Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 15 W 288/13
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert.
Der Beteiligte zu 3) wird angewiesen, die Angleichungserklärung der Beteiligten zu 1), wonach sie anstelle ihres Vornamens J den Vornamen S wählt, entgegenzunehmen und zu beurkunden.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
1
Gründe
2I.)
3Die Beteiligte zu 1) ist als libanesische Staatsangehörige geboren. Ihre Eltern haben ihr den Vornamen J gegeben, einen männlichen Vornamen. Durch Aushändigung der Einbürgerungsurkunde hat sie mit Wirkung vom 26.02.2013 die deutsche Staats-angehörigkeit erworben.
4Im März 2013 hat sie bei dem Beteiligten zu 3) aufgrund seiner Zuständigkeit nach dem Namensänderungsgesetzes die (öffentlich-rechtliche) Änderung ihres Vornamens in den (weiblichen) Vornamen S beantragt. Der Beteiligte zu 3) hat sie in diesem Verfahren zunächst darauf verwiesen klären zu lassen, ob eine Möglichkeit der zivilrechtlichen Namensanpassung besteht. Daraufhin hat die Beteiligte zu 1) bei dem Standesamt zu 2) vorgesprochen und erklärt ihren Namen gemäß Art. 47 EGBGB durch die Wahl des Namens S „angleichen“ zu wollen. Seitens des Standesamtes ist die „rechtswirksame Entgegennahme“ der Erklärung mit der Begründung abgelehnt worden, dass Art. 47 Abs.1 S.1 Nr. 5, 2. HS EGBGB vor dem Hintergrund des Gesetzeszwecks nur die Wahl eines in Deutschland gebräuchlichen Vornamens zulasse.
5Den hiergegen gerichteten Antrag der Beteiligten zu 1) auf „Namensänderung“ hat das Amtsgericht als Antrag auf Verpflichtung des Standesbeamten zur Entgegennahme der Erklärung ausgelegt und nach Anhörung der Beteiligten zurückgewiesen, wobei es im Wesentlichen der Begründung der Behörde gefolgt ist. Gegen diese Entscheidung hat der Beteiligte zu 3) Beschwerde erhoben.
6II.)
7Die zulässige Beschwerde ist begründet.
8Nicht zu beanstanden ist allerdings, dass das Amtsgericht den erkennbar laienhaft formulierten Antrag als Verpflichtungsantrag ausgelegt hat. Jedenfalls bei einem rechtlich nicht beratenen Beteiligten ist der Antrag im Zweifel so auszulegen, dass sein erkennbares sachliches Begehren nicht bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen scheitern muss. In Betracht kam danach vorliegend nur ein Verpflichtungsantrag nach § 49 Abs.1 PStG.
9Allerdings greift die Auslegung durch das Amtsgericht zu kurz, wenn es -in Anlehnung an die Diktion der Behörde- die Entgegennahme der Erklärung in den Mittelpunkt stellt. Den Zugang einer Erklärung, für deren Entgegennahme sie von Gesetzes wegen zuständig ist, kann eine Behörde nicht durch eine schlichte Weigerung verhindern. Allerdings bedarf die hier in Frage stehende Angleichungserklärung nach Art.47 Abs.4 EGBGB der öffentlichen Beglaubigung oder Beurkundung. Eine solche ist bislang nicht erfolgt. Für die Beglaubigung/Beurkundung ist gemäß § 43 Abs.1 PStG auch der Standesbeamte zuständig. Wenn also die Beteiligte zu 1) ohne Vorlage einer notariell beglaubigten/beurkundeten Erklärung zwecks Abgabe einer Angleichungserklärung bei dem Standesamt vorsprach, so muss ihr Antrag dahin ausgelegt werden, dass sie beantragt, ihre Erklärung zu beurkunden und damit zugleich entgegenzunehmen. Dementsprechend muss der gerichtliche Antrag ausgelegt werden.
10Auch der so verstandene Antrag ist begründet.
11Für die in § 43 Abs.1 PStG vorgesehene Beglaubigung/Beurkundung ist gem. § 43 Abs. 2 PStG das Standesamt zuständig, welches das Geburtsregister für die Person, deren Namen geändert werden soll, führt, hilfsweise das Standesamt, in dessen Zuständigkeitsbereich der Erklärende seinen Wohnsitz hat. Die Entgegennahme der Angleichungserklärung zur Beurkundung/Beglaubigung durch den hiernach zuständigen Beteiligten zu 2) stellt eine Amtshandlung im Sinne des § 49 Abs. 1 PStG dar. Denn auch vorbereitende Maßnahmen bei der Beurkundung des Personenstandes sind solche Amtshandlungen, wenn sie die Beurkundung formbedürftiger Erklärungen betreffen, die
12materiell-rechtliche Voraussetzung für eine beurkundungsbedürftige Personenstands- oder Namensänderung sind (Senat FGPrax 2000, 190ff).
13Der Beteiligte zu 2) ist verpflichtet, die Beurkundung vorzunehmen. Gem. § 2 Abs. 1 S. 1 PStG tritt die Beurkundungsfunktion des Standesbeamten neben diejenige der Notare, § 2 Abs. 1 S. 2 PStG. Es besteht eine Amtspflicht des Standesbeamten zur Beurkundung. Unter welchen Voraussetzungen er die Beurkundung ablehnen kann, ist im Gesetz nicht geregelt. Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass die Ablehnung der Beurkundung durch den Standesbeamten unter vergleichender Heranziehung des § 14 BNotO nur gerechtfertigt erscheint, wenn die gesetzlich vorgesehenen Gestaltungsmöglichkeiten die angestrebten Rechtswirkungen offenkundig nicht zulassen oder die Erklärung nach eigener Überzeugung des Standesbeamten aus anderen Gründen zweifelsfrei unwirksam ist (Senat a.a.O.). Die materiell-rechtliche Wirksamkeit der namensrechtlichen Erklärung ist hiernach erst im Zusammenhang mit der dem Standesbeamten weiter obliegenden Amtshandlung der Registereintragung zu prüfen (Senat a.a.O.)
14Der Beteiligte zu 2) ist hier der Ansicht, dass Art. 47 Abs.1 S.1 Nr. 5, 2. HS EGBGB nur die Wahl eines deutschsprachigen Vornamens zulasse. Insoweit kann von einer offenkundigen Unwirksamkeit oder Unzulässigkeit der beabsichtigten Namenswahl aber schon deshalb keine Rede sein, weil der Wortlaut des Gesetzes eine solche Wahl durchaus zulässt. Da danach keine zweifelsfreie Unwirksamkeit der beabsichtigten Angleichungserklärung gegeben ist und auch sonst keine Gesetzeswidrigkeit ersichtlich ist, besteht nach dem oben Gesagten kein tragfähiger Grund, die Beurkundung der Erklärung abzulehnen.
15Für später notwendig werdende personenstandsrechtliche Folgebeurkundungen muss sich der Senat daher auf den nicht präjudiziellen Hinweis beschränken, dass das Amtsgericht zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass die von der Beteiligten zu 1) gewünschte Angleichungserklärung, wonach sie anstelle ihres bisherigen Vornamens den Vornahmen S wählt, wirksam nicht möglich ist. Art. 47 Abs.1 S. 1 Nr. 5, 2. HS EGBGB, ermöglichen es demjenigen, der zunächst seinen Namen nach ausländischem Recht erworben hat und dessen Namensführung sich nunmehr nach deutschem Recht
16richtet, seinen Vornamen in eingedeutschter Form anzunehmen (1. HS) oder beim Fehlen einer solchen Form des Vornamens einen neuen Vornamen zu wählen (2. HS).
17Die Beteiligte zu 1) erfüllt infolge des durch ihre Einbürgerung eingetretenen Statutenwechsels zunächst die persönlichen Voraussetzungen für eine solche Namenswahl. Unstrittig ist auch, dass es eine deutsche Entsprechung zu dem (männlichen) Vornamen J nicht gibt. Die Auffassung des Amtsgerichts, wonach die Beteiligte zu 1) als neuen Vornamen nur einen solchen wählen könne, der dem deutschen Sprachgebrauch entspricht, da das Gesetz den „Namenswechsel“ nur zur Erleichterung der Integration zulasse, entspricht einer teleologischen Reduktion des deutlich weiter gefassten Wortlauts der Norm (in diesem Sinne auch AG Marburg StAZ 2010, 210). Eine solche teleologische Reduktion wird in Rechtsprechung und Literatur zwar durchgängig für erörterungsbedürftig gehalten, im Ergebnis jedoch ganz überwiegend abgelehnt (OLG Bremen StAZ 2012, 18f; Staudinger/Hepting/Hausmann, BGB, Stand 2013, Art.47 EGBGB Rdn.78; MK-BGB/Birk, 5.Aufl., Art.47 EGBGB Rdn.49; BeckOK-BGB/Mäsch, Stand 2013, Art.47 EGBGB Rdn.16; juris-PK/Janal, 6.Aufl., Art.47 EGBGB Rdn.9).
18Der Senat hält aus den folgenden Gründen die zuletzt genannte Auffassung für richtig. Im Wortlaut der Norm und den Gesetzesmaterialien (BTDrs. 16/1831) findet sich für eine einschränkende Auslegung kein Ansatzpunkt. Der unstrittige Gesetzeszweck, die Integration von zugewanderten Personen zu erleichtern, drängt auch nicht zu einer solchen einschränkenden Auslegung. Denn angesichts der fortschreitenden Übung auch im deutschen Sprachraum, bei der Vornamensvergabe weniger auf Traditionen als vielmehr auf das Klangempfinden, persönliche Vorlieben oder schlicht den letzten Modetrend Rücksicht zu nehmen, kommt es zu einer vermehrten Verwendung auch fremdsprachiger Vornamen. In der Akzeptanz durch die Bevölkerung kann der sprachliche Ursprung eines Vornamens danach aber nicht mehr die Bedeutung haben, die er vor 20 oder 50 Jahren gehabt haben mag. Schließlich führt eine einschränkende Auslegung des Art.47 Abs.1 S.1 Nr.5, 2.HS EGBGB zu schwer handhabbaren Abgrenzungs-schwierigkeiten. Denn wenn der Geltungsgrund für eine teleologische Reduktion die bestmögliche Integration sein soll, so lässt sich auch nur hierüber, und nicht etwa über sprachwissenschaftliche Erhebungen, definieren, was als deutschsprachiger Vorname gelten kann. Eine an objektiven und belastbaren Kriterien ausgerichtete Abgrenzung
19erscheint dann aber mangels empirischer Kenntnisse über die integrative Wirkung bestimmter Namen praktisch als ausgeschlossen.
20Ermöglicht Art.47 Abs.1 S.1 Nr.5 2.HS EGBGB danach auch die Wahl eines neuen fremdsprachigen Vornamens, so findet diese Wahlmöglichkeit ihre Grenzen nur in den allgemein geltenden Grundsätzen des deutschen Namensrechts. Vom Grundsatz her kann danach jeder Vorname gewählt werden, den auch deutsche Eltern ihrem Kind geben könnten. Da dieser Rahmen nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG (zuletzt Beschluss vom 5. 12. 2008 - 1 BvR 576/07 = NJW 2009, 663) sehr weit gesteckt ist, bestehen gegen die Wahl des Vornamens S keine Bedenken.
21Die Festsetzung eines Gegenstandswerts für das Beschwerdeverfahren ist mit Rücksicht auf § 51 Abs.1 S. 2 PStG entbehrlich.
22Eine Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten ist aus tatsächlichen Gründen nicht veranlasst.
23Da der Senat über die für die beteiligten Behörden im Mittelpunkt stehende Rechtsfrage, nämlich die Reichweite des Art. 47 Abs.1 S.1 Nr.5, 2.HS EGBGB, aus den o.a. Gründen nicht mit tragender Bedeutung für die getroffene Entscheidung zu befinden hatte, besteht kein Grund für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 70 Abs. 2 S.1 FamFG).
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