Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf - I-20 U 123/13
Tenor
I.
Das am 16.05.2013 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Duisburg wird abgeändert.
1.)
Der Beklagten wird untersagt,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken mit der Mitteilung
„Kundenbewertung 4,8/5
(…)
Garantiert echte Meinungen
Kundenauszeichnung Y.“
zu werben,
wie aus der dem Urteil beigefügten Anlage K 1 ersichtlich, wenn die Kundenbewertung nach den als Anlage K 2 (dem Urteil ebenfalls anliegenden) beigefügten Y.-Richtlinien erfolgt.
2.)
Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,- €, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt 2 Jahren, angedroht.
3.)
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 911,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 03.12.2012 zu zahlen.
4.)
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die Werbemaßnahmen gemäß Ziffer 1 betrieben hat, wobei die Angaben hierzu zeitlich geordnet ab Beginn der Werbemaßnahmen, unter Angabe der Auflage der Werbeträger sowie unter Angabe der aufgrund der vorbezeichneten wettbewerbswidrigen Werbemaßnahmen eingegangen Bestellungen, des erzielten Umsatzvolumens und der Angabe der für die entsprechenden Aufträge aufgewendeten Kosten erfolgen müssen.
5.)
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu erstatten, der dieser durch die Werbemaßnahmen gemäß Ziffer 1 entstanden ist und künftig noch entstehen wird.
II.
Die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervenientin, die diese selber zu tragen hat, werden der Beklagten auferlegt.
III.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 12.500,- € abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
1I.
2Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
3Durch dieses hat das Landgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständlichen Ansprüche stünden der Klägerin materiell-rechtlich nicht zu. Ein eigener Unterlassungsanspruch der Klägerin, wie von der Klägerin hauptsächlich geltend gemacht, scheitere daran, dass sie – wie der Senat im Rahmen des zwischen den Parteien geführten einstweiligen Verfügungsverfahrens ausgeführt hatte – aufgrund der von ihr allein konzernintern vorgenommenen Lieferungen nicht als Mitbewerberin der Beklagten anzusehen sei. Mitbewerberin der Beklagten sei zwar die Tochtergesellschaft der Klägerin, die X.. Deutschland GmbH. Zur Geltendmachung der dieser gegenüber der Beklagten zustehenden Ansprüche im Wege der Prozessstandschaft, wie hilfsweise in das Verfahren eingeführt, sei die Klägerin auch ermächtigt. Hieraus habe sie jedoch nicht die notwendigen prozessualen Konsequenzen gezogen, was vom Landgericht sodann näher ausgeführt wird. Der mit dem Hilfsantrag zu Ziffer III geltend gemachte Anspruch der Tochtergesellschaft auf Erstattung vorprozessualer Kosten scheitere daran, dass die Tochtergesellschaft keine Abmahnung ausgesprochen habe.
4Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Berufung und macht zum einen geltend, entgegen der Ansicht des Landgerichts stehe sie im Wettbewerb mit der Beklagten. Zum anderen habe das Landgericht zu Unrecht Verjährung der hilfsweise geltend gemachten Ansprüche der Tochtergesellschaft angenommen.
5Die Klägerin beantragt,
6wie erkannt.
7Die Beklagte und ihre Streithelferin beantragen,
8die Berufung zurückzuweisen.
9Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens als zutreffend.
10Die Streithelferin schließt sich den Ausführungen der Beklagten an.
11Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die von den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II.
12Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
13Die Klage ist begründet. Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche aus eigenem Recht zu.
14Insofern hält der Senat die von ihm im Verfügungsverfahren vertretene Ansicht, die Klägerin sei nicht nach § 8 Abs. 3 UWG aktivlegitimiert, da sie keine Mitbewerberin der Beklagten sei (§ 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG), nicht aufrecht. Es ist zu unterscheiden zwischen dem Mitbewerber im Sinne von § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG, bei dem es sich nach der Legaldefinition des § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG um jeden Unternehmer handelt, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht, und demjenigen, der eine geschäftliche Handlung im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG begeht, welche als „jedes Verhalten einer Person zugunsten des eigenen oder eines fremden Unternehmens vor, bei oder nach einem Geschäftsabschluss, das mit der Förderung des Absatzes oder des Bezugs von Waren oder Dienstleistungen oder mit dem Abschluss oder der Durchführung eines Vertrags über Waren oder Dienstleistungen objektiv zusammenhängt“ definiert ist. Geschäftliche Handlungen in diesem Sinne nimmt die Klägerin mit der Belieferung ihrer Tochtergesellschaft aus den Gründen des das einstweilige Verfügungsverfahren beendenden Urteils des Senats nicht vor. Die Vornahme eigener geschäftlicher Handlungen ist jedoch nicht Voraussetzung für die Eigenschaft als Mitbewerber. Denn die Handlungsbezogenheit des Mitbewerberbegriffs, die aus dem Erfordernis des konkreten Wettbewerbsverhältnisses folgt, stellt nicht auf eine Handlung des betroffenen Unternehmens, sondern eine solche des diesem gegenüber stehenden Unternehmens ab. Sie entscheidet darüber, ob sich der handelnde Unternehmer zu einem anderen Unternehmer in Wettbewerb stellt (vgl. Köhler in: Köhler/Bornkamm, UWG, 32. Aufl., § 2 Rdnr. 96). Die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Wirtschaftsstufen ist für die Eigenschaft als Wettbewerber ebenfalls unerheblich. Beide Gesichtspunkte rechtfertigen die vom Bundesgerichtshof in der Entscheidung „Neu nach Umbau“ (GRUR 1993, 563) bejahte Aktivlegitimation einer Komplementär-Gesellschafterin von über 200 offenen Handelsgesellschaften, die für diese nicht nur Franchisegeberin war, sondern auch das Sortiment vorhielt, was zur Begründung eines Wettbewerbsverhältnisses der dortigen Parteien als ausreichend angesehen wurde. Nichts anderes kann vorliegend gelten.
15Der Unterlassungsanspruch der Klägerin ist gemäß § 8 Abs. 1, § 3 Abs.1, § 5 Abs. 1 UWG begründet.
16Die streitgegenständliche Werbung der Beklagten ist irreführend, da sie zur Täuschung geeignete Angaben über die von ihr erbrachten Dienstleistungen enthält. Zu der unter der Anpreisung „Garantiert echte Kundenmeinungen“ vorgenommenen Verlinkung auf die Streithelferin bei gleichen Bewertungsrichtlinien wie am 30.05.2012 geltend, hat sich der Senat bereits – wie in der mündlichen Verhandlung angesprochen – in einem Vorverfahren (Aktenzeichen I-20 U 55/12) geäußert. Er verbleibt auch nach erneuter Überprüfung dabei, dass der Verkehr von einer mit der Aussage „Garantiert echte Kundenmeinungen“ angepriesenen Kundenbewertung eine neutrale, nicht zugunsten des Anbieters geschönte Sammlung von Kundenbewertungen erwartet. Diesen Anforderungen genügt die „Kundenauszeichnung Y.“ nicht und das auch dann nicht, wenn die Beklagte zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Verlinkung auf die Einleitung des bei neutralen und negativen Bewertungen möglichen Schlichtungsverfahrens verzichtet und neben den positiven auch die neutralen und negativen Bewertungen sofort eingestellt hat oder derartige neutrale oder negative Bewertung am 30. Mai 2012 nicht vorlag. Dieser Gesichtspunkt wird entgegen der Ansicht der Beklagten auch vom Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens umfasst. Der Klägerin wird weder etwas zugesprochen, was sie nicht beantragt hat, noch wird es ihr aus Gründen zugesprochen, die sie nicht geltend gemacht hat. Durch die von der Klägerin beanstandete Angabe „Garantiert echte Kundenmeinungen“ unter Berücksichtigung der zum Stichtag geltenden Bewertungsrichtlinien der Streithelferin wirbt die Beklagte damit, dass ihre Bewertung in einem fairen, alle Meinungen erfassenden Verfahren ermittelt worden ist. An einem solchen fairen Verfahren fehlt es an den genannten Gründen. Ob dieser Gesichtspunkt von der Klägerin ausdrücklich gerügt worden ist oder nicht, ist unerheblich. Sie hat die Bewertungsrichtlinien zum Gegenstand des Verfahrens gemacht. Deren Bewertung ist Aufgabe des Gerichts. Denn allein die Existenz des in den Bewertungsrichtlinien vorgesehenen Schlichtungsverfahrens wird einen Teil der unzufriedenen Kunden von der Abgabe einer negativen Bewertung abhalten. Viele Menschen sind konfliktscheu. Sie werden versucht sein, allein wegen der Möglichkeit, ihre negative Bewertung verteidigen zu müssen, von der Abgabe einer Bewertung abzusehen, um sich dem in ihren Augen unangenehmen Konflikt nicht aussetzen zu müssen.
17Der Auskunftsanspruch folgt aus § 242 BGB.
18Zum Schadensersatz ist die Beklagte der Klägerin gemäß § 9 Satz 1 UWG verpflichtet. Sie hat jedenfalls fahrlässig gehandelt. Da die Klägerin ihren Schaden ohne Auskunft der Beklagten nicht beziffern kann, war die entsprechende Verpflichtung der Beklagten festzustellen.
19Der Anspruch auf Erstattung der vorprozessualen Kosten hat seine Grundlage in § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG.
20III.
21Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
22Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.
23Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht. Vorliegend stellen sich keine entscheidungserheblichen Rechtsfragen, deren Beantwortung durch den Bundesgerichtshof zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich wäre.
24Streitwert für die Berufungsinstanz: 28.600,- €
25Antrag zu 1): 25.000,- €
26Antrag zu 3): ----, § 4 Abs. 1 2. Halbsatz ZPO
27Antrag zu 4): 600,- €
28Antrag zu 5) 3.000,- €
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