sie erklärt, mit dem höheren Einkommen, das ihr ab Oktober 2012 zugeflossen sei, zunächst Schulden aus der Ehezeit getilgt zu haben. Sie habe darauf vertraut, im Widerspruchsverfahren KdU-Leistungen zu erhalten, um dann die Mietschulden zu begleichen. Da sich der Vermieter nachsichtig gezeigt habe, sei dies nachvollziehbar. Seit Juli 2013 werde die Miete regelmäßig an den Vermieter überwiesen. Zudem habe der Vermieter erklärt, weshalb er die ausstehende Miete nicht eingeklagt habe. Einerseits habe er die längere Bearbeitungszeit des Beklagten im Widerspruchsverfahren akzeptiert und andererseits sei ihm, nachdem die Klägerin im Juli 2013 die laufenden Zahlungen aufgenommen hatte, daran gelegen gewesen, dass sie weiterhin im Haus wohne. Es gebe auch keine Unklarheiten hinsichtlich der vermieteten Räume. Klägerin und Vermieter hätten unabhängig voneinander angegeben, dass drei Räume vermietet seien und Küche und Bad gemeinsam genutzt würden. Die bestehenden Mietschulden von ca. 3.300 EUR seien beiden Vertragspartnern bewusst gewesen. Da der Zeuge erklärt habe, er verlange keine anteilige Miete für Mai 2012, sei die Klage insoweit abzuweisen gewesen.

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Aufgrund eines Geschäftsstellenversehens sind den Beteiligten zunächst unrichtige Ausfertigungen des Urteils, die nicht mit dem Original in der Gerichtsakte übereinstimmten, zugestellt worden. Nach deren Zustellung am 4. April 2016 hat der Beklagte am 28. April 2016 Berufung eingelegt. Nach Rückforderung der Ausfertigungen durch das SG, Rücksendung und Zustellung korrekter Ausfertigungen am 25. Oktober 2016 hat der Beklagte zur Begründung der Berufung ausgeführt, das Urteil des SG, das er in der zunächst zugestellten Fassung für maßgeblich halte, sei nicht mit Gründen versehen. Es ergäben nicht sich die maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen für die Annahme eines Rechtsbindungswillens beim Mietvertragsschluss. Es enthalte weder eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen noch eine Bewertung des widersprüchlichen Vorbringens der Klägerin. Die später übersandte Urteilsausfertigung sei nicht gültig, denn das SG habe ohne Begründung den Tenor geändert und die Entscheidungsgründe ergänzt. Dazu hätte es einer förmliche Berichtigung nach § 138 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss nach Anhörung der Beteiligten bedurft. Die Klägerin sei keinem fälligen und durchsetzbaren Anspruch ihres Vermieters iSv § 535 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ausgesetzt gewesen, so dass auch kein Leistungsanspruch nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II bestehe. Zudem sei eine denkbare Mietzinsforderung für den streitigen Zeitraum gemäß § 195 BGB verjährt. Im Übrigen sei die vereinbarte Miete deutlich höher als die eigentlich gewollte Beteiligung an den Nebenkosten des Hauses. Diese betrage nur ca. 70 EUR. Dabei seien Schuldzinsen, die der Vermieter zu zahlen habe, nicht zu berücksichtigen.

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Der Beklagte beantragt nach seinem schriftlichen Vorbringen,

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das Urteil des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. März 2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen nach ihrem schriftlichen Vorbringen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie führen aus, das SG habe zutreffend ein wirksames Mietverhältnis angenommen. Es habe die Umstände des Einzelfalls sowie das Ergebnis der Beweisaufnahme gewürdigt und sich mit den Argumenten des Beklagten auseinandergesetzt. Der Beklagte habe die Beweiserhebung nicht gerügt; eigene Beweismittel habe er nicht angeboten. Die Mietzinsforderungen seien nicht verjährt, denn die Klägerin zahle seit Juli 2013 ohne Zweckbestimmung auf die Mietforderung, so dass der jeweilige Zahlungseingang nach § 366 Abs. 2 BGB auf die älteste Schuld angerechnet werde.

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Im Erörterungstermin der Berichterstatterin am 17. Mai 2017 hat die Klägerin ergänzend erklärt, durch den Umzug nach J., habe der Kläger sein soziales Umfeld beibehalten, da er bereits zuvor in diesem Ort die Grundschule besucht habe. Außerdem habe sein bester Freund dort gewohnt. Später habe er nicht mehr von dort wegziehen wollen.

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Nach Ladung hat der Beklagte unter dem 18. August 2017 ausgeführt, er halte die Wiederholung der Beweisaufnahme nicht für erforderlich, und hat sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 21. August 2017 auf mündliche Verhandlung verzichtet.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten ergänzend Bezug genommen. Diese sind Gegenstand der Beratung des Senats gewesen.

Entscheidungsgründe

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Der Senat konnte gemäß den §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten damit einverstanden sind.

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Die Berufung des Beklagten ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Sie ist auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Die Verurteilung des Beklagten zur Berücksichtigung von KdU in Höhe von 300 EUR monatlich führt zu einer entsprechend höheren Leistungsgewährung, die im noch streitigen Zeitraum von fünf Monaten die Beschwerdewertgrenze von 750 EUR übersteigt.

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Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Urteil des SG, mit dem der Beklagte verurteilt worden ist, den Klägern im Zeitraum von Juni bis November 2012 weitere SGB II-Leistungen unter Berücksichtigung von KdU in Höhe von 300 EUR monatlich zu gewähren und insoweit seine angegriffenen Bescheide zu ändern. Das SG hat dem Rechtschutzbegehren der Kläger zulässigerweise durch den Erlass eines Grundurteils nach § 130 Abs.1 Satz 1 SGG auf deren Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG) entsprochen. Die Kläger haben den Streitgegenstand auf die KdU, die im Rahmen der Alg II-Leistungsgewährung eine eigenständige Regelung und abtrennbare Verfügung darstellen, beschränkt. Eine Entscheidung durch Grundurteil war möglich, denn es stand mit hinreichender Sicherheit fest, dass die Kläger in den streitigen Monaten Leistungsansprüche nach dem SGB II hatten, weil ihr Einkommen zur Bedarfsdeckung nicht ausreichte. Die übrigen Voraussetzungen des Leistungsanspruchs sind zwischen den Beteiligten unstreitig und – einschließlich des in den jeweiligen Leistungsmonaten anzurechnenden Erwerbseinkommens der Klägerin – geklärt.

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Die Berufung des Beklagten ist unbegründet. Denn die Kläger haben im streitbefangenen Zeitraum von Juni bis November 2012 den vom SG im Urteil zuerkannten höheren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung der KdU von 300 EUR. Insoweit waren die angegriffenen Bescheide des Beklagten abzuändern. Der Senat folgt der Begründung des SG im angefochtenen Urteil und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG).

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Die vom Beklagten zur Begründung des Rechtmittels vorgebrachten Einwände greifen nicht durch: Gegenstand der Berufung ist das Urteil des SG, das sich als von der Kammervorsitzenden unterschriebene Originalentscheidung in der Gerichtsakte befindet. Dem entspricht die dem Beklagten am 25. Oktober 2016 zugestellte Ausfertigung. Die ursprünglich den Beteiligten übersandte Ausfertigung war fehlerhaft, denn sie stimmte nicht mit dem Original des Urteils in der Gerichtsakte überein. Offensichtlich wurde versehentlich eine frühere Entwurfsfassung mit einem Tatbestand, aber ohne einzelfallbezogene Ausführungen und Beweiswürdigung in den Entscheidungsgründen ausgefertigt und zugestellt. Die Fehlerhaftigkeit dieser zunächst übersandten Ausfertigung war leicht zu erkennen: Der Tenor wich von dem verkündeten (vgl. Sitzungsniederschrift) ab; der Text war nicht durchgehend formatiert (Schriftbild, Schraffierung auf Seite 8) und enthielt unzutreffende Ausführungen zu einem männlichen Kläger und einem Mietvertrag vom 1. Januar 2007. Den Ausfertigungsfehler konnte der Urkundsbeamte formlos dadurch korrigieren, dass er die fehlerhaften Ausfertigungen eingezogen und korrekte Ausfertigungen an die Beteiligten übermittelt hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 138 RN 2). Denn es gab keine Unrichtigkeiten im (Original-)Urteil, die mittels Berichtigungsbeschluss der Vorsitzenden gemäß § 138 SGG zu korrigieren gewesen wären.

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Dadurch entfällt der Einwand des Beklagten, das Urteil sei nicht (hinreichend) mit Gründen versehen. Denn das SG hat in seiner Entscheidung die Umstände des Einzelfalls unter Auseinandersetzung mit den Angaben der Beteiligten und des Zeugen gewürdigt und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass ein rechtsverbindlicher Mietvertrag zwischen den Parteien (der Klägerin und dem Zeugen) geschlossen worden war. Es hat sich mit den für und gegen die Ernsthaftigkeit und Verbindlichkeit der mietvertraglichen Vereinbarung sprechenden Argumenten auseinandergesetzt, diese abgewogen und seine Überlegungen in sich schlüssig, nachvollziehbar und für den Senat überzeugend dargelegt. Der Senat macht sich daher die Argumentation in der angefochtenen Entscheidung nach Prüfung zu Eigen.

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Soweit der Beklagte geltend gemacht hat, die vereinbarte Miete sei deutlich höher als die nach den Bekundungen der Klägerin eigentlich gewollte Beteiligung an den Nebenkosten, greift seine Argumentation nicht durch. Denn aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Belegen über die Hauskosten ergibt sich ein Jahresbetrag von 5.926,13 EUR (ohne Berücksichtigung von Aufwendungen für die Beschaffung von Heizmaterial). Dies bedeutet, es ergaben sich durchschnittliche monatliche Hauskosten – einschließlich Schuldzinsen – von rund 493 EUR. Bei deren Verteilung auf die drei Bewohner hätte sich für die Kläger (2/3) ein Anteil von rund 329 EUR ergeben. Daher stellt sich die vereinbarte Gegenleistung für die Unterkunftsgewährung von 300 EUR auch für den Senat als eine Beteiligung der Kläger an den anfallenden Hauskosten dar.

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Nach Einschätzung des Senats wurde eine geringfügige, sog. Gefälligkeitsmiete vereinbart, die deutlich unter den Preisen auf dem allgemeinen Mietwohnungsmarkt liegt. Denn die Kläger haben als Mieter lediglich einen Kostenanteil (s.o.) zu tragen; ersichtlich hat der Vermieter keine Gewinnerzielungsabsicht. Eine solche Vertragsgestaltung ist grundsicherungsrechtlich erwünscht, weil der vereinbarte Mietzins aus Gründen der persönlichen Verbundenheit niedriger ist als die marktübliche Miete. Das Verhalten des Vermieters ist für den Senat gut nachvollziehbar, denn er hat in der Zeugenvernehmung des SG seine Motivation offengelegt: Er habe nicht gewollt, dass sein Haus während seiner berufsbedingten längeren Abwesenheitszeiten aufgrund der Montagetätigkeit im Ausland nicht bewohnt war und leer stand. Daher sei ihm damals am Einzug der Kläger gelegen gewesen. Folgerichtig hat er keine Kaltmiete vereinbart, sondern einen Beitrag zu den Hauskosten, der zudem seine laufenden Zahlungsverpflichtungen reduzierte und auch deshalb willkommen war. Die getroffene Vereinbarung war für beide Vertragsparteien günstig. Die Klägerin löste so ihr akutes Wohnungsproblem nach der Trennung vom Ehemann, und trotz Trennung und Umzug konnte der Kläger sein vertrautes soziales Umfeld beibehalten, weil er in den Ort zog, in dem sich die von ihm besuchte Grundschule befand und seine Freunde wohnten. Zudem war der Kostenaufwand für die neue Unterkunft überschaubar. Dieser Umstand ist jedoch kein Grund, die Ernsthaftigkeit der eingegangenen vertraglichen Verpflichtung anzuzweifeln.

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Der Annahme einer rechtswirksamen Zahlungsverpflichtung steht nicht entgegen, dass es sich bei den von den Klägern bewohnten Räumen (unstreitig) nicht um eine abgeschlossene Wohnung handelt. Die Gewährung von KdU-Leistungen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II setzt das Vorhandensein einer abgeschlossenen Wohnung nicht voraus. Unterkunft im Sinne des SGB II ist jede Einrichtung, die geeignet ist, vor dem Wetter und der Witterung zu schützen und eine gewisse Privatsphäre zu gewährleisten (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008, Az.: B 4 AS 1/08 R, juris). Hauptanwendungsfall sind sicherlich Mietwohnungen; unter den Begriff der Unterkunft fallen auch Wohnmobile, Bauwagen, Gartenhäuser, Schlafplätze in Obdachlosenunterkünften oder (möblierte) Zimmer.

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Der Einwand des Beklagten, die streitgegenständlichen Mietzinsforderungen für den Zeitraum von Juni bis November 2012 seien verjährt und damit zivilrechtlich gegen die Kläger nicht durchsetzbar, greift nicht durch. Nach § 366 Abs. 2 BGB wird immer dann, wenn der Schuldner bei einer Leistung keine Bestimmung trifft, zunächst die fällige Schuld, unter mehreren fälligen Schulden, diejenige, die dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet, unter mehreren gleich sicheren Schulden die dem Schuldner lästigere, unter mehreren gleichlästigen die ältere Schuld und bei gleichem Alter jede Schuld verhältnismäßig getilgt. Die Regelung setzt das Bestehen mehrerer Forderungen voraus, sie gilt jedoch auch bei einer Mehrheit von Forderungen aus demselben Schuldverhältnis, wie bei mehreren Mietzinsraten aus dem Dauerschuldverhältnis Miete (vgl. Grüneberg in: Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 75. Auflage 2016, § 366 RN 2). Da die Kläger bei den seit Juli 2013 erfolgenden Mietzahlungen per Dauerauftrag keine Konkretisierung vornehmen, für welchen Monat die Zahlung bestimmt ist, wird mit jeder Mietzahlung die älteste (offene) Mietforderung getilgt. Dadurch bleibt der Zahlungsrückstand der Höhe nach gleich, bezieht sich aber auf die jüngeren Forderungen mit der Folge, dass Verjährung wegen der älteren, hier streitbefangenen, Mietzinsforderungen nicht eingetreten ist. Es ergeben sich daraus keine Rechtsgründe gegen ein Fortbestehen der Zahlungsverpflichtung für den streitigen Zeitraum von fünf Monaten zur Begleichung der Mietschulden.

31

Im Übrigen spricht für die Ernsthaftigkeit und rechtliche Verbindlichkeit der eingegangenen Zahlungsverpflichtung, dass die Klägerin bereits im Juli 2013 und damit deutlich vor Erlass des Widerspruchsbescheids (17. Juli 2014) die laufenden Mietzahlungen aufgenommen hat, obwohl dies bei ihrem damals erzielten Nettoeinkommen, das zumeist um 900 EUR lag, bedeutete, dass sie regelmäßig Anteile ihres Erwerbstätigenfreibetrags nach § 11b Abs. 3 SGB II einsetzen musste. Ebenso ist zu berücksichtigen, dass die Kläger vorliegend keinen eigenen wirtschaftlichen Vorteil aus der praktizierten mietvertraglichen Vereinbarung ziehen. Denn aufgrund der Höhe des Erwerbseinkommens finanzieren sie ihren Lebensunterhalt weitgehend aus eigenen Kräften und müssen auch die Mietaufwendungen zumindest teilweise selbst aufbringen. Es handelt sich hier nicht um einen Vertrag (allein) zu Lasten des SGB II-Leistungsträgers.

32

Vorliegend haben die Kläger eine praktikable und unter Bekannten mögliche Lösung ihres Unterkunftsproblems gefunden, die für beide Mietvertragsparteien von Vorteil war. Diese zunächst als Übergangslösung gedachte Wohnform im Haus des Zeugen hat sich als auf Dauer tragfähig erwiesen. Der Beklagte hat bei der Leistungsgewährung die KdU-Aufwendungen von 300 EUR monatlich zu berücksichtigen.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

34

Ein Grund für die Zulassung der Revision im Sinne von § 160 SGG liegt nicht vor; es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf geklärter Rechtsgrundlage.


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