Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 7 UF 64/20
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 17.3.2020 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Marsberg im Ausspruch zum Versorgungsausgleich (Ziff. 2) teilweise - unter klarstellender Aufrechterhaltung im Übrigen - abgeändert.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B AG (Versicherungsnummer 01) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 2.046,74 € nach Maßgabe des Tarifs W und der Teilungsordnung in der Fassung vom 01.06.2018, bezogen auf den 30.11.2018, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B AG (Versicherungsnummer 02) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 3.132,89 € nach Maßgabe des Tarifs W und der Teilungsordnung in der Fassung vom 01.06.2018, bezogen auf den 30.11.2018, übertragen.
Im Wege der internen Teilung wird zu Lasten des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B AG (Versicherungsnummer 03) zugunsten des Antragstellers ein Anrecht in Höhe von 2.8846,98 € nach Maßgabe des Tarifs W und der Teilungsordnung in der Fassung vom 01.06.2018, bezogen auf den 30.11.2018, übertragen.
Gerichtskosten werden für das Beschwerdeverfahren nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.850,00 € festgesetzt.
Der Wert für das Verfahren erster Instanz betreffend den Versorgungsausgleich wird abändernd auf 15.600,00 € festgesetzt.
1
Gründe:
2I.
3Die beteiligten vormaligen Ehegatten schlossen am 00.00.1996 die Ehe. Der Scheidungsantrag ist der Antragsgegnerin am 6.12.2018 zugestellt worden.
4Die Antragsgegnerin ist Ingenieurin und seit dem 00.00.2003 bei der Firma L GmbH & Co. KG in M angestellt. Während der Ehezeit erwarb sie u.a. drei Anrechte aus einer betriebliche Altersversorgung bei der B AG. In den Auskünften vom 21.1.2019 hat der Versorgungsträger den Ehezeitanteil dieser Anrechte wie folgt beziffert:
5Versicherungsnummer 01 |
4.220,08 € |
Versicherungsnummer 02 |
6.459,56 € |
Versicherungsnummer 03 |
5.870,05 € |
Als Ausgleichswert nach Abzug der Kosten für die interne Teilung hat der Versorgungsträger vorgeschlagen:
7Versicherungsnummer 01 |
2.046,74 € |
Versicherungsnummer 02 |
3.132,89 € |
Versicherungsnummer 03 |
2.846,98 € |
Die Teilungskosten belaufen sich insgesamt auf 496,48 € und sind von den beteiligten vormaligen Ehegatten hälftig zu tragen.
9Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Amtsgericht die Ehe geschieden und den Versorgungsausgleich geregelt. Dabei hat es angeordnet, dass ein Ausgleich des Anrechts der Antragsgegnerin bei der B AG mit der Versicherungsnummer 01 nicht stattfindet. Zur Begründung ist insoweit ausgeführt, der Kapitalwert von 2.046,74 € überschreite nicht den Grenzwert des § 18 Abs. 3 VersAusglG von 3.654,00 €, weswegen der Ausgleich nach § 18 Abs. 2 VersAusglG auszuschließen sei. Eine Regelung zu den beiden weiteren Anrechten aus der betrieblichen Altersversorgung bei der B AG enthält die Entscheidung nicht.
10Dies rügt der Antragsteller mit seiner Beschwerde und macht geltend: Da die Ausgleichswerte der drei Anrechte zusammengerechnet die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreiten würden und es sich um einzelne, gleichartige Bausteine der betrieblichen Altersversorgung handele, seien die Anwartschaften auszugleichen.
11Die weiteren Beteiligten haben zu der Beschwerde nicht Stellung genommen.
12II.
13Die zulässige Beschwerde des Antragstellers ist in der Sache begründet. Die Entscheidung des Amtsgerichts hat - offensichtlich versehentlich - keine Regelung des Ausgleichs der weiteren bei der B AG bestehenden Anrechte der Antragsgegnerin vorgenommen. In der Sache teilt der Senat die Auffassung des Antragstellers, dass ein Ausgleich aller drei Anrechte geboten ist, obwohl der Ausgleichswert jedes einzelnen Anrechts, jeweils für sich betrachtet, nicht die Geringfügigkeitsgrenze des § 18 Abs. 3 VersAusglG überschreitet.
141. Zu Recht ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Anrecht mit der Versicherungsnummer 01 um ein solches mit einem geringen Ausgleichswert im Sinne des § 18 Abs. 2 VersAusglG handelt. Maßgeblich ist insoweit allerdings der Ausgleichswert vor Abzug der hälftigen Teilungskosten, der sich vorliegend auf 2.110,04 € beläuft. Dieser Kapitalwert unterschreitet offensichtlich die Bagatellgrenze des § 18 Abs. 3 VersAuslG, die zum Ehezeitende am 30.11.2018 auf 3.654,00 € belief. Gleiches gilt für die beiden weiteren Anrechte, deren Ausgleichswerte sich auf 3.229,78 € bzw. 2.935,03 € belaufen.
152. Nach § 18 Abs. 2 VersAusglG soll das Familiengericht einzelne Anrechte mit einem geringen Ausgleichswert nicht ausgleichen, wobei die Vorschrift dem Gericht einen Ermessensspielraum eröffnet. Welche Kriterien bei der Ermessensausübung im Einzelnen zu berücksichtigen sind, lässt das Gesetz offen. Gesetzesziel ist vornehmlich die Vermeidung eines unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwands für den Versorgungsträger, der mit der Teilung eines Anrechts und der Aufnahme eines Anwärters in das Versorgungssystem verbunden sein kann. Es sind aus diesem Grunde in erster Linie die Belange der Verwaltungseffizienz auf Seiten der Versorgungsträger gegen das Interesse des ausgleichsberechtigten Ehegatten an der Erlangung auch geringfügiger Anrechte abzuwägen (BGH, FamRZ 2015, 2125 Rn. 24). Daneben soll § 18 Abs. 2 VersAusglG auch die Entstehung sogenannter Splitterversorgungen vermeiden, in denen der geringe Vorteil für den ausgleichsberechtigten Ehegatten in keinem Verhältnis zu dem ausgleichsbedingten Verwaltungsaufwand steht (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 21, 32; FamRZ 2015, 2125 Rn. 24). Andererseits ist der Halbteilungsgrundsatz nach wie vor Maßstab des Versorgungsausgleichsrechts. Der Ausschluss eines Ausgleichs von Bagatellanrechten zum Zwecke der Verwaltungsvereinfachung findet seine Grenze daher in einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des Halbteilungsgrundsatzes. Eine solche Beeinträchtigung liegt dann vor, wenn ein Anrecht mit geringem Ausgleichswert unter Anwendung des § 18 Abs. 2 VersAusglG nicht ausgeglichen wird, obwohl sich der Verwaltungsaufwand nicht als unverhältnismäßig darstellt oder sonstige mit dieser Vorschrift verfolgte Zwecke nicht oder nur in Ansätzen erreicht werden. Neben dem Halbteilungsgrundsatz sind bei der Ermessensentscheidung nach den Vorgaben des Gesetzgebers aber auch die konkreten persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute einschließlich ihrer Versorgungssituation zu berücksichtigen. Im Rahmen der Abwägung spricht deshalb unter anderem für einen Ausgleich, dass der Ausgleichsberechtigte dringend auch auf Bagatellbeträge angewiesen ist oder dass ein Ehegatte über viele kleine Ausgleichswerte verfügt, die in der Summe einen erheblichen Wert darstellen, während der andere Ehegatte nur vergleichsweise geringe Anrechte erworben hat (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 22 f.; FamRZ 2015, 2125 Rn. 25). Insbesondere dann, wenn ein Ehegatte aufgrund einer einheitlichen Versorgungszusage mehrere geringfügige Teile oder Bausteine eines Anrechts der betrieblichen Altersversorgung erworben hat, kann es im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 18 Abs. 2 VersAusglG geboten sein, eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen und den Gesamtwert der Versorgungsteile oder Bausteine in die Abwägung einzubeziehen. Denn der ausgleichspflichtige Arbeitnehmer wird in der Regel von der Vorstellung geleitet sein, bei seinem Arbeitgeber eine einheitliche Altersversorgung zu betreiben, die ihm im Versorgungsfall einen zusätzlichen Rentenbetrag sichert. Dass sich dieser Rentenbetrag aus Anteilen zusammensetzt, die in der Ansparphase auf verschiedene Art erworben werden, ändert daran nichts (BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 28; FamRZ 2015, 2125 Rn. 25).
163. Ausgehend von diesen Grundsätzen ist es vorliegend gerechtfertigt, die interne Teilung der vorgenannten drei Anrechte aus der betrieblichen Altersversorgung der Antragsgegnerin anzuordnen.
17Im Rahmen einer internen Teilung entsteht dem Versorgungsträger zwar ein höherer Verwaltungsaufwand als bei der externen Teilung, weil für den Ausgleichsberechtigten ein zusätzliches Konto eingerichtet und geführt werden muss. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass der Versorgungsträger gemäߠ§ 13 VersAusglG die durch eine interne Teilung entstehenden höheren Kosten mit den Anrechten beider Ehegatten verrechnen kann, soweit sie angemessen sind. Angesichts dieser Möglichkeit zur Kompensation verlieren die zusätzlichen Verwaltungskosten als Belang des Versorgungsträgers an Bedeutung. Stattdessen ist im Rahmen der Ermessensentscheidung zu berücksichtigen, ob der Halbteilungsgrundsatz aus Sicht der geschiedenen Ehegatten auch unter Berücksichtigung der dadurch verursachten Teilungskosten einen Ausgleich des einzelnen Bausteins verlangt.
18Bei wirtschaftlicher Betrachtung stellen die drei Anrechte Einzelbausteine der betrieblichen Altersversorgung der Antragsgegnerin dar. Die Gründe, warum diese auf mehrere einzelne Rentenversicherungsverträge aufgeteilt ist, sind nicht mitgeteilt. Es kann jedenfalls nicht einseitig in der Hand des Versorgungsträgers liegen, einen Versorgungsausgleich dadurch zu verhindern, dass er die Einzelbausteine möglichst gering hält, so dass diese nicht die Bagatellgrenze überschreiten (vgl. BGH, FamRZ 2012, 610 Rn. 29). Die addierten Ausgleichswerte dieser drei Einzelbausteine überschreiten mit 8.026,61 € die Bagatellgrenze von 3.654,00 € deutlich.
19Die durch die interne Teilung verursachten Teilungskosten betragen rund 3% des Gesamtkapitalwertes der drei Anrechte und sind nicht geeignet, die Anrechte zu entwerten und hierdurch eine Unwirtschaftlichkeit des Ausgleichs zu begründen.
20Schließlich ist zu berücksichtigen, dass auch der Antragsteller während der Ehezeit eine zusätzliche Altersversorgung erworben hat in Form einer Zusatzversorgung des öffentlichen Dienstes bei der X. Diese hat das Amtsgericht im Rahmen des Versorgungsausgleichs ausgeglichen. Der Kapitalwert des Ausgleichswertes beträgt 7.939,41 € und entspricht in der Höhe damit annähernd dem Gesamtausgleichswert der von der Antragsgegnerin erworbenen Anwartschaften aus der betrieblichen Altersversorgung. Es wäre unbillig, wenn einerseits die Antragsgegnerin im Rahmen des Versorgungsausgleichs an der Zusatzversorgung des Antragstellers teilhaben würde, ihr dabei ihre eigene zusätzliche betriebliche Altersversorgung ungeschmälert verbleiben würde.
21III.
22Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 81 FamFG, 20 FamGKG, die Wertfestsetzung für die Beschwerdeinstanz auf § 50 FamGKG.
23Die Wertfestsetzung für das Verfahren erster Instanz ist gem. § 50 Abs. 3 FamGKG von Amts wegen abzuändern. Das Amtsgericht hat den Wert gem. § 50 Abs. 1 S. 1 FamGKG auf 11.700,00 € festgesetzt und ist hierbei ersichtlich von sechs Anrechten ausgegangen. Tatsächlich war jedoch über acht Anrechte zu entschieden, so dass der Wert auf (8 x 1.950,00 € =) 15.600,00 € festzusetzen ist.
24Rechtsbehelfsbelehrung:
25Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Referenzen
- §§ 81 FamFG, 20 FamGKG 1x (nicht zugeordnet)
- FamGKG § 20 Nichterhebung von Kosten 1x
- § 18 Abs. 3 VersAuslG 1x (nicht zugeordnet)
- VersAusglG § 18 Geringfügigkeit 5x
- FamGKG § 50 Versorgungsausgleichssachen 3x