Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - VI-3 Kart 143/14 (V)
Tenor
Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Beschlusskammer 7 vom 20. Mai 2014 – BK7-13-073 – wird zurückgewiesen.
Die Betroffene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur. Etwaige Auslagen der Beigeladenen werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e :
2A.
3Die Betroffene ist eine Tochtergesellschaft der A., die ihrerseits eine Tochter der B. ist. Die B.-Gruppe ist über ihre verschiedenen Beteiligungen in und außerhalb der Europäischen Union in den Bereichen der Gewinnung, des Transports, des Vertriebs sowie der Speicherung von Erdgas tätig. Die Betroffene ist mit 49,98 % an der C. KG beteiligt, die als reine Holdinggesellschaft keine Tätigkeit im Energiebereich ausübt. Die weiteren 50,02 % an der C. werden von der D. GmbH gehalten, die wiederum eine Tochtergesellschaft der F. ist. Der C. gehören jeweils 100 % der H. und I. Diese sind durch die Beschlüsse BK7-12-031 der Bundesnetzagentur vom 05.02.2013 (H.) und BK7-12-188 vom 20.12.2013 (I.) gemäß § 4a EnWG als Unabhängige Transportnetzbetreiberinnen zertifiziert. Nach den Feststellungen der Kommission übt die B.-Gruppe zusammen mit der D.-GmbH die gemeinsame Kontrolle über die C. aus (…).
4Die Betroffene verkauft komprimiertes Erdgas an Tankstellen als Kraftstoff für Fahrzeuge. Zu diesem Zweck bezieht sie an einem Zählpunkt Erdgas von einem Gaslieferanten. Hinter diesem Zählpunkt wird zunächst das Volumen des bezogenen Erdgases in einem Kompressor unter Erhöhung des Drucks auf 300 bar verringert und das Gas dann in einem Speicher zwischengelagert. Wenn ein Kunde sein Auto auftanken möchte, fließt das Gas aus dem Zwischenspeicher durch spezielle Leitungen in die Zapfsäule und von dort in den Autotank. Die Betroffene arbeitet mit drei verschiedenen Vertriebsmodellen: Im Modell 1 wird das Erdgas im Direktverkauf unter der Marke J. im eigenen Namen und für eigene Rechnung an den Endkunden (Kraftfahrzeugfahrer) vermarktet. Im Modell 2 übernimmt der Mineralölpartner als Handelsvertreter oder der Tankstellenbetreiber als Untervertreter den Vertrieb im Namen und für Rechnung der Betroffenen. Im Modell 3 verkauft die Betroffene das Erdgas an den Tankstellenbetreiber. Dieser verkauft das komprimierte Erdgas dann im eigenen Namen und für eigene Rechnung an den Endkunden weiter. Errichtung, Betrieb und Unterhalt der CNG-Betankungsanlage (CNG = Compressed Natural Gas) einschließlich der hinter dem Zählpunkt liegenden Leitungen (Verrohrungen im Verdichtergebäude und Bündelrohre zur Zapfsäule) fallen in allen Vertriebsmodellen in den Verantwortungsbereich der Betroffenen. Zum Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung betrieb die Betroffene insgesamt x Erdgastankstellen in Deutschland. Die Inbetriebnahme von weiteren Tankstellen ist geplant.
5Mit Schreiben vom 20.08.2013 richtete die Bundesnetzagentur unter Hinweis auf bestehende Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Geschäftstätigkeit der Betroffenen mit § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG ein Auskunftsersuchen an die Betroffene. Die Betroffene nahm hierzu mit Schreiben vom 18.09.2013 sowie vom 25.10.2013 Stellung. Mit Schreiben vom 19.11.2013 leitete die Bundesnetzagentur ein Aufsichtsmaß-nahmeverfahren gemäß § 65 Abs. 1 EnWG wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Beteiligungsverbot des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG ein und gab der Betroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme. Diese nahm mit Schreiben vom 20.12.2013 Stellung.
6In dem angefochtenen Beschluss vom 20.05.2014 hat die Bundesnetzagentur in den Tenorziffern 1 und 2 folgendes ausgeführt:
7„1. Es wird festgestellt, dass die Betroffene durch ihre indirekte gesellschaftsrechtliche Beteiligung an den Transportnetzbetreibern H. und I. und dem gleichzeitigen Vertrieb von Erdgas (CNG, Compressed Natural Gas) als Kraftstoff für Fahrzeuge gegen das entflechtungsrechtliche Beteiligungsverbot des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG verstößt.
82. Die Betroffene wird verpflichtet, wahlweise ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung an den Transportnetzbetreibern H. und I. spätestens bis zum 20.11.2014 aufzugeben oder innerhalb dieser Frist den Vertrieb von komprimiertem Erdgas als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge aufzugeben. Die Betroffene kann den Vertrieb von komprimiertem Erdgas als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge auch in der Weise aufgeben, dass sie die Vertriebstätigkeit in eine Tochtergesellschaft auslagert, sofern diese ihrerseits nicht direkt oder indirekt an Transportnetzbetreibern eines vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmens beteiligt ist.“
9Gegen diesen Beschluss wendet sich die Betroffene mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde. Sie macht geltend, der Beschluss sei rechtswidrig.
10Dem Beschluss fehle bereits die Rechtsgrundlage, da sie nicht gegen das Beteiligungsverbot nach § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG verstoße. Denn der Vertrieb von komprimiertem Erdgas an Tankstellen stelle keinen Vertrieb von Energie an Kunden im Sinne des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG dar. Kunden seien nach § 3 Nr. 24 EnWG definiert als Großhändler, Letztverbraucher und Unternehmen, die Energie kaufen. Der Erdgasfahrzeugführer könne nur Letztverbraucher sein. Ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie für ein Strommarktgesetz vom 27.08.2015 (Anlage BF 14) stelle aber klar, dass nach geltendem Recht weder Erdgastankstellenbetreiber noch Erdgasfahrzeugführer unter den Begriff des Letztverbrauchers in § 3 Nr. 25 EnWG fielen. Denn hiernach solle für die Elektromobilität eine Regelung getroffen werden, damit der Ladevorgang zukünftig vom Anwendungsbereich des EnWG erfasst werde. Im Umkehrschluss folge daraus, dass das Regulierungsrecht de lege lata nicht auf Tankvorgänge anwendbar sei. Dies müsse auch für Gas gelten.
11Im Übrigen zeige bereits die wörtliche Auslegung der Vorschrift, dass kein Vertrieb von Energie im Sinne des EnWG vorliege. Unter den Begriff der Energie fielen nach § 3 Nr. 14 EnWG Elektrizität und Gas, soweit sie zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet würden. Dies sei für das von ihr vertriebene Gas nicht der Fall. Die Bundesnetzagentur verkürze bei ihrer Interpretation das Merkmal der leitungsbezogenen Energieversorgung, indem sie darauf abhebe, dass es nach der Definition in § 3 Nr. 14 EnWG maßgeblich auf den Transportweg ankomme und dieser leitungsgebunden sein müsse. Damit lasse sie den für die leitungsgebundene Versorgung typischen Aspekt außer Betracht, dass die Entnahme der Energie an der Übergabestelle bzw. einem Zählpunkt bei der Belieferung von Letztverbrauchern zum unmittelbaren Verbrauch durch den Kunden erfolge. So sei in § 3 Nr. 14 EnWG Elektrizität und Gas nur insofern als Energie im Sinne des EnWG definiert, als sie zur „leitungsgebundenen Energieversorgung“ des Kunden verwendet werde. Ein unmittelbarer Verbrauch liege nicht vor, wenn der Kunden an der Zapfsäule das Gas in seinen Erdgastank einfülle. Der Verbrennungsvorgang setze erst in dem Moment ein, in dem der Kunde sein Auto starte. Die bis zum Verkaufsvorgang bestehende Leitungsgebundenheit der Gaswirtschaft über alle Wertschöpfungsstufen hinweg werde somit mit der Einfüllung des Gases in den Autotank erkennbar unterbrochen bzw. endgültig abgebrochen.
12Auch sei der Verkaufsvorgang im Gegensatz zur klassischen leitungsgebundenen Versorgung durch ein mobiles Element gekennzeichnet. Während bei der klassischen leitungsgebundenen Versorgung von Letztverbrauchern der gesamte Versorgungsvorgang von der Einspeisung bis zum Verbrauch im Brenner stationär und ortsfest und damit leitungsgebunden erfolge, ende die Leitungsverbindung bei der Belieferung von Erdgasautos mit der Einfüllung des Gases in den Gastank des Autos. So unterfalle auch der Transport des in Akkumulatoren gespeicherten Stroms nicht der leitungsgebundenen Versorgung. Zwar erfolge sowohl beim Betanken von Erdgas als auch beim Aufladen einer Batterie ein Verkauf aus einem Leitungsnetz. Die technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten – insbesondere der mobile Charakter und die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten der mobilen Verbrauchsgeräte – bestätigten aber, dass hier nicht von einer leitungsgebundenen Energieversorgung im (klassischen) Sinne des EnWG gesprochen werden könne.
13Hinzu komme, dass der Kunde im Rahmen der klassischen leitungsgebundenen Versorgung regelmäßig an eine konkrete, räumlich fest zugewiesene Übergabestelle gebunden sei. Dies sei bei der Geschäftstätigkeit der Betroffenen nicht der Fall. Vielmehr habe der Kunde die Wahl zwischen den zahlreichen von Wettbewerbern betriebenen Erdgastankstellen. Auch seien die Einsatzmöglichkeiten im Verkaufsgeschäft der Betroffenen von vornherein auf einen singulären Zweck begrenzt, während es dem Lieferanten in der klassischen leitungsgebundenen Energieversorgung egal sei, zu welchem Zweck der Kunde die Energie beziehe.
14Entgegen der Ansicht der Bundesnetzagentur sei nicht nur der tatsächlich genutzte Transportweg maßgeblich. Zulässig sei auch eine fiktive Betrachtung, die die Möglichkeit des Transports des von ihr vertriebenen Erdgases mittels Tankwagen berücksichtige.
15Zur Beurteilung der Rechtsqualität eines Netzes sei nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Perspektive des Kunden maßgeblich. Ein Autofahrer, der sich einen Gastank in sein Fahrzeug habe einbauen lassen, würde aber nicht davon ausgehen, dass sein Auto mittels einer leitungsgebundenen Energieversorgung angetrieben werde.
16Die Ausführungen zur wörtlichen Auslegung würden durch systematische und historische Erwägungen bestätigt. Der Verkauf von Erdgas als Kraftstoff an Tankstellen sei ebenso zu bewerten wie die Versorgung mit Flaschengas und Flüssiggas, die vom Gesetzgeber ganz oder weitgehend vom Anwendungsbereich des EnWG ausgenommen worden sei. Die technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten des Vertriebs von Erdgas an Tankstellen rechtfertigten eine parallele Bewertung wie im Falle des Verkaufs von Flaschengas und Flüssiggas. Im Übrigen sei bei Annahme einer leitungsgebundenen Energieversorgung der Anwendungsbereich des EnWG uneingeschränkt eröffnet. Eine Anwendung des Regulierungsrahmens für Gasnetze auf das hinter der Zählstelle liegende Leitungssystem auf dem Tankstellengelände sei jedoch nicht sachgerecht.
17Auch aus teleologischen Aspekten folge eine Unanwendbarkeit des Regulierungsrahmens des EnWG. Sinn und Zweck der Entflechtungsvorgaben ergäben sich aus § 6 S. 1 EnWG. Vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen seien danach zur Gewährleistung von Transparenz sowie diskriminierungsfreier Ausgestaltung und Abwicklung des Netzbetriebs verpflichtet. Ein Diskriminierungspotential könne aber nur bestehen, wenn der Lieferant ein Netz nutze, welches allgemein zugänglich sei. Hier stelle sich die Situation so dar, dass sie das Gasversorgungsnetz nicht für den Verkauf des Erdgases als Kraftstoff nutze. Vielmehr beziehe sie am Zählpunkt das Erdgas von einem Gaslieferanten auf Basis eines üblichen Sonderkundenvertrags und sei Letztverbraucherin. Der Lieferant sei Transportkunde und vereinbare sämtliche Regelungen über die Nutzung des Gasnetzes. Sie selbst nutze dann lediglich die Gasanlage der Tankstelle für den Verkauf des Erdgases. Mit Blick auf diese Gasanlage bestehe aber kein Netzzugangsanspruch nach § 20 EnWG und auch ansonsten seien die Regelungen des EnWG nicht anwendbar, da es sich bei dem Netz auf dem Tankstellengelände nicht um ein Energieversorgungsnetz im Sinne des EnWG handele. Auch spielten die Kosten dieser Gasanlage keine Rolle bei der Kalkulation von Netzkosten. Mithin gebe es kein Diskriminierungspotential. Soweit die Bundesnetzagentur auf ein abstraktes Diskriminierungspotential verweise, sei ein solches nicht ausreichend. Vielmehr komme es auf ein konkretes Diskriminierungspotential an. Im Übrigen sei die Auslegung der Bundesnetzagentur widersprüchlich, soweit sie meine, dass ein abstraktes Diskriminierungspotential immer dann anzunehmen sei, wenn ein im Vertrieb tätiges Unternehmen an einem unabhängigen Transportnetzbetreiber beteiligt sei. Nach dieser Interpretation müsse konsequenterweise auch die Flüssiggasversorgung in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen. Schließlich sprächen auch die Vorgaben des Europarechts nicht dafür, dass auch die nicht leitungsgebundene Energieversorgung der Regulierung unterfallen solle.
18Unabhängig vom Fehlen einer Rechtsgrundlage sei der angefochtene Beschluss im Hinblick auf die ihr im Tenor zu 2 aufgegebenen Maßnahmen aber auch nicht hinreichend bestimmt. Es bleibe unklar, innerhalb welcher Frist die genannten Abhilfemaßnahmen vollzogen werden müssten. Zwar werde ein konkretes Datum genannt, gleichzeitig in der Begründung des Beschlusses jedoch ein nicht näher spezifizierter Umsetzungszeitraum im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung zugestanden.
19Die Rechtswidrigkeit von Tenorziffer 2 des Beschlusses folge auch daraus, dass die ihr aufgegebenen Verpflichtungen von ihr selbst weder tatsächlich noch rechtlich erfüllt werden könnten. Strategisch bedeutsame Beschlüsse könne sie nur mit Zustimmung ihres Aufsichtsrats, der wiederum mit Mitgliedern der A. und B. besetzt sei, fassen. Zu beachten sei des Weiteren, dass sie das Transportgeschäft ohne Zustimmung der D. GmbH nicht aufgeben bzw. veräußern könnte.
20Der angefochtene Beschluss sei zudem unverhältnismäßig. Die in Tenorziffer 2 enthaltene Frist sei unangemessen kurz. Der im angefochtenen Beschluss zugestandene Zeitraum von sechs Monaten ermögliche es ihr weder, in Bezug auf die vorgegebenen Abhilfemaßnahmen eine Entscheidung über die konkrete Umsetzung zu treffen noch die konkrete Entscheidung auch tatsächlich zu realisieren. Hierfür sei insgesamt eine Frist von mehreren Jahren erforderlich. Auch sei der Beschluss im Hinblick auf den geringen Umfang des Tankstellengeschäfts unverhältnismäßig. Soweit die Bundesnetzagentur im Hinblick auf den Grundsatz der Gleichbehandlung und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung eine gleichmäßige Anwendung der Entflechtungsvorgaben für erforderlich halte, verkenne sie, dass sie damit den verfassungsmäßig garantierten Anspruch auf eine verhältnismäßige Entscheidung missachte. Zumindest käme auch eine bloße Untersagung des Vertriebsmodells 3 als milderes Mittel in Betracht.
21Der angefochtene Beschluss sei zudem ermessensfehlerhaft, da die Bundesnetzagentur ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt habe. Dies folge bereits aus der Unverhältnismäßigkeit der in Tenorziffer 2 ausgesprochenen Abhilfemaßnahmen.
22Die Betroffene beantragt,
231. den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 20.05.2014 (Az. BK7-13-073) aufzuheben,
242. hilfsweise, die Bundesnetzagentur zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
25Die Bundesnetzagentur beantragt,
26die Beschwerde zurückzuweisen.
27Sie ist der Ansicht, die Beschwerde sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid beruhe auf der Rechtsgrundlage des § 65 EnWG i.V.m. § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG. Bei dem Verkauf von Erdgas an Tankstellen zur Befüllung in Personenkraftwagen handele es sich um den Vertrieb von Energie an Kunden in diesem Sinne. Aus dem von der Betroffenen angeführten Referentenentwurf ergebe sich nichts anderes. Im Übrigen sei dieser Entwurf durch den überarbeiteten Referentenentwurf vom 04.11.2015 (Anlage BG 1) überholt, der klarstelle, dass die geplante Neuregelung nur den Strombereich betreffe.
28Das von der Betroffenen angeführte Kriterium des unmittelbaren Verbrauchs in dem Sinne, dass eine leitungsgebundene Versorgung bei der Belieferung von Letztverbrauchern nur bei Entnahme der Energie zum unmittelbaren Verbrauch vorliege, finde sich im Gesetzestext des § 3 Nr. 14 EnWG nicht wieder. Die Berücksichtigung dieses hinzugedachten Tatbestandsmerkmals würde zu absurden Ergebnissen führen. So würde beispielsweise das Laden von Batterien (Akkus), deren chemisch gespeicherte Energie erst zu einem späteren Zeitpunkt und im Regelfall auch mobil verbraucht werde, keinen unmittelbaren Verbrauch darstellen und damit nicht dem Vertrieb von Energie unterfallen. Auch wäre unter Zugrundelegung der Auffassung der Betroffenen die Belieferung von Kunden mit Strom zur Aufladung eines Mobiltelefons oder ähnlichen Geräten kein Vertrieb von Energie im Sinne des EnWG. Zudem übersehe die Betroffene, dass das gesetzliche Tatbestandsmerkmal des Vertriebs von Energie bereits dann erfüllt sei, wenn der Energieträger abschließend in die Verfügungsgewalt des Kunden gekommen sei. Ob und wann das Fahrzeug mit dem Erdgas dann tatsächlich betrieben werde, sei unerheblich. Relevant sei nur, dass der Transport bis zu der Übergabestelle leitungsgebunden erfolge. Hinsichtlich der Bewertung der Leitungsgebundenheit komme es im Rahmen des § 3 Nr. 14 EnWG auf eine konkrete Betrachtung des Transportwegs und nicht auf eventuell möglich, tatsächlich jedoch nicht genutzte Transportwege an. Eine Vergleichbarkeit mit dem Transport von Flüssiggas vom Tank über ein Leitungsnetz sei ebenfalls nicht gegeben, da Flüssiggas aus dem Anwendungsbereich des EnWG größtenteils ausgenommen worden sei.
29Auch bestehe ein hinreichendes Diskriminierungspotential. Für die Anwendung des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG sei bereits die abstrakte Gefahr der Beeinflussbarkeit ausreichend. Der Gesetzgeber habe bereits den Anschein der Beeinflussbarkeit vermeiden wollen.
30Die im Tenor zu 2 gesetzte Umsetzungsfrist sei bestimmt. Unerheblich seien die in der Begründung enthaltenen Ausführungen dazu, dass im Zeitpunkt des Beschlusses nicht absehbare Umstände im Verwaltungsvollstreckungsverfahren Berücksichtigung finden könnten.
31Soweit die Betroffene vortrage, ihr sei eine fristgerechte Umsetzung aufgrund bestehender Verträge rechtlich unmöglich, treffe dies nicht zu. Gesellschaftrechtliche Vorgaben im Rahmen Joint-Ventures mit der D. GmbH würden mit Unkenntnis bestritten. Zudem trage die Betroffene gar nicht vor, dass der Aufsichtsrat der Betroffenen bzw. der D. GmbH den von ihr festgesetzten alternativen Maßnahmen nicht zustimmen würden. Die Betroffene habe sich im Verwaltungsverfahren entgegen den für sie bestehenden Mitwirkungspflichten zu den rechtlichen Verhältnissen innerhalb des vertikal integrierten Unternehmens und zu Dritten nicht geäußert, so dass für sie kein Anlass bestanden habe, dies in die Abwägung einfließen zu lassen.
32Der angegriffene Beschluss sei verhältnismäßig, insbesondere sei die Umsetzungsfrist angemessen. Sie habe die Betroffene bereits im ersten Anschreiben vom 20.08.2013 auf die Konsequenzen eines Verstoßes gegen § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG hingewiesen. Die Betroffene habe im Verwaltungsverfahren zur benötigten Umsetzungsfrist für Abhilfemaßnahmen jedoch nicht Stellung genommen. Die nunmehr im Beschwerdeverfahren behaupteten notwendigen Umsetzungszeiträume würden bestritten.
33Die Entscheidung sei auch angesichts des Umfangs der Tätigkeit der Betroffenen nicht unverhältnismäßig. Die Betroffene verkenne, dass in die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme auch die gesetzgeberische Wertung des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG einfließen müsse. Dieser enthalte keine Einschränkungen hinsichtlich des Umfangs. Dies sei auch folgerichtig, da die Norm bereits den bloßen Anschein der Beeinflussung verhindern wolle. Hinzu komme der Grundsatz der Gleichbehandlung durch die Verwaltung. Angesichts dieser Wertungen könne dem Kriterium des Umfangs der Tätigkeit nur geringes Gewicht beigemessen werden.
34Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze mit Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Regulierungsbehörde und das Protokoll der Senatssitzung Bezug genommen.
35B.
36Die Beschwerde der Betroffenen hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
37I. Der als Hauptantrag gestellte zulässige Anfechtungsantrag der Betroffenen ist unbegründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem die Bundesnetzagentur einen Verstoß gegen die Entflechtungsvorschrift des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG festgestellt und der Betroffenen Maßnahmen zur Entflechtung aufgegeben hat, ist rechtmäßig.
381. Die Bundesnetzagentur ist für den Erlass der angefochtenen Entscheidung nach § 54 Abs. 1 Hs. 1 EnWG zuständig. Sie ist berechtigt, die Einhaltung der im EnWG enthaltenen Vorschriften zur Entflechtung im Wege der allgemeinen Missbrauchsaufsicht nach § 65 EnWG zu überprüfen und tätig zu werden.
39§ 65 Abs. 2 EnWG erlaubt der Regulierungsbehörde, Maßnahmen zur Einhaltung einer Verpflichtung nach den Bestimmungen des EnWG oder den aufgrund des EnWG erlassenen Rechtsvorschriften anzuordnen, wenn ein Unternehmen oder eine Vereinigung von Unternehmen diesen Verpflichtungen nicht nachkommt. Hierzu gehören auch die im EnWG enthaltenen Entflechtungsvorschriften der §§ 6 ff. EnWG (vgl. Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Auflage, Vorbem. zu §§ 6-9 Rn. 27).
402. Zu Recht hat die zuständige Beschlusskammer der Bundesnetzagentur festgestellt, dass die Betroffene gegen das entflechtungsrechtliche Beteiligungsverbot des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG verstößt, indem sie komprimiertes Erdgas an Tankstellen als Kraftstoff vertreibt und gleichzeitig indirekt Anteile an den beiden zertifizierten Unabhängigen Transportnetzbetreibern H. und I. hält.
41§ 10b EnWG, der die Rechte und Pflichten im vertikal integrierten Unternehmen regelt, gibt in Absatz 3 Satz 1 vor, dass Tochterunternehmen des vertikal integrierten Unternehmens, die die Funktionen Erzeugung, Gewinnung oder Vertrieb von Energie an Kunden wahrnehmen, weder direkt noch indirekt Anteile am Transportnetzbetreiber halten dürfen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen im Streitfall vor.
42a) Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Betroffene ein Tochterunternehmen eines vertikal integrierten Unternehmens ist, das indirekt Anteile an den bereits genannten Unabhängigen Transportnetzbetreibern hält.
43b) Der Vertrieb von Erdgas an Tankstellen durch die Betroffene stellt einen Vertrieb von Energie an Kunden im Sinne der Regelung des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG dar.
44aa) Die Betroffene wird in allen von ihr praktizierten Vertriebsmodellen vertrieblich tätig, indem sie Erdgas an Kunden verkauft. Nach § 3 Nr. 24 EnWG fallen unter den Begriff des Kunden Großhändler, Letztverbraucher und Unternehmen, die Energie verkaufen. In dem von ihr praktizierten Vertriebsmodell 3 verkauft die Betroffene Erdgas an den Tankstellenbetreiber, die als Großhändler gem. § 3 Nr. 21 EnWG dem Kundenbegriff des § 3 Nr. 24 EnWG unterfallen. Aber auch in ihren Vertriebsmodellen 1 und 2, bei denen die Betroffene unmittelbar oder vertreten vom Tankstellenbetreiber Erdgas an Erdgasfahrzeugführer verkauft, liegt ein Vertrieb an Kunden vor. Der Erdgasfahrzeugführer ist insoweit als Letztverbraucher gem. § 3 Nr. 25 EnWG anzusehen, weil er an der Erdgastankstelle Energie für den eigenen Verbrauch kauft.
45Entgegen der Ansicht der Betroffenen ergibt sich aus dem vorgelegten Referentenentwurf für ein Strommarktgesetz, nichts anderes. Dieser sieht eine Ergänzung des § 3 Nr. 25 EnWG vor, nach der auch der Strombezug der Ladepunkte für Elektromobile dem Letztverbrauch im Sinne des EnWG und im Sinne der auf Grundlage des EnWG erlassenen Verordnungen gleichgestellt wird. Zweifelhaft ist bereits, ob aus einem vorgelegten Referentenentwurf überhaupt zuverlässige Rückschlüsse auf eine bestehende Rechtslage gezogen werden können. Im Übrigen betrifft die geplante Änderung unmittelbar nur den Strom- und nicht den Gasbereich und dient dem Zweck, einen schnellen und flächendeckenden Ausbau von Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge im gesamten Bundesgebiet zu gewährleisten (vgl. Ausschussempfehlung zum Strommarktgesetz, BR-Drs. 542/15, S. 14). Sie dient der Entlastung der Beziehung zwischen Ladepunktbetreiber und Elektrofahrzeugführer, in deren Verhältnis die energiewirtschaftsrechtlichen Pflichten gem. §§ 40, 42 EnWG nicht gelten sollen. Hieraus lässt sich nicht schließen, dass auch im Rahmen einer Betrachtung unter entflechtungsrechtlichen Gesichtspunkten der Verkauf von Erdgas an Erdgastankstellen keinen Vertrieb von Energie an Kunden darstellen soll.
46bb) Entgegen der Ansicht der Betroffenen handelt es sich bei dem von ihr vertriebenen Erdgas auch um Energie im Sinne des EnWG.
47(1) § 3 Nr. 14 EnWG definiert Energie als Elektrizität und Gas, soweit sie zur leitungsgebundenen Energieversorgung verwendet werden. Dem Gasbegriff des EnWG unterfallen nach der Legaldefinition in § 3 Nr. 19a EnWG Erdgas, Biogas und Flüssiggas im Rahmen der §§ 4 und 49 EnWG sowie Wasserstoff und synthetisch erzeugtes Methan, soweit sie in ein Gasversorgungsnetz eingespeist werden. Energie im Sinne des EnWG ist, wie sich auch bereits auch § 1 Abs. 3 EnWG ergibt, beschränkt auf die leitungsgebundene Energieversorgung. Dabei setzt die Leitungsgebundenheit eine durchgehende Leitungsverbindung zwischen Erzeugung bzw. Gewinnung über die Verteilung bis zum Letztverbraucher voraus (Boesche in Berliner Kommentar zum Energierecht, 3. Auflage, § 3 Rn. 46). Eine solche durchgehende Leitungsverbindung ist bei den Erdgastankstellen der Betroffenen gegeben.
48Die Ansicht der Betroffenen, von § 3 Nr. 14 EnWG sei nur die „klassische“ leitungsgebundene Energieversorgung erfasst, bei der es sich um einen geschlossenen, leitungsgebundenen und immobilen Vorgang handele, bei dem Gas in das Netz eingespeist und transportiert werde, über den Netzanschluss in eine ortsfeste Verbrauchsanlage ströme und in dieser auch verbraucht würde, vermag nicht zu überzeugen. Zwar wird durch die Einfüllung des Gases in den Tank des Kraftfahrzeugs die Leitungsgebundenheit des Energietransports unterbrochen bzw. endgültig abgebrochen. Dies ist jedoch unerheblich. Zu Recht geht die Beschlusskammer im angefochtenen Beschluss davon aus, das Kriterium der Leitungsgebundenheit im Sinne des § 3 Nr. 14 EnWG betreffe die Art des Transportwegs per Leitung (so auch Boesche in Berliner Kommentar zum Energierecht, 3. Auflage, § 3 Rn. 46, Salje, EnWG, § 3 Rn. 75; Theobald in Danner/Theobald, EnWG, 84. Ergänzungslieferung, § 1 Rn. 14). Alternative Arten des Transportwegs, beispielsweise per Flasche oder Tank, seien demgegenüber nicht hiervon erfasst. Das von der Betroffenen an den Erdgastanstellen verkaufte Erdgas wird durchgehend durch Leitungen bis zur Zapfsäule befördert.
49Für die Frage, ob ein Vertrieb von Energie vorliegt, ist auf den Vertriebszeitpunkt abzustellen. Maßgeblich ist, ob zu dem Zeitpunkt, zu dem der Kraftstoff in die Verfügungsgewalt der Kunden der Betroffenen gelangt, von einer Leitungsgebundenheit der Energie auszugehen ist. Dies ist bei den oben dargestellten Vertriebsmodellen 1 und 2 zu dem Zeitpunkt der Fall, an dem der Kraftstoff aus der Zapfsäule in den Tank eingefüllt wird. Bei dem Vertriebsmodell 3 ist von einem Vertrieb bereits zu dem Zeitpunkt auszugehen, an dem der Kraftstoff den Zählpunkt passiert, an dem die Leitungen der Tankstelle an das öffentliche Versorgungsnetz angeschlossen sind. Bis zu diesen jeweiligen Zeitpunkten erfolgte der Transport unter Nutzung der leitungsgebundenenen Infrastruktur, wobei der wesentliche Teil des Transports über das öffentliche Energieversorgungsnetz erfolgt.
50Unerheblich ist, dass der nachfolgende Verbrennungsvorgang im Erdgasfahrzeug nicht mehr ortsfest, sondern mobil erfolgt. Die Vorschrift des § 3 Nr. 14 EnWG enthält kein zusätzliches ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des unmittelbaren ortsfesten Verbrauchs. Für die Bewertung, ob ein Verstoß gegen § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG vorliegt, ist nach dem Wortlaut der Vorschrift allein der Vertrieb, also der Verkaufsvorgang maßgeblich. Auf den zeitlich nach Transport und Vertrieb liegenden Zeitpunkt des Verbrauchs kommt es hingegen nicht an. Entgegen der Ansicht der Betroffenen liegt eine „Energieversorgung“ nicht nur bei einem akuten Energiebedarf vor, der in einen unmittelbaren Verbrauch mündet. Vielmehr ist eine Energieversorgung auch dann anzunehmen, wenn zunächst die gesamte oder ein gewisser Teil der Energie im Verbrauchsgerät für einen späteren Verbrauch gespeichert wird.
51Der von der Betroffenen herangezogene Vergleich mit in Akkumulatoren gespeichertem Strom rechtfertigt keine andere Bewertung. Hierzu hat die Beschlusskammer bereits im angefochtenen Beschluss, dort S. 12, zu Recht ausgeführt, dass auch bei Akkumulatoren anhand des konkreten Transportwegs unterschieden werde, ob es sich um eine leitungsgebundene Energieversorgung handele. Der Verkauf und Austausch von Wechselakkus falle nach diesem Abgrenzungskriterium nicht unter den Begriff der leitungsgebundenen Energieversorgung. Dagegen handele es sich bei dem Aufladen eines Elektroautos oder eines Mobilfunktelefons um eine leitungsgebundene Energieversorgung, auch wenn die technische Energienutzung möglicherweise in einiger Entfernung von der Energieentnahmestelle stattfinde. Gründe, die dafür sprechen, dass beide Vorgänge im Hinblick auf die Leitungsgebundenheit gleich einzuordnen sind, sind nicht ersichtlich.
52Ebenso wenig ergeben sich aus dem Wortlaut der Vorschrift Anhaltspunkte dafür, dass es für die Frage, ob ein Vertrieb von Energie vorliegt, darauf ankommt, welchen konkreten Energiebedarf die vertriebene Energie deckt. Es ist weder nachvollziehbar dargelegt noch ersichtlich, inwieweit sich aus dem singulären Zweck der Erdgastankstellen, die ausschließlich der Versorgung von Kraftfahrzeugen mit Kraftstoff dienen, für die Anwendung der Entflechtungsvorschriften ein Unterschied zur klassischen leitungsgebundenen Energieversorgung, bei der Energie für die allgemeine Bedarfsdeckung vertrieben wird, ergeben sollte.
53Maßgeblich für die Beurteilung der Leitungsgebundenheit ist allein der tatsächlich genutzte Transportweg (so auch Theobald in Danner/Theobald, EnWG, 84. Ergänzungslieferung, § 3 Rn. 103). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Betroffenen im Beschwerdeverfahren zitierten Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Urteil vom 17.09.2014, I-27 U14/13). In dem dort entschiedenen Fall ging es um die rechtliche Einordnung eines Rohrleitungsnetzes als Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung im Sinne von §§ 46 Abs. 2 S. 1, 3 Nr. 17 EnWG. Das Gericht ist insoweit im Hinblick auf die Frage des Bestehens eines Auskunftsanspruchs nach § 46 Abs. 2 S. 4 EnWG davon ausgegangen, dass maßgeblich für die rechtliche Einordnung eines Netzes als Energieversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung nicht nur die tatsächliche Nutzung in der Vergangenheit, sondern die nach den vertraglichen Vereinbarungen mögliche Nutzung ist. Dem kann nicht entnommen werden, dass bei der Beurteilung von Tatbeständen des EnWG generell eine fiktive Betrachtungsweise vorzunehmen ist.
54Es kann offen bleiben, ob für die Frage der Leitungsgebundenheit – wie die Betroffene meint – die Perspektive des Kunden maßgeblich ist. Der Bundesgerichtshof hat in seiner von der Betroffenen zitierten Entscheidung (BGH, Beschluss vom 18.10.2011, EnVR 68/10) ausgeführt, dass der Begriff des Energieversorgungsnetzes aus der Perspektive des Kunden, der mit Energie beliefert werde, zu sehen sei. Denn auch bei einer Betrachtung aus Kundenperspektive wäre nicht auf den Zeitpunkt des Verbrauchs des Kraftstoffs, sondern auf den Zeitpunkt des Vertriebs, also den Zeitpunkt, zu dem der Kraftstoff aus der Zapfsäule in den Autotank eingefüllt wird, abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt liegt auch aus der – nach Ansicht der Betroffenen maßgeblichen – Kundenperspektive eine leitungsgebundene Energieversorgung vor.
55(2) Aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik des EnWG ergibt sich nichts anderes.
56Der Begriff der leitungsgebundenen Versorgung wurde im Jahr 1998 in das EnWG aufgenommen. Anlass war nach der Gesetzesbegründung, dass es sich bei der Leitungsgebundenheit um eine der technisch-wirtschaftlichen Besonderheiten handelt, die die Elektrizitäts- und Gaswirtschaft prägen und einen besonderen Ordnungsrahmen rechtfertigen (BT-Drs. 13/7274, S. 9). Zwar hat der Gesetzgeber im Jahr 2009 die Flüssiggasversorgung weitgehend aus dem Anwendungsbereich ausgenommen. Eine vergleichbare Regelung für das Erdgas zum Zwecke des Betriebs von Tankstellen hat der Gesetzgeber jedoch nicht getroffen und es ist auch nicht ersichtlich, dass diese aus Gründen der Sachgerechtigkeit geboten sein sollte.
57Der Vergleich mit der Versorgung mit Flaschengas und Flüssiggas, die durch § 3 Nr. 19a EnWG ganz oder zumindest weitgehend aus dem Anwendungsbereich des EnWG ausgenommen sind, rechtfertigt keine Ausnahme für den Vertrieb von komprimiertem Erdgas als Kraftstoff. Denn dieser unterscheidet sich hinsichtlich des technisch-wirtschaftlichen Vorgangs wesentlich von der Flaschen- und Flüssiggasversorgung. Bei der Flaschen- und Flüssiggasversorgung fehlt es an einer vergleichbaren Nutzung der leitungsgebundenen Infrastruktur. Dies ist für die Flaschengasversorgung offensichtlich, gilt aber auch für die Flüssiggasversorgung. Flüssiggas wird anders als Erdgas nicht über Pipelines transportiert, sondern mit großen Seeschiffen, kleinen Binnenschiffen, Bahnkesselwagen und über Straßentankwagen zum Händler oder auch zum Endverbraucher mit seinem Flüssiggastank bzw. der Flüssiggastankstelle. Zwar mag es zutreffen, dass es auch bei der Flüssiggasversorgung abhängig vom Standort des Tanks längere Leitungen bis zum Verbraucher geben kann und auch Flüssiggasnetze existieren, bei denen eine Vielzahl von Kunden aus einem zentralen Tank über ein größeres Netz versorgt werden können. In der Regel fehlt es hier aber an der Transportfunktion der Leitungen über mehrere Wertschöpfungsstufen hinweg, von der Erzeugung bis zum Vertrieb. Dementsprechend ist Flüssiggas lediglich mit Blick auf seine Betriebsgefahren in den Anwendungsbereich des EnWG einbezogen worden (vgl. Gesetzesbegründung zu § 3 Nr. 19a EnWG, BT-Drs. 16/12898, S. 19). Im Falle der Versorgung mit Erdgas als Kraftstoff besteht die Verbindung mittels Leitungsinfrastruktur aber vom Zeitpunkt der Gewinnung des Erdgases bis zum Zeitpunkt des Verkaufs und der Übereignung an den Letztverbraucher. Dies gilt – wie die Bundesnetzagentur zu Recht im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat - für alle drei Vertriebsmodelle. In den Vertriebsmodellen 1 und 2 wird das Erdgas von der Betroffenen an der ortsfesten Betankungsanlage an die Kraftfahrzeugfahrer verkauft. Im Vertriebsmodell 3 fehlt das mobile Element völlig, da die Betroffene als Zwischenhändlerin auftritt und das Erdgas an den Tankstellenbetreiber weiterverkauft. Unerheblich ist insoweit, dass das für die Erdgastankstellen benötigte Erdgas auch mittels Tankwagen befördert werden könnte, maßgeblich ist – wie bereits ausgeführt - der tatsächlich genutzte Transportweg.
58(3) Auch sprechen Sinn und Zweck des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG, der Entflechtungsvorgaben und des EnWG im Allgemeinen sowie des zugrunde liegenden Europäischen Rechts dafür, den Vertrieb von komprimiertem Erdgas an Tankstellen als Kraftstoff als Vertrieb von Energie im Sinne des EnWG aufzufassen.
59Das Beteiligungsverbot des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG dient der Umsetzung des Art. 18 Abs. 3 S. 1 der Richtlinie 2009/73 (Gasrichtlinie). Nach Art. 18 Abs. 3 S. 1 Gasrichtlinie richtet sich das Beteiligungsverbot an Tochterunternehmen des vertikal integrierten Unternehmens, die die Funktionen Gewinnung oder Versorgung wahrnehmen. Unter dem Begriff „Versorgung“ ist nach Art 2 Nr. 7 Gasrichtlinie der „Verkauf einschließlich des Weiterverkaufs von Erdgas, einschließlich verflüssigtem Erdgases an Kunden“ zu verstehen. Durch die Verwendung des Begriffs des Weiterverkaufs wird deutlich, dass das Beteiligungsverbot für Tochterunternehmen des vertikal integrierten Unternehmens unabhängig von der Vertriebsstufe gelten soll.
60Wie der Senat in seiner Entscheidung zur Regelung des § 10c Abs. 6 EnWG (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 25. August 2014, VI-3 Kart 58/13 (V), Rn. 117 ff. bei juris) bereits ausgeführt hat, haben die europäischen Regelungen und mit ihnen das EnWG ein relevantes Diskriminierungspotential erkannt und deshalb für das Entflechtungsmodell des Unabhängigen Transportnetzbetreibers besondere Bestimmungen geschaffen. Die Regeln dienen den Zielen des § 1 EnWG, u.a. eine preisgünstige und verbraucherfreundliche Versorgung sowie unverfälschten und wirksamen Wettbewerb sicherzustellen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der rechtlichen Gestaltung, anders als etwa bei dem Modell des eigentumsrechtlich entflochtenen Netzbetreibers, eine erhöhte Gefahr von Diskriminierungen besteht. Das Netz bleibt im Unternehmensverbund, was an sich schon dem Grundgedanken einer vollständigen Entflechtung widerspricht. Es ist daher naheliegend, dass für dieses "unvollkommene" Entflechtungsmodell besondere gesetzliche Anforderungen normiert werden, um die Unabhängigkeit der Beteiligten sicher zu stellen. So kommt auch in den Gas- und Stromrichtlinien zum Ausdruck, dass es noch "Hindernisse für den Verkauf von Erdgas/Strom ... zu gleichen Bedingungen und ohne Diskriminierung oder Benachteiligung" gebe (Erwägungsgrund 4 der Gasrichtlinie 2009/73 und der Stromrichtlinie 2009/72). Ohne eine wirksame Trennung des Netzbetriebs von der Gewinnung und Versorgung ("wirksame Entflechtung") bestehe die Gefahr einer Diskriminierung nicht nur in der Ausübung des Netzgeschäfts, sondern auch in Bezug auf die Schaffung von Anreizen für vertikal integrierte Unternehmen, ausreichend in ihre Netze zu investieren (Erwägungsgrund 6 Gasrichtlinie, Erwägungsgrund 9 Stromrichtlinie). Beide Richtlinien gehen davon aus, dass die bisherigen Regeln nicht zu einer tatsächlichen Entflechtung der Übertragungsnetzbetreiber geführt hätten (Erwägungsgrund 7 Gasrichtlinie, Erwägungsgrund 10 Stromrichtlinie). Daher müssten mit dem wirksamsten Mittel, der Entflechtung, die bestehenden Anreize für vertikal integrierte Energieversorgungsunternehmen beseitigt werden, Wettbewerber zu diskriminieren (Erwägungsgrund 8 Gasrichtlinie, Erwägungsgrund 11 Stromrichtlinie).
61Entgegen der Ansicht der Betroffenen fehlt es auch im Streitfall nicht am notwendigen Diskriminierungspotential. Denn nach der gesetzliche Wertung des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG sowie der Wertung der europarechtlichen Vorgaben besteht ein hinreichendes Diskriminierungspotential strukturell bereits dann, wenn ein im Vertrieb von Energie tätiges Unternehmen an einem Unabhängigen Transportnetzbetreiber direkt oder indirekt beteiligt ist. § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG gilt ohne Einschränkung und erfasst daher auch Minimalbeteiligungen, die keine unmittelbare Einflussnahme auf das jeweils andere Unternehmen und die Führung seiner Geschäfte ermöglichen (Knauff in Kment, EnWG, § 10b Rn. 12). Gleichermaßen kommt es nicht darauf an, ob zwischen dem Unabhängigen Transportnetzbetreiber und der an ihm beteiligten Vertriebsgesellschaft unmittelbare vertragliche Beziehungen bestehen.
62Dies hat bereits die Beschlusskammer im angefochtenen Beschluss, dort S. 13, zutreffend dargelegt. Sinn und Zweck der Entflechtungsvorgaben sei es, eine Einflussnahme der wettbewerblich organisierten Geschäftsbereiche Erzeugung, Gewinnung und Vertrieb von Elektrizität bzw. Erdgas innerhalb einer durch Beherrschung verbundenen Unternehmensgruppe auf den regulierten Netzbereich zu verhindern. Hierdurch solle ein diskriminierungsfreier Netzzugang auch für nicht mit dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen verbundene Unternehmen gewährleistet werden. Eine Einflussnahme der wettbewerblich organisierten Geschäftsbereiche auf den Netzbetrieb kann aber nicht nur dadurch erfolgen, dass die zwischen den beiden Gesellschaften bestehenden vertraglichen Beziehungen entsprechend ausgestaltet werden. Vielmehr kommt auch eine Einflussnahme auf das Verhalten des Unabhängigen Transportnetzbetreibers gegen den Konkurrenten des verbundenen Unternehmens in Betracht.
63Eine Einzelfallprüfung im Sinne der Feststellung einer konkreten Diskriminierungsgefahr hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Im Übrigen vermag auch die Auffassung der Betroffenen, in ihrem Fall sei kein hinreichendes Diskriminierungspotential gegeben, nicht zu überzeugen. Die Betroffene entnimmt Erdgas aus einem öffentlich zugänglichen Gasversorgungsnetz an einem Zählpunkt auf dem Tankstellengelände, wo das Erdgas an Dritte verkauft wird. Damit besteht die nach der Vorschrift des § 10b Abs. 3 S. 1 strukturell unzulässige Verflechtung zwischen Netzbetrieb und Wettbewerb. Unerheblich ist, dass die Betroffene das von ihr vertriebene Erdgas ihrerseits von einem Erdgaslieferanten bezieht, also kein unmittelbares vertragliches Nutzungsverhältnis zwischen Transportnetzbetreiber und der Betroffenen besteht. Das EnWG verbietet das Zusammenfallen von Netzbetrieb und Vertrieb unabhängig von einer bestimmten Vertriebskette.
64Angesichts von Sinn und Zweck des Beteiligungsverbots ist auch unerheblich, dass ab der Übergabe-/Zählstelle der Weitertransport des Erdgases bis zur Zapfsäule über die Leitungen der Betankungsanlage, deren Betreiberin die Betroffene ist und für die aufgrund ihrer Gefahrenlage technische Besonderheiten gelten, erfolgt. Maßgeblich ist vielmehr allein, dass die Betroffene für ihre Vertriebstätigkeit das Gasversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung tatsächlich nutzt. Denn gerade für diese Fälle soll durch das Beteiligungsverbot verhindert werden, dass in den dem Wettbewerb unterworfenen Vertriebsbereichen eine Einflussnahme auf den Netzbetreiber möglich erscheint und andere Wettbewerber Diskriminierungen im Rahmen des Netzzugangs ausgesetzt werden.
653. Der Beschluss ist auch hinreichend bestimmt im Sinne des § 37 Abs. 1 VwVfG.
66Das Bestimmtheitsgebot setzt voraus, dass der Inhalt der getroffenen Regelung für die Beteiligten so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass sie ihr Verhalten danach richten können (vgl. Wende in Berliner Kommentar zum Energierecht, 3. Auflage, § 65 EnWG Rn. 27). Tenorziffer 2 des angefochtenen Beschlusses entspricht diesen Vorgaben. Er bestimmt für die von der Betroffenen wahlweise vorzunehmenden Abhilfemaßnahmen eine Frist bis zum 20.11.2014. Diese im Verfügungssatz bestimmte Frist ist für die Betroffene zunächst allein maßgeblich. Die Begründung ist nur dann für die Erläuterung des Verfügungssatzes heranzuziehen, wenn der verfügende Teil allein nicht aussagekräftig ist. Dies ist hier nicht der Fall.
67Unerheblich ist daher, dass die Beschlusskammer in der Begründung des Beschlusses, dort S. 19, im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung einen zusätzlichen, nicht näher konkretisierten Umsetzungszeitraum für den Fall des Vorliegens von zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht absehbarer Umstände in Aussicht stellt. Dies ist nur Ausdruck des allgemeinen Grundsatzes der Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, der es auch im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung verbietet, von der Betroffenen Unmögliches zu fordern.
684. Auch sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Regulierungsbehörde ermessensfehlerhaft gehandelt hat. Indem die Bundesnetzagentur die Betroffene förmlich zu einer der in Tenorziffer 2 wahlweise genannten Entflechtungsmaßnahmen verpflichtet hat, hat sie das ihr nach § 65 Abs. 2 EnWG zustehende Ermessen beanstandungsfrei ausgeübt.
69a) Die der Regulierungsbehörde eingeräumte Ermessensentscheidung, ob sie ein Aufsichtsverfahren gegen die ihrer Aufsicht unterstehende Betroffene einleitet und welche Maßnahmen sie gegebenenfalls ergreift, ist nach den allgemeinen Grundsätzen gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob die Behörde die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, ihr Ermessen überhaupt nicht ausgeübt oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Angesichts des erheblichen öffentlichen Interesses an dem mit dem Energiewirtschaftsgesetz verfolgten Ziel, eine möglichst sichere, preisgünstige, verbraucherfreundliche und effiziente Versorgung der Allgemeinheit mit Energie sicherzustellen, liegt die Verfolgung von Verstößen gegen Vorschriften dieses Gesetzes grundsätzlich im öffentlichen Interesse (BGH, Beschluss vom 03.06.2014, EnVR 10/13). Dies gilt erst recht angesichts des durch die Entflechtungsregelung des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG verfolgten Schutzzwecks, einen diskriminierungsfreien Netzzugang auch für nicht mit dem vertikal integrierten Energieversorgungsunternehmen verbundene Unternehmen zu gewährleisten und damit den Wettbewerb in den dem Netzbetrieb vor- und nachgelagerten Wettbewerbsbereichen Erzeugung, Gewinnung und Vertrieb zu stärken. Die mit einer Trennung bzw. Entflechtung der bestehenden Strukturen zur Sicherstellung eines „entflochtenen Netzbetriebs“ einhergehenden wirtschaftlichen Belastungen der integrierten Energieversorgungsunternehmen hat der europäische Richtliniengeber ebenso wie der deutsche Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen. Die gesetzlichen Regelungen zur Entflechtung enthalten daher zunächst bereits eine grundsätzliche Abwägung, wonach die organisatorischen und wirtschaftlichen Belastungen der integrierten Energieversorgungsunternehmen durch die Umsetzung der Entflechtungsregelungen vom Grundsatz her hinter dem Schutz von Wettbewerb in den Bereichen Energieerzeugung und -belieferung vor Diskriminierungen und auch bloßen Diskriminierungsmöglichkeiten durch den jeweiligen Netzbetreiber zurückstehen (vgl. Theobald in Danner/Theobald, EnWG, 84. Ergänzungslieferung, § 6 Rn. 7). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind im Rahmen der angefochtenen Entscheidung keine Ermessensfehler zu erkennen.
70b) Es sind keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, nach denen die vorgegebenen Abhilfemaßnahmen ermessensfehlerhaft waren, weil die Erfüllung der Betroffenen unmöglich wäre.
71Schon nach dem Vortrag der Betroffenen liegt keine Unmöglichkeit vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Betroffene durch den angefochtenen Beschluss lediglich wahlweise ihre gesellschaftsrechtliche Beteiligung an den Beigeladenen oder den Vertrieb von komprimiertem Erdgas als Kraftstoff für Kraftfahrzeuge aufzugeben hat. Beides dürfte der Betroffenen möglich sein. Soweit die Betroffene vorträgt, dass über die festgesetzten alternativen Maßnahmen nur mit Zustimmung des Aufsichtsrats Beschlüsse gefasst werden könnten, führt dies – auch wenn ggf. gesellschaftsinterne Abstimmungen erforderlich werden - nicht zur Unmöglichkeit. Gründe dafür, dass der Aufsichtsrat seine Zustimmung zu einer von der Regulierungsbehörde verpflichtend vorgegebenen Maßnahme verweigern sollte, sind nicht ersichtlich. Auch ist der Betroffene die Aufgabe ihrer Beteiligung an den beigeladenen Unabhängigen Transportnetzbetreibern nicht wegen der notwendigen Mitwirkung der D. unmöglich. Denn es ist nicht erforderlich, dass die C. die Anteile an den Gesellschaften der Beigeladenen veräußert. Vielmehr kann die Betroffene ihre indirekte Beteiligung an den Unabhängigen Transportnetzbetreibern auch aufgeben, indem sie ihre Anteile an der C. aufgibt.
72Die Überprüfung, welche Abhilfemaßnahme für sie unter Berücksichtigung der gesellschaftsrechtlichen Zusammenhänge zwischen den einzelnen mit ihr verbundenen Gesellschaften sowie aufgrund des Umfangs ihrer Beteiligung an der C. auf welche Art und Weise durchführbar ist und die Unternehmensstrategie am wenigsten beeinträchtigt, ist der Betroffenen selbst überlassen.
73c) Der Beschluss ist auch im Übrigen verhältnismäßig. Ausweislich des angefochtenen Beschlusses hat die sich Beschlusskammer zu den wahlweise in Tenorziffer 2 angeordneten Verpflichtungen entschieden, um die gesetzliche Wertung des § 65 Abs. 1 S. 2 und 3 EnWG zu berücksichtigen und die Belastung für die Betroffene so gering wie möglich zu halten. Die Einwände der Betroffenen greifen auch insoweit nicht durch.
74aa) Insbesondere ist die der Betroffenen eingeräumte Umsetzungsfrist nicht unverhältnismäßig kurz. Die Betroffene hat nicht hinreichend konkret begründet, warum der ihr zugestandene Umsetzungszeitraum von sechs Monaten für die zu treffende Auswahlentscheidung sowie die erforderlichen Umsetzungsmaßnahmen zu kurz bemessen ist. Allein der pauschale Hinweis auf notwendige konzerninterne Gremiumsbeschlüsse genügt nicht. Denn es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass diese im Rahmen der gebotenen Beschleunigung nicht innerhalb des zugestandenen Zeitraums von sechs Monaten eingeholt werden könnten. Der von der Betroffenen geforderte Gesamtumsetzungszeitraum von mehreren Jahren ist nicht nachvollziehbar.
75Soweit die Betroffene darauf verweist, die Beschlusskammer habe die Erforderlichkeit der Einholung von notwendigen Gremienbeschlüssen im Rahmen der zu treffenden Auswahlentscheidung nicht berücksichtigt, vermag dies nicht zu überzeugen. Allein die pauschale Behauptung, für die im Rahmen der Auswahlentscheidung erforderlichen Prüfungen und Abstimmungen bedürfe es eines Zeitraums von mindestens 6 Monaten, genügt nicht. Gleiches gilt für die Behauptung, für die Einholung der notwendigen Gremienbeschlüsse sei ein weiterer Zeitraum von mindestens 18 Monaten erforderlich. Dieser Zeitraum erklärt sich auch nicht allein durch eine gruppeninterne Umstrukturierung. Gleichfalls ist nicht ersichtlich, warum die ggf. notwendige Abstimmung mit der D. einen Zeitraum von mindestens 12 Monaten in Anspruch nehmen sollte. Inwieweit die von der Betroffenen herangezogenen Diskussionen zu einem zwischen der D. GmbH und der B.-Gruppe geplanten Asset-Swap einen tauglichen Vergleichsmaßstab darstellen, ist nicht ersichtlich. Auch sind die Ausführungen zu den notwendigen Umsetzungsmaßnahmen und deren Zeitdauer nicht hinreichend konkret. Inwieweit der konkrete Sachverhalt, der der von der Betroffenen angeführten Entscheidung des Bundeskartellamts zugrunde lag, ein tauglicher Vergleichsmaßstab ist, ist ebenfalls nicht vorgetragen. Der pauschale Verweis darauf, dass die Abhilfemaßnahmen in dem vom Bundeskartellamt entschiedenen Fall mit einem wesentlich geringeren Zeitaufwand verbunden seien, genügt nicht.
76bb) Auch führt der von der Betroffenen angeführte Umstand des „geringen Umfangs“ ihres Erdgastankstellengeschäfts nicht zur Unverhältnismäßigkeit der von der Regulierungsbehörde getroffenen Anordnung. Wie bereits im angefochtenen Beschluss ausgeführt wird, ist dabei zu berücksichtigen, dass das Beteiligungsverbot des § 10b Abs. 3 S. 1 EnWG weder eine Geringfügigkeitsgrenze noch einen Ausnahmetatbestand enthalten. Vielmehr soll bereits der Gefahr einer Diskriminierung entgegen gewirkt werden. Die Grundsätze der Gleichbehandlung und der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung gebieten daher eine gleichmäßige Anwendung der Entflechtungsvorgaben. Zu berücksichtigen ist insoweit auch, dass die Betroffene ihre Geschäftstätigkeit nach den unbestrittenen Ausführungen der Bundesnetzagentur im angefochtenen Bescheid sowie in der Beschwerdeerwiderung weiter ausgebaut hat und weiter ausbauen wird. Der derzeitige Umfang des Tankstellengeschäfts der Betroffenen vermag daher die Unverhältnismäßigkeit der aufgegebenen Abhilfemaßnahmen nicht zu begründen.
77II. Der von der Betroffenen hilfsweise gestellte Verpflichtungsantrag hat ebenfalls keinen Erfolg, da der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
78C.
79I. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 S. 2 EnWG. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, hat die Betroffene die Gerichtskosten zu tragen und der Bundesnetzagentur die notwendigen Auslagen zu ersetzen.
80Es entspricht der Billigkeit (§ 90 S. 1 EnWG), dass die Beigeladenen ihre notwendigen Auslagen selbst zu tragen haben.
81Im Rahmen der Billigkeitserwägungen ist grundsätzlich auf alle Umstände des jeweiligen Einzelfalls einschließlich des Verfahrensausgangs abzustellen. Neben dem Verfahrensausgang ist konkret maßgebend, ob der Verfahrensbeteiligte am Verfahrensausgang in besonderer Weise interessiert war und sich aktiv an dem Verfahren beteiligt hat, indem er dieses durch seinen schriftsätzlichen oder mündlichen Vortrag wesentlich gefördert hat (vgl. Hölscher in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG 3. Auflage, § 90 Rn. 16). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erscheint es angemessen, dass die Beigeladenen ihre Auslagen selbst tragen. Diese haben den Verfahrensgang weder durch schriftliche Stellungnahmen noch durch ihre Teilnahme an der mündlichen Verhandlung gefördert.
82II. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren beruht auf § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO. Das mit der Beschwerde verbundene Interesse der Betroffenen an der Aufhebung des angefochtenen Beschlusses bemisst der Senat mit 50.000 EUR.
83D.
84Der Senat hat die Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof gegen diese Entscheidung zugelassen, weil die streitgegenständliche Frage grundsätzliche Bedeutung i.S.d. § 86 Abs. 2 Nr. 1 EnWG hat und die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs entsprechend § 86 Abs. 2 Nr. 2 EnWG erfordert.
85Rechtsmittelbelehrung:
86Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung auf
87einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 546, 547 ZPO). Sie ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich bei dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf, einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Rechtsbeschwerde ist durch einen bei dem Beschwerdegericht oder Rechtsbeschwerdegericht (Bundesgerichtshof) einzureichenden Schriftsatz binnen eines Monats zu begründen. Die Frist beginnt mit der Einlegung der Beschwerde und kann auf Antrag von dem oder der Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts verlängert werden. Die Begründung der Rechtsbeschwerde muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Entscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Rechtsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Rechtsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§§ 88 Abs. 4 Satz 2, 80 Satz 2 EnWG).
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