Urteil vom Oberlandesgericht Köln - 6 U 94/21
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 02.06.2021 verkündete Urteil der 26. Zivilkammer des Landgerichts Köln – 26 O 252/20 – wird
zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3. Das Urteil und das Urteil des Landgerichts Köln sind vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
1
G r ü n d e :
2I.
3Der Kläger ist der Dachverband der Verbraucherzentralen der Länder und weiterer verbraucherpolitischer Verbände in Deutschland. Die Beklagte bietet Mobil- und Festnetzkommunikationsdienste an.
4In ihrer „Leistungsbeschreibung Mobilfunk“ mit Stand vom 25.11.2019 bestimmt die Beklagte unter Ziffer 2 unter anderem:
5SIM-Karte / eSIM
6Die U. überlässt dem Kunden je nach Vereinbarung eine SIM-Karte oder ein eSIM-Profil. Die voraussichtliche Dauer bis zur Freischaltung der überlassenen SIM-Karte oder des eSIM Profils (Leistungsbereitstellung) beträgt bis zu 24 Stunden. Die SIM-Karte bzw. das eSIM-Profil wird dem Kunden ausschließlich zum Zwecke der Sprachübermittlung und Datenübertragung, zur Nutzung ausschließlich für Verbindungen über die Vermittlungs- und Übertragungssysteme der von der U. angebotenen Mobilfunknetze und zur Nutzung ausschließlich im Zusammenhang mit Mobilfunk-Endgeräten in dem vertraglich vereinbarten Rahmen überlassen. Soweit nicht ausdrücklich vereinbart, ist in Tarifen mit pauschal abgegoltenem Datenvolumen ohne Bandbreitenbeschränkung die Nutzung der SIM-Karte / des eSIM-Profils in Routern nicht zulässig.
7Mit Schreiben vom 04.02.2020 forderte der Kläger die Beklagte erfolglos dazu auf, die Verwendung dieser Klausel zu unterlassen. Hierfür sind Kosten in Höhe von214 € entstanden.
8Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Klausel verstoße gegen die in Art. 3 Abs. 1 TSM-VO normierte Endgerätefreiheit, weil hiermit die Nutzung des Internetzugangs für einzelne Endgeräte wie Router unmittelbar und hinsichtlich mobiler Endgeräte, die über einen Router mit dem Internet verbunden sind, mittelbar eingeschränkt werde. Es liege auch ein Verstoß gegen § 41b Abs. 1 TKG vor.
9Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen,
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1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 € ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, diese zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, zu unterlassen,
in Bezug auf Telekommunikationsverträge mit Verbrauchern
13die folgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung in Allgemeinen Geschäftsverbindungen zu verwenden:
14„Soweit nicht ausdrücklich vereinbart, ist in Tarifen mit pauschal abgegoltenem Datenvolumen ohne Bandbreitenbeschränkung die Nutzung der SIM-Karte / des eSIM-Profils in Routern nicht zulässig.“
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2. an den Kläger 214,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
18die Klage abzuweisen.
19Die Beklagte hat die Ansicht vertreten, die Klausel verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO. Bei der Nutzung von mobilen Endgeräten, die über einen SIM-Karten-Steckplatz oder eine eSIM verfügen, handele es sich um die vertraglich geschuldete Leistung. Ein stationärer Router unterscheide sich grundlegend von einem (Mobilfunk-) Endgerät, weil er dazu bestimmt sei, Datenpakete zwischen Rechnernetzen auszutauschen. Der Einsatz einer SIM-Karte der Beklagten in einem Router (sog. LTE-Router) liefe dem Vertragszweck zuwider. Die TSM-VO bezwecke lediglich, dem Verbraucher die Nutzung von Endgeräten seiner Wahl zu ermöglichen, nicht aber jedwede denkbare Nutzung einer SIM-Karte oder eines eSIM-Profils.
20Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Die Klausel verstoße gegen die Endgerätefreiheit und stelle zudem eine Beschränkung des Datenverkehrs dar. Das Landgericht hat sich insbesondere der Stellungnahme der an dem Rechtsstreit gemäß § 139 TKG beteiligten Bundesnetzagentur vom 14.01.2021 angeschlossen. Hiernach sei darauf abzustellen, dass Art. 3 Abs. 1 TSM-VO nicht zwischen mobilen und stationären Endgeräten unterscheide. Aus Erwägungsgrund 5 der TSM-VO sei ersichtlich, dass Internetzugangsanbieter keine Beschränkungen auf die Nutzung von Endgeräten anwenden sollten. Ferner könne sich der Kläger auch auf § 41b Abs. 1 TKG stützen, wonach Netzbetreiber den Anschluss von bestimmten Geräten nicht ausschließen dürften. Daher sei lediglich eine Anwendungs- und endgeräteneutrale Klausel zulässig.
21Gegen die Verurteilung wehrt sich die Beklagte mit der Berufung unter Bezugnahme auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Sie ist zudem der Ansicht, dass die Frage, ob Art. 3 Abs. 1 TSM-VO den Ausschluss spezieller Endgerätekategorien verbiete, gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen sei.
22Die Beklagte beantragt,
23das Urteil des Landgerichts Köln vom 02.06.2021 abzuändern und die Klage abzuweisen.
24Der Kläger beantragt,
25die Berufung zurückzuweisen.
26Der Kläger ist der Ansicht, das Landgericht habe Art. 3 Abs. 1 TSM-VO zutreffend ausgelegt. Für eine Vorlage des Rechtsstreits an den EuGH sei kein Raum, weil die Anwendung von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO offenkundig sei, zumal zahlreiche Gerichte vergleichbare Klauseln anderer Mobilfunkanbieter in Deutschland untersagt hätten.
27II.
28Die zulässige Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg, weil die streitgegenständliche Klausel gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG verstößt, sodass sich der Unterlassungsanspruch – wie das Landgericht mit Recht angenommen hat – aus § 1, § 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in Verbindung mit § 4 Abs. 1, 2 UKlaG, § 307 BGB, Art. 3 Abs. 1 TSM-VO ergibt.
291. Der Kläger ist, wie das Landgericht mit Recht und von der Beklagten nicht angegriffen angenommen hat, als Verband, der in die Liste der qualifizierten Einrichtungen des Bundesamts der Justiz eingetragen ist, nach § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 4 UKlaG berechtigt, den streitgegenständlichen Unterlassungsanspruch geltend zu machen.
302. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß §§ 1, 3 Abs. 1 Nr. 1 UKlaG in Verbindung mit § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB gegen die Beklagte zu.
31a) Bei der beanstandeten Klausel der Beklagten handelt es sich (unstreitig) um Allgemeine Geschäftsbedingungen gemäß § 305 Abs. 1 BGB. Nach § 307 Abs. 1 BGB sind Allgemeine Geschäftsbedingungen unwirksam, wenn sie den Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. Nach § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB ist eine unangemessene Benachteiligung im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist.
32b) Eine solche Abweichung ist anzunehmen, weil die angegriffene Klausel der Beklagten gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO und § 41b Abs. 1 TKG verstößt.
33aa) Art. 3 Abs. 1 TSM-VO garantiert die sog. „Netzneutralität“, wonach Endnutzer das Recht haben,
34über ihren Internetzugangsdienst, unabhängig vom Standort des Endnutzers oder des Anbieters und unabhängig von Standort, Ursprung oder Bestimmungsort der Informationen, Inhalte, Anwendungen oder Dienste, Informationen und Inhalte abzurufen und zu verbreiten, Anwendungen und Dienste zu nutzen und bereitzustellen und Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen.
35Art. 3 Abs. 1 TSM-VO beinhaltet vor diesem Hintergrund das Recht der Endnutzer, über ihren Internetzugangsdienst Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen (sog. „Endgerätefreiheit“). Der Internetdienstanbieter ist nicht berechtigt, ein bestimmtes Endgerät für die Nutzung vorzuschreiben.
36Dieses Recht wird durch die von der Beklagten verwendete Klausel unzulässig eingeschränkt, weil sie die Nutzung von SIM-Karten bzw. eSIM-Profilen in Routern grundsätzlich verbietet.
37Entgegen der Ansicht der Beklagten handelt es sich bei Routern um Endgeräte im Sinne von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO.
38Nach Erwägungsgrund 5 der TSM-VO sollen die Endnutzer beim Zugang zum Internet frei unter den verschiedenen Arten von Endgeräten im Sinne der Richtlinie 2008/63/EG der Kommission wählen können. Die TSM-VO stellt somit – was auch die Parteien annehmen – selbst auf die Definition des Art. 1 Nr. 1 lit. a der Richtlinie 2008/63/EG ab, wonach „Endeinrichtungen direkt oder indirekt an die Schnittstelle eines öffentlichen Telekommunikationsnetzes angeschlossene Einrichtungen zum Aussenden, Verarbeiten oder Empfangen von Nachrichten“ sind. Weiter stellt Art. 1 Nr. 1 lit. a RL 2008/63/EG klar, dass „sowohl bei direkten als auch bei indirekten Anschlüssen … die Verbindung über Draht, optische Faser oder elektromagnetisch hergestellt werden“ kann.
39Diese Definition hat der Bundegesetzgeber bei der nationalen Umsetzung auch in der Begriffsbestimmung für „Telekommunikationsendeinrichtungen“ gemäß § 3 Nr. 24a TKG verwendet.
40Nach dieser Definition handelt es sich bei Routern um Endeinrichtungen. Denn ein Router wird direkt über ein Kabel oder durch eine elektromagnetische Verbindung mit dem öffentlichen Telekommunikationsnetz verbunden und er stellt eine Einrichtungen zum Aussenden, Verarbeiten oder Empfangen von Nachrichten im Sinne dieser – weiten – Definition dar. Dies wird u.a. auch dadurch deutlich, dass die Endgerätefreiheit der TSM-VO unter anderem dazu geschaffen wurde, einem Diensteanbieter zu untersagen, die Nutzung eines bestimmten Routers vorzugeben, wie dies ursprünglich im Festnetzbereich nicht unüblich war. Der Begriff des Endgeräts ist daher dahin auszulegen, dass ein solches vorliegt, wenn das Gerät an der Schnittstelle zwischen dem öffentlichen Netz und dem privaten Netz zwischengeschaltet ist, das öffentliche Netz somit an dieser Schnittstelle endet.
41Indem die Beklagte mit der Klausel die Nutzung von Routern grundsätzlich ausschließt, beschränkt sie das Recht ihrer Kunden, Endgeräte ihrer Wahl zu nutzen und verstößt damit gegen die Endgerätefreiheit aus Art. 3 Abs. 1 TSM-VO. Als unmittelbarer Gesetzesverstoß stellt die Klausel eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 Abs. 1 BGB dar.
42Soweit die Beklagte vorträgt, dass Art. 3 Abs. 1 TSM-VO lediglich auf die Definition eines Endgerätes auf die Richtlinie 2008/63/EG bezugnähme, jedoch nicht jedwede Beschränkung in der Nutzung von Endgeräten ausschließe, vermag dies nicht zu überzeugen.
43Bereits der Wortlaut der Norm spricht für die entsprechende Auslegung. Die Norm spricht von „Endgeräten ihrer Wahl“ in Bezug auf die dem Verbraucher eingeräumte Wahlmöglichkeit. Eine Einschränkung, dass ein Ausschluss bestimmter Endgeräte zulässig sein soll, ergibt sich aus der Verordnung nicht.
44Der Erwägungsgrund 5 der TSM-VO bestätigt dieses Ergebnis. Dieser lautet:
45Die Endnutzer sollten beim Zugang zum Internet frei unter den verschiedenen Arten von Endgeräten im Sinne der Richtlinie 2008/63/EG der Kommission wählen können. Die Internetzugangsanbieter sollten über die von den Herstellern oder Händlern der Endgeräte im Einklang mit dem Unionsrecht angewandten Beschränkungen hinaus keine weiteren Beschränkungen auf die Nutzung von Endgeräten, die die Verbindung zum Netz herstellen, anwenden.
46Aus dem Erwägungsgrund wird ersichtlich, dass Art. 3 Abs. 1 TSM-VO dahin zu verstehen ist, dass jedwede Beschränkung in der Nutzung von Endgeräten unzulässig sein soll. Soweit der Erwägungsgrund auf die RL 2008/63/EG Bezug nimmt, wird hieraus deutlich, dass eine Beschränkung auf bestimmte Endgeräte nicht gewollt ist. Eine solche Beschränkung nimmt die RL 2008/63/EG nicht vor.
47Die von der Beklagten zutreffend wiedergegebenen Erwägungsgründe 1 bis 4 und 8 der TSM-VO stehen dem nicht entgegen. Zutreffend ist, dass auch im Rahmen dieser Erwägungsgründe Regelungszwecke der Richtlinie wiedergegeben werden. Allerdings handelt es sich ersichtlich um weitere Regelungszwecke der TSM-VO, die der genannten Auslegung von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO nicht widersprechen. Vielmehr sollten die Ziele der Verordnung insgesamt in den Erwägungsgründen dargelegt werden. Erwägungen, wonach die in Art. 3 TSM-VO normierte Endgerätefreiheit allein das Aufzwingen bestimmter Endgeräte ausschließen soll, ergeben sich aus den Erwägungsgründen nicht, auch nicht mittelbar. Es kann denkbar sein, dass die Verordnungsgeber insbesondere diese Praxis von Anbietern vor Augen hatten, als er die Verordnung eingeführt hat. Jedoch gehen sowohl der Wortlaut von Art. 3 TSM-VO als auch die Erwägungsgründe über diesen Zweck hinaus, sodass jedwede Einschränkung von nutzbaren Endgeräten unzulässig ist.
48Auch aus den nach Art. 5 Abs. 3 TSM-VO erlassenen Leitlinien zur einheitlichen Anwendung der TSM-VO lässt sich keine Einschränkung von Art. 3 Abs. 1 TSM-VO entnehmen. Wie Beklagte zutreffend wiedergibt, ist nach Ziff. 26 bei der Prüfung, ob Endnutzer die Endgeräte ihrer Wahl nutzen können, darauf abzustellen, ob ein Internetzugangsanbieter den Endnutzern „obligatorische“ Geräte zur Verfügung stellt, die die Endnutzer nicht durch eigene andere Endgeräte ersetzen können. Diese Leitlinie bezieht sich auf die Bereitstellung von Endgeräten durch Internetzugangsanbieter an sich und ist zur Prüfung streitgegenständliche Klausel nicht tauglich. Im vorliegenden Fall überlässt die Beklagte den Endnutzern keine Endgeräte zur Nutzung des Mobilfunkanschlusses. Sie setzt vielmehr voraus, dass die Endnutzer eigene Endgeräte besitzen, die mit den vertraglich geschuldeten SIM-Karten bzw. eSIM-Profilen versehen werden. Durch die streitgegenständliche Klausel schließt die Beklagte jedoch Router hiervon aus und beschränkt die Nutzungsmöglichkeiten der Endnutzer, die als eigenes Endgerät zur Nutzung des Mobilfunkanschlusses einen Router verwenden möchten.
49Wie das Landgericht durch seine Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesnetzagentur zutreffend ausführt, ergibt sich überdies aus Ziff. 37 der Leitlinien zur TSM-VO, dass die Rechte aus Art. 3 Abs. 1 TSM-VO nicht vertraglich abbedungen werden können. Insofern überzeugt auch nicht der Vortrag der Beklagten, die streitgegenständliche Klausel bezeichne nur die von ihr geschuldete vertragliche Leistung. Zutreffend ist zwar, dass die Leistungspflicht der Beklagten durch die Klausel beschränkt würde. Dies setzt indes die Zulässigkeit der Beschränkung voraus, die Gegenstand der Prüfung ist.
50Soweit die Beklagte argumentiert, sie erlaube die Nutzung von SIM-Karten bzw. eSIM-Profilen in mobilen Routern und schließe diese von der Nutzung also nicht aus, so lässt sich das aus der streitgegenständlichen Klausel nicht entnehmen. Diese spricht ganz allgemein von „Routern“ und differenziert nicht danach, ob diese mobil und stationär verwendet werden können.
51Auch ändert die von der Beklagten vorgetragene Nutzungsmöglichkeit des „Tethering“ nichts an der Verletzung der Endgerätefreiheit. Bei dem „Tethering“ wird über ein Endgerät, das die SIM-Karte oder das eSIM-Profil der Beklagten enthält als „mobiler Hotspot“ verwendet, wovon aus sich die von dem Endnutzer gewünschten anderen Endgeräte mit dem Internet verbinden lassen. Wie auch das Landgericht München I in der von dem Kläger vorgelegten Entscheidung (12 O 3643/20) überzeugend ausführt, setzt diese Nutzungsmöglichkeit ein weiteres Endgerät voraus, das den mittbelbaren Internetzugang über Tethering herstellt. Durch diese technisch mögliche, aber mit nicht unerheblichem Zusatzaufwand verbundene Nutzungsmöglichkeit wird die Endgerätefreiheit nicht ausreichend gewahrt (LG München I, a. a. O.).
52Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung darauf abstellt, dass ihre Mobilfunk-Tarife für die mobile Nutzung durch regelmäßig nur eine Person ausgelegt sind, während Router in der Regel stationär verwendet und von mehreren Personen genutzt werden, ändert auch dies nichts an dem Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 TSM-VO. Diese Differenzierung der Beklagten beruht vielmehr auf wirtschaftlichen Erwägungen, ihren Kunden jeweils entsprechende Tarife anbieten zu können. Der weitere Vortrag, wonach die mobile Nutzung in der Regel weniger Datenvolumen in Anspruch nimmt als die stationäre, ist von dem individuellen Nutzerverhalten abhängig und wird von den Endnutzern bei der Tarif- bzw. Endgerätewahl berücksichtigt. Durch die streitgegenständliche Klausel macht die Beklagte es dem Endnutzer jedoch nicht möglich, sich für eine Nutzung der SIM-Karte oder des eSIM-Profils in einem (mobilen oder stationären) Router zu entscheiden und beeinträchtigt genau damit dessen Entscheidungsfreiheit hinsichtlich verschiedener Nutzungsmöglichkeiten.
53bb) Wie das Landgericht mit der Bezugnahme auf die Stellungnahme der Bundesnetzagentur überzeugend ausführt, verstößt die Klausel der Beklagten überdies gegen § 41b Abs. 1 TKG a.F. bzw. § 73 Abs. 3 TKG n.F.
54Eine Differenzierung zwischen § 41b Abs. 1 TKG a.F. und § 73 Abs. 3 TKG n.F. bedarf es nicht. Die Vorschrift des § 73 Abs. 3 TKG führt den bisherigen § 41b Abs. 1 TKG fort (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts, BR-Drucks. 29/21 S. 351, 352).
55Nach dieser Vorschrift dürfen die Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze und die Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten den Anschluss von Telekommunikationsendeinrichtungen an das öffentliche Telekommunikationsnetz nicht verweigern, wenn die Telekommunikationsendeinrichtungen die grundlegenden Anforderungen nach der Richtlinie 2014/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die elektromagnetische Verträglichkeit (ABl. L 96 vom 29.3.2014, S. 79) erfüllen. Richtlinie 2014/30/EU regelt die grundlegende elektromagnetische Verträglichkeit von Betriebsmitteln und soll das Funktionieren des Binnenmarktes für Betriebsmittel dadurch gewährleisten, dass ein angemessenes Niveau der elektromagnetischen Verträglichkeit festgelegt wird.
56Insofern geht § 41b TKG a.F., § 73 Abs. 3 TKG n.F. hinsichtlich der Endgerätefreiheit über Art. 3 TSM-VO hinaus, weil sich § 41b TKG a.F., § 73 Abs. 3 TKG n.F. alle Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze verpflichtet, während sich Art. 3 TSM-VO nur auf Internetzugangsdienste bezieht (Spindler/Schuster/Sodtalbers, 4. Aufl. 2019, TKG § 41b Rn. 3, 4).
57Sofern LTE-Router den grundlegenden Anforderungen der Richtlinie 2014/30/EU entsprechen – wogegen nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich ist – dürfen weder Netzbetreiber noch Diensteanbieter den Anschluss von Routern an das öffentliche Telekommunikationsnetz verweigern. Vertragliche Vereinbarungen mit dem Inhalt, dass der Teilnehmer nur bestimmte Endgeräte anschließen oder verwenden darf, sind unwirksam (Spindler/Schuster/Sodtalbers, 4. Aufl. 2019, TKG § 41b Rn. 7).
58Wie die Bundesnetzagentur in ihrer Stellungnahme vom 14.01.2021 zutreffend ausführt, sollte ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 11 Abs. 3 FTEG, der Vorgängervorschrift zu § 41b TKG, in Umsetzung der Richtlinie 2008//63/EG sichergestellt werden, dass eine technologieneutrale, für alle Formen von Kommunikationsnetzen anwendbare Begriffsbestimmung geschaffen ist, die eine Differenzierung von unterschiedlichen Endgeräten (Router, Modem) verbietet und den Endkunden eine Endgeräteauswahl ermöglicht (vgl. BT-Drucks. 18/6280, S. 8 f.). Mit der streitgegenständlichen Klausel verhält sich die Beklagte somit auch entgegen der bundesgesetzgeberischen Intention, die der Gesetzgeber wiederum in der Gesetzgeber in dem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2018/1972 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation (Neufassung) und zur Modernisierung des Telekommunikationsrechts (Telekommunikationsmodernisierungsgesetz) (Bt-Drucks. 29/21, S. 351, 353) bestätigt.
59Die in § 41 Abs. 3 TKG a.F., § 73 Abs. 3 TKG n.F. genannten Voraussetzungen, unter denen der Anschluss eines den Anforderungen der Vorschrift entsprechenden Telekommunikationsendgerätes an ein Telekommunikationsnetz verweigert werden kann, wie etwa die Verursachung ernstlicher Schäden an einem Netz, sind vorliegend nicht einschlägig.
60Da die Beklagte mit der streitgegenständlichen Klausel den Anschluss von Routern das öffentliche Telekommunikationsnetz verweigert, liegt ein Verstoß gegen § 41b Abs. 1 TKG a.F., § 73 Abs. 3 TKG n.F. vor.
61cc) Es besteht keine Veranlassung, die Frage der Auslegung von Art. 3 TSM-VO gemäß Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen.
62Wie die Beklagte zutreffend wiedergibt, ist eine solche entbehrlich, wenn die richtige Anwendung des derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum mehr bleibt (EuGH, Urteil vom 06.01.1982, C-283/81, NJW 1983, 1257 - CILFIT).
63Der Kläger hat diesbezüglich mehrere von ihm erstrittene Urteile gegen Konkurrenten der Beklagten vorgelegt, die ähnliche Klauseln nutzten. Die damit befassten erstinstanzlichen Gerichte haben die Auffassung vertreten, dass Art. 3 Abs. 1 TSM-VO im Sinne des Klägers auszulegen ist (LG München I in Sachen Telefónica; LG Düsseldorf in Sachen Vodafone; LG Kiel in Sachen mobilcom-debitel).
64Wie der Kläger zutreffend wiedergibt, hat das Landgericht Kiel überzeugend darauf abgestellt, dass die richtige Auslegung und die Reichweite des Unionsrechts angesichts des Wortlauts, der Systematik und des Regelungszwecks der Verordnung derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel aus Sicht des Gerichts kein Raum bleibt.
653. Die Abmahnkosten sind nach den vorstehenden Ausführungen ebenfalls zu ersetzen, nachdem die Abmahnung begründet war.
664. Die Kosten der Berufung sind gemäß § 97 ZPO von der Beklagten zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10, §§ 711, 713 ZPO.
675. Die Revision ist nicht zuzulassen. Die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist die Revision zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen.
686. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.500 € festgesetzt.
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Referenzen
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- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- 12 O 3643/20 1x (nicht zugeordnet)
- 26 O 252/20 1x (nicht zugeordnet)
- § 73 Abs. 3 TKG 7x (nicht zugeordnet)
- § 3 Nr. 24a TKG 1x (nicht zugeordnet)
- UKlaG § 3 Anspruchsberechtigte Stellen 1x
- § 41b Abs. 1 TKG 2x (nicht zugeordnet)
- UKlaG § 4 Qualifizierte Einrichtungen 2x
- ZPO § 97 Rechtsmittelkosten 1x