Hinweisschreiben vom Oberlandesgericht Hamm - 31 U 192/15
Tenor
Es handelt sich um ein Hinweisschreiben.
1
beabsichtigt der Senat, die Berufung des Klägers gegen das am 10.09.2015 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil sie offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist.
2I.
3Die Parteien streiten im vorliegenden Verfahren über den Bestand zweier Bausparverträge, die der Kläger am 29.11.1989 mit der Beklagten über Bausparsummen von je 20.000,00 DM (= 10.225,84 €) abgeschlossen hatte.
4Gemäß § 6 Abs. 1 ABB wird das Bausparguthaben jährlich mit 2,5 % verzinst. Nach § 11 Abs. 1 ABB wird der Bausparvertrag zugeteilt, wenn seit dem Vertragsabschluss mindestens 18 Monate vergangen sind, eine bestimmte Bewertungszahl erreicht ist und ein Bausparguthaben von mindestens 40 % der Bausparsumme angespart worden ist. Nach § 9 Abs. 1 ABB kann die Bausparkasse den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt.
5Am 31.01.2000 waren die Bausparverträge zuteilungsreif.
6Mit Schreiben vom 12.12.2014 kündigte die Beklagte die Bausparverträge zum 30.06.2015 unter Bezugnahme auf § 489 BGB.
7Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung begehrt, dass die zwischen den Parteien geschlossenen Bausparverträge über den 30.06.2015 hinaus fortbestehen.
8Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
9Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien und der genauen Fassung der erstinstanzlich gestellten Sachanträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils.
10Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.
11Mit dieser Entscheidung ist der Kläger nicht einverstanden. Er ist der Auffassung, der Beklagten stehe kein Kündigungsrecht aus § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB zu. Diese Vorschrift sei auf Bausparverträge nicht anwendbar. Zudem ergebe sich aus der Regelung nicht, dass das Eintreten der Zuteilungsreife gleichbedeutend mit dem vollständigen Empfang der Darlehensvaluta sei. Das Landgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass es ein Wesensmerkmal eines Bausparvertrages sei, dass der Bausparer selber bestimmen könne, zu welchem Zeitpunkt er ein Bauspardarlehen in Anspruch nehmen wolle. Dieser Anspruch könne dem Bausparer bis zum völligen Erreichen der vereinbarten Bausparsumme nicht genommen werden.
12Dass sich das Zinsniveau für die Beklagte negativ entwickelt habe, rechtfertige keine andere Betrachtung. Dieses hätte die Beklagte im Rahmen ihrer ABB berücksichtigen können.
13Schließlich verweist der Kläger darauf, dass der Beklagten gemäß § 9 ABB kein Kündigungsrecht zustehe, soweit der Bausparer seine vertraglichen Pflichten erfülle. Dass er dies nicht getan habe, habe die Beklagte selber nicht behauptet.
14Der Kläger beantragt,
15unter Abänderung des am 10.09.2015 verkündeten Urteils des Landgerichts Münster, Aktenzeichen 14 O 151/15, festzustellen, dass die zwischen den Parteien abgeschlossenen Bausparverträge Nr. ###1 und Nr. ###2 über den 30.06.2015 hinaus fortbestehen.
16.
17II.
18Die Berufung ist offensichtlich unbegründet. Die Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Feststellung zu, dass die zwischen den Parteien abgeschlossenen Bausparverträge Nr. ###1 und Nr. ###2 über den 30.06.2015 hinaus fortbestehen. Denn die Beklagte hat die Verträge mit Schreiben vom 12.12.2014 gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam zum 30.06.2015 gekündigt.
191.
20Das Landgericht hat den Bausparvertrag in der Ansparphase zutreffend als Darlehensvertrag qualifiziert (vgl. auch Palandt-Weidenkaff, BGB, 74. Auflage, Vorb. v. § 488 Rz. 17). Die herrschende Meinung sieht in dem Bausparvertrag einen einheitlichen Darlehensvertrag mit der Besonderheit, dass Bausparkasse und Bausparer mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens ihre jeweiligen Rollen als Darlehensgeber und Darlehensnehmer tauschen (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.10.2011, 9 U 151/11, Juris Rz. 7).
212.
22Diesen Darlehensvertrag hat die Beklagte gemäß § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB wirksam mit Schreiben vom 12.12.2014 zum 30.06.2015 gekündigt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar. Unrichtig ist die Auffassung des Klägers, dass die Laufzeit des Darlehens des Bausparers an die Bausparkasse durch den Zeitpunkt festgelegt sei, an dem sich die jeweilige Rolle der Parteien umkehrt, was erst mit der Inanspruchnahme des Bauspardarlehens der Fall sei. Der Kläger verkennt in diesem Zusammenhang, dass es - wie der vorliegende Sachverhalt zeigt - bei einem Bausparvertrag nicht zwingend zu einer Zuteilung der Bausparsumme kommen muss, weshalb im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gerade nicht feststand, wann die Zuteilung des Bausparvertrages und des Bausparerdarlehens erfolgen würde. Vor diesem Hintergrund ist § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB auf den vorliegenden Sachverhalt anwendbar (vgl. auch OLG Frankfurt, Beschluss vom 02.09.2013, 19 U 106/13 Juris Rz. 6; LG Dortmund, Urteil vom 18.02.2011, 3 O 397/10, Juris Rz. Rz. 37 ff.).
233.
24Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die Regelung in § 9 Abs. 1 ABB der Beklagten. Nach dieser Vorschrift kann die Beklagte den Bausparvertrag nicht kündigen, solange der Bausparer seine vertraglichen Verpflichtungen erfüllt. Nach § 489 Abs. 4 S. 1 BGB kann aber das Kündigungsrecht des Darlehensnehmers nach den Abs. 1 und 2 nicht durch Vertrag ausgeschlossen oder erschwert werden. Ginge man daher davon aus, dass die Regelung in § 9 Abs. 1 ABB der Beklagten auch das Kündigungsrecht aus § 489 BGB ausschließen sollte, wäre diese Allgemeine Geschäftsbedingung kraft Gesetzes unwirksam.
254.
26Der Kläger erhält Gelegenheit, zu den vorstehenden Hinweisen innerhalb einer Frist von 2 Wochen Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob die Berufung durchgeführt oder aus Kostengründen zurückgenommen werden soll. Auf die Gebührenermäßigung bei einer Berufungsrücknahme (Kostenverzeichnis Nummer 1222) wird hingewiesen.
275.
28Der Kläger wird weiter darauf hingewiesen, dass der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Berufungsverfahren auf bis zu 1.200,00 € festzusetzen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur Beschluss des Senats vom 29.07.2015, 31 U 116/15) ist der Streitwert unter Anwendung von § 3 ZPO nach dem wirtschaftlichen Interesse des Klägers an der begehrten Feststellung objektiv zu ermitteln (vgl. Musielak-Heinrich, ZPO, § 3 „Feststellungsklagen“ und Rz. 6 m.w.N.). Bei objektiver Betrachtung besteht das wirtschaftliche Interesse des Klägers daran, weiter eine angesichts des heutigen allgemeinen Zinsniveaus attraktive Guthabenverzinsung von 2,5 % auf das eingezahlte Kapital von 13.525,41 € zu erzielen. Das nach § 3 ZPO eröffnete Ermessen ist unter Berücksichtigung der Regelung des § 9 Satz 1 ZPO dahin auszuüben, dass vorliegend auf den Zinsertrag abzustellen ist, den der Kläger nach dem derzeitigen Stand des Kapitals in 3 1/2 Jahren erzielen würde, wobei dieser Betrag im Hinblick auf die Tatsache, dass der Kläger einen Feststellungsantrag gestellt hat, noch um 20 % zu kürzen ist. Dieser Betrag beläuft sich auf bis zu 1.200,00 €, mehr nicht. Einem etwaigen Interesse des Klägers daran, dass gerade die Beklagte seine Geldanlage weiter verwaltet, ist bei der gebotenen objektiven Betrachtung kein eigenständiger wirtschaftlicher Wert beizumessen.
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Referenzen
- 19 U 106/13 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 ABB 1x (nicht zugeordnet)
- 14 O 151/15 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 489 Ordentliches Kündigungsrecht des Darlehensnehmers 8x
- ZPO § 9 Wiederkehrende Nutzungen oder Leistungen 1x
- 31 U 116/15 1x (nicht zugeordnet)
- § 9 Abs. 1 ABB 3x (nicht zugeordnet)
- 3 O 397/10 1x (nicht zugeordnet)
- § 6 Abs. 1 ABB 1x (nicht zugeordnet)
- Beschluss vom Oberlandesgericht Stuttgart - 9 U 151/11 1x
- ZPO § 522 Zulässigkeitsprüfung; Zurückweisungsbeschluss 1x
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 2x