Beschluss vom Oberlandesgericht Braunschweig (1. Strafsenat) - Ws 328/12

Tenor

Die Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Braunschweig vom 24. Juli 2012 wird, soweit sie sich gegen den Eintritt der Führungsaufsicht richtet, als unzulässig und im Übrigen als unbegründet verworfen.

Der Verurteilte trägt die Kosten seines Rechtsmittels.

Gründe

I.

1

Durch Urteil des Amtsgerichts Hameln vom 5. April 2011 wurde gegen den Beschwerdeführer wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis, wegen Gefährdung des Straßenverkehrs durch vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis sowie wegen unerlaubten Entfernens vom Unfallort in Tateinheit mit vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr und vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis eine Gesamtfreiheitsstrafe von 6 Monaten verhängt; zugleich wurde seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Mit dieser Entscheidung erledigte sich eine zuvor vom Landgericht Hannover am 16. September 2010 angeordnete Unterbringung (§ 67 f StGB).

2

Durch den angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die Unterbringung des Beschwerdeführers für erledigt erklärt. Außerdem hat die Kammer die Aussetzung der Reststrafe abgelehnt und festgestellt, dass mit der Entlassung des Verurteilten aus der Unterbringung Führungsaufsicht eintrete. Die Kammer hat dem Beschwerdeführer ferner einen Bewährungshelfer beigeordnet, die Dauer der Führungsaufsicht auf 5 Jahre festgesetzt und ihm die Weisung erteilt, jeden Wechsel des Wohnsitzes oder Arbeitsplatzes mitzuteilen. Der Entscheidung der Kammer war ein Antrag des Beschwerdeführers vom 30. April 2012 vorangegangen, in dem er ausgeführt hat, dass er die Unterbringung wegen fehlender Motivation zur Fortsetzung der Therapie beenden und stattdessen die Reststrafe verbüßen wolle (VH I Bl.129).

3

Mit seiner am 26. September 2012 beim Landgericht Braunschweig angebrachten und mit einem Wiedereinsetzungsantrag verbundenen „sofortigen Beschwerde“ bringt der Verurteilte vor, dass die Anordnung der Führungsaufsicht und ihre Dauer unverhältnismäßig sei. Das Wiedereinsetzungsgesuch stütze sich darauf, dass er von seiner damaligen Verteidigerin die Auskunft erhalten habe, die Beschwerde gegen die Anordnung der Führungsaufsicht sei nicht fristgebunden.

4

Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Auffassung, dass sich das Rechtsmittel lediglich gegen die deklaratorische Feststellung des Eintritts der Führungsaufsicht und die ausgestaltenden Anordnungen richte und hat beantragt, das Rechtsmittel nur als einfache Beschwerde anzusehen und diese zu verwerfen.

II.

5

Wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, ist dem Beschwerdevorbringen - nach der gebotenen Auslegung (§ 300 StPO) - zu entnehmen, dass sich der Verurteilte mit dem Rechtsmittel allein gegen den Eintritt der Führungsaufsicht und die ausgestaltenden Anordnungen, nicht aber gegen die übrigen Entscheidungen (Erledigung der Maßregel und Ablehnung der Reststrafenaussetzung) wenden will. Das Rechtsmittel ist daher als ein auf den Bereich der Führungsaufsicht Beschränktes anzusehen. Es ist nur als einfache Beschwerde (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO) gegen die Anordnungen zur Ausgestaltung der Führungsaufsicht statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere an keine Frist gebunden.

6

Soweit der Beschwerdeführer hingegen zusätzlich ausdrücklich den Eintritt der Führungsaufsicht angreift, ist ein Rechtsmittel nicht eröffnet. Der Eintritt der Führungsaufsicht ist vielmehr lediglich als Vorfrage im Zusammenhang mit dem gegen die weiteren Anordnungen gerichteten Rechtsmittel zu überprüfen. Denn die Feststellung der Kammer, es sei gemäß § 67 d Abs. 5 S. 2 StGB Führungsaufsicht eingetreten, ist wegen des in Straf- und Maßregelvollstreckungssachen geltenden Enumerationsprinzips nicht anfechtbar. Beschlüsse der Strafvollstreckungskammer unterliegen nur in den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Fällen einem Rechtsmittel (OLG Hamm, Beschluss vom 25.04.1989, 1 Ws 123/89, juris, Rn. 3; OLG Stuttgart, NStZ 1989, 492, 493; Meyer-Goßner, StPO, 55. Aufl, § 304 Rn. 2). Ein solcher Fall liegt nicht vor, wenn die Führungsaufsicht - wie hier - ohne das Erfordernis einer weiteren Entscheidung kraft Gesetzes (§ 67 d Abs. 5 S. 2 StGB) eintritt. Wie das OLG Rostock (Beschluss vom 22.02.2011, I Ws 39/11, juris, Rn. 8 ff.; a. A.: KG, Beschluss vom 07.09.2000, 5 Ws 625/00, juris, Rn. 1) zutreffend ausgeführt hat, fehlt es an einer „Entscheidung“ i. S. d. § 463 Abs. 6 S. 1 StPO. Denn § 463 Abs. 6 S. 1 StPO nimmt nur die Erledigungsentscheidung (§ 67 d Abs. 5 S. 1 StGB), nicht aber deren gesetzliche Folge (§ 67 d Abs. 5 S. 2 StGB) in Bezug. Weil aber §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 1 StPO ebenfalls nur Entscheidungen - nämlich jene nach §§ 68a bis 68d StGB - für anfechtbar erklären und eine weitere Rechtsgrundlage nicht erkennbar ist, ist insoweit weder eine sofortige Beschwerde noch eine einfache Beschwerde gegeben (OLG Braunschweig, Beschluss vom 18.10.2012, Ws 283/12; OLG Braunschweig, Beschluss vom 15.10.2012, Ws 284/12).

7

Die zulässige Beschwerde gegen die Ausgestaltung der Führungsaufsicht ist nicht begründet. Der Senat hat insoweit lediglich die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zu überprüfen (§§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2 S. 2 StPO). Ein Gesetzesverstoß liegt nicht vor. Die Kammer durfte Anordnungen zur Ausgestaltung treffen, weil Führungsaufsicht mit der Entlassung aus dem Vollzug der Unterbringung nach Erledigung der Maßregel gemäß § 67 d Abs. 5 Satz 2 StGB zwingend eintritt, und zwar unabhängig davon, ob noch eine Freiheitsstrafe zu vollziehen ist und ohne dass es - die im angefochtenen Beschluss zitierte Vorschrift des § 68 f Abs. 2 StGB ist nicht einschlägig - auf eine Prognoseentscheidung ankommt (OLG Braunschweig, Beschluss vom 18.10.2012, Ws 283/12; OLG Düsseldorf, NStZ 1996, 567; KG Berlin, Beschluss vom 07.09.2000, 5 Ws 625/00, juris, Rn.6).

8

Die angeordnete Unterstellung des Verurteilten unter die Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers ist ebenfalls eine vom Gesetz an den Eintritt der Führungsaufsicht geknüpfte Folge (§ 68 a Abs. 1 StGB), so dass sie nicht zu beanstanden ist. Dass die Kammer dem Beschwerdeführer aufgegeben hat, den Wechsel seines Wohnsitzes und seiner Arbeitsstelle mitzuteilen, beruht auf § 68 b Abs.1 Nr.8 StGB.

9

Schließlich hält sich auch die mit 5 Jahren festgelegte Dauer der Führungsaufsicht im gesetzlich vorgegebenen Rahmen (§ 68 c Abs. 1 S. 1 StGB). Dass die Kammer keine individuelle Prognoseentscheidung zur Dauer der Führungsaufsicht getroffen hat, schadet nicht. Im Gegensatz zur Auffassung des OLG Dresden (OLG Dresden, Beschluss vom 30.09.2009, Ws 458/09, juris, Rn.12) ist zur Dauer der Führungsaufsicht nicht immer eine auf der Grundlage festzustellender Tatsachen individuell zu treffende Ermessensentscheidung geboten. Vielmehr ist die 5-jährige Höchstfrist des § 68 c Abs. 1 S. 1 StGB die gesetzlich bestimmte Regeldauer (KG, Beschluss vom 20.06.2011, 2 Ws 159/11, juris, Rn. 12 m. w. N.), die nur im Ausnahmefall des § 68 c Abs. 1 S. 2 StGB abgekürzt werden kann. Verbleibt es bei dem Regelfall, so genügt es, wenn die angefochtene Entscheidung erkennen lässt, dass sich der Richter des Ermessensspielraums bewusst war (KG, a. a. O. Rn. 15) und kein ernsthafter Anlass besteht, eine Abkürzung der Führungsaufsichtszeit bereits bei deren Eintritt zu erörtern. Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die Kammer hat sich in Kenntnis der in den Beschlussgründen (BA S.5) zitierten Vorschrift des § 68 c StGB erkennbar bewusst für die 5-jährige Regeldauer entschieden. Angesichts der wegen der Erkrankung des Beschwerdeführers (Alkoholabhängigkeit und Persönlichkeitsstörung) sowie des Rückfall vom 12. April 2012 in den Beschlussgründen nachvollziehbar dargelegten negativen Prognoseumstände gab es keinen Anlass, die Dauer der Führungsaufsicht bereits jetzt gemäß § 68 c Abs. 1 S. 2 StGB abzukürzen.

III.

10

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.

 


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