Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-2 W 28/13
Tenor
I.Es wird festgestellt, dass der Zwangsgeldbeschluss der 4b. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 15.05.2013 sowohl hinsichtlich der Verhängung des Zwangsgeldes als auch hinsichtlich der dort getroffenen Kostenentscheidung wirkungslos ist.
II.
Von den Kosten des Zwangsvollstreckungsverfahrens erster Instanz haben die Gläubigerin 3/5 und die Schuldnerin 2/5 zu tragen.
Von den Kosten der Beschwerdeverfahren haben die Gläubigerin 4/5 und die Schuldnerin 1/5 zu tragen.
III.
1. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren der Schuldnerin wird wie folgt festgesetzt:
- bis zum 15.07.2013: EUR 15.000;
- danach: bis dahin angefallene Kosten.
2.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren der Gläubigerin wird wie folgt festgesetzt:
- bis zum 16.08.2013: EUR 60.000;
- danach: bis dahin angefallene Kosten
1
G r ü n d e:
2Im Hinblick auf die jeweiligen übereinstimmenden Erledigungserklärungen war allein noch eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO, der auch im Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO Anwendung findet (vgl. OLG Stuttgart, MDR 2010, 1078), zu treffen.
3Zutreffend hat bereits die Kammer gemäß Ziffer I. ihres Beschlusses vom 23.07.2013 deklaratorisch festgestellt, dass der Zwangsgeldbeschluss der Kammer vom 15.05.2013 hinsichtlich des dort verhängten Zwangsgeldes in Höhe von EUR 15.000,- wirkungslos ist, weil die Parteien insoweit bereits im Abhilfeverfahren übereinstimmende Teilerledigungserklärungen in Bezug auf den Zwangsmittelantrag abgegeben haben. In Ziffer I. des vorliegenden Tenors ist darüber hinaus deklaratorisch klargestellt worden, dass auch die Kostenentscheidung des Zwangsgeldbeschlusses der Kammer vom 15.05.2013 wirkungslos ist, nachdem die Parteien im Rahmen des Beschwerdeverfahrens auch noch in Bezug auf die Beschwerde der Gläubigerin übereinstimmende Teilerledigungserklärungen abgegeben haben. Denn auch insoweit ist nunmehr allein noch eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu treffen.
4I.
5Im Rahmen der nach § 91a ZPO zu treffenden Kostenentscheidung gibt im Allgemeinen der ohne die Erledigung zu erwartende Ausgang des Verfahrens den Ausschlag, wobei die näheren Umstände und Motive, die zur Abgabe der Erledigungserklärungen geführt haben, zu berücksichtigen sind (BGHZ 67, 345; BGH NJW 2007, 3429). Demnach hat regelmäßig derjenige die Kosten zu tragen, dem sie auch nach den allgemeinen kostenrechtlichen Bestimmungen der ZPO aufzuerlegen gewesen wären (Zöller/Vollkommer, ZPO, 29. Aufl.., § 91a Rn 24 m.w.N.).
6Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Einzelfall führt zu der aus Ziffer II. des Tenors näher ersichtlichen Kostenverteilung in erster und zweiter Instanz. Denn ohne die Ereignisse, welche zu den übereinstimmenden Erledigungserklärungen geführt haben, wären die jeweiligen sofortigen Beschwerden unbegründet gewesen, weshalb sich die Kostenentscheidung dann mit demselben Ergebnis aus §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ergeben hätte. Irgendwelche Gesichtspunkte, aufgrund derer aus Billigkeitserwägungen eine abweichende Entscheidung geboten wäre, bestehen nicht.
71.
8Hinsichtlich der Fremdprüfungskosten, die Gegenstand der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin gewesen sind, ist die Kammer im (inzwischen wirkungslosen) Zwangsgeldbeschluss zu Recht davon ausgegangen, dass die Rechnungslegung insoweit unvollständig war, weil es der Gläubigerin im Hinblick auf eine nicht erfolgte detaillierte Aufschlüsselung nicht möglich war, zu prüfen, ob es sich dabei um abzugsfähige Fertigungskosten handelte.
9Insofern wäre die sofortige Beschwerde der Schuldnerin im Falle einer streitigen Entscheidung unbegründet gewesen, so dass sie ohne die übereinstimmende Teilerledigungserklärung im Anschluss an den endgültigen Verzicht der Schuldnerin auf den Abzug der betreffenden Kosten bei der Berechnung des Schadens der Gläubigerin die betreffenden Verfahrenskosten nach §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO hätte tragen müssen.
10Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass zu einer abweichenden Entscheidung. Soweit die Schuldnerin insbesondere geltend macht, dass derartige Fremdprüfungskosten auch bei der mit der Gläubigerin verbundenen D. G. anfallen, verfängt dieser Einwand im Ergebnis nicht. Denn die konzerneigenen Erfahrungen der Gläubigerin reichen jedenfalls nicht für die Prüfung aus, ob die geltend gemachten Fremdprüfungskosten den Verletzungsprodukten unmittelbar zuzuordnen sind. Solches war frühestens mit der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Rechnung nach Anlage W 4 möglich, so dass die sofortige Beschwerde im Zeitpunkt der Einreichung unbegründet war. Dies gilt umso mehr, als von der Schuldnerin ausweislich dieser Rechnung auch für andere Produkte Fremdprüfungskosten zu entrichten waren.
11Auch soweit die Schuldnerin geltend gemacht hat, dass die Höhe des verhängten Zwangsgeldes von EUR 15.000,- angesichts des allein festgestellten Mangels der Fremdprüfungskosten zumindest unverhältnismäßig gewesen sei, wäre ihre sofortige Beschwerde nicht erfolgreich gewesen. Die Höhe des von der Kammer verhängten Zwangsgeldes war vertretbar und angemessen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Fremdprüfungskosten lediglich den Betrag von EUR 1.113,40 ausmachten. Zu den Bemessungsfaktoren für das im Einzelfall zu verhängende Zwangsgeld gehören zwar unter anderem das objektive wirtschaftliche Interesse des Gläubigers an der Auskunft, daneben jedoch auch die Hartnäckigkeit, mit der der Schuldner die Erfüllung seiner Pflicht verweigert (vgl. OLG Karlsruhe, MDR 2000, 229; vgl. Thüringer OLG, FamRZ 2013, 656), sowie die finanzielle Leistungsfähigkeit des jeweiligen Schuldners. Insofern ist das Zwangsgeld nicht durch den Wert der unzureichend mitgeteilten Rechnungslegungsposition gedeckelt. Mit Rücksicht darauf ist das von der Kammer verhängte Zwangsgeld nicht zu hoch bemessen. Die anwaltlich vertretene Schuldnerin ist ihrer Verpflichtung zu einer detaillierten Aufschlüsselung der Fremdprüfungskosten erst im Laufe des Beschwerdeverfahrens hinreichend nachgekommen. Dies zeigt, dass ein entsprechend hohes Zwangsgeld erforderlich war, um ihren Willen erfolgreich beugen zu können.
122.
13Die Gläubigerin hat hingegen die Kosten erster und zweiter Instanz zu tragen, soweit sie ihren Zwangsmittelantrag damit begründet hat, dass die Schuldnerin (ursprünglich) keine Rechnung betreffend Fugenbänder des Unternehmens dga gelegt hat. Ohne die im Rahmen des Beschwerdeverfahrens zuletzt auch diesbezüglich erfolgten übereinstimmenden Teilerledigungserklärungen hätte die Gläubigerin die darauf entfallenden Kosten nach §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO tragen müssen.
14Im Ergebnis hat die Kammer die sofortige Beschwerde der Gläubigerin zu Recht mit Blick auf den Erschöpfungseinwand der Schuldnerin als unbegründet angesehen und dieser nicht abgeholfen. Allerdings hätte es insoweit nicht der abschließenden Entscheidung darüber bedurft, ob auch tatsächlich Erschöpfung eingetreten ist. Soweit die Kammer im Beschluss vom 23.07.2013 - entgegen ihrer ursprünglichen Entscheidung im Zwangsgeldbeschluss vom 15.05.2013 - angenommen hat, dass das Fugenband des Unternehmens dga eine „kerngleiche“ Verletzungsform darstelle, ist dem entgegen zu treten.
15a)
16Nur wenn mit den Erwägungen der Urteilsgründe im Erkenntnisverfahren feststeht, dass auch eine Abwandlung gegenüber der im Erkenntnisverfahren geprüften Verletzungsform als widerrechtliche Benutzung des Klagepatents anzusehen ist, besteht die titulierte Auskunftspflicht auch hinsichtlich der abgewandelten Ausführungsform (Senat, Beschluss vom 27.06.2012 – I-2 W 14/12), wobei insoweit prinzipiell von denselben Regeln auszugehen ist, die für ein Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO gelten (Senat, InstGE 6, 123 – Elektronische Anzeigevorrichtung).
17Der Kammer mag zwar darin zuzustimmen sein, dass vorgenannte enge Anforderungen an die Annahme einer „Kerngleichheit“ hinsichtlich der Frage, ob das Fugenband des Unternehmens dga von der technischen Lehre des geltend gemachten Anspruchs des Klagepatents Gebrauch macht, erfüllt sind. Soweit die Kammer allerdings ferner ausführt, die Verurteilung im Erkenntnisverfahren erstrecke sich auch ohne besondere Klarstellung nicht auf solche Gegenstände, für die ein gesetzlicher Privilegierungstatbestand eingreift, lässt sie außer Acht, dass dieser Grundsatz uneingeschränkt nur für die im Erkenntnisverfahren auch streitgegenständlichen Verletzungsformen gilt. Demgegenüber ist hinsichtlich abgewandelter Ausführungsformen zu beachten, dass das Verbot neuer materiellrechtlicher Erwägungen im Vollstreckungsverfahren nicht etwa nur für die Haftung des Schuldners positiv begründende Überlegungen gilt, sondern in gleicher Weise auch für Einwendungen des Schuldners, die er seiner Haftung in Bezug auf die Abwandlung entgegen hält (Senat, Beschluss vom 27.06.2012 – I-2 W 14/12). Auch insoweit ist nämlich von denselben Regeln auszugehen, die für ein Ordnungsmittelverfahren nach § 890 ZPO gelten (Senat, InstGE 6, 123 – Elektronische Anzeigevorrichtung), weshalb unter anderem der in Bezug auf eine abgewandelte Ausführungsform erhobene Erschöpfungseinwand nur dann Erfolg haben kann, wenn sich allein anhand der Begründungserwägungen des Vollstreckungstitels abschließend beurteilen lässt, ob Erschöpfung eingetreten ist. Letzteres ist unter anderem dann nicht der Fall, wenn dies - wie hier - vollkommen neue sachlichrechtliche Erwägungen erfordert (Senat, Beschluss vom 27.06.2012 I-2 W 14/12). Denn weder die Kammer noch der Senat mussten sich im Erkenntnisverfahren mit Fragen der Erschöpfung auseinandersetzen.
18Nach alledem stellt sich vorliegend schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht die von der Kammer bejahte Frage, ob die Schuldnerin im Vollstreckungsverfahren der Gläubigerin den fraglichen Erschöpfungssachverhalt überhaupt hinreichend offenbart hat, damit diese den geltend gemachten Erschöpfungssachverhalt nachvollziehen und auf seine inhaltliche Richtigkeit überprüfen kann (vgl. zu den Anforderungen OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.08.2008 – 6 W 43/08; Beschluss vom 05.12.2007 – 6 U 161/07; dagegen Haag, Mitteilungen 2011, 159). Allein schon aufgrund der vorstehenden Erläuterungen fehlt es im Hinblick auf den Erschöpfungseinwand an einer kerngleichen Verletzungsform, weshalb hinsichtlich des vom Unternehmen dga hergestellten Fugenbandes a priori die Verhängung eines Zwangsgeldes auszuscheiden hatte.
19b)
20Dass die Schuldnerin im Laufe des Beschwerdeverfahrens auch in Bezug auf das Fugenband der dga Auskünfte erteilt hat (vgl. Anlage B&B 7 (ZV)), über deren Erfüllungstauglichkeit zwischen den Beteiligten Streit herrscht, rechtfertigt keine entsprechende Kostentragungspflicht der Schuldnerin. Solches ist hier auch nicht etwa unter dem Aspekt zu bejahen, dass die Schuldnerin sich freiwillig in die Rolle des Unterlegenen begeben habe (vgl. BGH, MDR 2004, 698). Denn die Schuldnerin hat diese Auskünfte ausdrücklich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht erteilt und (wenn auch mit anderer Begründung als der Senat im vorliegenden Beschluss) weiter daran festgehalten, dass keine kerngleiche Verletzungsform gegeben sei.
213.
22Bei der Kostenverteilung für das Verfahren erster Instanz ist zu berücksichtigen, dass die Gläubigerin mit ihrem ursprünglichen Begehren in nicht unwesentlichen Punkten zu Recht nicht durchgedrungen ist.
23Zwar führt es nicht zwangsläufig zu einer teilweisen Zurückweisung des Zwangsmittelantrages mit einer entsprechenden Kostenbelastung des Gläubigers, wenn sich lediglich einige, aber nicht alle Beanstandungen als durchgreifend erweisen (Senat, InstGE 5, 292 – Balkonbelag). Eine Teilabweisung mit entsprechender Kostenfolge ist aber unter anderem dann angezeigt, wenn der Zwangsmittelantrag in Bezug auf die begehrte Höhe zwar unbestimmt formuliert ist, jedoch das Landgericht deshalb hinter dem Begehren des Gläubigers zurückbleibt, weil es verschiedene Beanstandungen des Gläubigers von Gewicht nicht teilt und deswegen zu dem festgesetzten geringeren Zwangsgeld kommt (Senat, Beschluss vom 27.06.2012, I-2 W 14/12).
24Letzteres ist vorliegend der Fall: Die Kammer hat zu Recht - was von der Gläubigerin mit ihrer beschränkten sofortigen Beschwerde auch nicht angegriffen worden ist - eine ganze Reihe weiterer Beanstandungen zurückgewiesen (Rechnungslegung zu Material, Lohn und Energie sowie Werbung; Belegvorlage betreffend Werbung; Herstellungsmengen in 2008 und 2009; Nachweis der Vernichtung; Erfüllung des Rückrufanspruchs), die zumindest in ihrer Gesamtheit von solchem Gewicht gewesen sind, dass sie im Rahmen der Kostenentscheidung für die erste Instanz zu Lasten der Gläubigerin entsprechende Berücksichtigung finden müssen. Die Auferlegung der Kosten für diese Positionen nach §§ 92 Abs. 1, 91 Abs. 1 S. 1 ZPO ist im Übrigen mangels insoweit eingelegter sofortiger Beschwerde nicht von der betreffenden übereinstimmenden Teilerledigungserklärung erfasst worden und damit in Rechtskraft erwachsen.
25Dass die Gläubigerin im Ergebnis auch von den erstinstanzlichen Kosten etwas mehr zu tragen hat als die Schuldnerin, ist deshalb gerechtfertigt, weil die Gläubigerin mit ihrem Begehren in Bezug auf eine Ausführungsform gar nicht und in Bezug auf die andere Ausführungsform nicht vollständig durchgedrungen ist.
26II.
27Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 und 3 ZPO nicht vorliegen.
28Dr. T. K. Dr. B. Dr. R.
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