Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 5 RVs 20/22
Tenor
Das angefochtene Urteil wird im Strafausspruch mit den diesem zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
1
Gründe
2I.
3Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen Falschbeurkundung im Amt zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 60 Euro verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen.
4Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er erhebt eine Verfahrensrüge sowie die Rüge der Verletzung materiellen Rechts. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
5II.
6Die zulässige Revision des Angeklagten hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg und führt insoweit zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 349 Abs. 4, 353, 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen ist sie nach § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.
71.
8Soweit sich die Revision gegen den Schuldspruch richtet, hat die Überprüfung durch den Senat ergeben, dass dieser keine Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten aufweist. Die Verfahrensrüge ist schon nicht nach § 344 Abs. 2 StPO hinreichend begründet worden. Es fehlt bereits an der Mittteilung, welche Aktenbestandteile dem Angeklagten bzw. seinem Verteidiger tatsächlich nicht bekannt waren bzw. zugänglich gemacht worden sind.
92.
10Der Strafausspruch weist hingegen einen auf die Sachrüge hin beachtlichen Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf.
11Die Erwägung, mit der das Landgericht gemeint hat, das Vorliegen der Voraussetzungen des § 59 Abs. 1 Nr. 3 StGB verneinen zu können, sind nicht tragfähig.
12Unter diesem Gesichtspunkt ist die Verurteilung zu Strafe geboten, wenn eine Verurteilung zur Verwarnung mit Strafvorbehalt bei Beachtung der Besonderheiten des Einzelfalls für das allgemeine Rechtsempfinden unverständlich erscheinen müsste und das Vertrauen der Bevölkerung in die Unverbrüchlichkeit des Rechts und in den Schutz der Rechtsordnung vor kriminellen Angriffen dadurch erschüttert werden könnte (OLG Nürnberg NJW 2007, 526). Dabei dürfen bestimmte Deliktsgruppen – wie das Landgericht auch zutreffend erkannt hat – nicht von vornherein regelmäßig ausgenommen werden (Fischer, StGB, 68. Aufl., § 59a Rdn. 10 m.-w.N.). Hier hat das Landgericht aber die Nichtanwendung des § 59 StGB (bei Bejahung der übrigen Voraussetzungen) wesentlich darauf gestützt, dass „der Angeklagte als Rechtsanwalt und Notar a.D. selbst Organ der Rechtspflege ist und die rechtstreue Bevölkerung deshalb darauf vertrauen [dürfe], dass dieser sich selbst an die Rechtsordnung [halte]“. Wenn dies nicht geschehe, „würde die rechtstreue Bevölkerung auch in Ansehung des Umstands, dass der Angeklagte nicht vorbestraft und teilgeständig ist, eine Verwarnung mit Strafvorbehalt nicht verstehen und billigen und durch eine solche Entscheidung in ihrem Rechtsgefühl verletzt und in ihrer Rechtstreue erheblich beeinträchtigt“. Diese Argumentation würde aber darauf hinauslaufen, dass Straftaten, die der Notar in Ausübung seines Amtes begangen hat, nie lediglich mit einer Verwarnung mit Strafvorbehalt geahndet werden könnten. Außerdem lässt die Argumentation des Landgerichts eine vollständige Auseinandersetzung mit sämtlichen Umständen des Einzelfalls, die für die oben genannte Bewertung aber erforderlich wäre, vermissen. So ist zu sehen, dass der Angeklagte die Tat erst ganz am Ende seines notariellen Berufslebens, nach 28-jähriger Tätigkeit als Notar, begangen hat, ohne dass er sich bis dahin etwas in strafrechtlich relevanter Weise hat zu Schulden kommen lassen. Auch von sonstigen berufsrechtlichen Verfehlungen berichtet das angefochtene Urteil nichts. Weiter ist zu sehen, dass er die Tat womöglich (das legen die Feststellungen UA S. 3 jedenfalls nahe) in einer Überlastungssituation nach einem Herzinfarkt begangen hat und er keinem durch sie Schaden zugefügt hat und das Gesamtgepräge der Tat eher dafür spricht, dass sie lediglich aus „Vereinfachungsgründen“ begangen wurde.
13Der neue Tatrichter wird daher die Bewertung, ob die Tat lediglich nach § 59 StGB geahndet werden kann, erneut – unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände und ggf. nach weiteren ergänzenden Feststellungen zum Berufsleben des Angeklagten – anstellen müssen und zudem Feststellungen zu treffen haben, die dem Senat die Möglichkeit eröffnen, die Höhe des einzelnen Tagessatzes überprüfen zu können.
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