Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 4 Ws 64/20
Tenor
Die Beschwerde wird auf Kosten des Angeschuldigten (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.
1
Gründe
2I.
3Mit Verfügung vom 18.11.2019 hat die Staatsanwaltschaft Münster gegen die Angeschuldigten Anklage wegen gemeinschaftlichen schweren Raubes in Tateinheit mit gefährlicher Körperveletzung beim Landgericht - Jugendkammer - Münster erhoben und beantragt, die Entnahme von Blutproben gem. §§ 81a, 81e StPO zum Abgleich mit den sichergestellten Spuren anzuordnen.
4Durch Beschluss vom 24.01.2020 hat die Jugendkammer des Landgerichts Münster die körperliche Untersuchung der Angeschuldigten zur Entnahme einer Blutprobe oder zur Durchführung eines anderen körperlichen Eingriffs zur Gewinnung von Körperzellen angeordnet.
5Mit Verfügung vom 28.01.2020 (Bl. 8 d. DNA-Sonderheftes C) hat die Staatsanwaltschaft Münster die Kreispolizeibehörde Borken um Vollstreckung des vorbezeichneten Beschlusses ersucht, die mit Verfügung vom 14.02.2020 (Bl. 10 f. d. DNA-Sonderheftes C) die Akte nach Umsetzung des Beschlusses sowie Übersendung der entnommenen Speichelprobe an das LKA NRW der Staatsanwaltschaft Münster übersandt hat.
6Gegen den Beschluss der Jugendkammer des Landgerichts Münster hat der Angeschuldigte C mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 21.02.2020 Beschwerde eingelegt, welcher das Landgericht Münster unter dem 05.03.2020 nicht abgeholfen hat.
7II.
8Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.
91.
10Der Senat kann dahinstehen lassen, ob hier die Beschwerde nach § 202 S. 2 StPO bereits unstatthaft ist. Die Statthaftigkeit soll – entgegen dem Gesetzeswortlaut – dann gegeben sein, wenn die angeordnete Beweisaufnahme unzulässig ist, insbesondere eine Grundrechtsverletzung – wie hier jedenfalls der Sache nach - geltend gemacht wird (OLG Köln, Beschl. v. 09.03.2004 – 2 Ws 32/04 – juris) oder bei ihr gesetzeswidrig verfahren wurde (vgl. Stuckenberg in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 202 Rdn. 21 m.w.N.). Angesichts dessen bedarf es auch keiner weiteren Prüfung, ob sich das Landgericht gerade im Hinblick auf die zu treffende Eröffnungsentscheidung weitere Sachverhaltsaufklärung verschaffen wollte, was bei einem auf § 202 StPO gestützten Vorgehen erforderlich wäre (Ritscher in: Graf, StPO, 3. Aufl., § 202 Rdn. 3 m.w.N.). Die Formulierungen des angefochtenen Beschlusses lassen nicht erkennen, ob das Landgericht die weitere Sachverhaltsaufklärung gerade zur Prüfung des hinreichenden Tatverdachts (vgl. § 203 StPO) für erforderlich erachtet.
11Zu Recht weist die Generalstaatsanwaltschaft auch darauf hin, dass eine Gegenstandslosigkeit der Beschwerde wegen prozessualer Überholung angesichts der geltend gemachten Grundrechtsverletzung ausscheidet.
12Einer Entscheidung des Senats in der Sache steht ebenfalls nicht entgegen, dass unklar ist, ob der Vermerk des Strafkammervorsitzenden vom 05.03.2020, dass der Beschwerde nicht abgeholfen wird, auf einer Entscheidung der Strafkammer beruht (was erforderlich wäre) oder nur eine Entscheidung des Vorsitzenden allein darstellt (vgl. Cirener in Graf, a.a.O., § 306 Rdn. 12). Das Abhilfeverfahren ist für die Entscheidung des Beschwerdegerichts keine Verfahrensvoraussetzung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 306 Rdn. 10).
132.
14Der angefochtene Beschluss ist zu Recht ergangen.
15a) Entgegen der Auffassung des Angeschuldigten ist die Anordnung, dass „die körperliche Untersuchung der Angeschuldigten zur Entnahme einer Blutprobe oder zur Durchführung eines körperlichen Eingriffs zur Gewinnung von Körperzellen“ angeordnet werde, im Ergebnis noch hinreichend bestimmt.
16Im Rahmen des § 81a StPO dürfen nur genau angegebene und hinreichend bestimmt bezeichnete körperliche Eingriffe für zulässig erklärt werden, da der anordnende Richter und nicht der Sachverständige im Einzelfall zu prüfen hat, ob von einem Eingriff ein Nachteil für die Gesundheit des Beschwerdeführers zu besorgen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 30.08.2011 – III – 4 Ws 488/11 – juris m.w.N.). Dem Angeschuldigten ist zuzugeben, dass vor diesem Hintergrund die allgemeine Formulierung „zur Durchführung eines körperlichen Eingriffs zur Gewinnung von Körperzellen“ Anlass zu Zweifeln gibt, da diese Formulierung Eingriffe umfasst, die von einer bloßen Speichelentnahme oder Abstrichen bis hin etwa zum Herausschneiden von Haut o.ä. reichen können. Allerdings ergibt der Gesamtzusammenhang des Beschlusstenors und der Beschlussgründe, dass es bei dem hier in Frage stehenden körperlichen Eingriff von vornherein nur um eine Speichelprobenentnahme gehen kann. Das zeigt sich daran, dass der körperliche Eingriff nach dem Beschlusstenor durch die freiwillige Abgabe einer Speichelprobe abgewendet werden kann, diese also für den Zweck der Sachverhaltsaufklärung ausreichend ist, und daran, dass das Landgericht bei seiner Verhältnismäßigkeitsbetrachtung von einer relativen Geringfügigkeit des Eingriffs ausgeht, was gerade bei Entnahme einer Speichelprobe auch zutrifft. Rein ergänzend sei angemerkt, dass die Staatsanwaltschaft den Beschluss auch zwangslos in diesem Sinne verstanden hat, wenn sie in der Verfügung vom 28.01.2020 (Bl. 8 DNA-Sonderheft) die Kreispolizeibehörde zur Vollstreckung des Beschlusses mit dem Zusatz „Blutprobenentnahme bzw. Speichelprobenentnahme“ auffordert. Letztlich ist es auch nur zu einer Speichelprobenentnahme gekommen.
17b) Auch die weiteren Voraussetzungen der §§ 81a, 81e StPO liegen vor. Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Beschluss verwiesen werden. Die Vorgaben des § 81f StPO – soweit sie in der Verantwortung des Gerichts liegen (etwa Bestellung eines den Anforderungen des § 81f Abs. 2 S. 1 StPO genügenden Sachverständigen) - sind ebenfalls eingehalten.
18c) Abschließend weist der Senat darauf hin, dass der angefochtene Beschluss – entgegen des Antrages der Staatsanwaltschaft – nicht auch nach § 81g StPO ergangen ist.
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Referenzen
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- StPO § 81e Molekulargenetische Untersuchung 2x
- StPO § 202 Anordnung ergänzender Beweiserhebungen 2x
- StPO § 203 Eröffnungsbeschluss 1x
- StPO § 81f Verfahren bei der molekulargenetischen Untersuchung 2x
- StPO § 81g DNA-Identitätsfeststellung 1x
- StPO § 473 Kosten bei zurückgenommenem oder erfolglosem Rechtsmittel; Kosten der Wiedereinsetzung 1x
- 2 Ws 32/04 1x (nicht zugeordnet)
- 4 Ws 488/11 1x (nicht zugeordnet)