Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 5 RBs 107/21
Tenor
Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Nebenbeteiligten mit Bußgeldbescheid der Bezirksregierung Arnsberg vom 18.11.2019 die unterlassene Vornahme der Zwischenprüfung einer Aufzugsanlage vorgeworfen wird.
Als Liste der angewendeten Vorschriften wird dem angefochtenen Urteil hinzugefügt:
§§ 16 Abs. 1, 22 Abs. 2 Nr. 7 BetrSichV i.V.m. Anhang II Abschnitt 2 Nr. 4.1, § 39 Abs. 1 Nr. 7a ProdSG, §§ 9 Abs. 1 Nr. 1, 20, 30 Abs. 4 OWiG
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Arnsberg zurückverwiesen.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
1
Gründe:
2I.
3Mit Bußgeldbescheid vom 28.06.2019 setzte die Bezirksregierung Arnsberg zunächst gegen den Geschäftsführer der Nebenbeteiligten, Herr C. H., wegen fahrlässiger nicht rechtzeitiger Zwischenprüfung einer Aufzugsanlage ein Bußgeld in Höhe von 1.700 € sowie wegen fahrlässiger nicht rechtzeitiger Zwischenprüfung einer Aufzugsanlage ein Bußgeld 3.400 € fest. Nachdem dieser sich im Einspruchsverfahren dahingehend eingelassen hatte, dass der verstorbene weitere Geschäftsführer Herr X. H. für die Aufzugsanlage zuständig gewesen sei, stellte die Bezirksregierung Arnsberg mit Verfügung vom 04.11.2019 das Verfahren gegen beide Geschäftsführer ein und leitete ein selbständiges Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG gegen die Nebenbeteiligte ein. Mit Bußgeldbescheid vom 18.11.2019 legte sie sodann der Nebenbeteiligten, welche im weiteren Verfahrensgang stets als Betroffene bezeichnet wurde, zur Last, dass diese die von ihr betriebene Aufzugsanlage seit der Inbetriebnahme der Anlage im Jahr 2008 bis Oktober 2017 bzw. 2018 keiner Zwischen- und Hauptprüfung unterzogen habe. Zugleich setzte sie wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 BetrSichV eine (Verbands-) Gesamtgeldbuße in Höhe von 2.000 € fest.
4Auf den fristgerechten Einspruch verurteilte das Amtsgericht Arnsberg die Nebenbeteiligte am 13.11.2020 wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 BetrSichV und setzte eine Geldbuße in Höhe von 2.000 € fest. Zur Begründung führte das Amtsgericht insbesondere aus, dass die Nebenbeteiligte die Aufzugsanlage zwar seit der Inbetriebnahme im Jahr 2008 zweimal jährlich habe warten lassen und zudem eine Sicherheitsfachkraft nach § 5 ASiG bestellt habe. Der verstorbene Geschäftsführer X. H. habe indes mangels Kenntnis von der Überprüfungspflicht nicht sichergestellt, dass die wiederkehrenden Haupt- und Zwischenprüfungsfristen durchgeführt werden. Hierdurch habe er gegen die Aufsichtspflicht nach § 130 OWiG verstoßen.
5Gegen dieses Urteil wendet sich die Nebenbeteiligte mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit welcher sie die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt. Insbesondere beanstandet sie die unterlassene Übersendung des Hauptverhandlungsprotokolls und die fehlerhafte Würdigung der Aufsichtspflichtverletzung. Durch den Wartungsvertrag und die Bestellung der Sicherheitsfachkraft sei ihr verstorbener Geschäftsführer der Aufsichtspflicht nachgekommen. Dieser habe darauf vertrauen dürfen, dass er auf die erforderliche Zwischenprüfung und Hauptprüfung aufmerksam gemacht werde.
6Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Urteil unter Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde im Rechtsfolgenausspruch mit den dazugehörigen Feststellungen aufzuheben und die Sache insofern zurückzuverweisen.
7II.
8Die Rechtsbeschwerde war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen und die Sache auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen (§ 80a Abs. 3 S. 1 OWiG). Die im Zusammenhang mit der Verletzung von § 16 Abs. 1 BetrSichV stehenden Rechtsfragen, insbesondere die Verfolgungsverjährung der Zwischenprüfung, sind - soweit ersichtlich - noch nicht höchstrichterlich entschieden und erscheinen klärungsbedürftig.
9III.
10Die gem. § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist im tenorierten Umfang begründet.
111)
12Der Bußgeldbescheid stellt trotz formeller Mängel eine (noch) hinreichende Verfahrensgrundlage dar.
13Im Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG hat die Bußgeldbehörde gem. § 88 Abs. 2 S. 1 OWiG einen selbständigen Bußgeldbescheid zu erlassen, der als solcher den Anforderungen des § 66 Abs. 1 OWiG zu genügen hat (Beck, in: Beck´scherOK, Stand: 01.04.2021, § 88 OWiG Rn. 31). Dies ist vorliegend gleich in mehrerer Hinsicht nicht der Fall. Die einzelnen Fehler begründen indes kein Verfahrenshindernis.
14a)
15Unschädlich ist zunächst, dass die Nebenbeteiligte im behördlichen Verfahren – wie im Übrigen auch später im gerichtlichen Verfahren – durchgehend als Betroffene bezeichnet wird. Zwar kann eine juristische Person eine Ordnungswidrigkeit nicht selbst begehen, sondern ihr wird lediglich das Handeln ihrer Organe zugerechnet (OLG Stuttgart, Beschluss vom 01.02.1993 – 4 Ss 573/92 –, Rn. 7, juris; LG Berlin, Beschluss vom 18.02.2021 – (526 OWi LG) 212 Js-OWi 1/20 (1/20) –, Rn. 11, juris). Bei der juristischen Person handelt es sich daher auch im selbständigen Verfahren nach § 30 Abs. 4 OWiG nur um eine Nebenbeteiligte bzw. Nebenbetroffene (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 07.01.2013 – 1 SsBs 131/12 –, Rn. 5, juris), die als solche zu bezeichnen ist (vgl. Meyberg, in: Beck´scherOK, Stand: 01.04.2021, § 30 OWiG Rn. 129). Der Begründung des Bußgeldbescheides ist aber aus Sicht eines verständigen Adressaten hinreichend zu entnehmen, dass die Nebenbeteiligte belangt wird, weil ihr das Verhalten des verstorbenen X. H. zugerechnet werden soll. Da die Rechtsstellung der Nebenbeteiligten im Verfahren daher keinem Zweifel unterliegt, wiegt der Mangel nicht so schwer, dass er die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides beeinträchtigen könnte.
16b)
17Des Weiteren hat der Bußgeldbescheid gemäß § 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG u.a. die Bezeichnung der zur Last gelegten Tat sowie Zeit und Ort ihrer Begehung zu enthalten. Da bei der Verhängung einer Verbandsgeldbuße nicht der Nebenbeteiligte selbst, sondern eine natürliche Person aus dem Täterkreis des § 30 Abs. 1 Nrn. 1 bis 5 OWiG die Tat begangen haben soll, zählt zu dem im Bußgeldbescheid konkret zu schildernden Lebenssachverhalt die Angabe, welche natürliche Person in welcher Funktion welche Handlung oder Unterlassung (wann und wo) begangen haben soll (vgl. OLG Stuttgart MDR 1993, 572; OLG Hamm NJW 1973, 1851).
18Diesen Anforderungen wird der Bußgeldbescheid gleich in zweifacher Weise nicht gerecht. So werden die Funktion der handelnden Person sowie die Tatzeit nicht bzw. nicht präzise benannt. Weder wird konkretisiert, welche Stellung der verstorbene X. H. im Unternehmen der Nebenbeteiligten besaß, noch wird präzise dargestellt, ab welchem Zeitpunkt die Zwischen- und Hauptprüfung der Aufzugsanlage vorzunehmen gewesen sein soll. Unter Verweis auf die Verjährungsvorschrift des § 31 OWiG wird vielmehr angegeben, dass „nur die Versäumnisse der letzten 24 Monate geahndet“ werden sollen.
19Auch diese formellen Fehler des Bußgeldbescheides führen nicht zu dessen Unwirksamkeit.
20aa)
21Zum einen war für die Nebenbeteiligte ohne weiteres ersichtlich, dass es sich bei dem verstorbenen X. H. um ihren ehemaligen Geschäftsführer handelte. Zudem beeinträchtigt die unzureichende Benennung der handelnden Person lediglich die Informations- und nicht die für die Wirksamkeit des Bußgeldbescheides maßgebliche Umgrenzungsfunktion des Bußgeldbescheides (ganz hM OLG Hamburg, Beschluss vom 15.04.1998 – II - 35/98 - 3 Ss 7/98 OWi –, Rn. 21, juris; OLG Köln DB 1972, 1717; Seitz/Bauer, in: Göhler, 18. Aufl. 2021, § 66 OWiG Rn. 47; Göhler NStZ 1994, 72; aA soweit ersichtlich nur OLG Stuttgart MDR 1993, 572).
22bb)
23Zum anderen beurteilt die Bußgeldbehörde beim Versuch, den Tatzeitraum einzugrenzen, die verjährungsrechtliche Fragestellung – wie noch auszuführen sein wird – zwar rechtlich fehlerhaft. Aus den weiteren Angaben des Bußgeldbescheides geht aber (noch) hinreichend klar als Tatvorwurf hervor, dass an der im Jahr 2008 in Betrieb genommenen Aufzugsanlage spätestens im Oktober 2017 eine Zwischenprüfung und spätestens im Oktober 2018 eine Hauptprüfung hätten vorgenommen werden müssen und dies unterblieben ist.
24Auch die unzutreffende rechtliche Bewertung der Verjährungsfrage rechtfertigt kein anderes Ergebnis. Fehlerhafte rechtliche Bewertungen betreffen ebenfalls ausschließlich die Informationsfunktion und lösen lediglich nach Maßgabe von § 71 Abs. 1 OWiG iVm § 265 StPO Hinweispflichten des Gerichts aus (Sackreuther, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 66 OWiG Rn. 34; OLG Bamberg NZV 2007, 638; OLG Koblenz NJW 1975, 2306; vgl. Seitz/Bauer, in: Göhler, a.a.O., § 71 OWiG Rn. 50; Kurz, in: Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 66 OWiG Rn. 43).
25c)
26Schließlich steht der Tauglichkeit des Bußgeldbescheides als Verfahrensgrundlage nicht entgegen, dass nur eine (Gesamt-)Geldbuße in Höhe von 2.000 € festgesetzt wurde, obgleich es sich bei der unterlassenen Zwischen- und Hauptprüfung – was im Übrigen auch vom Amtsgericht verkannt wurde – um zwei selbständige prozessuale Taten handelt. Denn durch die Bußgeldbehörde ist eine der Art nach zulässige und auch vollstreckbare Rechtsfolge angeordnet worden (Kurz, in: Karlsruher Kommentar, 5. Aufl. 2018, § 66 OWiG Rn. 69; Sackreuther, in: Beck´scherOK, a.a.O., § 66 Rn. 46). Die an den Rechtsfolgenausspruch zu stellenden Bestimmtheitsanforderungen des § 66 Abs. 1 Nr. 5 OWiG sind daher gewahrt.
272)
28Der Tatvorwurf ist hingegen verjährt, soweit der Nebenbeteiligten die nicht rechtzeitige Vornahme der Zwischenprüfung vorgeworfen wird.
29a)
30Hinsichtlich der Verfolgungsverjährung ist zwischen unterlassener Vornahme der Zwischen- und Hauptprüfung zu differenzieren. Denn bei den bußgeldbewehrten Verstößen gegen das Gebot, Aufzugsanlagen regelmäßig in Form von Zwischen- und Hauptprüfung durch eine zugelassene Überwachungsstelle prüfen zu lassen, handelt es sich um selbständige prozessuale Taten (§ 264 StPO), die klar gegeneinander abgegrenzt werden können.
31Nach § 16 Abs. 1 BetrSichV i.V.m. Anhang II Abschnitt 2 Nr. 4.1 und 4.3 sind Aufzugsanlagen regelmäßig wiederkehrend von einer zugelassenen Überwachungsstelle zu prüfen. Die Frist für die Hauptprüfung ist hierbei vom Arbeitgeber unter Berücksichtigung der erforderlichen Instandhaltungsmaßnahmen festzulegen und darf zwei Jahre nicht überschreiten. Die Zwischenprüfung nach Anhang II Nr. 4.3 ist hingegen in der Mitte des für die Hauptprüfung bestimmten Zeitraums vorzunehmen und ist vom Prüfungsumfang reduziert. Sie umfasst Sicht- und einfache Funktionsprüfungen sicherheitstechnischer Einrichtungen sowie die Prüfung ausgewählter sicherheitsrelevanter Bauteile. Wegen des unterschiedlichen Fälligkeitszeitpunkts und Prüfkatalogs unterscheidet sich die Tatbegehung in Tatzeit und Tatbild. Ein einheitlicher Lebensvorgang, der Voraussetzung für die Annahme einer einheitlichen prozessualen Tat im Sinne von § 264 StPO wäre, ist somit zu verneinen.
32b)
33Das Überschreiten der Zwischen- und Hauptprüfungsfrist nach § 16 Abs. 1 BetrSichV i.V.m. Anhang II Nr. 4.1 und 4.3 stellt vergleichbar der Überschreitung der Anmeldefrist für die Kfz-Hauptuntersuchung nach § 29 Abs. 1 S. 1 StVZO, § 69a Abs. 2 Nr. 14 StVZO, § 24 StVG eine Dauerordnungswidrigkeit durch Unterlassen dar.
34Bei Dauerordnungswidrigkeiten beginnt die Verjährung nach allgemeiner Auffassung grundsätzlich mit Beendigung des ordnungswidrigen Zustandes (OLG Celle BeckRS 2014, 16546; Gertler, in: Beck´scher OK, a.a.O., § 31 OWiG Rn. 27), also mit Vornahme der gebotenen Handlung (BayObLG VRS 63, 221; OLG Rostock, Beschluss vom 16.12.2014 – 21 Ss OWi 208/14 (Z) –, Rn. 7, juris).
35Etwas anderes muss indes ausnahmsweise für die Zwischenprüfung gelten. Deren Vornahme macht mit Fälligkeit der Hauptprüfung keinen Sinn mehr, da der Aufzug ab dann einer viel umfassenderen Prüfung zu unterziehen ist. Abweichend von dem oben geschilderten Grundsatz tritt Beendigung beim Verstoß gegen das Gebot, eine Zwischenprüfung vornehmen zu lassen, spätestens mit Fälligkeit der Hauptprüfung ein, so dass in diesem Zeitpunkt die Verfolgungsverjährung beginnt.
36Ausgehend von diesem Maßstab begann die Verfolgungsverjährung daher vorliegend in Bezug auf die Zwischenprüfung bereits mit Fälligkeit der Hauptprüfung. Diese trat aufgrund der Inbetriebnahme der Aufzugsanlage im Jahr 2008 spätestens Ende 2010 ein. In Bezug auf die Hauptprüfung begann die Verfolgungsverjährung hingegen erst mit deren Vornahme am 08.10.2018.
37c)
38Die Verjährungsfrist beträgt gem. § 31 Abs. 2 Nr. 1 OWiG i. V. m. §§ 16 Abs. 1, 22 Abs. 2 Nr. 7 BetrSichV, § 39 Abs. 1 Nr. 7a ProdSG drei Jahre. Die unterlassene Vornahme der Zwischenprüfung verjährte daher spätestens Ende 2013, während das Überschreiten der Hauptprüfungsfrist noch unverjährt ist. Das Verfahren war daher in Bezug auf die unterlassene Zwischenprüfungsfrist analog § 206a StPO einzustellen, da insofern ein Verfolgungshindernis besteht.
392)
40Mit der erhobenen Verfahrensrüge dringt die Nebenbeteiligte nicht durch. Soweit sie rügt, dass das Amtsgericht ihr keine Akteneinsicht nach Urteilserlass gewährt habe, kann das Urteil – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend hingewiesen hat, – nicht auf diesem Verfahrensfehler beruhen. Weitere Verfahrensfehler – insbesondere unzureichende Hinweiserteilungen nach § 265 StPO – sind durch die Nebenbeteiligte nicht gerügt worden.
413)
42Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Urteils in materiell-rechtlicher Hinsicht hat ausschließlich in Bezug auf den Strafausspruch Rechtsfehler ergeben, welche die Nebenbeteiligte beschweren.
43a)
44Der Schuldspruch wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 16 Abs. 1 BetrSichV hält hingegen der rechtlichen Nachprüfung stand.
45Die Festsetzung einer Geldbuße gegen die juristische Person nach § 30 Abs. 12 Nr. 1 OWiG erfordert die Feststellung einer von ihrem Organ begangenen Ordnungswidrigkeit, durch die Pflichten, welche die GmbH treffen, verletzt worden sind oder die GmbH bereichert ist oder werden sollte (OLG Jena NStZ 2006, 533).
46(1)
47Diesbezüglich hat das Amtsgericht festgestellt, dass die Nebenbeteiligte seit dem Jahr 2008 eine Aufzugsanlage betrieb (soweit in den Urteilsfeststellungen als Jahr der Inbetriebnahme 2018 angegeben wird, handelt es sich, wie aus den weiteren Urteilsgründen ersichtlich ist, um einen offenkundigen Tippfehler). Nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG verpflichtete dieser Umstand den damaligen Geschäftsführer X. H. als Organ der Nebenbeteiligten dazu, die nach § 16 Abs. 1 BetrSichV i.V.m. Anhang II Nr. 4.1 vorgeschriebene Hauptprüfung spätestens nach zwei Jahren vornehmen zu lassen. Denn zu den besonderen persönlichen Merkmalen, die auf das Organ als Vertreter der juristische Person auszudehnen sind, zählen auch persönliche Umstände, wie insbesondere das Betreiben einer Anlage (Gürter/Thoma, in: Göhler, a.a.O., § 9 OWiG Rn. 6; Többens, NStZ 1999, 1). Eines Rückgriffs auf § 130 Abs. 1 OWiG, welcher im Übrigen einen selbständigen und subsidiären Tatbestand bildet (Beck, in: Beck´scher OK, a.a.O., § 130 OWiG Rn. 7, 106), bedurfte es daher nicht.
48Nach den weiteren Feststellungen ist der ehemalige Geschäftsführer der Nebenbeteiligten dieser Verpflichtung nicht nachgekommen. Der Aufzug wurde vielmehr erst am 19.10.2018 durch die TÜV Nord geprüft.
49(2)
50Entgegen der Rechtsbeschwerde hat der Geschäftsführer die Verpflichtung auch nicht wirksam delegiert.
51Weder der mit der Herstellerfirma geschlossene Wartungsvertrag noch der Vertrag über die Verpflichtungen nach dem Arbeitsicherheitsgesetz umfasst als Aufgabe, die erforderlichen Hauptprüfungen der Aufzugsanlage zu veranlassen. Soweit das Amtsgericht in diesem Zusammenhang festgestellt hat, dass der bestellten Sicherheitsfachkraft die Aufgaben des § 6 ASiG übertragen wurde, findet sich im Aufgabenkatalog des § 6 ASiG als Aufgabe der Sicherheitsfachkraft neben beratenden und beobachtenden Aufgaben konkret die sicherheitstechnische Prüfung von Betriebsanlagen (§ 6 S. 2 Nr. 2 ASiG). Hiermit ist indes nicht die Hauptprüfung nach § 16 Abs. 2 BetrSichV i.V.m. Anhang 2 Abschnitt 4.1 gemeint, da diese durch eine zertifizierte Überwachungsstelle durchzuführen ist.
52Im Übrigen wäre für die Delegierung aber auch – worauf die Generalstaatsanwaltschaft zu Recht hingewiesen hat – die schriftliche Verpflichtung eines von ihm sorgfältig ausgewählten und mit den notwendigen Weisungen versehenen Beauftragten nicht ausreichend. Vielmehr hat der Delegierende durch gelegentliche - auch überraschende - Stichproben sicherzustellen, dass die übertragenen Aufgaben auch erfüllt werden (OLG Bamberg ZfSch 2018, 652; OLG Bamberg, ZfSch 2013, 651; KG Berlin, Beschluss vom 26.01.1998 – 2 Ss 394/97 - 3 Ws (B) 780/97 –, Rn. 2, juris). Hieran fehlt es, da nach der Einlassung des Geschäftsführers der Nebenbeteiligten keine Kenntnis von der Erforderlichkeit der Überprüfung durch eine zugelassene Überwachungsstelle bestanden habe.
53b)
54Ebenfalls nicht zu beanstanden ist die Beweiswürdigung des angefochtenen Urteils.
55c)
56Der Rechtsfolgenausspruch kann hingegen bereits deshalb keinen Bestand haben, weil das Amtsgericht die Verjährung der unterlassenen Vornahme der Zwischenprüfung nicht erkannt hat. Zudem hat die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend darauf hingewiesen, dass das Amtsgericht nicht dargestellt hat, von welchem Bußgeldrahmen es ausgegangen ist. Ebenso fehlen die erforderlichen Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen der Nebenbeteiligten (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 23.11.2011 – 2 Ss (OWi) 187/11 I 208/11 –, Rn. 27, juris; Rogall, in: Karlsruher Kommentar, a.a.O., § 30 OWiG Rn. 134).
574)
58In Bezug auf den verjährten Tatvorwurf der unterlassenen Vornahme der Zwischenprüfung war das Verfahren einzustellen. Im Übrigen war das angefochtene Urteil aufgrund der aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mängel im Rechtsfolgenausspruch sowie in der Kostenentscheidung aufzuheben (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO). Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht zurückverwiesen (§ 79 Abs. 6 OWiG).
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