Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 32 SA 13/15
Tenor
Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung des zuständigen Gerichts wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Der Rechtsstreit ist durch das Landgericht Dortmund zur Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vorgelegt worden.
4Die Kläger machen mit der vor dem Landgericht Dortmund erhobenen Klage Schadensersatzansprüche nach dem Erwerb von unternehmerischen Beteiligungen geltend. Der Kläger zu 1) nimmt die Beklagten zu 1) und 3) gesamtschuldnerisch auf Schadensersatz i.H.v. 22.290 € zuzüglich entgangenem Gewinn und Zinsen in Anspruch. Die Kläger zu 1) und 2) nehmen die Beklagte zu 2) jeweils auf Schadensersatz i.H.v. 14.175 € zuzüglich entgangenem Gewinn und Zinsen in Anspruch. Die Kläger zu 1) und 2) nehmen schließlich die Beklagten zu 1) bis 3) gesamtschuldnerisch auf Ersatz vorgerichtlicher Kosten in Anspruch.
5Der Kläger zu 1) erwarb nach seinen Behauptungen nach Beratung durch einen Mitarbeiter der Firma Fa. L GmbH & Co. KG - im Juli 2004 eine Beteiligung an der DS Rendite Fonds Nr. 106 W GmbH & Co. Tankschiff KG, deren Treuhandkommanditistin sowie Prospektherausgeberin die Beklagte zu 1) und deren Gründungskommanditistin die Beklagte zu 3) ist. Die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 3) haben ihren Sitz in Dortmund.
6Der Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) erwarben nach ihren Behauptungen ferner am 30.11.2007 - wiederum nach Beratung durch denselben Mitarbeiter der Fa.L GmbH & Co. KG – jeweils eine Beteiligung an der E mbH & Co. KG MS „X“, deren Treuhänderin nach dem Klägervorbringen die Beklagte zu 2) ist. Die Beklagte zu 2) hat ihren Sitz in Hamburg.
7Die Kläger behaupten, die Beratung sei in beiden Fällen dahin erfolgt, die Beteiligungen stellten sichere und rentable Geldanlagen dar. Provisionszahlungen sowie tatsächlich vorhandene Risiken seien verschwiegen worden. Der Markt für Tanker und Containerschiffe sei fälschlich ausschließlich positiv und wachstumsorientiert dargestellt worden.
8Der Emissionsprospekt der DS Rendite Fonds Nr. 106 W GmbH & Co. Tankschiff KG sei nicht rechtzeitig übergeben worden und in mehreren Punkten grob fehlerhaft und irreführend. Ein Emissionsprospekt der E mbH & Co. KG MS „X“ sei nicht übergeben worden.
9Die Beklagte zu 2) hat die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts Dortmund gerügt.
10Die Kläger beantragen die Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 ZPO. Sie sind der Auffassung, der Klage liege ein einheitlicher Lebenssachverhalt zu Grunde.
11Die Beklagte zu 1) und 3) sind der Ansicht, ein einheitlicher Lebenssachverhalt liege angesichts der zeitlich auseinanderfallenden und inhaltlich unterschiedlichen Beratungsgespräche nicht vor. Mit der behaupteten Beteiligung an der der E mbH & Co. KG MS „X“ hätten sie nichts zu tun.
12II.
131.
14Das Oberlandesgericht Hamm ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Bestimmung der Zuständigkeit berufen, da es das Gericht ist, zu dessen Bezirk das zuerst mit der Sache befasste Landgericht Dortmund gehört.
152.
16Die Voraussetzungen einer Gerichtsstandsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen nicht vor.
17Gem. § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wird das zuständige Gericht bestimmt, wenn mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Gerichtsstand haben, als Streitgenossen im allgemeinen Gerichtsstand verklagt werden und für diese weder ein gemeinsamer allgemeiner noch besonderer Gerichtsstand im Inland besteht.
18Die Vorschrift ist auf alle Formen der passiven Streitgenossenschaft gem. den §§ 59, 60 und 62 ZPO anzuwenden (st. Rspr., z.B. BGH, XARZ 10/91, NJW 1992, 981; Münchener Kommentar zur ZPO/Patzina, 4. Auflage 2013, § 36 ZPO Rn. 22; Zöller/Vollkommer, ZPO, 30. Auflage 2014, § 36 ZPO Rn. 14). Zugrundezulegen ist dabei der Vortrag der Antragsteller-/Klägerseite, aus dem sich schlüssig die Voraussetzungen jedenfalls einer einfachen Streitgenossenschaft ergeben müssen (Zöller/Vollkommer, aaO., § 36 ZPO Rn. 18; MüKo/Patzina, aaO., § 36 ZPO Rn. 23 m.w.N.). Voraussetzung ist damit, dass nach dem Vortrag der Kläger die Beklagen zumindest aus einem im Wesentlichen gleichartigen tatsächlichen und rechtlichen Grund i. S. des § 60 ZPO in Anspruch genommen werden sollen. Dabei ist § 60 ZPO als eine weitgehend auf Zweckmäßigkeitserwägungen und Erwägungen der Prozessökonomie beruhende Vorschrift weit auszulegen. Daher kann, auch ohne Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der geltend zu machenden Ansprüche, Streitgenossenschaft angenommen werden, wenn Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt (st. Rspr., zB BGH, I ARZ 186/90, NJW-RR 1991, 381; BGH, X ARZ 101/11, BeckRS 2011, 12173 Rn. 18). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn mit der gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung ein geringerer prozessualer Aufwand verbunden ist als mit der Durchführung getrennter Prozesse und wenn dadurch einander widersprechende Entscheidungen vermieden werden (st. Rspr., zB. BayObLG, AR 1 Z 12/90, NJW-RR 1990, 742). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
19Die Kläger tragen für eine tatsächliche oder rechtliche Beziehung zwischen den Beklagten zu 1) und 3) einerseits und der Beklagten zu 2) andererseits nichts vor. Verbindende Elemente der durch den Kläger zu 1) gegen die Beklagten zu 1) und 3) einerseits und der durch beide Kläger gegen die Beklagte zu 2) andererseits gerichteten Ansprüche sind nur insoweit erkennbar, als gegen die Beklagten jeweils Schadensersatzansprüche wegen des Erwerbs von Beteiligungen an Fonds bzw. Gesellschaften zum Betrieb von Tankschiffen geltend gemacht werden und dem Erwerb der Beteiligungen jeweils eine behauptet fehlerhafte Beratung der Fa. L GmbH & Co. KG zugrunde gelegt wird. Der Berater, der die Beteiligungen vermittelt hat, ist jedoch nicht Beteiligter des Rechtsstreits. Eine Übereinstimmung besteht damit allenfalls in einer gewissen Übereinstimmung des Geschehensablaufs und des wirtschaftlichen Hintergrunds (Erwerb nach Beratung derselben Firma, Ähnlichkeit des behaupteten Beratungsverlaufs, der Art nach wirtschaftlich ähnliche Beteiligungen).
20Ein Grund, warum die Verbindung der Verfahren gegen die nicht miteinander in Verbindung stehenden Beklagten zu 1) und 3) einerseits und zu 2) andererseits aus prozessökonomischen Überlegungen geboten sein sollte, ist vor diesem Hintergrund nicht erkennbar. Zu beurteilen sind jeweils unterschiedliche Beratungsgespräche und unterschiedliche Anlagen. Die Beklagte zu 2) haftet - unzweifelhaft und nach den zuletzt angekündigten Anträgen auch nach Auffassung der Kläger - nicht neben den Beklagten zu 1) und 3) als Gesamtschuldner. Sie werden auf verschiedene Schäden in Anspruch genommen. Die Verfolgung der Ansprüche, denen unterschiedliche und auch zeitlich weit auseinanderliegende Lebenssachverhalte zugrunde liegen, in einem einheitlichen Rechtsstreit wäre nicht prozessökonomisch, sondern würde im Gegenteil zu der Gefahr von Unübersichtlichkeit führen.
21Aus den genannten Gründen ist auch für eine Streitgenossenschaft aller Beklagten in Bezug auf den Anspruch auf Erstattung der entstandenen vorgerichtlichen Kosten nicht schlüssig vorgetragen. Der insoweit, möglicherweise auch nur versehentlich, aufrechterhaltene Antrag auf gesamtschuldnerische Verurteilung aller Beklagten begründet für sich - in Ermangelung schlüssigen begründenden Vortrags - die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung des Gerichtsstands nicht.
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Referenzen
- ZPO § 36 Gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit 9x
- I ARZ 186/90 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 60 Streitgenossenschaft bei Gleichartigkeit der Ansprüche 3x
- 1 Z 12/90 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 62 Notwendige Streitgenossenschaft 1x
- X ARZ 101/11 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 59 Streitgenossenschaft bei Rechtsgemeinschaft oder Identität des Grundes 1x