Urteil vom Hanseatisches Oberlandesgericht (13. Zivilsenat) - 13 U 30/13
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 01.03.2013, Az. 302 O 305/11, abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 18.700,92 nebst Zinsen in Höhe von 4% p.a. vom 22.04.2008 bis zum 08.12.2011 auf € 49.938,-, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 09.12.2011 bis zum 28.05.2013 auf € 49.938,- und ab dem 29.05.2013 auf € 18.700,92 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an Kläger € 1.641,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 09.12.2011 zu zahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I.
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Wegen des Sach- und Streitstandes 1. Instanz wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
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Der Kläger wiederholt mit der Berufung seinen Vortrag zu einer Falschberatung durch die Beklagte.
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Die Beratung durch den Zeugen … sei nicht anlegergerecht gewesen, da der Kläger - jedenfalls vor dem Erwerb von Goldzertifikaten über die Beklagte im Jahre 2007 - ausschließlich in einlagengesicherte Anlage investiert hätte. Vor diesem Hintergrund hätte der Berater … dem Kläger nicht ein derart kompliziertes und mit einem Totalverlustrisiko belastetes Produkt wie das streitgegenständliche Zertifikat verkaufen dürfen.
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Selbst wenn der Zeuge … - was weiter bestritten werde - auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen haben sollte, so sei dieser Hinweis jedenfalls nicht sachgerecht gewesen: Das von dem Zeugen gebildete Beispiel eines Kursverlustes des DivDAX gegenüber dem DAX um 100% sei so irreal, dass es nicht geeignet sei, das tatsächliche Risiko zu verdeutlichen.
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Jedenfalls aber sei der Kläger auch nach Aussage des Zeugen … nicht auf das Emittentenrisiko der Deutschen Bank hingewiesen worden.
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Mit der Berufungsbegründung hat der Kläger den Antrag 1. Instanz mit Rücksicht auf die Fälligkeit der Zertifikate Ende Mai 2013 und eine daraufhin von der Beklagten geleistete Zahlung in Höhe von € 31.237,08 umgestellt.
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Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts zu verurteilen, an den Kläger € 18.700,92 nebst Zinsen in Höhe von 4% p.a. vom 22.04.2008 bis zum 27.02.2010 auf € 49.938,-, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 28.02.2010 bis zum 28.05.2013 auf € 49.938,- und ab dem 29.05.2013 auf € 18.700,92 zu zahlen,
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sowie die Beklagte weiter zu verurteilen, an vorgerichtlichen Kosten an den Kläger € 1.641,96 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung.
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Der Senat hat den Kläger persönlich angehört und Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung des Zeugen …; wegen des Ergebnisses wird auf das Sitzungsprotokoll vom 27.11.2013 Bezug genommen.
II.
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Die zulässige Berufung des Klägers hat auch in der Sache weitgehend Erfolg.
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Zwischen den Parteien ist unstreitig ein Beratungsvertrag zu Stande gekommen. Damit war die Beklagte als beratende Bank zur anleger- und objektgerechten Beratung des Klägers verpflichtet (BGHZ 123, 126, 128 f.).
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"Inhalt und Umfang der Beratungspflichten hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen Risiken, wie etwa die Konjunkturlage und die Entwicklung des Kapitalmarktes, sowie die speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des Anlageobjekts ergeben (BGH XI ZR 12/93, BGHZ 123, 126, 128 f., XI ZR 89/07, BGHZ 178, 149 Rn. 12, XI ZR 159/99, WM 2000, 1441, 1442 und XI ZR 152/08, WM 2009, 1647 Rn. 49). Während die Aufklärung des Kunden über die für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstände richtig und vollständig zu sein hat, muss die Bewertung und Empfehlung eines Anlageobjekts unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten ex ante betrachtet lediglich vertretbar sein" (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – XI ZR 33/10 –, BGHZ 189, 13-32).
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Der Kläger hat beweisen können, dass die Beratung des Zeugen … zu dem streitgegenständlichen Zertifikat nach diesen Maßstäben nicht anlagegerecht war.
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Zwar handelt es sich bei dem vorliegenden Alpha-Express-Zertifikat nicht um ein derart komplexes Finanzinstrument wie der vom BGH in der o.g. Entscheidung zu beurteilende spread-laddes-Zinsswap, gleichwohl ist nicht zu verkennen, dass das underlying des Zertifikates nicht nur - wie bei dem Großteil derartiger Papiere - ein Basiswert, sondern vielmehr das Verhältnis zweier Basiswerte zueinander ist. Schon dies erfordert, da beide Bezugsgrößen Schwankungen unterliegen und es entscheidend auf ihre Relation zueinander ankommt, eine gründlichere Information des Kunden, als ein Zertifikat bei dem nur die Schwankungen eines Parameters zu betrachten sind. Hinzu kommt hier, dass die beiden Indices strukturell ungleich sind, da es sich bei dem DivDax um einen Preis-Index, bei dem DAX hingegen um einen Performance-Index (mit unterstellter Reinvestition von Dividenden) handelt.
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Im Ergebnis muss die beratende Bank sicherstellen, dass der Kunde auch bei einem solchen komplexeren Produkt "im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung...möglich ist" (BGH, Urteil vom 22. März 2011 – XI ZR 33/10 –, BGHZ 189, 13-32).
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Diesen Anforderungen ist die Beratung durch den Zeugen … nach dessen eigener Aussage nicht gerecht geworden.
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Zwar hat der vollständig glaubwürdige Zeuge … glaubhaft angegeben, mit dem Kläger den Termsheet zum Alpha-Express-Zertifikat (Anl. K 1) vollständig durchgegangen zu sein und dabei auch erklärt zu haben, dass es auf das Verhältnis der Kurse der Indices zueinander und nicht unbedingt auf den absoluten Verlauf der Kurse ankomme (S. 12 des Sitzungsprotokolls vom 27.11.2013).
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Auch habe er darauf hingewiesen - was ebenfalls zutreffend war - dass der DivDAX durchaus schlechter laufen dürfe als der DAX, nur eben nicht um mehr als 6% schlechter, damit es zu einer vorzeitigen Rückzahlung komme.
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Gerade auf die dem Zeugen … noch deutlich erinnerlichen mehrfachen Nachfragen des Klägers zu Risiken hat der Zeuge sodann jedoch ein Beispiel gebildet (aaO., S. 13), das kein realistisches Bild zur Gefahr eines Totalverlustes vermittelte und vielmehr geeignet war, die wahren Risiken zu verschleiern: Ein Szenario eine Absackens des DivDAX um 100% bei gleichbleibendem Stand des DAX war wenn nicht faktisch ausgeschlossen, so doch in der Tat kaum vorstellbar, da zum einen die DivDAX-Werte auch im DAX notiert sind und zum anderen die in die Indices einbezogenen Papiere durchweg echte "blue-chips", nämlich Aktien namhafter Großunternehmen sind, womit der restlose Absturz des DivDAX kaum vorstellbar erscheint.
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Andere Szenarien, in denen ein Totalverlust auftreten könnte, hat der Zeuge gerade nicht angesprochen - insbesondere das wenn auch nicht unbedingt wahrscheinliche, so doch aber vorstellbare Szenario einer Auseinanderentwicklung der Indices um 100%; insofern hat der Zeuge … zwar auf ein Totalverlustrisiko hingewiesen, dafür jedoch den Hinweis auf den "Schlechtesten Fall" im Termsheet Anl. B 3 (S. 5, "Risiken", 2. Aufzählungspunkt) durchaus irreführend umgesetzt.
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Es hätte eines realistischen Beispiels zur Verdeutlichung der - wie die tatsächliche Wertentwicklung mit einer über die Barriere von -30% hinausgehenden Auseinanderentwicklung der Indices zeigt - durchaus bestehenden und bis zum Totalverlustrisiko reichenden Gefahren bedurft.
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Dies umso mehr, als der Zeuge … nach seinen Angaben (aaO., S. 14, 4. Absatz) auch den strukturellen Nachteil des DivDAX als Performance-Index gegenüber dem DAX, der eine deutlich negativere Entwicklung des DivDAX wahrscheinlicher machte, nicht erläutert hat. Die Angabe auf S. 3 unten des Termsheets Anl. B 3, den der Zeuge nach seinen Angaben mit dem Kläger Schritt für Schritt durchgegangen ist (aaO., s. 14, 2. Absatz), genügen insoweit insbesondere ohne Bildung eines nachvollziehbaren Beispiels nicht, da sie weder den strukturellen Nachteil für einen Laien verständlich darstellen, noch sich ihnen entnehmen lässt, dass eben diese Struktur ein Unterschreiten der 30%-Barriere, aber auch einen Totalverlust wahrscheinlicher macht.
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Die Pflichtverletzung ist für die Anlageentscheidung des Klägers kausal geworden, die Beklagte hat die für den Kläger streitende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens nicht widerlegen können.
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Dabei mag es sein, dass der Kläger - wie vom Zeugen … angegeben (aaO., S. 15 unten) durchaus nicht der "ahnungslose" Anleger war, als der er sich - auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat - erkennbar präsentieren wollte. Dies ändert nichts daran, dass er - wiederum auch nach den Angaben des Zeugen … - mehrfach nach Risiken der Anlage und dabei gerade gezielt nach einem Totalverlustrisiko nachgefragt hatte. Dies aber belegt, dass es dem Kläger, wie von ihm behauptet und gleich welche Kenntnisse er sonst gehabt haben mag, auf die Vermeidung dieses Risikos ankam, womit es naheliegt, dass er sich bei einem im obigen Sinne sachgerechten Hinweis zu diesem Risiko nicht für diese Anlage entschieden haben würde.
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Das der Beklagten zuzurechnende Verschulden des Zeugen … wird vermutet, den Gegenbeweis hat die Beklagte nicht geführt.
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Der zu ersetzende Schaden besteht in der Belastung des Klägers mit der für ihn ungeeigneten Anlage; nach deren Fälligkeit und Teilrückzahlung des Anlagebetrages schuldet die Beklagte damit nur noch den verbleibenden Differenzbetrag zur Anlagesumme; die Umstellung des Antrages durch den Kläger stellt sich damit nicht als teilweise Klagrücknahme, sondern als nach §§ 525, 264 Nr. 3 ZPO stets zulässige Klagänderung dar.
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Gem. § 252 BGB schuldet die Beklagte dem Kläger zugleich entgangenen Gewinn, den der Senat - wie beantragt - gem. § 287 ZPO auf 4% p.a. schätzt, da ausweislich des Monatsberichts der … 4/2009 (Statistischer Teil, S. 73) im April 2009 die Umlaufrenditen festverzinslicher Wertpapiere zwischen 3,9 und 4,4% p.a. lagen. Der Kläger hat insoweit seiner Darlegungslast genügt, da - unstreitig - der für den Kauf der Zertifikate aufgewandte Betrag verzinslich in einem sicheren Produkt, dem sog. "Geldmarktsparen" der Beklagten, angelegt war und damit davon auszugehen ist, dass er jedenfalls in einer sicheren Anlageform investiert worden wäre, wenn der Kläger das streitgegenständliche Geschäft nicht getätigt hätte.
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Die Zinsforderung in Höhe des gesetzlichen Zinses rechtfertigt sich ab Klagerhebung am 08.12.2011 aus § 291 BGB; einen früheren Verzugseintritt hat der Kläger nicht dargelegt, insbesondere genügt das Schreiben Anl. K 5 nicht den Anforderungen an eine hinreichend bestimmte Mahnung.
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Die zutreffend berechneten vorgerichtlichen Anwaltskosten schuldet die Beklagte (wiederum nebst Zinsen aus § 291 BGB) als Aufwand der Rechtsverfolgung.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1, Abs. 2 ZPO; der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 709 S. 2 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gem. § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.
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Referenzen
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- 302 O 305/11 1x (nicht zugeordnet)
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- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 709 Vorläufige Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung 1x
- ZPO § 287 Schadensermittlung; Höhe der Forderung 1x
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- BGB § 291 Prozesszinsen 2x
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- ZPO § 525 Allgemeine Verfahrensgrundsätze 1x