Beschluss vom Oberlandesgericht Celle (2. Strafsenat) - 2 Ws 122/21

Tenor

1. Die Entscheidung über das Rechtsmittel wird auf dem Senat übertragen.

2. Die Beschwerde der Nebenklagevertreterin gegen den Beschluss des Landgerichts Hannover vom 07.04.2021 wird als unbegründet verworfen.

3. Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Mit Urteil des Landgerichts Hannover vom 09.02.2021 (Az. 34 KLs 15/20) wurde der Angeklagte wegen versuchter Vergewaltigung in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und Diebstahl unter Einbeziehung mehrerer Vorverurteilungen zu einer Jugendeinheitsstrafe von 3 Jahren und 3 Monaten verurteilt.

2

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte zunächst Revision eingelegt, diese jedoch noch vor Einreichung einer Revisionsbegründung zurückgenommen, so dass das Urteil seit dem 16.02.2021 rechtskräftig ist.

3

Den vom bestellten Beistand der im vorausgegangenen Strafverfahren zugelassenen Nebenklägerin mit Schriftsatz vom 10.02.2021 gestellten Antrag auf Festsetzung von Gebühren für das Revisionsverfahren hat der zuständige Kostenbeamte des Landgerichts Hannover mit Beschluss vom 16.03.2021 abgelehnt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV RVG nach der von der überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung vertretenen Ansicht nicht bereits schon nach Einlegung der Revision durch einen Verfahrensbeteiligten entstehe, sondern erst nach Eingang der Revisionsbegründung. Letztere sei hier jedoch nicht eingereicht worden.

4

Gegen diese Entscheidung hat der bestellte Beistand der Nebenklägerin mit Schriftsatz vom 19.03.2021 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdeführerin trägt vor, sie habe von der Revision des Angeklagten am Tag ihrer Einlegung Kenntnis erlangt und die Nebenklägerin daraufhin über den weiteren Gang des Verfahrens sowie zu der Frage beraten, ob sie die beabsichtigte therapeutische Behandlung im Hinblick auf eine mögliche Aufhebung des angefochtenen Urteils nebst Rückverweisung der Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung und der damit einhergehenden Möglichkeit einer erneuten gerichtlichen Zeugenvernehmung aufschieben solle. Nach der Rücknahme der Revision des Angeklagten habe sie die Nebenklägerin entsprechend informiert, um ihr zu ermöglichen, zeitnah mit der therapeutischen Behandlung beginnen zu können. Durch diese anwaltlichen Tätigkeiten sei der Gebührentatbestand in Nr. 4130 VV RVG erfüllt worden.

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Die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hannover hat mit Zuschrift vom 06.04.2021 beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zurückzuweisen.

6

Dem ist das Landgericht Hannover mit dem Beschluss vom 07.04.2021 gefolgt und hat sich hierbei den in der Ausgangsentscheidung angeführten rechtlichen Erwägungen angeschlossen. Der hiergegen gerichteten Beschwerde der Beschwerdeführerin hat das Landgericht nicht abgeholfen.

II.

1.

7

Die Entscheidung über das Rechtsmittel war gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG wegen grundsätzlicher Bedeutung auf den Senat zu übertragen. Die Frage, ob eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV RVG bereits dann entstanden ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen ein erstinstanzliches Urteil nach § 333 StPO Revision einlegt und diese noch vor Einreichung einer Revisionsbegründung wieder zurückgenommen hat, hat der Senat bisher noch nicht beantwortet.

2.

8

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist gemäß
§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 und 4 RVG zulässig, führt in der Sache jedoch nicht zum Erfolg.

9

Für das in der vorliegenden Sache anhängig gewesene Revisionsverfahren ist für die Beschwerdeführerin entgegen ihrer Ansicht keine Verfahrensgebühr nach § 48 Abs. 1 RVG,
Nr. 4130 VV RVG angefallen.

10

Die Frage, ob eine Verfahrensgebühr nach Nr. 4130 VV RVG bereits dann entstanden ist, wenn ein Verfahrensbeteiligter gegen ein erstinstanzliches Urteil nach § 333 StPO Revision einlegt und diese noch vor Einreichung einer Revisionsbegründung wieder zurückgenommen hat, wird von der überwiegenden Rechtsprechung der Oberlandesgerichte für den Fall der Revision der Staatsanwaltschaft verneint. Dies wird damit begründet, dass gerade in dem auf eine reine Rechtsprüfung beschränkten Revisionsverfahren aus der maßgebenden Sicht eines verständigen Rechtsanwalts erst nach der Begründung des Rechtsmittels gemäß § 344 StPO Umfang und Zielrichtung der Anfechtung auch für die Verteidigung überschaut und eine sachdienliche Tätigkeit im Rechtsmittelverfahren vorbereitet werden könne. Das durchaus nachvollziehbare Interesse eines Angeklagten, die Erfolgsaussichten einer von der

11

Staatsanwaltschaft eingelegten Revision zu erfahren, beschränke sich vor deren Begründung auf ein rein subjektives Beratungsbedürfnis, wohingegen objektiv eine Beratung weder erforderlich noch sinnvoll sei. Soweit der Verteidiger den Angeklagten in Bezug auf das Revisionsverfahren nach der Revisionseinlegung durch die Staatsanwaltschaft beraten habe, könne sich eine solche Beratung lediglich auf den gesetzlich vorgesehenen Ablauf des weiteren Verfahrens beziehen. Solche Besprechungen vor Begründung des Rechtsmittels durch die Staatsanwaltschaft gehörten allerdings noch nicht zum Revisionsverfahren, sondern seien mit den in der Vorinstanz angefallenen Gebühren abgegolten (vgl. Brandenburgisches Oberlandesgericht, Beschl. v. 27.01.202 – 1 Ws 214/19 –, juris; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 07.08.2017 – 2 Ws 176/17 –, juris; OLG Koblenz, Beschl. v. 21.08.2014 – 2 Ws 376/14 –, juris; OLG Bremen, Beschl. v. 14.06.2011 – Ws 61/11 –, juris; OLG Rostock, Beschl. v. 13.07.2009 – 1 Ws 192/09 -, juris). Der Senat tritt diesen Erwägungen bei. Er legt sie auch der hier zu entscheidenden Frage der Entstehung einer Verfahrensgebühr nach § 48 Abs. 1 RVG, Nr. 4130 VV RVG für den Beistand eines Nebenklägers bei einer Revision des Angeklagten zu Grunde. Denn die noch vor Einreichung ihrer Begründung erfolgte Rücknahme der Revision eines Angeklagten ist mit dem oben erörterten Sachverhalt der Einlegung und Rücknahme einer Revision durch die Staatsanwaltschaft ohne weiteres vergleichbar.

12

Eine andere Beurteilung ist im vorliegenden Fall auch nicht etwa deshalb veranlasst, weil der Beistand der Nebenklägerin nach Kenntniserlangung von der Einlegung der Revision durch den Angeklagten mit der Nebenklägerin nicht nur den möglichen weiteren Verfahrensgang, sondern auch das Für und Wider eines Aufschubs des Beginns der von der Nebenklägerin angestrebten Behandlungstherapie erörtert hat. Denn auch diese Erörterungen wurden nicht unmittelbar durch die Revisionseinlegung veranlasst. Vielmehr sind sie als Gegenstand der Darstellung des im Falle einer Revisionseinlegung allgemein zu erwartenden weiteren Verfahrensablaufs anzusehen. Diese Darstellung ist – wie oben bereits ausgeführt – dem Beistand eines Nebenklägers bereits während des erstinstanzlichen Verfahrens, jedenfalls aber nach der Verkündung eines Urteils ohne Weiteres möglich. Entsprechende Beratungsleistungen sind daher mit den im erstinstanzlichen Verfahren angefallenen anwaltlichen Gebühren hinreichend abgegolten.

III.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 RVG.

 


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