Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VII-Verg 37/13
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin und die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 2. Vergabekammer des Bundes vom 23. Oktober 2013 (VK 2-64/13) werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
1
G r ü n d e :
2I.
3Im April 2012 schrieb die Antragsgegnerin die Vergabe der Baukonzession „Deutsches Haus HCMS“ im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb europaweit aus. Gegenstand des Auftrags waren Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und Finanzierung des Deutschen Hauses in Ho-Chi-Minh-Stadt in Vietnam. Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene beteiligten sich am Vergabeverfahren und reichten Angebote ein. Mit Schreiben vom 28.06.2013 informierte die Antragsgegnerin die Antragstellerin über die Absicht, den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Nachdem am 8. Juli 2014 Versuche, der Antragsgegnerin ein Rügeschreiben zu übermitteln, fehlschlugen, reichte die Antragstellerin am selben Tag bei der Vergabekammer des Bundes per Fax einen Nachprüfungsantrag ein. Zur Begründung führte sie aus, durch die beabsichtigte Zuschlagserteilung in Rechten verletzt zu werden, weil die Beigeladene erst nach Durchführung des Teilnahmewettbewerbs zum Vergabeverfahren hinzugezogen worden sei. Auf den Nachprüfungsantrag erwiderte die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 16. Juli 2013.
4Mit Hinweisbeschluss vom 17. Juli 2013 hat die Vergabekammer mitgeteilt, der Nachprüfungsantrag sei unzulässig und unbegründet. Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag am selben Tag zurückgenommen.
5Mit Beschluss vom 23. Oktober 2013 hat die Vergabekammer der Antragstellerin die Kosten (Auslagen und Gebühren) sowie die notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auferlegt. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin hat sie für nicht notwendig erklärt. Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde und begehrt insoweit die Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Wesentlichen mit der Begründung, dass insbesondere wegen komplexer verfahrensrechtlicher Fragen die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts erforderlich gewesen sei. Die Antragstellerin begehrt im Wege der Anschlussbeschwerde, die Kosten der Vergabekammer der Antragsgegnerin aufzuerlegen, weil diese den Zugang einer Rüge nicht ermöglicht habe.
6Die Antragstellerin ist der Beschwerde und die Antragsgegnerin der Anschlussbeschwerde entgegen getreten.
7Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze verwiesen.
8II.
9Beschwerde und Anschlussbeschwerde sind unbegründet.
101. Beide Rechtsmittel sind zulässig. Eine sofortige Beschwerde gegen die Entscheidung der Vergabekammer ist grundsätzlich auch isoliert gegen die Kostenentscheidung oder den Ausspruch, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig bzw. nicht notwendig war, gemäß § 116 Abs. 1 GWB statthaft; § 99 ZPO findet keine entsprechende Anwendung (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10 – juris Tz. 13; Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12 – juris Tz. 15; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; Hunger in Kulartz/Kus/Portz, GWB-Vergaberecht, 3. Aufl., § 116 Rn. 21). Über das Rechtsmittel kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da es sich nur gegen eine Nebenentscheidung der Vergabekammer richtet (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10, a.a.O.; Beschl. v. 26.9.2003, VII Verg 31/03; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010 11 Verg 3/10). Dies gilt auch für die infolge einer sofortigen Beschwerde – wie hier - eingereichte unselbständige Anschlussbeschwerde.
112.
12Beide Rechtsmittel sind ohne Erfolg.
13a) Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat die Vergabekammer die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für nicht notwendig erklärt, § 128 Abs. 4 Satz 3 GWB, § 80 Abs. 2 VwVfG.
14Ob die Hinzuziehung eines anwaltlichen Vertreters im Verfahren vor der Vergabekammer durch den öffentlichen Auftraggeber notwendig ist, kann nicht schematisch, sondern stets nur auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung des Einzelfalles entschieden werden (BGH, Beschl. v. 26.9.2006 – X ZB 14/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 14.11.2012, VII-Verg 42/12; Beschl. v. 03.01.2011, VII-Verg 42/10; Beschl. v. 26.9.2003, VII-Verg 31/03; OLG Koblenz, Beschl. v. 8.6.2006 1 Verg 4 u. 5/06; OLG München, Beschl. v. 11.6.2008, Verg 6/08; OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 30.3.2010, 11 Verg 3/2010). Im Rahmen der Abwägung ist insbesondere in Betracht zu ziehen, ob sich das Nachprüfungsverfahren hauptsächlich auf auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazu gehörenden Vergaberegeln konzentriert. Ist das der Fall, besteht im Allgemeinen für den öffentlichen Auftraggeber keine Notwendigkeit, einen Rechtsanwalt einzuschalten. In seinem originären Aufgabenkreis muss sich er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen und bedarf daher auch im Nachprüfungsverfahren nicht notwendig eines anwaltlichen Bevollmächtigten.
15Im Streitfall war in verfahrensrechtlicher Hinsicht zunächst zu überprüfen, ob der ohne vorherige Erhebung einer Rüge eingereichte Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zulässig war. In vergaberechtlicher Hinsicht war insbesondere zu prüfen, ob die Beteiligung der Beigeladenen am Vergabeverfahren rechtmäßig war. Diese Rechtsfrage bedurfte ebenso wenig wie die gegen den Ausschluss des Angebots der Antragstellerin gerichteten Angriffe einer tiefergehenden vergaberechtlichen Durchdringung. In der Antragserwiderung vom 16. Juli 2013 führte der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin folgerichtig aus, die geltend gemachten Vergaberechtsverstöße seien dem „untersten Schwierigkeitsgrad“ zuzuordnen. Es handelte es sich um auftragsbezogene Sachfragen, die ein öffentlicher Auftraggeber in aller Regel selber prüfen und im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vertreten kann. Dies gilt vor allem dann, wenn die Durchführung des Vergabeverfahrens anwaltlich begleitet und alle während des Vergabeverfahrens zu treffenden Entscheidungen dokumentiert worden sind. Die Antragsgegnerin verfügt zudem über eine eigene Vergabestelle, deren Aufgabe die Prüfung vergaberechtlicher Fragen war, auch wenn die Verfahrensleitung wegen der besonderen Bedeutung des Auftrags einem mit „Immobilienmanagement Ausland“ befassten Referat übertragen worden war. Mit der Entwicklung eines effektiven Vergabewesens wäre es kaum vereinbar, die Hinzuziehung eines anwaltlichen Beistands regelmäßig bereits dann als notwendig zu erachten, wenn bedeutsame Vergaben Spezialreferaten ohne Hinzuziehung vorhandener hausinterner Vergabestellen übertragen würden (vgl. dazu Stockmann in: Immenga/ Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, GWB, Band 2, Teil 2, 5. Aufl. 2014, § 128 Rn. 32). Auf die überzeugenden und zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung wird im Übrigen zur Vermeidung bloßer Wiederholungen verwiesen.
16b) Auch die Anschlussbeschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung bloßer Wiederholungen ebenfalls Bezug genommen wird, hat die Vergabekammer ausgeführt, ein Verschulden der Antragsgegnerin mit Blick auf die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens ohne vorherige gehörige Bemühungen der Antragstellerin, Rügen anzubringen, liege nicht vor. Dem ist nichts hinzuzufügen.
172.
18Die Kostenentscheidung beruht auf § 120 Abs. 2 i.V.m. § 78 GWB.
19Der Beschwerdewert wird nach dem beiderseitigen Kosteninteresse auf 320.000,- € festgesetzt (Beschwerde: 150.000,- €; Anschlussbeschwerde: 170.000,- €).
20Dicks Brackmann Rubel
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Referenzen
- ZPO § 99 Anfechtung von Kostenentscheidungen 1x
- GWB § 78 Kostentragung und -festsetzung 1x
- GWB § 116 Besondere Ausnahmen 1x
- GWB § 128 Auftragsausführung 1x
- VwVfG § 80 Erstattung von Kosten im Vorverfahren 1x
- VII Verg 31/03 1x (nicht zugeordnet)
- 11 Verg 3/10 1x (nicht zugeordnet)
- X ZB 14/06 1x (nicht zugeordnet)
- 11 Verg 3/20 1x (nicht zugeordnet)