Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-4 U 146/13
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 30. Juli 2013 verkündete Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf teilweise abgeändert.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e
2A.
3Der Kläger begehrt als Insolvenzverwalter Leistungen aus einer Kasko-Versicherung, die die Insolvenzschuldnerin mit der Beklagten abgeschlossen hatte.
4Die A. Produktionstechnik GmbH & Co. KG (im Folgenden: Insolvenzschuldnerin) war Halterin des Kraftfahrzeuges … mit dem amtlichen Kennzeichen „…“, bei dem es sich um ein Leasingfahrzeug der B. Bank GmbH handelte, das in deren Eigentum stand (Leasingvertrag vom 29.01.2007, Nr. … (Bl. 2 GA) / Nr. … (Anlage K6); früher „B. L. GmbH“, Bl. 101 GA). Die Insolvenzschuldnerin hatte für das Kraftfahrzeug eine Kaskoversicherung für fremde Rechnung bei der Beklagten mit einem Selbstbehalt von 150,- € abgeschlossen (Bl. 2, 14 GA). Versicherte Person war die B. Bank GmbH als Leasinggeberin. Ein Sicherungsschein wurde nicht erteilt (Bl. 97, 100 GA).
5Die Insolvenzschuldnerin stellte am 05.06.2009 den Antrag beim Amtsgericht Mönchengladbach, über ihr Vermögen das Insolvenzverfahren zu eröffnen (Az.: 45 IN 91/09). Das Amtsgericht bestellte mit Beschluss vom 05.06.2009 RA Dr. C. P. zum vorläufigen Insolvenzverwalter, zudem ordnete es an, dass Verfügungen der Insolvenzschuldnerin über Gegenstände ihres Vermögens nur noch mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Den Drittschuldnern der Insolvenzschuldnerin wurde sodann verboten, an die Insolvenzschuldnerin zu zahlen (Anlage K1).
6Am 27.06.2009 erlitt das versicherte Kraftfahrzeug einen Unfallschaden, woraufhin die Insolvenzschuldnerin die M. K. GmbH & Co. KG (im Folgenden: Reparaturwerkstatt) in eigenem Namen auf eigene Rechnung mit der Schadensbeseitigung beauftragte. Der Reparaturauftrag wurde am 29.06.2009 ordnungsgemäß ausgeführt (Anlage K2), mit gleichem Datum trat die Insolvenzschuldnerin schriftlich die Abtretung ihrer Ansprüche gegen die Beklagte an die Reparaturwerkstatt ab (Anlage K5).
7Mit Schreiben vom 06.07.2009 – „Regulierungsfreigabe“ (Anlagen Beklagte, Anlagenband), adressiert an die Insolvenzschuldnerin, teilte die B. F. Services im Auftrag der B. Bank GmbH mit, sie sei einverstanden, „dass die unfallbedingte Kosten an die jeweiligen Firmen bzw. gegen Vorlage von bezahlten Rechnungen an den Leasingnehmer ausbezahlt werden können“. Das Schreiben übermittelte die Insolvenzschuldnerin der Beklagten (Bl. 15 GA). Mit Schreiben vom 10.07.2009 wurde eine „Reparaturkosten-Übernahmebestätigung“ durch die Beklagte ausgestellt, auf die wegen des Inhalts Bezug genommen wird (Anlagen Beklagte, Anlageband).
8Mit ihrer Rechnung vom 22.07.2009 (Nr. …) forderte die Reparaturwerkstatt die Zahlung von 25.286,75 € (inkl. 19% MwSt.) (Anlage K2). Der Schaden der Insolvenzschuldnerin belief sich abzüglich der Mehrwertsteuer sowie abzüglich eines mit der Beklagten vertraglich vereinbarten Selbstbehalts von 150,- € auf 21.099,37 € (Bl. 2 GA). Dieser Schaden wurde der Beklagten sodann angezeigt (Bl. 3 GA).
9Am 27.07.2009 eröffnete das Amtsgericht Mönchengladbach über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin mit öffentlicher Bekanntmachung (Bl. 18 GA) das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter (Anlage K3).
10Die Beklagte leistete am 31.07.2009 zunächst einen Teilbetrag i.H.v. 17.850,- € und einige Tage darauf am 03.08.2009 einen Teilbetrag i.H.v. 3.249,37 € (Schadensnummer …) unmittelbar an die Reparaturwerkstatt (vergl. Anlage K4). Mit Schreiben vom 12.08.2009, der Beklagten am 17.08.2009 zugestellt, informierte der Kläger die Beklagte darüber, dass er zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin bestellt worden war (Bl. 14, 21 GA). Seine Aufforderung, 21.099,37 € an ihn zu zahlen, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 09.11.2010 endgültig ab.
11Der Kläger ist der Ansicht gewesen, er sei aktivlegitimiert, da die Insolvenzschuldnerin nach den Regelungen des Leasingvertrags für Schäden aufzukommen habe. Die Abtretung der Ansprüche der Insolvenzschuldnerin an die Reparaturwerkstatt hätte seiner - unstreitig nicht erklärten - Zustimmung bedurft und sei daher unwirksam (Bl. 3, 18 GA). Auch habe die Beklagte nicht an die B. Bank GmbH oder die Insolvenzschuldnerin geleistet, sondern an die Reparaturwerkstatt, ohne dass dies eine schuldbefreiende Wirkung entfaltet habe (Bl. 4, 19 GA).
12Der Kläger hat beantragt,
13die Beklagte zu verurteilen, an ihn als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A. Produktionstechnik GmbH & Co. KG 21.099,37 € nebst Zinsen i.H.v. 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.11.2010 zu zahlen.
14Die Beklagte hat beantragt,
15die Klage abzuweisen.
16Die Beklagte ist der Auffassung gewesen, der Kläger könne keine Ansprüche geltend machen, da die B. Bank GmbH Eigentümerin des Kraftfahrzeugs war und nur dieser ein Schaden entstanden sei (Bl. 14, 20 f., 31 GA). Auch ist die Beklagte der Ansicht gewesen, dass sie aufgrund der „Zahlungsanweisung“ durch die B. Bank GmbH, der erklärten Abtretung des Anspruchs der Insolvenzschuldnerin gegen die Beklagte sowie ihrer Unkenntnis von den Beschlüssen des Amtsgerichts Mönchengladbach schuldbefreiend an die Reparaturwerkstatt als die materiell Berechtigte geleistet habe.
17Mit seinem am 30.07.2013 verkündeten Urteil, auf das wegen der weiteren Sachdarstellung Bezug genommen wird (Bl. 33 ff. GA), hat die 1. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf die Beklagte verurteilt, an den Kläger 21.099,37 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 10.11.2010 zu zahlen. Im Übrigen – hinsichtlich der geforderten Zinsen - hat sie die Klage teilweise abgewiesen.
18Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt:
19Der Insolvenzschuldnerin stehe ein Anspruch aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsvertrag gegen die Beklagte zu, obwohl sie nur Leasingnehmerin und keine Eigentümerin des Kraftfahrzeugs gewesen sei. Nach X Ziffer 1 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen für das Leasing von Kraftfahrzeugen der B. Bank GmbH (im Folgenden AGB-Leasing) habe die Insolvenzschuldnerin in eigenem Namen eine Versicherung für das Kraftfahrzeug abschließen müssen. Nach X Ziffer 2 AGB-Leasing sei sie auch verpflichtet gewesen, im Innenverhältnis zur B. Bank GmbH notwendige Reparaturen des Kraftfahrzeugs auf eigene Kosten vorzunehmen. Der Versicherungsanspruch sei dabei nicht untergegangen, da die Zahlung an die Reparaturwerkstatt keine schuldbefreiende Wirkung gehabt habe. Die erklärte Abtretung der Versicherungsansprüche an die Reparaturwerkstatt sei gemäß §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 InsO rechtsunwirksam, da die Insolvenzschuldnerin gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO im Zeitpunkt der Abtretungserklärung bereits dem Zustimmungsvorbehalt des vorläufigen Insolvenzverwalters unterlegen habe. Die vermeintliche Forderungsabtretung müsse der Kläger sich auch nicht nach § 409 BGB entgegenhalten lassen. Der Zinsanspruch bestehe aber nur i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz, da es sich nicht um eine Entgeltforderung handele.
20Gegen das der Beklagten am 30.07.2013 zugestellte Urteil hat sie mit einem beim OLG Düsseldorf am 30.08.2013 eingegangenen Schriftsatz die Berufung eingelegt und sie nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 30.10.2013 mit einem am 29.10.2013 eingegangenen Schriftsatz begründet.
21Mit der Berufung verfolgt die Beklagte unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiterhin eine Klageabweisung:
22Die Beklagte ist der Ansicht, sie habe schuldbefreiend an die Reparaturwerkstatt geleistet, zumal die B. Bank GmbH einer Zahlung an die Reparaturwerkstatt wirksam zugestimmt habe. In Anbetracht der Regelung in den AGB-Leasing zur Erteilung eines Sicherungsscheins bezüglich des Versicherungsvertrags könne die B. Bank GmbH die Rechte aus dem Versicherungsvertrag ausüben bzw. über diese verfügen, ohne dass es auf die faktische Erteilung des Sicherungsscheins ankomme (Bl. 70 ff., 82 GA). Auch hätten die Insolvenzschuldnerin und die B. Bank GmbH ausweislich der Leasing-AGB vertraglich vereinbart, dass die Reparaturkosten unmittelbar an die Reparaturwerkstatt ausgezahlt werden könnten (Bl. 72 GA). Darüber hinaus sei zu beachten, dass die B. Bank GmbH Aussonderungsrechte i.S.d. § 47 InsO bezüglich des Leasingfahrzeugs geltend machen könne und ihr daher auch im eröffneten Insolvenzverfahren die Befugnis verbleiben müsse, über die Versicherungsleistungen zur Fahrzeugreparatur zu verfügen (Bl. 73, 81 ff.; 99 GA). Schließlich stehe einem Anspruch des Klägers die dolo agit-Einrede aus § 242 BGB entgegen, da der Kläger dem Leasingvertrag zufolge verpflichtet sei, den eingeklagten Betrag zweckentsprechend an die Reparaturwerkstatt auszuzahlen. Schließlich bestreitet die Beklagte nunmehr im Berufungsverfahren, dass der Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 05.06.2009 öffentlich bekannt gemacht worden sei (Bl. 73, 109 GA). Sie habe daher in Unkenntnis von dem Zustimmungsvorbehalt gehandelt.
23Die Beklagte beantragt,
24das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30.07.2013 – 1 O 455/12 – teilweise abzuändern und die Klage abzuweisen.
25Der Kläger beantragt,
26die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
27Unter Wiederholung und Vertiefung seines bisherigen Sachvortrags verteidigt der Kläger die landgerichtliche Entscheidung als im Ergebnis zutreffend.
28Er ist der Ansicht, die B. Bank GmbH hätte nur dann der Auszahlung der Versicherungsleistung rechtsverbindlich zustimmen können, wenn sie sich einen Sicherungsschein hätte erteilen lassen. Die vertraglichen Regelungen in den AGB-Leasing würden keine Zustimmung zur Auszahlung der Versicherungsleistung an die Reparaturwerkstatt darstellen, da dies dem Zustimmungsvorbehalt des § 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO zuwider liefe. Die B. Bank GmbH könne sich auch nicht auf ihre Aussonderungsrechte an dem Leasingfahrzeug berufen, da die Reparaturkosten in keinem Zusammenhang mit dem Aussonderungsrecht stehen würden und die B. Bank GmbH die Durchführung von Reparaturarbeiten nach den AGB-Leasing gerade der Insolvenzschuldnerin auferlegt habe. Bezüglich der dolo agit- Einrede fehle es an dem erforderlichen Gegenseitigkeitsverhältnis der Leistungsansprüche, da die Beklagte ihre erbrachten Zahlungen lediglich von der B. Bank GmbH zurückfordern könne.
29Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die Berufungsbegründung der Beklagten vom 29.10.2013 (Bl. 70 ff. GA) bzw. den Schriftsatz vom 26.11.2013 (Bl. 81 ff. GA) und auf die Berufungserwiderung des Klägers vom 28.05.2014 (Bl. 108 ff. GA) Bezug genommen.
30B.
31Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.
32I.
33Der Kläger hat keinen Anspruch aus dem zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten abgeschlossenen Kasko-Versicherungsvertrag i.V.m. § 80 Abs. 1 InsO auf eine Auszahlung der Versicherungsleistungen i.H.v. 21.099,37 €. Er ist nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert, die an die Werkstatt ausgezahlte Versicherungsleistung erneut zu verlangen (siehe unten 5), auch wenn ihm formal diese Rechtsposition zusteht (siehe unten 1-4).
341.
35Zwischen der Insolvenzschuldnerin und der Beklagten besteht ein Kasko-Versicherungsvertrag mit einem Selbstbehalt i.H.v. 150,- € als Versicherung für fremde Rechnung. Aus diesem Vertrag bestand im Hinblick auf das Schadensereignis vom 27.6.2009 eine Einstandspflicht der Beklagten gegenüber der Insolvenzschuldnerin als Leasingnehmerin. Der B. Bank GmbH als Eigentümerin des Fahrzeugs und versicherter Person stand der Anspruch zwar materiell zu (§ 44 Abs. 1 S. 1 VVG), die formale Verfügungsbefugnis aber hatte die Insolvenzschuldnerin als Versicherungsnehmerin (§ 44 Abs. 2 VVG, vgl. Prölls/Martin-Koch, VVG, 28. A., § 44 Rn. 2,3) bzw. für sie der zur Ausübung der Rechte befugte Insolvenzverwalter. Nur die Insolvenzschuldnerin ist Vertragspartnerin der Beklagten, weil der B. Bank GmbH als Versicherter kein Sicherungsschein i.S.d. §§ 44, 45 VVG zur Geltendmachung der materiellen Verfügungsbefugnis über die Rechte aus dem Versicherungsvertrag erteilt worden ist (Bl. 97, 100).
362.
37Der Anspruch der Insolvenzschuldnerin auf die Versicherungsleistung ist nicht durch die Zahlungen der Beklagten an die Reparaturwerkstatt erfüllt worden (§ 362 BGB).
38a)
39Der Anspruch ist nicht durch eine schuldbefreiende Leistung der Beklagten gemäß § 362 Abs. 1 BGB an die Reparaturwerkstatt untergegangen. Dieser ist die Forderung aus dem Versicherungsvertrag durch die Insolvenzschuldnerin zwar abgetreten worden (Anlage K 5).
40Die Insolvenzschuldnerin hat die ihr zustehenden Ansprüche gegen die Beklagte trotz ihres formellen Verfügungsrechts aus den §§ 44, 45 VVG am 29.06.2009 jedoch nicht wirksam an die Werkstatt abtreten können. Aufgrund der Anordnung vorläufiger Maßnahmen durch den Beschluss des Amtsgerichts Mönchengladbach vom 05.06.2009 (§ 21 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 InsO) war die Insolvenzschuldnerin gem. §§ 24 Nr. 1, 81 Abs. 1 S. 1 InsO daran gehindert, über ihr Vermögen ohne die Zustimmung des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 1 InsO wirksam zu verfügen (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1130, 1131 Rn. 8). Eine derartige Zustimmung hat der Kläger unstreitig nicht erteilt. Unerheblich ist es in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte die öffentliche Bekanntmachung des Beschlusses im Berufungsverfahren bestreitet. Weder die öffentliche Bekanntmachung noch die Zustellung i.S.d. § 23 Abs. 1 InsO sind Wirksamkeitsvoraussetzungen für die angeordneten Sicherungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 2 InsO (vgl. MüKo-InsO/Haarmeyer, 3. Aufl. 2013, § 21 Rn. 37, § 23 Rn. 8).
41Die vermeintliche Forderungsabtretung an die Reparaturwerkstatt muss sich die Insolvenzschuldnerin bzw. der Insolvenzverwalter auch nicht nach § 409 Abs. 1 BGB i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB entgegen halten lassen, da § 409 BGB unanwendbar ist, wenn der Insolvenzschuldner infolge der Anordnungen nach § 21 Abs. 2 InsO seine Verfügungsbefugnis verloren hat (vgl. BGH NJW-RR 2012, 1130, 1131 Rn. 12 m.w.N.)
42b)
43Die Zahlung von insg. 21.099,37 € durch die Beklagte an die Reparaturwerkstatt am 31.07.2009 und am 03.08.2009 hat auch keine schuldbefreiende Wirkung nach §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB i.V.m. § 82 S. 1 InsO. Durch § 82 InsO findet zwar ein begrenzter Gutglaubensschutz statt. Dieser setzt aber voraus, dass die Zahlung als Leistung an die Insolvenzschuldnerin anzusehen ist und zudem im Falle der Abtretung oder der Leistung an Dritte die Abtretung/Ermächtigung vor der Insolvenzeröffnung vorgenommen wurde (vergl. MüKo-InsO-Ott/Vuis, 3. A. 2013, § 81 Rn. 3 a, b). An beiden Voraussetzungen fehlt es:
44aa)
45Die Zahlungen der Beklagten sind eine Leistung der Beklagten an die B. Bank GmbH als materiell berechtigte Forderungsgläubigerin aus dem Versicherungsvertrag. Die Zuwendung der Beklagten diente einer Tilgung der materiellen Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag. Dass die B. Bank GmbH und die Beklagte übereinstimmend davon ausgingen, durch die Zahlung an die Werkstatt, schuldbefreiend an die B. Bank GmbH zu leisten, zeigt das Schreiben der Beklagten vom 10.07.2009, das ausdrücklich auf den Versicherten Bezug nimmt, auch wenn die Insolvenzschuldnerin als Halter genannt wird.
46bb)
47Die Erteilung einer Einziehungsermächtigung i.S.d. §§ 362 Abs. 2, 185 Abs. 1 BGB zugunsten der Reparaturwerkstatt durch die Übermittlung der Regulierungsfreigabe bzw. durch die Rechnungsvorlage gegenüber der Beklagten hätte zudem nach Anordnung der vorläufigen Sicherungsmaßnahmen der Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters gem. den §§ 24 Abs. 1, 81 Abs. 1 S. 1 InsO bedurft. Diese hat der Kläger nicht erklärt. Bei der Erteilung der Einziehungsermächtigung handelt es sich nach herrschender Auffassung um eine zustimmungspflichtige Verfügung nach § 81 Abs. 1 S. 1 InsO (BGH NJW-RR 2012, 1130, 1131 Rn. 7 m.w.N.; MüKo-InsO-Ott/Vuia, 3. Aufl. 2013, § 82 Rn. 3).
48cc)
49Eine wirksame (konkludente) Zustimmung, welche in der vermeintlichen Forderungsabtretung an die Reparaturwerkstatt (Anlage K5) oder in der Übermittlung der Regulierungsfreigabe an die Beklagte zu sehen sein könnte, scheitert an dem Zustimmungsvorbehalt des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter (Rüffer/Halbach/Schimikowski/Muschner, VVG, 2. Aufl. 2011, § 44 Rn. 10).
50c)
51Die Zustimmung des Klägers als vorläufigem Insolvenzverwalter i.S.d. § 21 Abs. 2 Nr. 2 InsO bzw. die alleinige Verfügungsbefugnis des Klägers als Insolvenzverwalter i.S.d. § 80 Abs. 1 InsO war auch nicht aufgrund der Regulierungsfreigabe der B. Bank GmbH vom 06.07.2009 bzw. aufgrund von Regelungen im Leasingvertrag vom 29.01.2007 zwischen der Insolvenzschuldnerin und der B. Bank GmbH entbehrlich.
52aa)
53Die B. Bank GmbH konnte nicht gem. § 44 Abs. 2 VVG über ihre Rechte als Versicherte verfügen, da sie unstreitig nicht im Besitz eines Sicherungsscheins ist (Bl. 97, 100 GA).
54Eine Berechtigung ergibt sich auch nicht aus X Ziffer 1 der AGB-Leasing. Diese Bestimmung sieht lediglich vor, dass die B. Bank GmbH lediglich „ermächtigt“ ist, einen Sicherungsschein zu beantragen, diesen aber nicht von vornherein in Besitz hat. Daraus lässt sich eine vorab erteilte Zustimmung der Insolvenzschuldnerin, die Rechte aus dem Vertrag gelten zu machen, nicht ableiten.
55Die Legitimationswirkung des Sicherungsscheins zum Schutz des Versicherers würde konterkariert, wenn der Versicherte über die Auszahlung der Versicherungsleistung an die Reparaturwerkstatt i.S.d. § 45 Abs. 1 VVG verfügen kann, ohne dass er einen Sicherungsschein besitzt und damit seine Rechtsposition nicht „verstärkt“ hat (OLG Hamm r+s 1986, 303). Eine generelle Zustimmung i.S.d. §§ 183, 185 Abs. 1 BGB zur Verfügung über die Rechte der Insolvenzschuldnerin aus dem Versicherungsvertrag (vgl. Prölss/ Martin/Prölss/Klimke, VVG, 28. Aufl. 2010, § 44 Rn. 10: auch in AGB möglich) ist bei einer Gesamtschau der Regelung in X Ziffer 1 AGB-Leasing nicht zu erkennen.
56Auch trägt die Beklagte nicht vor, dass sie und die Insolvenzschuldnerin eine vertragliche Abrede dergestalt getroffen hätten, dass der Versicherte auch ohne die Erteilung eines Sicherungsscheins so gestellt werden sollte, als ob ein Sicherungsschein erteilt worden wäre (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung OLG Frankfurt NZV 2002, 44).
57cc)
58Die erforderliche Zustimmung lässt sich auch nicht aus den sonstigen vertraglichen Regelungen im Leasingvertrag zwischen Insolvenzschuldnerin und B. Bank GmbH herleiten. Denn aus der Stellung als Fahrzeughalter (VIII Ziffer 4 der AGB-Leasing) mitsamt der Pflicht zur Tragung der „gewöhnlichen“ Wartungs- und Reparaturkosten (IX Ziffer 2 AGB-Leasing), der Pflicht Schadensreparaturen in eigenem Namen und auf eigene Rechnung durchführen zu lassen (X Ziffer 2 AGB-Leasing), der Pflicht im Reparaturfall zum Ausgleich des Fahrzeugschadens erlangte Beträge zur Begleichung der Reparaturrechnung zu verwenden (X Ziffer 4 AGB-Leasing) bzw. der Pflicht für die Beschädigung des Kraftfahrzeugs gegenüber dem Leasinggeber zu haften (XI Ziffer 1 AGB-Leasing) lässt sich nicht schließen, dass die B. Bank GmbH bereits mit Abschluss des Leasingvertrages am 29.01.2007 ermächtigt sein sollte, die materiellen Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen. Andernfalls wäre es auch nicht erforderlich, dem Versicherten nach X Ziffer 1 der AGB-Leasing eine Ermächtigung zur Beantragung eines Sicherungsscheins zu erteilen, der es dem Versicherten bei einer Versicherung für fremde Rechnung üblicherweise erst ermöglicht, die materiellen Rechte gegenüber dem Versicherer durchzusetzen (vgl. MüKo-InsO/Dageförde, 2010, § 44 Rn. 3).
59dd)
60Eine Ersetzung der Zustimmung des Klägers kann schließlich nicht aus einem (Ersatz-)Aussonderungsrecht der B. Bank GmbH i.S.d. §§ 47, 48 InsO abgeleitet werden. Für den Fall einer Zahlung der Versicherungsleistung an den Insolvenzverwalter ist zwar anerkannt, dass der versicherten Person ein Aussonderungsrecht an der Versicherungsleistung zusteht (BGH NJW 1953, 1825; OLG Frankfurt, NZV 2002, 44; Martinek/Stoffels, Handbuch des Leasingrechts, 2. A., § 49 Rn. 40; MüKo-InsO/Dageförde, 2010, § 46 Rn. 2).
61Ein Aussonderungsrecht an einem geleisteten Geldbetrag entsteht bei einer Versicherung für fremde Rechnung grundsätzlich aber nur dann, wenn der Versicherungsnehmer als Treuhänder die Zahlungen des Versicherers entgegennimmt. Das ist nicht der Fall, wenn die der Versicherer unmittelbar an die Werkstatt leistet, zumal dann, wenn er in Erfüllung einer vermeintlichen formalen Berechtigung der Leasinggeberin handelt.
62Die von der Beklagten zitierte Entscheidung des OLG Frankfurt (OLG Frankfurt NZV 2002, 44) kann nicht auf den vorliegenden Sachverhalt übertragen werden. Denn dort hatte der Kaskoversicherer die Entschädigungsleistung für ein geleastes Fahrzeug bereits vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens an den Versicherten ausgezahlt, wodurch dessen Anspruch befriedigt wurde. Zudem hatte der Versicherungsnehmer den Versicherten bereits vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirksam ermächtigt, die Rechte aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen.
63Darüber hinaus – und das ist letztlich entscheidend – stellt ein mögliches Aussonderungsrecht der versicherten Person ein eigenes Recht dar, das in keinem rechtlichen Zusammenhang zu der formalen Rechtsstellung des Insolvenzverwalters steht. Rechte der versicherten Person können daher keine Zustimmung des Verwalters im Verhältnis zum Versicherer begründen.
643.
65Die Beklagte kann die Leistung nicht nach den Grundsätzen der konkreten Bedarfsdeckung (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 74-99 Rn. 23) verweigern. Zwar ist ungeschriebene Voraussetzung für die Versicherungsleistung, dass das versicherte Interesse tatsächlich betroffen und ein Schaden entstanden ist (Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 74-99 Rn. 32, 34). Der Grundsatz der konkreten Bedarfsdeckung und die darauf basierende Beschränkung auf das versicherte Interesse dienen aber allein der Begrenzung der Vertragsgestaltungsfreiheit in der Schadensversicherung. Anhaltspunkte dafür, dass diese Grenze nicht eingehalten ist, bestehen hier nicht.
664.
67Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, dass der Forderung des Klägers auf Zahlung der Versicherungsleistung ein allgemein geltendes versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot entgegenstehe, da er durch die Zuwendung an die Reparaturwerkstatt und Befreiung von seinen vertraglichen Pflichten aus XI Ziffer 1 der AGB-Leasing bereits vermögensrechtlich bereichert sei.
68Zum einen besteht ein solches versicherungsrechtliches Bereicherungsverbot nicht. Dieses wurde früher aus § 55 VVG a.F. abgeleitet. Diese Vorschrift wurde aber mit der Reform des VVG ersatzlos gestrichen. Auch besteht für ein derartiges allgemeines Verbot zum Schutz der Versicherer kein anerkennenswertes Interesse, weil die Versicherer durch Gestaltung ihrer AVB in der Lage sind, ihre Interessen durch eine sachgerechte Risikoprüfung sowie Vereinbarungen hinreichend zu wahren (vgl. dazu Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 28. Aufl. 2010, Vor §§ 74-99 Rn. 25).
695.
70Einer Durchsetzung des Leistungsanspruchs durch den Kläger steht allerdings § 242 BGB entgegen.
71Es ist treuwidrig, dass der Kläger die Reparaturkosten erneut einfordert und nicht die Zahlung an die Reparaturwerkstatt als Versicherungsleistung genehmigt.
72a)
73Grundsätzlich ist zwar zutreffend, dass es die Aufgabe des Insolvenzverwalters ist, als Versicherungsnehmer die Rechte aus dem Vertrag entsprechend dem gesetzlichen Leitbild der §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 3 VVG geltend zu machen. Zutreffend ist weiter, dass es regelmäßig (für den Versicherer) unerheblich ist, wie sich Versicherungsnehmer und Versicherter im Innenverhältnis auseinandersetzen und wem die Versicherungssumme letztlich zusteht. Er ist im allgemeinen durch die Regelungen in den §§ 44, 45 VVG vor ungerechtfertigter bzw. doppelter Inanspruchnahme hinreichend geschützt (vgl. OLG Hamm r+s 1986, 303, 304), die hier ausnahmsweise nicht eingreifen, da die Beklagte ohne Erteilung des Sicherungsscheins und ohne Zustimmung des Klägers eine rechtsgrundlose Leistung an die BMW Bank GmbH erbracht hat. Die vereinbarte Zweckbindung der Versicherungsleistung zur Reparatur des Fahrzeugs im Verhältnis zwischen der B. Bank GmbH und der Insolvenzschuldnerin entfaltet keine Auswirkungen auf das Versicherungsverhältnis, an dem die Beklagte beteiligt ist. Denn weder der Versicherungsnehmer noch sonstige begünstigte Dritte sind in der Regel verpflichtet, die Versicherungsleistung zu einem bestimmten Zweck zu verwenden (vgl. BGH NJW 1996, 256, 257).
74b)
75Im Streitfall kann jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass der Leistungserfolg durch die Reparatur des Leasingfahrzeugs eingetreten ist und der Kläger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt berechtigt ist, die Versicherungsleistung zur Masse zu ziehen oder einem anderen Verwendungszweck zuzuführen.
76Auch dann, wenn die Beklagte die Reparaturkosten nicht an die Werkstatt gezahlt hätte, sondern entsprechend dem nunmehrigen Begehren des Klägers an ihn als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Versicherungsnehmerin, hätte der Kläger entweder der Verpflichtung zur Reparatur aus dem Leasingvertrag nachkommen müssen oder den Geldbetrag im Hinblick auf das Aussonderungsrecht der Leasinggeberin treuhänderisch verwalten müssen. Ein schutzwürdiges Eigeninteresse, die Versicherungsleistung erneut zu beanspruchen, besteht daher nicht, zumal die Leasinggeberin als materiell Berechtigte aus dem Versicherungsvertrag ausdrücklich mit der Vorgehensweise der Beklagten einverstanden war. Der Kläger nutzt eine förmliche Rechtsposition aus, aus der er formal berechtigt ist, darf aber materiell-rechtlich die Versicherungsleistung nicht zur Masse ziehen. Der Versicherte hat ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO; der Insolvenzverwalter darf nur treuhänderisch für den Versicherten die Leistung entgegennehmen (BGH NJW 1953, 1825, 1826 a. E.; OLG Frankfurt, NZV 2002, 44; Martinek/Stoffels, Handbuch des Leasingrechts, 2. A., § 49 Rn. 40; MüKo-VVG/Dageförde, § 46 Rn. 2; MüKo-InsO-Ganter; 4. A., § 47 Rn. 314; Gottwald, Insolvenzrechts-Handbuch, 4. A., § 40 Rn. 93). Leistet die Beklagten an den Kläger als Insolvenzverwalter, so kann allein die Leasinggeberin als versicherte Person die Versicherungsleistung aufgrund ihres Aussonderungsrechts beanspruchen.
77Die erneute Zahlung der Versicherungssumme an den Kläger, dessen treuhänderische Verwahrung und Auskehr an die Leasinggeberin ist mit Aufwand und Kosten verbunden, ohne dass die Insolvenzmasse vermehrt wird. Weder für die Insolvenzgläubiger, den Insolvenzschuldner noch die versicherte Person ist mit der Klage ein rechtlicher oder wirtschaftlicher Vorteil verbunden. Das Begehren des Insolvenzverwalters führt allein dazu, dass nach Aussonderung der Versicherungsleistung die erneute Zahlung aufwendig über die Leistungskette nach § 812 BGB rückabgewickelt wird, ohne dass damit Vorteile für die verwaltete Masse verbunden sind. Diese wird allenfalls aufgrund der Geltendmachung des Anspruchs und der treuhänderischen Verwaltung mit Kosten belastet. Eine solche Ausnutzung der formalen Rechtsposition ist treuwidrig (§ 242 BGB).
78II.
79Die Kostenentscheidung folgt aus den § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zu der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den § 708 Nr. 10, 711 ZPO.
80Es bestehen keine Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO).
81Streitwert in der Berufungsinstanz: 21.099,37 €.
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- BGB § 242 Leistung nach Treu und Glauben 2x
- BGB § 362 Erlöschen durch Leistung 1x
- 1 O 455/12 1x (nicht zugeordnet)