Beschluss vom Oberlandesgericht Oldenburg (Senat für Bußgeldsachen) - 2 Ss (OWi) 231/21
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brake vom 22.7.2021 aufgehoben.
Das Verfahren wird auf Kosten der Landeskasse eingestellt. Es wird davon abgesehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse aufzuerlegen.
Gründe
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Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 480 € verurteilt.
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, mit der er Verjährung geltend macht
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Sie hat entsprechend der Zuschrift der Generalstaatsanwaltschaft Erfolg.
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Die Rechtsbeschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Einstellung des Verfahrens gegen den Betroffenen.
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Der Tatvorwurf ist verjährt:
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Es kann dabei sogar dahinstehen, ob die fehlgeschlagene Zustellung des Bußgeldbescheides vom 25.06.2020 an den Betroffenen durch die spätestens am 9. 7. 2020 erfolgte Übermittlung eines Duplikat des Bußgeldbescheides an die Verteidigerin geheilt worden ist (im Folgenden unter a) oder nicht (im Folgenden unter b)).
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a:
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Eine Heilung könnte hier unter Berücksichtigung der Entscheidung des Senats vom 21.05.2019 (2 Ss (OWi) 109/19) eingetreten sein: Die Verteidigerin hatte bereits mit Schreiben vom 08.05.2020 ihre ordnungsgemäße Bevollmächtigung versichert und später eine am 19.07.2021 unterzeichnete Vollmachtsurkunde vorgelegt, die ihr auch die Befugnis zur Entgegennahme von Zustellungen einräumte. Da nichts Gegenteiliges ersichtlich ist, spricht auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des OLG Celle vom 27.3.2019 (2 Ss (OWi) 101/19, juris), somit viel dafür, dass die Verteidigerin hier bereits seit Beginn des Mandatsverhältnisses über eine rechtsgeschäftliche Vollmacht zur Entgegennahme von Zustellungen verfügte.
- 9
Verjährung wäre bei Annahme einer wirksamen Zustellung – durch Zugang bei der Verteidigerin - jedoch in dieser Konstellation deshalb eingetreten, weil die nächste verjährungsunterbrechende Handlung erst der Eingang der Akten beim Amtsgericht am 24.02.2021 gewesen ist.
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Der Erlass der Bußgeldbescheide vom 14.07.2020 und 21.09.2020 hatte nämlich keine Unterbrechungswirkung: Eine erneute Unterbrechung der Verjährung nach § 33 Abs. 1 Nummer 9 OWiG ist durch einen weiteren Bescheid zwar grundsätzlich möglich, jedoch nur dann, wenn ein sachlicher Grund für den Erlass eines neuen Bußgeldbescheides besteht und dieser nicht -allein- der Verjährungsunterbrechung dient (OLG Stuttgart NZV 2002, 579). So war es aber hier, da letztlich inhaltsgleiche Bußgeldbescheide erlassen worden sind.
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b:
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Ginge man nicht von einer wirksamen Zustellung des Bußgeldbescheides vom 23.09.2020 durch eine Heilung des Zustellungsmangels aus, wäre hierdurch die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides nicht berührt worden (vergleiche OLG Stuttgart a.a.O.; Göhler-Seitz/Bauer, OWiG 18. Aufl. § 51 Rn. 51 mit weiteren Nachweisen). Die Akten hätten daher nach Einspruch und Durchführung des Zwischenverfahrens an das Amtsgericht übersandt werden können, sodass die Verjährung mit ihrem Eingang dort unterbrochen worden wäre.
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Die Zulässigkeit des Einspruchs wird nämlich nicht dadurch berührt, dass der Bußgeldbescheid zum Zeitpunkt der Einlegung des Einspruchs nicht ordnungsgemäß zugestellt war. Es ist allgemein anerkannt, dass eine Entscheidung anfechtbar wird, sobald sie aktenmäßig existiert (vgl. KK-OWiG-Lampe, a.a.O., m.w.Nachw.).
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(OLG Hamm, Beschluss vom 12. Dezember 2006 – 2 Ss OWi 716/06 –, Rn. 15, juris)
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Hiervon hat die Verwaltungsbehörde jedoch keinen Gebrauch gemacht, sondern neue -für die Verjährungsunterbrechung nicht relevante Bußgeldbescheide (s.o.) - erlassen
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Da somit in jedem Fall Verfolgungsverjährung eingetreten ist, war das Verfahren gemäß § 206a StPO in Verbindung mit § 46 OWiG einzustellen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG. Die Auslagenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 3 Satz 2 Nummer 2 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG. Da das angefochtene Urteil ansonsten Rechtsfehler nicht erkennen lässt, erfolgte eine Verurteilung lediglich wegen des bestehenden Verfahrenshindernisses nicht, sodass es angemessen erscheint, die Auslagen des Betroffenen nicht der Landeskasse aufzuerlegen. Soweit der Betroffene im Hinblick auf den Schuld- und Rechtsfolgenausspruch rügt, dass der Bußgeldbescheid vom 25.06.2020 nicht Gegenstand der Hauptverhandlung gewesen sei (§ 71 Abs. 1 OWiG in Verbindung mit § 243 Abs. 3 Satz 1 StPO), kann der Senat ausschließen, dass das Urteil hierauf beruht, da in der Hauptverhandlung der inhaltsgleiche Bußgeldbescheid vom 21.09.2020 erörtert worden ist.
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Referenzen
- StPO § 243 Gang der Hauptverhandlung 1x
- § 71 Abs. 1 OWiG 1x (nicht zugeordnet)
- § 46 OWiG 3x (nicht zugeordnet)
- StPO § 206a Einstellung des Verfahrens bei Verfahrenshindernis 1x
- 2 Ss (OWi) 101/19 1x (nicht zugeordnet)
- 2 Ss (OWi) 109/19 1x (nicht zugeordnet)
- StPO § 467 Kosten und notwendige Auslagen bei Freispruch, Nichteröffnung und Einstellung 1x
- Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 2 Ss OWi 716/06 1x