Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - II-7 UF 138/14
Tenor
I.
Der Beschwerdewert wird auf 4.419 € festgesetzt.
II.
Der Senat weist darauf hin, dass die Beschwerde der Antragstellerin hinsichtlich des Antrags auf Aufhebung der Ehe keine Aussicht auf Erfolg hat.
Der Antragstellerin wird anheimgestellt, die Beschwerde aus Gründen der Kostenersparnis zurückzunehmen. Die Scheidung wäre dann rechtskräftig.
1
Gründe:
2I.
3Die Beschwerde der Antragstellerin ist hinsichtlich des Hauptantrages unbegründet.
4Sie wendet sich vergeblich dagegen, dass das Familiengericht ihren Eheaufhebungsantrag zurückgewiesen hat.
5Die Voraussetzungen einer Eheaufhebung nach § 1314 Abs. 2 Nr. 3 BGB liegen nicht vor.
6Eine Eheaufhebung findet statt, wenn der Antragsteller zur Eingehung der Ehe durch arglistige Täuschung über solche Umstände bestimmt worden ist, die ihn bei Kenntnis der Sachlage und bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe von der Eingehung der Ehe abgehalten hätten. Dies setzt zunächst voraus, dass der Antragsteller bei Kenntnis der Täuschung die Ehe nicht geschlossen hätte. Die Täuschung muss mithin ursächlich dafür gewesen sein, dass der Antragsteller die Ehe einging. Dies verlangt neben einer Prüfung der Ursächlichkeit der Täuschung für die Eheschließung anhand eines objektiven Maßstabes („richtiger Würdigung des Wesens der Ehe“) eine Prüfung anhand eines subjektiven Maßstabes, nämlich dass der Antragsteller bei „Kenntnis der Sachlage“ tatsächlich die Ehe nicht eingegangen wäre (vgl. nur OLG München FamRZ 2008. 1537; Palandt/Brudermüller, BGB, 71. Aufl., § 1314 Rn. 12).
7Vorliegend liegt eine Ursächlichkeit der Täuschung über die Religionszugehörigkeit - eine solche unterstellt – für die Eingehung der Ehe bei objektiver Betrachtung unter richtiger Würdigung des Wesens der Ehe nicht vor.
8Eine Täuschung darüber, Hindu zu sein, stellt bei richtiger Würdigung des Wesens der Ehe keinen relevanten Umstand dar, der eine Aufhebung der Ehe rechtfertigt.
9Das Merkmal der richtigen Würdigung des Wesens der Ehe ist dazu bestimmt, den Kreis der für die Eheaufhebung in Betracht kommenden Umstände gegenüber unerheblichen Umständen abzugrenzen. Die Würdigung des Wesens der Ehe schließt aus, dass ein Ehegatte die Aufhebung wegen jeder Täuschung verlangen kann. Die Aufhebung der Ehe ist nur dann möglich, wenn über Umstände getäuscht wird, die die Grundlage des ehelichen Zusammenlebens berühren und für das eheliche Familienleben von Bedeutung sind, wie etwa über eine Schwangerschaft von einem Dritten zur Zeit der Eheschließung, eine Sterilisation, eine Erbkrankheit, ansteckende Krankheiten wie eine HIV-Infektion, eine frühere Ehe oder erhebliche Vorstrafen mit einer laufenden Bewährungszeit (vgl. nur Münchener Kommentar zum BGB/Wellenhofer, § 1314 Rn 16; Staudinger BGB/Voppel,§ 1314 Rn 25 ff., jeweils mit weiteren Nachweisen). Demgegenüber muss ein Ehegatte von vornherein mit gewissen Enttäuschungen, Schwächen und Lügen seines Partners rechnen und kann im Hinblick darauf nicht die Aufhebung der Ehe verlangen. Es kommt danach für die Frage der Aufhebung der Ehe darauf an, ob der Umstand unter den allgemeinen Lebensverhältnissen der Eheleute mit den sich daraus ergebenden Notwendigkeiten nach der Denk- und Empfindungsweise der Bevölkerungsschicht, der sie angehören, den anderen Ehegatten veranlassen könnte, von der Eingehung der Ehe abzusehen.
10Dies kann hier hinsichtlich der Religionszugehörigkeit als solcher nicht festgestellt werden. Grundsätzlich ist es in der deutschen pluralistischen Gesellschaft kein Makel, katholisch zu sein. Zudem führt die Religionszugehörigkeit des Antragsgegners nicht dazu, dass die Antragstellerin als Hindu in ihrer Glaubensausübung gehindert würde. Es ist auch nicht ersichtlich, dass der Antragsgegner ob seines Glaubens verlangen würde, dass die Antragstellerin ihren Glauben nicht mehr ausgeübt. Offensichtlich fühlt sich der Antragsgegner sogar als Hindu und lebt deshalb in einer Weise, dass ob seines Verhaltens auch für die Antragstellerin oder Dritte gar nicht erst erkennbar wurde, dass er katholisch getauft und nicht Hindu ist. Erst aufgrund von Äußerungen der Mutter des Antragsgegners und seiner Schwester will die Antragstellerin nämlich aufmerksam geworden sein und dann aufgrund seines Geständnisses festgestellt haben, dass der Antragsgegner nicht Hindu sondern Katholik ist.
11Es bleibt danach allein, dass nach traditionellem orthodoxem hinduistischem Verständnis ein Übertritt des Antragsgegners zum hinduistischen Glauben nicht möglich ist, weil man Hindu allein durch Geburt wird. Ebenso würden gemeinsame Kinder deshalb nicht Hindu sein. Dieses streng traditionelle hinduistische Verständnis wird allerdings auch von Hindu nicht mehr durchgängig vertreten. Vielmehr ist aus im Internet einsehbaren Quellen ersichtlich, dass es mittlerweile durchaus Aufnahmezeremonien auch für bis dahin Andersgläubige gibt, diese sodann als Hindu behandelt und in die Glaubensgemeinschaft aufgenommen werden (vgl. etwa www.inforel.ch: Kann man zum Hinduismus konvertieren?). Überdies ist mit dem gewandelten Verständnis verbunden, dass man, heiratet man als Hindu einen Nicht-Hindu, nicht mehr als der untersten Kasten zugehörig angesehen wird, wie auch insgesamt das Kastendenken rückläufig ist (www.wikipedia.de “Kaste“). Dies drückt sich auch im Vortrag der Antragstellerin aus, sie habe einen Partner aus einer möglichst hohen Kaste gesucht, während es orthodoxem Kastenwesen entspräche, nur innerhalb der eigenen Kaste zu heiraten. Es kommt hinzu, dass die Antragstellerin von dem Zusammenleben mit einem Katholiken in Deutschland – anders als dies möglicherweise in Sri Lanka der Fall wäre - keine Nachteile zu erwarten hat. Von einem Großteil der Bevölkerung wird die Religionszugehörigkeit als solche nicht einmal als wichtig wahrgenommen. Lediglich die streng orthodox denkenden Hindu werden Vorbehalte haben, worauf es aber nicht entscheidend ankommen kann.
12Danach handelt es sich bei Anwendung der notwendigen objektiven Betrachtungsweise bei der Religionszugehörigkeit des Antragsgegners nicht um einen Umstand, der geeignet wäre, eine Eheaufhebung zu rechtfertigen.
13Zutreffend hat das Amtsgericht auch eine Eheaufhebung hinsichtlich der unbewiesenen Täuschung über den Bildungsgrad sowie der Behauptung abgelehnt, der Antragsgegner habe durch die Ehe allein seinen Aufenthaltsstatus in Deutschland sichern wollen. Insoweit wird auf den amtsgerichtlichen Beschluss Bezug genommen.
14II. Hilfsantrag Ehescheidung
15Zutreffend ist das Amtsgericht zu der Auffassung gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Scheidung der Ehe nach den §§ 1564, 1565 Abs. 1 BGB erfüllt sind.
161.
17Es kommt nicht darauf an, dass das Scheitern der Ehe noch nicht nach § 1566 Abs. 1, 2 BGB unwiderlegbar zu vermuten ist, weil die Antragsgegner der Scheidung nicht zustimmt und die Parteien jedenfalls auch noch nicht drei Jahre getrennt leben.
182.
19Denn das Amtsgericht hat zu Recht festgestellt, dass die Ehe der Parteien gescheitert ist, so dass es der Vermutungswirkung des § 1566 Abs. 1, 2 BGB zur Feststellung des Scheiterns nicht bedarf.
20Die Lebensgemeinschaft der Beteiligten besteht nicht mehr.
21Ebenso rechtfertigt sich die nach § 1565 Abs. 1 vorzunehmende Prognose, dass die Lebensgemeinschaft nicht wieder hergestellt werden wird.
22a)
23Die Lebensgemeinschaft besteht seit Januar 2013 nicht mehr.
24Eine Lebensgemeinschaft unter Ehegatten besteht dann nicht mehr, wenn die Bereitschaft oder die Fähigkeit eines oder beider Ehegatten zu einer Einigung über die Form des Zusammenlebens erloschen ist und deshalb keine dem bisherigen Zusammenleben oder den Vorstellungen und Bedürfnissen der Parteien entsprechende Gemeinsamkeit mehr zustande kommt (vgl. OLG Zweibrücken, FamRZ 2006, 1260; OLG Schleswig, FamRZ 2001, 1456; Ey in Münchener Kommentar zum BGB, 5. Aufl., § 1565 Rn. 21). Hier hat sich die Antragstellerin von den Gemeinsamkeiten relativ rigoros losgesagt und ihre Trennungsabsicht bekundet, indem sie den Antragsgegner im Januar 2013 der Wohnung verwiesen hat. Bis heute hält die Antragstellerin an ihrem (hilfsweisen) Scheidungsantrag fest und dokumentiert so unmissverständlich den Willen zur Scheidung.
25Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass die ehelichen Lebensverhältnisse völlig entflochten sind. Gemeinsamkeiten bestehen nicht mehr.
26b)
27Auf dieser Basis ist auch die Prognose gerechtfertigt, dass die Ehegatten die eheliche Lebensgemeinschaft nicht wieder herstellen werden, § 1565 Abs. 1 S. 2, 2. HS BGB. Es genügt, wenn aus dem Verhalten und den als glaubhaft angesehenen Bekundungen des die Scheidung beantragenden Ehegatten zu entnehmen ist, dass er unter keinen Umständen bereit ist, zu seinem Partner zurückzufinden und die Ehe fortzusetzen (vgl. BGH NJW 1978, 1810 f.).
28Es kann hier ob der geschilderten Umstände kein Zweifel bestehen, dass eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft aus Sicht der Antragstellerin nicht mehr in Betracht kommt.
29Zwischenzeitlich ist auch das obligatorische Trennungsjahr (§ 1565 Abs. 2 BGB) Voraussetzung jeder Scheidung, seit Januar 2014 abgelaufen.
30Nach alledem ist von einem endgültigen Scheitern der Ehe der Beteiligten auszugehen.
31Geschieden ist die Antragstellerin aber schon mit der Rücknahme der Beschwerde.
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