Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 14 U 105/15

Tenor

I.

Die Parteien werden auf Folgendes hingewiesen.

1)

Der von den Klägern geltend gemachte Rückgewähranspruch gemäß § 346 Abs. 1 BGB i. V. m. §§ 495 Abs. 1, 355,357,358 BGB in der bis zum 10. Juni 2010 gültigen Fassung (a.F.) dürfte unter dem Gesichtspunkt einer nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung gerechtfertigt sein, weil sie ihre auf den Abschluss des Darlehensvertrages vom 5./13. Januar 2009 gerichteten Erklärungen wirksam widerrufen haben.

Nach § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. beginnt die Widerrufsfrist mit dem Zeitpunkt zu laufen, zu dem der Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, welche auch Namen und Anschriften desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn der Regelung des § 355 Abs. 1 S. 2 BGB a.F. enthält. Das den Klägern gemäß den §§ 495, 355 Abs. 1 BGB in der ab dem 8. Dezember 2004 (bis zum 10. Juni 2010) geltenden Fassung zustehende Widerrufsrecht war nicht vor dem mit Schreiben der Kläger vom 4. August 2014  erfolgten Widerruf bereits durch Fristablauf erloschen. Die zweiwöchige Widerrufsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 BGB a. F. hat entgegen der Auffassung der Beklagten mangels ordnungsgemäßer Belehrung gemäß § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB a. F. nicht zu laufen begonnen.

Die im konkreten Fall vorliegende Widerrufsbelehrung wird dem im § 355 Abs. 2 S. 1 BGB a.F. enthaltenen Deutlichkeitsgebot nicht gerecht. Der mit dem Widerrufsrecht bezweckte Schutz des Verbrauchers erfordert eine unmissverständliche und für den Verbraucher eindeutige Belehrung. Der Verbraucher soll dadurch nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die Lage versetzt werden, dieses unter Ausschöpfung der Widerrufsfrist auszuüben. Er ist deshalb über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren (BGH, Urteil vom 13. November 2009 - XI ZR 118/08; v. 10.3.2009 - XI ZR 33/08, WM 2009, 350-353; vom 10. März 2009 - XI ZR 33/08, WM 2009, 932-935).

Dies vorausschickend fehlt der Belehrung der Beklagten über die Widerrufsfrist die notwendige Eindeutigkeit, weil darin für die in einer Aufzählung zunächst genannten Bedingungen des Fristbeginns (Erhalt der Widerrufsbelehrung, der Vertragsurkunde bzw. des schriftlichen Antrags des Verbrauchers) ein in § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F nicht vorgesehener Hinweis zur Fristberechnung gemäß § 187 Abs.1 BGB erteilt wird, für den Vertragsschluss als weitere Bedingung des Fristbeginns ein solcher Hinweis zur Fristberechnung aber fehlt. Der erste Halbsatz der Belehrung über den Fristbeginn macht deutlich, dass die Frist erst einen Tag nach den in den folgenden Unterpunkten aufgezählten Ereignissen beginnt. Eine solche Klarstellung erfolgt im zweiten Halbsatz für den Vertragsschluss als weitere Voraussetzung nicht. Die gewählte Formulierung lässt auch für den durchschnittlichen Leser der Widerrufsbelehrung nicht zweifelsfrei erkennen, dass sich die einleitende Wendung „einen Tag nachdem“ auch auf das Erfordernis des Vertragsschlusses beziehen soll. Vielmehr lässt die Wendung „nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ auch die Deutung zu, bei der Fristberechnung sei gemäß § 187 Abs. 2 BGB der Beginn des Tages des Vertragsschlusses maßgebend. Gerade weil die Erläuterung zur Fristberechnung nicht auch auf alle fristauslösenden Ereignisse erstreckt wurde, ist diese Formulierung geeignet, beim Verbraucher die Fehlvorstellung hervorzurufen, dass der Tag des Vertragsschlusses bei der Fristberechnung mitzuzählen ist.

Dieses naheliegende Verständnis der Belehrung entspricht nicht der Rechtslage, denn auch der gemäß § 312 d Abs. 2 BGB für den Fristbeginn notwendige Vertragsschluss stellt ein Ereignis im Sinne des § 187 Abs. 1 BGB dar mit der Folge, dass der Lauf der Widerrufsfrist an dem Tag beginnt, der dem letzten der zuvor genannten Ereignisse folgt (vgl. hierzu: ausführlich OLG Stuttgart, Urteil vom 29. September 2015 – 6 U 21/15, MDR 2015, 1223 – 1224; Staudinger/Tilman Repgen (2014) BGB § 187, Rn: 6; G. Maier-Reimer in: Erman BGB, Kommentar (2014), § 187 BGB, Rn. 1; MünchKomm/Wenderhorst (6. Aufl. 2012), § 312d BGB, Rn: 86; vgl. auch; BGH, Urteil vom 27. April 1994 - VIII ZR 223/93, NJW 1994, 1800 – 1801).

Dass der Gesetzestext in § 312 d Abs. 2 BGB a. F. die - möglicherweise missverständlich formulierte - Wendung enthält  Die Widerrufsfrist beginnt abweichend von § 355 Abs. 2, S. 1    nicht vor dem Tag des Vertragsabschlusses, vermag an dem Vorliegen eines Belehrungsmangels nicht zu ändern. Denn der Mangel der Belehrung hat seinen Grund nicht allein in der Übernahme des Gesetzestextes, sondern beruht entscheidend darauf, dass die Beklagte ergänzende Erläuterungen zur Fristberechnung für alle fristauslösenden Umstände bis auf den Vertragsschluss erteilt hat, und dadurch den unzutreffenden Eindruck erweckt hat, dass die Frist unterschiedlich zu berechnen sei. Das wäre vermeidbar gewesen, wenn die Beklagte den Vertragsschluss positiv als weiteres für den Fristbeginn notwendiges Ereignis beschrieben hätte, oder - sollte sie insoweit über die Rechtslage im Unklaren gewesen sein - den Hinweis zur Fristberechnung insgesamt unterlassen hätte. Durch die vorgenommene Differenzierung hat sie aber den unzutreffenden Eindruck erweckt, die für den Fristbeginn maßgeblichen Ereignisse seien in Bezug auf die Fristberechnung unterschiedlich zu behandeln (OLG Stuttgart, a.a.O.).

Soweit des Landgericht in seiner angefochtenen Entscheidung unter Hinweis auf eine Entscheidung des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 27. Februar 2015 (I-17 U 125/14, juris) meint, in den Fällen, in denen der Darlehensnehmer mit der Widerrufsbelehrung die vom Darlehensgeber unterzeichneten Vertragsurkunden erhalte und diese sodann im Beisein der Beklagten in einer ihrer Filialen unterzeichne, könne unter den konkreten Umständen kein Zweifel über den konkreten Fristbeginn entstehen, vermag der Senat dem nicht zu folgen. In einer solchen Konstellation ist zwar klar, dass der Vertrag erst mit der Gegenzeichnung durch die Kläger zustande gekommen ist. Die Widerrufsfrist beginnt jedoch erst einen Tag nach diesem Ereignis zu laufen und nicht wie es die irreführende Formulierung „ aber nicht vor dem Tag des Vertragsschlusses“ nahelegt, mit dem Tag des Vertragsschlusses.

Auf einen Vertrauensschutz nach § 14 Abs. 1 a. F. und das Muster der Anlage 2 (in der hier maßgeblichen Fassung vom 4. März 2008) kann sich die Beklagte nicht berufen, weil in Bezug auf den vorstehend aufgezeigten Belehrungsmangel die verwendete Widerrufsbelehrung von der Musterbelehrung abweicht. Unter Zugrundelegung der Musterbelehrung müsste die Belehrung zum Fristbeginn nämlich wie folgt lauten: „Die Frist beginnt nach Erhalt dieser Belehrung in Textform, jedoch nicht, bevor Ihnen auch eine Vertragsurkunde, Ihr schriftlicher Antrag oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt worden ist“. Zwar hat es der Bundesgerichtshof wiederholt als unschädlich angesehen, wenn der Verwender den in dem Muster fehlerhaft wiedergegebenen Fristbeginn dem Gesetz (§ 187 BGB) angepasst hat (vgl. BGH, Urteil vom 18. März 2014 – II ZR 109/13, WM 2014, 887-889 m.w.N.). Die Widerrufsbelehrung der Beklagten enthält darüber hinausgehend inhaltliche Änderungen der Belehrung nach dem Muster, indem der Fristbeginn nicht nur mit dem Tag nach Zugang der Belehrung angegeben, sondern in der Belehrung mit dem Tag des Vertragsschlusses ein weiteres fristauslösendes Moment aufgezeigt wird. Unterzieht aber der Verwender, wie hier die Beklagte, den Text der Musterbelehrung einer eigenen inhaltlichen Bearbeitung, so kann er sich schon deshalb nicht auf eine mit der unveränderten Übernahme der Musterbelehrung verbundene Schutzwirkung berufen (BGH, Urteil vom 28. Juni 2011 - XI ZR 349/10, ZIP 2011, 1858, juris Rn. 39; Urteil vom 1. März 2012 - III ZR 83/11, NZG 2012, 427, juris Rn. 17).

Das den Klägern zustehende Widerrufsrecht ist vorliegend auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Verwirkung entfallen.

Die Verwirkung der Widerrufsmöglichkeit schließt lediglich eine illoyal verspätete Inanspruchnahme eines Schuldners aus. Unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) setzt sie eine zeitliche Grenze für die Rechtsausübung. Ein Recht ist verwirkt, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist (Zeitmoment) und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment).

Ob im Streitfall das Zeitmoment erfüllt ist, weil die Kläger ihr Widerrufsrecht  bei einem auf 10 Jahre fest abgeschlossenen Darlehensvertrag etwa 5 ½ Jahre nach Vertragsschluss ausgeübt haben, kann im Ergebnis dahingestellt bleiben. Jedenfalls fehlt es an dem zusätzlichen notwendigen Umstandsmoment bezüglich des im Zeitpunkt der Widerrufserklärung noch nicht abgewickelten Darlehensvertrages. Letzteres ist anzunehmen, wenn der Verpflichtete bei objektiver Betrachtung aus dem Verhalten des Berechtigten entnehmen durfte, dass dieser sein Recht nicht mehr geltend machen werde, sich deshalb hierauf eingerichtet hat und die verspätete Geltendmachung daher gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH, Urteil vom 18. Oktober 2004 - II ZR 352/02, WM 2004, 2491 - 2494; vom 11. Oktober 2012 - VII ZR 10/11,NJW 2012, 3569 - 3571; vom 20. Juli 2010 - EnZR 23/09, NJW 2011, 212 - 215; BGH, Urteil vom 29. Januar 2013 - EnZR 16/12, juris Rn. 13). Gerade im vorliegend betroffenen Anwendungsbereich von Verbraucherschutzrechten und damit zusammenhängenden Widerrufsrechten sind strenge Anforderungen zu stellen. Die mit der unterlassenen oder nicht ordnungsgemäßen Widerrufsbelehrung verbundenen Nachteile hat grundsätzlich der Geschäftspartner des Verbrauchers zu tragen. Die bloße Dauer zwischen dem widerrufenen Geschäft und dem Widerruf reicht dafür nicht aus (BGH WM 2004, 2491 – 2494, a,a,O.; vom 2. Juli 2001 - II ZR 304/00, WM 2001, 1464 – 1466, 10 Jahre unbeachtlich)

Dies vorausschickend fehlt es im Streitfall an hinreichenden, das „Umstandsmoment“ begründenden Tatsachen, so dass eine Verwirkung nicht bejaht werden kann. Zum einen kann die Beklagte ein schutzwürdiges Vertrauen hier schon deshalb nicht in Anspruch nehmen, weil sie die Situation selbst herbeigeführt hat, indem sie den Klägern keine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung erteilte (BGH, Urteil vom 7. Mai 2014 – IV ZR 76/11, WM 2014, 1030). Dies muss auch im Fall der „bloß fehlerhaften“ Widerrufsbelehrung gelten, da das Gesetz nur zwischen wirksamer und unwirksamer Belehrung unterscheidet. Auch hätte es die Beklagte jederzeit in der Hand gehabt, durch eine nachträglich erteilte wirksame Belehrung den Lauf der - dann auf einen Monat verlängerten - Frist in Gang zu setzen und den Schwebezustand zu beenden (vgl. § 355 Abs. 2 Satz 2 BGB aF; OLG Frankfurt/M., Urteil vom 25. Oktober 2000 - 9 U 59/00,WM 2002, 545- 549; OLG Brandenburg, Urteil vom 21.August 2013 - 6 U 55/08, juris).

Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass die Kläger nach der Darstellung der Beklagten ausschließlich aus Gründen der Vertragsreue die Rückabwicklung anstreben. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass das Widerrufsrecht selbst dann besteht, wenn feststeht, dass der Widerruf auch bei ordnungsgemäßer Belehrung nicht rechtzeitig ausgesprochen worden wäre, weil andernfalls das mit der gesetzlichen Regelung bezweckte Ziel unterlaufen würde, den Unternehmer zu einer ordnungsgemäßen Belehrung über das Widerrufsrecht anzuhalten (BGH, Urteil vom 13. Januar 1983 - III ZR 30/82, WM 1983, 317 - 318). Zudem kann eine Vertrauensbildung auf Seiten der beklagten Bank nicht von den – ihr auch in der Regel unbekannten – Motiven ihrer Kunden abhängen (OLG Nürnberg, Urteil vom 11. November 2015 – 14 U 2439/14, juris). Hierbei übersieht der Senat nicht, dass grundsätzlich auch die Geltendmachung eines Widerrufsrechts rechtsmissbräuchlich sein kann, wenn die Kläger ein ihnen formal zustehendes Recht nutzen, um damit ein völlig anderes Ziel zu erreichen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2014 – IV ZR 73/13, WM 2014, 1575 1581). Allerdings begründet allein dieser Gesichtspunkt noch nicht das einen Vertrauenstatbestand rechtfertigenden Umstandsmoment. Sinn und Zweck eines Widerrufsrechts liegen grundsätzlich darin, dem Kunden im Nachhinein die Möglichkeit einzuräumen, die Sinnhaftigkeit des von ihm abgeschlossenen Vertrages noch einmal zu überdenken und auf eine voreilige Entschließung überprüfen zu können (BGH, Urteil  vom 28. Mai 2013 – XI ZR 6/12, WM 2013, 1314-1318; OLG Frankfurt, Urteil vom 26. August 2015 – 17 U 202/14, MDR 2015, 1409 – 1411;BT-Drucks. 11/5462, S.21). Anders als in den Fällen, in denen das Darlehen schon jahrelang vollständig abgewickelt war und der Widerruf deswegen schon aus zeitlichen Gründen keine Überrumpelungssituation des Darlehensnehmers beseitigen konnte, kann jedenfalls in den Fällen, in denen die Darlehen – wie hier – noch nicht zurückgezahlt waren , von einer Rechtsmissbräuchlichkeit der Widerrufsausübung nicht ausgegangen werden. Insoweit bleibt es dabei, dass es seinem freien Willen des Darlehensnehmers überlassen bleibt, ob er seine Vertragserklärung wirksam werden lassen will oder nicht (OLG Stuttgart, Urteil vom 6. Oktober 2015 – 6 U 148/14, ZIP 2015, 2211-2217).

2)

Was die Fassung der Klageanträge anbelangt, so bestehen in Bezug auf die Anträge zu 1),2) und 3) i.V.m. 5) insoweit Zulässigkeitsbedenken, als die Formulierung „auf den jeweils noch offenen Darlehensbetrag zwischen dem 29. Januar 2009 und dem 7. August 2014“ keinen vollstreckungsfähigen Inhalt haben dürfte.

3)

Die Parteien erhalten Gelegenheit, zum Hinweisbeschluss des Senats binnen 3 Wochen ab Zugang dieses Beschlusses Stellung zu nehmen.


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