Beschluss vom Oberlandesgericht Düsseldorf - 3 Kart 117/21
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 23. September 2021 (BK6-19-037) wird teilweise als unzulässig verworfen und im Übrigen zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur und der weiteren Beteiligten trägt die Beschwerdeführerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf … Euro festgesetzt.
1
Gründe:
2A.
3Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss der Bundesnetzagentur vom 23. September 2021 (BK6-19-037), mit dem ein auf § 31 EnWG gestützter Antrag abgelehnt wurde.
4Die Beschwerdeführerin ist als Energielieferantin tätig. Die weitere Beteiligte betreibt ein Elektrizitätsverteilernetz mit etwa … angeschlossenen Entnahmestellen und dies im Wesentlichen auf dem Gebiet der Stadt S. Zwischen der Beschwerdeführerin und der weiteren Beteiligten bestand ein Lieferantenrahmenvertrag zur Ausgestaltung der Netznutzung.
5In der zuletzt geltenden Fassung enthielt der vorbezeichnete Lieferantenrahmenvertrag unter anderem die folgenden Bestimmungen:
6§ 11 Vorauszahlung
71. Der Netzbetreiber verlangt in begründeten Fällen vom Netznutzer, für Ansprüche aus diesem Vertrag die Zahlung im Voraus zu entrichten. Die Leistung der Vorauszahlung ist gegenüber dem Netznutzer in Textform zu begründen.
82. Ein begründeter Fall wird insbesondere angenommen, wenn
9…
10b. der Netznutzer zweimal in zwölf Monaten mit einer fälligen Zahlung in Verzug war.
11…
12§ 13 Vertragslaufzeit und Kündigung
13…
145. Beide Vertragspartner können diesen Vertrag fristlos aus wichtigem Grund kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn
15a. gegen wesentliche Bestimmungen dieses Vertrages wiederholt trotz Abmahnung unter Androhung des Entzugs des Netzzugangs schwerwiegend verstoßen wird oder
16b. der Netznutzer seiner Verpflichtung zur Vorauszahlung nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht nachkommt.
17Mit Schreiben vom 29. Januar 2019 erklärte die weitere Beteiligte gegenüber der Beschwerdeführerin, nunmehr eine monatliche Vorauszahlung zu verlangen, wobei für den Fall der Nichtleistung die Vertragskündigung angedroht werde. Die weitere Beteiligte wies dabei darauf hin, dass die Beschwerdeführerin in den letzten 12 Monaten mindestens zweimal mit der Begleichung von Netzentgeltforderungen in Verzug geraten sei.
18Am 7. Februar 2019 beschwerte die Beschwerdeführerin sich bei der Bundesnetzagentur über die weitere Beteiligte „wegen … Nichteinhaltung der Vorgaben zu Pkt. 5.5.2. Zertifikate“ und des als rechtswidrig bezeichneten Versuchs, „die Konsequenzen aus der Nichteinhaltung der Regelungen zum sicheren Austausch von EDIFACT-Übertragungsdateien“ ihr anzulasten. Gleichzeitig teilte die Beschwerdeführerin mit, „ab sofort keine Kommunikation“ mehr durchzuführen.
19Die von der Bundesnetzagentur um Stellungnahme gebetene weitere Beteiligte erklärte am 18. Februar 2019 unter anderem, dass sie entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin ein rechtlich zulässiges Zertifikat verwende. Es sei nicht zu beanstanden, dass das von ihr gebrauchte Zertifikat zur Verschlüsselung und Signatur von E-Mails auf sie als juristische Person ausgestellt, also keine weitere Eintragung einer natürlichen Person im Feld „CN“ erfolgt sei.
20Mit einer E-Mail vom 19. Februar 2019 teilte die weitere Beteiligte - unter gleichzeitiger Ankündigung der Übermittlung einer entsprechenden INVOIC - der Beschwerdeführerin mit, dass sie für den Monat März eine Vorauszahlung für den Bereich Strom in Höhe von 601 Euro verlange. Die Zahlung sei am 5. März 2019 fällig.
21Mit Schreiben vom 11. März 2019 erklärte die weitere Beteiligte die Kündigung des Lieferantenrahmenvertrags zum Folgetag mit der Begründung, dass eine pünktliche und vollständige Zahlung der Vorauskasse unterblieben sei. Taggleich formulierte die Beschwerdeführerin einen „Antrag auf Eröffnung eines Missbrauchsverfahrens … wegen fristloser Kündigung“. Sie behauptete darin unter anderem, dass eine Abforderung der Vorauszahlung per INVOIC nie eingegangen sei.
22Unter dem 16. März 2019 ergänzte die Beschwerdeführerin ihren „Antrag auf Missbrauchsverfahren … auf den Missbrauch der marktbeherrschenden Stellung in der Form, dass Abrechnungen mit Beträgen“ zu ihren Gunsten „nicht korrekt abgerechnet werden sowie selbst die Beträge aus den fehlerhaften Abrechnungen … nicht erstattet werden“. Es gehe um insgesamt geschätzte 4.817,28 Euro, welche die weitere Beteiligte rechtswidrig zurückbehalte.
23Mit einem dort am 20. März 2019 eingegangenen Antrag ersuchte die Beschwerdeführerin das Landgericht S um einstweiligen Rechtsschutz zum Zwecke der Gewährung des Netzzugangs über den 11. März 2019 hinaus. Sie blieb damit in zwei Instanzen erfolglos. Das Oberlandesgericht Naumburg ging in seinem auf die Berufung der Beschwerdeführerin - dort Verfügungsklägerin - ergangenen Urteil vom 30. August 2019 (7 U 44/19) von der Wirksamkeit der Vertragskündigung aus.
24Unter dem 16. Dezember 2019 legte die Beschwerdeführerin beim Senat Untätigkeitsbeschwerde ein. Das dazugehörige Verfahren VI-3 Kart 878/19 (V) endete mit der Beschwerderücknahme in der Verhandlung vom 9. September 2020.
25Unter dem 15. September 2020 beantragte die Beschwerdeführerin die Durchführung eines besonderen Missbrauchsverfahrens gemäß § 31 EnWG. Sie nahm Bezug auf ihr bisheriges Vorbringen und machte geltend, dass die weitere Beteiligte bereits die Vorauszahlung ohne Rechtsgrund gefordert habe, was ihr - der Beschwerdeführerin - aufgrund der damit verbundenen Doppelzahlung von Netzentgelten finanzielle Mittel entzogen und zu einer massiven Einschränkung ihres wirtschaftlichen Handlungsspielraums geführt habe. Dabei sei zu berücksichtigen, dass es gleichzeitig ein zurückbehaltenes Guthaben in Höhe von 4.000 Euro gegeben habe. Sie als Wettbewerberin der Muttergesellschaft der weiteren Beteiligten auszuschalten, sei wohl Ziel gewesen oder zumindest billigend in Kauf genommen worden.
26Die von der Bundesnetzagentur abermals angehörte weitere Beteiligte erläuterte am 14. Oktober 2020 die Richtigkeit der oberlandesgerichtlichen Entscheidung vom 30. August 2019 und erklärte unter anderem, dass es tatsächlich ein Guthaben aus diversen Mehr- und Mindermengen gebe, aber eine Abforderung mittels REMADV zu keinem Zeitpunkt erfolgt sei. Darauf habe sie auch in einem von der Beschwerdeführerin initiierten und anhängigen Verfahren vor dem Landgericht S (8 O 34/20) hingewiesen.
27Mit dem eingangs genannten Beschluss vom 23. September 2021 lehnte die Bundesnetzagentur den Antrag der Beschwerdeführerin ab. In dem - hier insgesamt in Bezug genommenen - Beschluss heißt es auszugsweise:
28Die Parteien streiten über die Rechtmäßigkeit der Anforderung von Vorauszahlungen sowie der anschließenden Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages Strom.
29…
30… Die Kammer hat … bereits Zweifel am Vorliegen der Zulässigkeitsvoraussetzungen … Die Notwendigkeit … eines … Missbrauchsverfahrens … ist ... dort zu hinterfragen, wo die Antragstellerin - wie hier - bereits parallel zivilgerichtliche Hilfe im Eilverfahren in Bezug auf denselben Streitgegenstand in Anspruch genommen hat und eine Entscheidung in zweiter Instanz erfolgt ist. …
31… Der Ausspruch der Kündigung des Lieferantenrahmenvertrages ist unter Zugrundelegung des im Rahmen eines regulierungsbehördlichen Missbrauchsverfahrens anzuwendenden Prüfungsmaßstabes nicht als missbräuchlich anzusehen. …
32…
33Steht die Geltendmachung eines Gestaltungsrechtes im Rahmen eines zivilrechtlichen Vertrages zur näheren Ausgestaltung eines energiewirtschaftlichen Anspruchs (hier: Lieferantenrahmenvertrag zur Ausgestaltung der Netznutzung) in Rede, so kommt es bei der Prüfung auf missbräuchliches Verhalten im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 EnWG nicht darauf an, ob unter Zugrundelegung des vollen zivilrechtlichen Prüfungsmaßstabes die Geltendmachung jenes Gestaltungsrechtes berechtigt war. … Dies würde … die für die Entscheidung zeitkritischer Streitbeilegungsverfahren vorgesehenen Ressourcen zweckwidrig blockieren.
34Im Kontext eines regulierungsbehördlichen Verfahrens ist daher nicht abschließend über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung zu befinden. Streitgegenstand ist vielmehr, ob der Ausspruch der Kündigung gegen die in § 31 EnWG genannten Vorgaben verstößt. Dies ist allenfalls dann zu bejahen, wenn die Voraussetzungen des … Kündigungsgrundes nicht vorliegen und … [der Netzbetreiber] dies erkennen musste; die ausgesprochene Kündigung muss mithin offensichtlich unwirksam und in Schädigungsabsicht ausgesprochen worden sein …
35… Dieser Fall liegt hier nicht vor. …
36…
37… Die von der Antragstellerin gegen die Anforderung der Vorauszahlung erhobenen Einwände greifen … nicht durch.
38…
39… Nach zuletzt unbestritten gebliebenem Vortrag der Antragsgegnerin befand sich die Antragstellerin zum Zeitpunkt der Anforderung der Vorauszahlung mindestens mit der Zahlung der Abschläge April 2018, Juli 2018, November 2018 sowie Dezember 2018 in Verzug. …
40… Die Antragstellerin kann dem auch nicht entgegenhalten, aufgrund eines angeblichen Verstoßes der Antragsgegnerin gegen Vorgaben zur Signierung und Verschlüsselung elektronischer Netznutzungsabrechnungen im INVOIC-Format aufgrund der Nutzung eines auf eine juristische Person ausgestallten Zertifikates zur Zahlungsverweigerung berechtigt gewesen zu sein.
41…
42… Art. 36 eIDAS-VO [räumt] ausdrücklich die Möglichkeit ein, fortgeschrittene elektronische Siegel einzusetzen, die eine eindeutige Zuordnung zum Siegelersteller ermöglichen. Nach Art. 3 Nr. 24 eIDAS-VO handelt es sich bei einem Siegelersteller um eine juristische Person, weshalb eine Bezugnahme auf eine natürliche Person in diesem Fall nicht erforderlich ist.
43…
44… Die Vorauskasse ist auch ordnungsgemäß durch die Antragsgegnerin angefordert worden …
45… weder aus dem Lieferantenrahmenvertrag noch aus der … Festlegung zum Lieferantenwechsel … ergab sich eine Verpflichtung zur Anforderung der Vorauszahlung per INVOIC.
46…
47Schließlich kann aus dem Verhalten der Antragsgegnerin auch kein Rückschluss auf den von der Antragstellerin vorgetragenen Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Stellung nicht korrekter Abrechnung oder durch das Nichtauskehren zu Unrecht gezahlter Beträge gezogen werden.
48…
49Eine missbräuchliche Zugangsverweigerung würde … voraussetzen, dass der Netzbetreiber etwa systematisch zu Überzahlungen oder Doppelzahlungen veranlasst bzw. die dem Netznutzer zustehenden Auszahlungen in Schädigungs- und Verdrängungsabsicht verweigert. ...
50Hiergegen richtet sich die am 19. Oktober 2021 eingelegte und innerhalb verlängerter Frist am 19. Dezember 2021 begründete Beschwerde. Die Beschwerdeführerin meint,
51die Bundesnetzagentur habe in materieller Hinsicht verkannt, dass die angeblich offenen Beträge sehr gering seien und der Rückstand außer Verhältnis stehe zu den mit den verlangten Vorauszahlungen verbundenen Auswirkungen. Letztlich entscheidend sei aber, dass die weitere Beteiligte die Verzögerung verursacht habe, indem sie von unzulässigen Zertifikaten für die Signierung von INVOIC-Rechnungen Gebrauch gemacht habe. Denn die einzuhaltende Zahlungsfrist beruhe auf der systemimmanenten Prämisse, dass die INVOIC-Rechnungen automatisiert geprüft und verarbeitet werden könnten. Wegen der Verwendung unzulässiger Zertifikate habe eine manuelle Prüfung stattfinden müssen. Soweit der Senat in der Vergangenheit zu Unrecht erkannt habe, dass eine rechtlich vorgeschriebene Signatur ohne rechtliche Konsequenzen durch ein einfaches Siegel ersetzt werden könne, dürfe sich dies nicht fortsetzen. Wesentlich Ungleiches dürfe von Gerichten und Behörden nicht gleichbehandelt werden.
52Die Beschwerdeführerin beantragt,
53den Beschluss vom 23. September 2021 (BK6-19-037) aufzuheben und die Bundesnetzagentur zu verpflichten, sie unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
54Die Bundesnetzagentur beantragt,
55die Beschwerde zurückzuweisen.
56Sie nimmt Bezug auf den Beschluss vom 23. September 2021 und weist darauf hin, dass der darin erläuterte Zahlungsverzug im Vorfeld der Vorauszahlungsforderung unstreitig sei. Aufgrund der Festlegung zur Marktkommunikation vom 20. Dezember 2018 habe zumindest seit dem Jahresbeginn 2019 hinreichende Klarheit über die korrekte Verfahrensweise bei der Entgegennahme signierter elektronischer Netznutzungsrechnungen bestanden. Der Ausspruch der außerordentlichen fristlosen Kündigung habe auch keine missbräuchliche Verweigerung des Netzzugangs im Sinne des § 20 EnWG dargestellt. Die Kündigung sei rechtmäßig gewesen. Insbesondere habe keine Verpflichtung zur Anforderung der Vorauskasse mittels EDIFACT/INVOIC-Nachricht bestanden. Soweit die Beschwerdeführerin die Nichtverwendung einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur beanstande, sei die Unbegründetheit dieses Einwands dem Senatsbeschluss vom 23. Juni 2021 aus dem Parallelverfahren VI-3 Kart 880/19 (V) zu entnehmen.
57Die weitere Beteiligte beantragt,
58die Beschwerde zurückzuweisen.
59Sie verteidigt den Beschluss vom 23. September 2021 und weist insbesondere auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Naumburg hin. Das Verfahren nach § 31 EnWG könne nicht dazu dienen, zivilgerichtliche Entscheidungen zu korrigieren. Überdies hat die weitere Beteiligte im Verfahren … vorgetragen, dass der Rechtsstreit vor dem Landgericht S (8 O 34/20) per Prozessvergleich vom 10. Mai 2021 erledigt worden sei. Mit dem Vergleich seien die wechselseitigen Forderungen aufgerechnet worden. Zu früheren Zeitpunkten sei ihr Versuch, eine Verrechnungsvereinbarung zu treffen, noch gescheitert.
60Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die jeweiligen Schriftsätze nebst Anlagen, den beigezogenen Verwaltungsvorgang sowie das Verhandlungsprotokoll vom 22. Juni 2022 Bezug genommen.
61B.
62Die Beschwerde ist nur teilweise zulässig. Soweit sie zulässig ist, erweist sich das Begehren als unbegründet.
63I. Es fehlt an dem Zulässigkeitserfordernis einer Beschwerdebegründung, soweit die Beschwerde einerseits umfassend eingelegt worden ist, andererseits aber zu wesentlichen Inhalten des - ein Tätigwerden insgesamt ablehnenden - Beschlusses vom 23. September 2021 schweigt. Der Begründungsmangel betrifft die im Beschluss enthaltene Prüfung, ob ein „Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch Stellung nicht korrekter Abrechnung oder durch das Nichtauskehren zu Unrecht bezahlter Beträge“ vorliegt. In diesem Umfang ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen (siehe Senatsbeschluss vom 17. Januar 2019 - VI-3 Kart 902/18 (V), juris Rn. 8; Hanebeck in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG 3. Auflage § 78 Rn. 7 [§ 522 Abs. 1 ZPO analog]).
641. Nach § 78 Abs. 3 Satz 1 EnWG ist die Beschwerde zu begründen. Der Mindestinhalt der Beschwerdebegründung wird in § 78 Abs. 4 EnWG umschrieben, wonach es einer Erklärung zum Umfang der Anfechtung sowie der Angabe der Tatsachen und Beweismittel bedarf, auf die sich die Beschwerde stützt. Mit dieser Regelung, die zu weiten Teilen auf die Anfechtungsbeschwerde zugeschnitten ist, aber sinngemäß auch auf andere Beschwerdearten Anwendung findet (Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Auflage § 78 EnWG Rn. 12), ist der Gesetzgeber über die Anforderungen einer verwaltungsprozessualen Klage gemäß § 82 VwGO hinausgegangen, bei der - unter anderem - die Bezeichnung der zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel lediglich Gegenstand einer sogenannten Soll-Vorgabe ist.
65Zwar sind auch mit § 78 Abs. 4 EnWG keine überzogenen Begründungsanforderungen verbunden. So ist eine Beschwerde nach dem EnWG nicht etwa an den Voraussetzungen einer zulässigen zivilprozessualen Berufung zu messen (BeckOK-EnWG/van Rossum, § 78 Rn. 22 [Stand: 1. März 2022]), die insbesondere einen Angriff auf die tragenden Erwägungen des Erstgerichts und die Darlegung erfordert, weshalb diese aus Sicht des Berufungsklägers nicht zutreffen (BGH, Beschluss vom 29. November 2018 - III ZB 19/18, NJW-RR 2019, 180 Rn. 10 m.w.N.). Es bedarf gleichwohl aber eines Mindestmaßes an sachlichen Darlegungen, die die Beschwerde stützen (BeckOK-EnWG/van Rossum aaO Rn. 25; Johanns/Roesen in Säcker, Berliner Kommentar zum Energierecht, 4. Auflage § 78 EnWG Rn. 12; Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 6. Auflage § 66 GWB Rn. 14; ebenso - jedenfalls für die hier eingelegte Verpflichtungsbeschwerde - Boos in Theobald/Kühling, Energierecht § 78 EnWG Rn. 15 in Abgrenzung zu Rn. 18 [Werkstand: 113. Ergänzungslieferung]). Unzureichend ist deshalb die bloße pauschale Bezugnahme auf das Vorbringen im behördlichen Verfahren (Huber in Kment, EnWG 2. Auflage § 78 Rn. 6; vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Januar 2006 - Verg W 12/05, juris Rn. 78).
662. Die Beschwerdebegründung genügt danach den Mindestanforderungen, soweit darin die Verwendung eines angeblich unzulässigen Zertifikats sowie - wenn auch äußerst knapp - vermeintlich rückständige Beträge als Anlass der Kündigung und die Unverhältnismäßigkeit der Auswirkungen der verlangten Vorauszahlung erörtert werden.
67Die weiteren im Beschluss vom 10. März 2021 geprüften Verhaltensweisen bzw. Punkte werden in der Beschwerdebegründung hingegen nicht weiter aufgegriffen. Hinsichtlich dieses Teils des Streitstoffs erschöpft sich die Begründung (dort Seite 4) in einer pauschalen und damit unzureichenden Bezugnahme auf den „gesamten Vortrag in dem … Missbrauchsverfahren“, der zum Vortrag im Beschwerdeverfahren erhoben werden soll. Eine über diese Bezugnahme hinausgehende Beschwerdebegründung ergibt sich auch nicht aus Seite 2 des Begründungsschriftsatzes. Die dort zur Zulässigkeit angestellten Erwägungen betreffen allein die nicht tragenden Ausführungen der Bundesnetzagentur zur Bedeutung des einstweiligen Verfügungsverfahrens, in dem es um den Netzzugang nach Kündigung und deren Wirksamkeit ging.
683. Die Wahrung des Begründungserfordernisses kann auch nicht mit der - für sich genommen zutreffenden - Erwägung gestützt werden, dass § 78 Abs. 4 Nr. 2 EnWG die Festlegung des Streitgegenstands bezweckt (BGH, Beschluss vom 6. November 2012 - EnVR 101/10, juris Rn. 30; wohl nur begrifflich anders Schmidt in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht 6. Auflage § 66 GWB Rn. 14: „Klarstellung des Streitstoffs“) und den Beschwerdeführer nicht daran hindert, sich auf solche Elemente des dem Beschwerdebegehren zugrunde liegenden Sachverhalts zu berufen, auf die er sich erst nach Ablauf der Begründungsfrist des § 78 Abs. 3 Satz 2 EnWG gestützt hat (BGH, Beschluss vom 6. November 2012 aaO Rn. 29). Denn die so lautende Rechtsprechung ist im Zusammenhang mit Verpflichtungsbeschwerden gegen die Bestimmung von Erlösobergrenzen ergangen. Deren Streitgegenstand ist gekennzeichnet durch das Begehren des Beschwerdeführers, die Verwaltungsentscheidung aufzuheben und eine ihm günstigere Entscheidung zu veranlassen, und durch den Sachverhalt, der dem Bescheid zugrunde liegt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. April 2015 - EnVR 16/14, EnWZ 2015, 331 Rn. 17; vom 6. November 2012 aaO Rn. 29; siehe hierzu auch Hanebeck in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG 3. Auflage § 78 Rn. 6). Hingegen zeichnet sich ein Verfahren nach § 31 EnWG gerade dadurch aus, dass wegen eines spezifizierten Verhaltens eines Netzbetreibers eine regulierungsbehördliche Überprüfung und die Ergreifung von Maßnahmen beantragt werden.
69Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 EnWG können Personen oder Personenvereinigungen, deren Interessen durch das Verhalten eines Betreibers von Energieversorgungsnetzen erheblich berührt werden, bei der Regulierungsbehörde einen Antrag auf Überprüfung dieses Verhaltens stellen. Die Regelung beruht auf europarechtlichen Vorgaben (etwa gemäß Art. 37 Abs. 11 RL 2009/72/EG bzw. Art. 60 Abs. 2 RL (EU) 2019/944), die davon ausgehen, dass die Regulierungsbehörde als Streitbeilegungsstelle fungiert (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, juris Rn. 18; Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - VI-3 Kart 37/21 (V), juris Rn. 80). Wortlaut und Zweck erhellen, dass es auf ein konkretes Verhalten des Netzbetreibers ankommt, was folgerichtig in dem bei der Regulierungsbehörde zu stellenden Antrag unter Angabe der im Einzelnen anzuführenden Gründe für die Zweifel an der Rechtmäßigkeit zu umschreiben ist (vgl. § 31 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 EnWG). Diese Verfahrensausgestaltung führt zwar nicht dazu, dass jede einzelne beanstandete Handlung des Netzbetreibers isoliert zu betrachten wäre und einen selbständigen Antragsgegenstand bildete. Vielmehr kann namentlich ein fortgesetztes gleichförmiges Verhalten Ausdruck eines einheitlichen Lebenssachverhalts sein (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 - EnVR 22/17, juris Rn. 23). Knüpft ein auf § 31 EnWG gestützter Antrag aber an mehrere unterschiedliche Verhaltensweisen des Netzbetreibers an, so kann es sich jeweils um abgrenzbare selbständige Teile des Streitstoffs (im Unterschied zu bloßen Elementen eines Streitgegenstands) handeln, selbst wenn die angeblichen Verstöße vom Beschwerdeführer einem gemeinsamen Oberbegriff - etwa der Verpflichtung zur „korrekten Abrechnung“ - zugeordnet werden. Unter solchen Umständen hat sich die Beschwerdebegründung in Anlehnung an die Rechtsprechung zur zivilprozessualen Berufungsbegründung (BGH, Urteil vom 23. Juni 2015 - II ZR 166/14, NJW 2015, 3040 Rn. 11 m.w.N.) auf alle vom Begehren umfassten Teile des Streitstoffs zu erstrecken (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 5. Januar 2006 - Verg W 12/05, juris Rn. 78).
70Danach ist die umfassend eingelegte Beschwerde unzulässig, soweit sie sich nicht näher dazu verhält, dass im Beschluss vom 23. September 2021 geprüft worden ist, ob ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung aufgrund der Erstellung unrichtiger Abrechnungen oder des Nichtauskehrens zu Unrecht gezahlter Beträge festzustellen sei. Denn hierbei handelt es sich um einen Teil des Streitstoffs, der von dem in der Beschwerdebegründung thematisierten Verfahrensgegenstand abgrenzbar und einer selbständigen Beurteilung zugänglich ist.
71Der - völlig vage geäußerte und inhaltlich nicht weiter nachvollziehbare - Vorwurf des Marktmissbrauchs wegen Nichtauszahlung ist auch nicht deshalb ein bloßes Element des in der Beschwerdebegründung thematisierten Kündigungsrechts, weil ein solches Recht im Einzelfall infolge einer Aufrechnung mit Gegenansprüchen entfallen mag. In inhaltlicher Hinsicht ist das besondere Missbrauchsverfahren gemäß § 31 EnWG auf eine Überprüfung beschränkt, ob und inwieweit ein gerügtes Verhalten eines Netzbetreibers mit den Bestimmungen in §§ 17 bis 28a EnWG, den auf dieser Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen sowie den nach § 29 EnWG festgelegten oder genehmigten Bedingungen und Methoden übereinstimmt (vgl. § 31 Abs. 1 Satz 2 EnWG; Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - VI-3 Kart 37/21 (V), juris Rn. 81). So sind etwa die Verpflichtung zur Installation dezentraler Messeinrichtungen (BGH, Beschluss vom 14. April 2015 - EnVR 45/13, juris Rn. 20 ff.), der Anspruch auf Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV (BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, juris Rn. 15 ff.), die Zulässigkeit von Kapazitätsbeschränkungen (BGH, Beschluss vom 1. September 2020 - EnVR 7/19, juris Rn. 14) oder die Weigerung zur Zahlung von sogenannten vermiedenen Netzentgelten nach § 18 Abs. 1 StromNEV (vgl. Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 aaO Rn. 83) als taugliche Verfahrensgegenstände angesehen worden. Ferner hat der Bundesgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass die Bundesnetzagentur sich im Verfahren nach § 31 EnWG auf die Prüfung beschränken könne, ob das beanstandete Verhalten mit den einschlägigen Rechtsvorschriften in Einklang stehe, also nicht etwa gehalten sei, den Antragsgegner zur Erstattung zu Unrecht vereinnahmter Entgelte zu verpflichten (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Oktober 2018 - EnVR 22/17, Rn. 26, juris), und dass ein schuldrechtlicher Auskunftsanspruch (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 18/14, juris Rn. 20) oder ein Schadensersatzanspruch nicht Gegenstand eines Missbrauchsverfahrens sein könnten (vgl. BGH, Beschluss vom 1. September 2020 aaO Rn. 49).
72Diese Begrenzung des Verfahrensgegenstands schließt zwar weder eine Prüfung nicht-energierechtlicher (z.B. zivilrechtlicher) Vorfragen aus (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 10/13, juris Rn. 50) noch wird die Aufsichtsbefugnis der Regulierungsbehörde durch eine gleichzeitige Zuständigkeit der Zivilgerichte eingeschränkt (BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 aaO Rn. 16; Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 aaO Rn. 93 m.w.N.). Das bedeutet aber nicht, dass die Vertragskonformität des Verhaltens der weiteren Beteiligten als solche einer umfassenden - den Zivilprozess ersetzenden - Überprüfung im Sinne des § 31 EnWG unterliegt, nur weil der Inhalt des zwischen ihr und der Beschwerdeführerin abgeschlossenen - später gekündigten - Lieferantenrahmenvertrags durch Festlegungen der Bundesnetzagentur vorgegeben wird (zurückgehend auf den Beschluss vom 16. April 2015 [BK6-13-042], abgeändert etwa durch Beschluss vom 20. Dezember 2017 [BK6-17-168]). Die mögliche, aber nicht immer tunliche (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, juris Rn. 19) Prüfung von nicht-energierechtlichen Bestimmungen betrifft Vorfragen der angeblichen Zuwiderhandlung im Sinne von § 31 EnWG. Das besondere Missbrauchsverfahren dient also nicht umgekehrt dazu, die schuldrechtlichen Auswirkungen von Verstößen gegen die von § 31 EnWG erfassten Bestimmungen umfassend zu klären. Dementsprechend kann aus einer angeblichen schuldrechtlichen Rechtslage auch nicht auf die Einheitlichkeit des Streitgegenstands geschlossen werden.
73Nach dem Vorgesagten hat die Bundesnetzagentur den erstmals am 16. März 2019 unterbreiteten Sachverhalt zu Recht nicht allein als bloße Vorfrage qualifiziert, sondern eigenständig abschlägig beschieden, zumal das Begehren der Beschwerdeführerin im behördlichen Verfahren insoweit ersichtlich auf Antragserweiterung gerichtet war. Dann aber hätte sich auch die Beschwerdebegründung hierauf erstrecken müssen.
74II. Soweit die Beschwerde zulässig ist, hat sie in der Sache keinen Erfolg. Dahinstehen kann, ob sich jedenfalls aus dem (nur) von der weiteren Beteiligten erwähnten Abschluss eines Prozessvergleichs am 10. Mai 2021 der Wegfall der Betroffenheit im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EnWG und die Unbegründetheit der Beschwerde ergeben. Denn das von der (zulässigen) Beschwerde umfasste Begehren war von vornherein unbegründet. Insbesondere hat es die Bundesnetzagentur zu Recht abgelehnt, eine missbräuchliche Kündigung des Lieferantenrahmenvertrags festzustellen.
751. Die Beschwerde zeigt nicht auf, dass die Bundesnetzagentur zu Unrecht von Verzug hinsichtlich der Abschlagszahlungen für den April, Juli, November sowie Dezember 2018 ausgegangen sei. Danach besteht für den Senat keine Veranlassung, die Eingangsvoraussetzungen einer Vorauszahlung nach § 11 Nr. 2 Buchst. b des Lieferantenrahmenvertrags in Zweifel zu ziehen. Denn § 78 Abs. 4 Nr. 2 EnWG ist der Grundsatz zu entnehmen, dass das Gericht nicht gehalten ist, nicht angegriffene Feststellungen der Regulierungsbehörde von Amts wegen zu überprüfen (BGH, Beschluss vom 6. November 2012 - EnVR 101/10, juris Rn. 30).
76Es bestand für die Bundesnetzagentur auch keine Veranlassung, den auf die unstreitige Nichtzahlung der Vorauskasse gestützten Ausspruch der Kündigung mit Blick auf die von der Beschwerdeführerin reklamierten Guthaben als missbräuchlich im Sinne von § 31 EnWG zu bewerten. Die Beschwerdeführerin hat schon nicht geltend gemacht, zu irgendeinem Zeitpunkt gegenüber der weiteren Beteiligten die Aufrechnung erklärt zu haben. Vielmehr sind die von ihr abgeschätzten Beträge offenbar ausschließlich klageweise geltend gemacht worden, wobei gemäß der Darstellung der weiteren Beteiligten die zivilrechtlichen Streitigkeiten inzwischen erledigt worden sind. Abgesehen davon dient das Verfahren nach § 31 EnWG - wie bereits dargelegt - nicht einer den Zivilprozess ersetzenden, umfassenden Überprüfung der Vertragskonformität des Verhaltens der weiteren Beteiligten. Hängt die Wirksamkeit einer Kündigung eines Lieferantenrahmenvertrags von wechselseitigen Zahlungsansprüchen und zivilrechtlich geprägten Vorfragen ab (wie etwa der Reichweite des Aufrechnungsverbots in § 8 Abs. 12 des Lieferantenrahmenvertrags, der zivilrechtlichen Bedeutung einer Nichtabforderung per REMADV oder der Wirkung einer nachträglichen Aufrechnung auf eine bereits erklärte Kündigung, siehe insoweit BGH, Urteil vom 19. September 2018 - VIII ZR 261/17, juris Rn. 45), so ist eine Beurteilung solcher Punkte regelmäßig nicht tunlich (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. Juli 2018 - EnVR 12/17, juris Rn. 19), weil der Schwerpunkt des Streits gerade nicht die von § 31 EnWG erfassten Bestimmungen betrifft. Daher hat der Senat bereits zum Ausdruck gebracht, dass unter solchen Umständen im Verfahren nach § 31 EnWG nicht abschließend über die Rechtmäßigkeit einer Kündigung zu entscheiden, sondern vielmehr maßgeblich sei, ob diese offensichtlich unwirksam bzw. in Schädigungsabsicht ausgesprochen worden sei (vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom 23. Juni 2021 - VI-3 Kart 880/19 (V), S. 12 ff.). Das Vorliegen eben dieser Voraussetzungen hat die Bundesnetzagentur mit Recht verneint.
77Auf die Frage nach der grundsätzlichen Verpflichtung der weiteren Beteiligten zur Anforderung der am 19. Februar 2019 bezifferten Vorauszahlung per INVOIC kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn die Beschwerdeführerin hatte im fraglichen Zeitraum selbst den elektronischen Datenaustausch eingestellt. Soweit die Beschwerdeführerin meint, sie sei hierzu wegen der Verwendung eines unzulässigen Zertifikats berechtigt gewesen, trifft dies nicht zu. Der Senat nimmt Bezug auf seinen - auf eine andere Beschwerde der Beschwerdeführerin ergangenen - Beschluss vom 23. Juni 2021 aus dem Verfahren VI-3 Kart 880/19 (V), in dem es - auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zutreffend - heißt (S. 14 f.):
78„Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin eine mangelnde Fälligkeit aufgrund einer fehlerhaften Zustellung der Rechnungen, weil ein nicht zulässiges Zertifikat bei der Versendung verwendet worden sei. Sie verkennt insoweit, dass zwischen Zertifikaten mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur, die von einer natürlichen Person erstellt werden und einem fortgeschrittenen elektronischen Siegel, dessen Ersteller eine juristische Person ist, zu differenzieren ist. Da es sich bei der weiteren Beteiligten um eine juristische Person handelt, entspricht die unstreitige Verwendung eines fortgeschrittenen elektronischen Siegels den Vorgaben der eIDAS-VO und es ist nicht zu beanstanden, dass die Bundesnetzagentur diesbezüglich kein missbräuchliches Verhalten angenommen hat.
79Gemäß Art. 3 Nr. 9 eIDAS-VO erstellt eine natürliche Person eine elektronische Signatur. Art. 26 lit. a und lit. b) eIDAS-VO schreibt entsprechend vor, dass eine fortgeschrittene elektronische Signatur dem Unterzeichner, mithin einer natürlichen Person, eindeutig zuzuordnen sein und diesen identifizieren muss. Neben dieser elektronischen Signatur für natürliche Personen sieht Art. 36 eIDAS-VO für juristische Personen das fortgeschrittene elektronische Siegel vor. Auch fortgeschrittene elektronische Siegel müssen gemäß Art. 36 lit. a) und lit. b) eIDAS-VO dem Siegelersteller zuzuordnen sein und diesen identifizieren. Der Siegelersteller ist indes gemäß Art. 3 Nr. 24 eIDAS-VO eine juristische Person.
80Im Sinne dieser Vorgaben hat die von der Bundesnetzagentur am 20.12.2018 erlassene Festlegung zur Marktkommunikation 2020 (BK6-18-032) in Tenorziffer 5d ausdrücklich klargestellt, dass das Zertifikat auch dann ordnungsgemäß erstellt ist, wenn es die Anforderungen an ein fortgeschrittenes elektronisches Siegel im Sinne der eIDAS-VO erfüllt. Zwar galt diese Fassung erst ab dem 01.04.2019, die Bundesnetzagentur hat aber in der allgemeinen Begründung der Festlegung ausdrücklich dargelegt, dass „diese Präzisierung lediglich die Wiedergabe des auch bislang Gemeinten darstelle“ (S. 49 des Beschlusses, BK6-18-032). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin galt damit nicht, dass bis zum 31.03.2019 zwingend die Verwendung einer Signatur von der Bundesnetzagentur vorgeschrieben war.
81Dieses Ergebnis steht auch nicht im Widerspruch zu § 126a Abs. 1 BGB. Soweit hiernach der Einsatz einer qualifizierten elektronischen Signatur gefordert wird, greift diese Regelung nur, wenn die elektronische Form eine gesetzlich vorgesehene schriftliche Form gemäß § 126 BGB ersetzen soll. Da Rechnungen nicht der Schriftform des § 126 BGB genügen müssen, greift diese Regelung vorliegend nicht ein.“
822. Soweit die Beschwerdeführerin meint, die Kündigung hätte wegen der geringen Höhe der rückständigen Beträge nicht erklärt werden dürfen („völlig außer Verhältnis“), dringt sie auch hiermit nicht durch. Gerade im Fall eines berechtigten Vorauszahlungsverlangens kann nicht schematisch aus der Höhe des Rückstands auf eine rechtsmissbräuchliche Kündigung geschlossen werden, da schon die Vorauszahlung an Verzug anknüpft. Im Übrigen liefe die von der Beschwerdeführerin vertretene Auffassung auf eine ungerechtfertigte pauschale Privilegierung sogenannter kleiner Energielieferanten hinaus.
83III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 90 Satz 1 EnWG. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Beschwerdeführerin die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur zu tragen hat. Dies gilt angesichts ihres wesentlichen Beitrags zur Verfahrensförderung durch konstruktiven Sachvortrag sowie des kontradiktorischen Charakters des besonderen Missbrauchsverfahrens auch für die Auslagen der weiteren Beteiligten (Senatsbeschluss vom 2. Februar 2022 - VI-3 Kart 37/21 (V), juris Rn. 188).
84IV. Die Rechtsbeschwerde gegen diesen Beschluss - die hinsichtlich der Teilverwerfung nicht etwa kraft Gesetzes analog § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO stattfindet - war nicht zuzulassen. Es fehlt an einem Zulassungsgrund im Sinne des § 86 Abs. 2 EnWG. Insbesondere haben die entscheidungserheblichen Rechtsfragen keine grundsätzliche Bedeutung, weil deren richtige Beantwortung nicht zweifelhaft ist (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 7. Februar 2006 - KVZ 40/05, juris Rn. 2; Senatsbeschluss vom 27. April 2022 - VI-3 Kart 87/21 (V), juris Rn. 81).
85V. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren war gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG, § 3 ZPO auf … Euro festzusetzen. Soweit die weitere Beteiligte darauf verwiesen hat, dass ihr Aufwand hoch gewesen sei, rechtfertigt dies für sich genommen nicht die von der weiteren Beteiligten angeregte Wertfestsetzung auf … Euro. Denn maßgeblich ist im Ausgangspunkt das wirtschaftliche Interesse der Beschwerdeführerin.
86Rechtsmittelbelehrung:
87Gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde ist die Nichtzulassungsbeschwerde gegeben. Diese ist binnen einer Frist von einem Monat schriftlich beim Oberlandesgericht Düsseldorf, Cecilienallee 3, 40474 Düsseldorf einzulegen. Auf die Pflicht zur elektronischen Einreichung durch professionelle Einreicher/innen ab dem 1. Januar 2022 durch das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten vom 10. Oktober 2013, das Gesetz zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 und das Gesetz zum Ausbau des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 5. Oktober 2021 wird hingewiesen. Die elektronische Form wird durch die Einreichung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und auf einem zugelassenen elektronischen Übermittlungsweg gemäß § 4 Abs. 1 der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERRV) oder von ihr selbst auf einem sicheren Übermittlungsweg gemäß § 130a Abs. 4 ZPO, § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht wird. Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und Übermittlungswegen sowie zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der ERRV in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können weitere Informationen über die Rechtsgrundlagen, Bearbeitungsvoraussetzungen und das Verfahren des elektronischen Rechtsverkehrs abgerufen werden. Die Frist beginnt mit der Zustellung dieser Beschwerdeentscheidung. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist durch einen beim Oberlandesgericht Düsseldorf oder beim Bundesgerichtshof einzureichenden Schriftsatz binnen einem Monat zu begründen. Diese Frist beginnt mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden des Rechtsbeschwerdegerichts (Bundesgerichtshof) verlängert werden. Die Begründung muss die Erklärung enthalten, inwieweit die Beschwerdeentscheidung angefochten und ihre Abänderung oder Aufhebung beantragt wird. Die Nichtzulassungsbeschwerdeschrift und -begründung müssen durch einen bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet sein. Für die Regulierungsbehörde besteht kein Anwaltszwang; sie kann sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren durch ein Mitglied der Behörde vertreten lassen (§ 87 Abs. 4 Satz 1, § 80 Satz 2 EnWG).
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- VIII ZR 261/17 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 1x
- 11 RL 2009/72 1x (nicht zugeordnet)
- § 50 Abs. 1 Nr. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 37/21 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 902/18 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 130a Elektronisches Dokument 1x
- 7 U 44/19 1x (nicht zugeordnet)
- 3 Kart 37/21 2x (nicht zugeordnet)
- BGB § 126a Elektronische Form 1x
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