Beschluss vom Oberlandesgericht Hamm - 22 W 9/22
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 14.04.2022 gegen den Beschluss der ersten Zivilkammer des Landgerichts Bochum vom 31.03.2022 wird zurückgewiesen.
Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
1
Gründe:
2I.
3Mit notariellem Vertrag vom 14.08.2020 (Urkundenrolle 00/2020 des Notars C in A) veräußerten die Antragsgegner das Erbbaurecht an dem mit einem Wohnhaus bebauten Grundstück B # in A unter Ausschluss der Gewährleistung für Sachmängel (Bl. 19 ff erstinstanzliche Akte, nachfolgend: eA) an die Antragsteller.
4Mit Schriftsatz vom 09.12.2021 haben die Antragsteller gegen die Antragsgegner im selbständigen Beweisverfahren die Einholung eines Sachverständigengutachtens zu den in der Antragsschrift näher aufgeführten Beweisfragen beantragt (Bl. 10 ff. eA).
5Die Antragsgegner haben sich gegen den Antrag gewandt und sich dabei auf den vereinbarten Gewährleistungsausschluss berufen (Bl. 87 ff. eA).
6Das Landgericht hat durch Beschluss vom 31.03.2022 den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen. Die Beweisfragen stellten zum Teil einen unzulässigen Ausforschungsbeweis dar. Die Antragsteller hätten zudem nicht dargelegt, inwieweit die beschriebenen Sachverhalte gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne darstellen sollen. In Anbetracht des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses sei überdies nicht dargetan, dass Ansprüche der Antragsteller gegen die Antragsgegner rechtlich möglich seien.
7Mit Schriftsatz vom „14.04.2022“, eingegangen beim Landgericht am 05.04.2022, haben die Antragsteller Beschwerde gegen den Beschluss eingelegt. Trotz Ankündigung ist eine Begründung der Beschwerde nicht erfolgt. Daraufhin hat das Landgericht dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
8II.
9Die gemäß § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zurückgewiesen.
101.
11Allerdings ist die Begründung des Landgerichts fehlerhaft, soweit es darauf abstellt, dass bei den Beweisfragen nicht erkennbar dargelegt sei, inwieweit die beschriebenen Sachverhalte gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne darstellen sollen, und ausführt, wegen des Gewährleistungsanspruches müssten Umstände dargelegt sein, welche die Arglist der Antragsgegner begründen können.
12Denn das Vordergericht verkennt insoweit, dass § 485 Abs. 2 ZPO lediglich ein rechtliches Interesse erfordert, das bereits dann anzunehmen ist, wenn die Feststellung der Vermeidung eines Rechtsstreits dienen kann.
13Daraus folgt, dass es dem Gericht grundsätzlich verwehrt ist, bereits im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens eine Schlüssigkeits- oder Erheblichkeitsprüfung vorzunehmen (BGH, Beschluss vom 29. November 2016 – VI ZB 23/16 –, Rn. 14 m.w.N., juris). Der Einholung eines Sachverständigengutachtens steht deshalb nicht entgegen, dass sich der Antragsgegner auf einen Gewährleistungsausschluss beruft (Herget in: Zöller, Zivilprozessordnung, 34. Aufl. 2022, § 485 ZPO, Rn. 7a m.w.N)
14Die Fragen, ob gemessen am Alter des Hauses Mängel im Rechtssinne vorliegen und der Gewährleistungsausschluss einem Anspruch entgegensteht, sind der rechtlichen Prüfung (§§ 434 BGB a.F., 444 BGB) zuzuordnen. Auf diese darf deshalb die Ablehnung des Antrages nicht gestützt werden.
152.
16Im Ergebnis ist jedoch die Entscheidung des Landgerichts zutreffend, weil die Antragsgegner nicht die Tatsachen ausreichend glaubhaft gemacht haben, über die Beweis erhoben werden soll (§ 487 Nr. 2, 4 ZPO).
17Die gegenständlichen Beweisthemen erfordern eine Substantiierung in Bezug auf die Beweistatsachen insoweit, als der Verfahrensgegenstand zweifelsfrei abgrenzbar ist und der Sachverständige eine Grundlage für die ihm übertragenen Tätigkeiten hat (BGH, Beschluss vom 10. November 2015 – VI ZB 11/15 –, Rn. 9, juris). Es ist unstatthaft, Beweisthemen ausforschend zu formulieren, die so unbestimmt sind, dass der Sachverständige zunächst einen Sachverhalt ermitteln muss, um auf der Grundlage seine Beurteilung vornehmen zu können (OLG Köln, Beschluss vom 29. Oktober 1999 – 19 W 36/99 –, Rn. 5; KG Berlin, Beschluss vom 01. Oktober 1998 – 10 W 6456/98 –, Rn. 19, jeweils juris). Denn es besteht nicht ein anerkennenswertes rechtliches Interesse daran, unter Inanspruchnahme der Justiz und des Antragsgegners sowie möglicherweise einer Rechtsschutzversicherung eine nicht konkret anlassbezogene technische Überprüfung eines Kaufobjekts oder Gewerks vornehmen zu lassen.
18Gemessen daran liegt ein unzureichender, nicht glaubhaft gemachter Tatsachenvortrag der Antragsteller vor. Denn sie haben nicht vorgetragen und glaubhaft gemacht, welche konkreten Mangelsymptome nach Gefahrübergang aufgetreten sind, die den gegenständlichen Beweisfragen zugeordnet werden können. Dabei müssen die Mangelsymptome nach Lage, zeitlichem Auftreten und Art der Mangelerscheinung so genau beschrieben werden, dass der Sachverständige ausgehend hiervon seine Tätigkeit aufnehmen kann. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, pauschal „Feuchtigkeit“ anzuführen, sondern die Feuchtigkeitserscheinung (z. B. Eintritt von Wasser in flüssigem Aggregatzustand, Verfärbungen oder Schimmelpilzbildung) ist genau zu bezeichnen und glaubhaft zu machen (etwa durch Lichtbilder). Soweit die Beweisfrage 9 a) die Sanierungsbedürftigkeit des gesamten Hauses zum Gegenstand hat, ist diese Frage unzulässig, weil sie eine pauschale Bewertung abfordert, die nicht Aufgabe des Sachverständigen ist.
193.
20Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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Referenzen
- ZPO § 485 Zulässigkeit 1x
- VI ZB 11/15 1x (nicht zugeordnet)
- 19 W 36/99 1x (nicht zugeordnet)
- BGB § 434 Sachmangel 1x
- VI ZB 23/16 1x (nicht zugeordnet)
- 10 W 6456/98 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 567 Sofortige Beschwerde; Anschlussbeschwerde 1x
- ZPO § 487 Inhalt des Antrages 1x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x