Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 11 Wx 8/03

Tenor

1. Auf die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 wird der Beschluss des Landgerichts Karlsruhe vom 11. Dezember 2002 - 11 T 490/02 - aufgehoben. Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und erneuten Entscheidung - einschließlich einer eventuellen Kostenentscheidung - an das Landgericht Karlsruhe zurückverwiesen.

2. Der Wert für das Verfahren der weiteren Beschwerde wird auf Euro 3.000,- festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten zu 1 und 2 sind deutsche Staatsangehörige und miteinander verheiratet. Zum Ehenamen haben sie den Geburtsnamen des Mannes "R." bestimmt. Der Beteiligte zu 3 wurde in der Ukraine geboren.
Mit Beschluss vom 28. September 2001 hat das Kreisamtsgericht in S. im Gebiet S., Ukraine, dem Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 auf Adoption des Beteiligten zu 3 entsprochen. In diesem Beschluss wird zugleich ausgesprochen, dass der Vorname des Kindes in "C.", der Nachname in "R." geändert wird. In einer am 16. März 1999 ausgestellten ukrainischen Geburtsurkunde des Beteiligten zu 3 ist er mit seinem ursprünglichen Vor und Nachnamen bezeichnet und der 18. September 1998 als Geburtsdatum genannt. In einer weiteren, am 1. Oktober 2001 ausgestellten Geburtsurkunde ist er als C. R. bezeichnet, sind die Beteiligten zu 1 und 2 als seine Eltern aufgeführt und wird als sein Geburtsdatum der 18. März 1999 angegeben.
Die Beteiligten zu 1 und 2 haben geltend gemacht, das Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 sei durch den Beschluss des Kreisamtsgerichts vom 18. September 1998 auf den 18. März 1999 geändert worden. Eine solche Änderung des Geburtsdatums sehe Art. 112 des Ehe- und Familienkodex der Ukraine zur Sicherung des Adoptionsgeheimnisses vor. Mit diesem Geburtsdatum sei der Beteiligte zu 3 nun auch in das Familienbuch einzutragen.
Der Standesbeamte lehnte die Eintragung dieses Geburtsdatums ab und vertrat die Auffassung, einzutragen sei das wirkliche Geburtsdatum, der 18. September 1998. Eine willkürliche Änderung des Geburtsdatums sei dem deutschen Recht fremd.
Auf Antrag der Beteiligten zu 1 und 2 hat das Amtsgericht Karlsruhe den Standesbeamten angewiesen, bei der Eintragung in das Familienbuch den Beteiligten zu 3 mit dem Geburtsdatum 18. März 1999 einzutragen. Auf die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4 hat das Landgericht Karlsruhe den Beschluss des Amtsgerichts aufgehoben und den Standesbeamten angewiesen, den Beteiligten zu 3 mit dem Geburtsdatum 18. September 1998 einzutragen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2, welcher die Beteiligte zu 4 entgegentritt.
II.
Die sofortige weitere Beschwerde ist zulässig (§ 49 PStG, § 29 Abs. 2 FGG). Das Rechtsmittel hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auf unzureichender Tatsachenfeststellung; der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Behandlung und erneuten Entscheidung an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen.
1. Der Tatsachenfeststellung des Beschwerdegerichts liegen unzureichende Ermittlungen zugrunde.
a) Die tatsächlichen Feststellungen des Beschwerdegerichts unterliegen nach § 27 Abs. 1 Satz 2 FGG i.V. mit § 559 ZPO im Verfahren der weiteren Beschwerde nur einer beschränkten Überprüfung auf Rechtsfehler. Die Tatsachenfeststellung des Beschwerdegerichts ist rechtsfehlerhaft, wenn ihr unzureichende Ermittlungen zugrunde liegen, d.h. die Pflicht zur Amtsermittlung (§ 12 FGG) verletzt ist. Als unzureichend sind die Ermittlungen des Sachverhalts auch dann anzusehen, wenn das Gericht Widersprüchen, Unklarheiten oder Lücken nicht hinreichend nachgegangen ist (vgl. Meyer-Holz in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 27 Rdn. 44).
b) Das Beschwerdegericht hat in seiner Entscheidung festgestellt, mit dem Beschluss des Kreisamtsgerichts in S./Ukraine sei das Geburtsdatum des Beteiligen zu 3 vom 18. September 1998 auf den 18. März 1999 geändert worden. Diese Feststellung wird durch die bei den Akten befindlichen Unterlagen nicht ausreichend getragen. Die Übersetzung des Beschlusses des Kreisamtsgerichts, die sich bei den Akten befindet, ist insoweit nicht eindeutig. Dort heißt es:
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"Den Familiennamen des minderjährigen Kindes O., V. V. ist auf R., den Vornamen auf C. zu ändern; das Geburtsdatum und den Geburtsort: 18. März 1999 und Stadt M. Gebiet S. - ohne Änderung lassen."
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Nach dieser Formulierung der Übersetzung ist zweifelhaft, ob das Kreisamtsgericht nicht nur eine Änderung des Vor- und Nachnamens des Beteiligen zu 3, sondern auch eine Änderung des Geburtsdatums beschlossen hat. Sie könnte auch dahin verstanden werden, dass zwar Vor- und Nachname geändert worden, Geburtsort und Geburtsdatum jedoch unverändert geblieben wären. Auch wenn als Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 eingangs der Übersetzung der 18. September 1998 genannt ist, während in der zitierten Passage der 18. März 1999 genannt ist, hätte diese Formulierung der Übersetzung dem Beschwerdegericht Anlass geben müssen, der Frage nachzugehen, ob der Beschluss des ukrainischen Gerichts eine Änderung des Geburtsdatums umfasst, zumal hier als Jahreszahl zunächst das Jahr 1998 stand, das dann handschriftlich in 1999 korrigiert wurde. Dieser Unklarheit hätte das Beschwerdegericht durch geeignete Maßnahmen, etwa durch Anforderung einer anderen, von einem in Deutschland zugelassenen und vereidigten Dolmetscher gefertigten Übersetzung nachgehen müssen.
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2. Die Entscheidung des Beschwerdegerichts beruht auch auf diesem Verfahrensfehler. Sollte die gebotene weitere Aufklärung des Sachverhalts ergeben, dass das ukrainische Gericht eine Änderung des Geburtsdatums des Beteiligten zu 3 auf den 18. März 1999 ausgesprochen hat, wäre die Entscheidung des Beschwerdegerichts aufzuheben und die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 4 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Karlsruhe zurückzuweisen (dazu unter 3.). Sollte sich dagegen herausstellen, dass eine solche Änderung des Geburtsdatums nicht vom Gericht auf der Grundlage von Art. 112 des Ehe- und Familienkodex der Ukraine beschlossen wurde, es vielmehr auf sonstige Weise zur Ausstellung einer Geburtsurkunde mit dem Geburtsdatum 18. März 1999 kam, wäre die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 zurückzuweisen (dazu unter 4.).
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3. Hat das Kreisamtsgericht in S./Ukraine in seinem Beschluss vom 28. September 2001 im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Adoption des Beteiligten zu 3 durch die Beteiligten zu 1 und 2 dessen Geburtsdatum auf den 18. März 1999 geändert, ist dieses geänderte Geburtsdatum auch für die Eintragung des Beteiligten zu 3 in das deutsche Familienbuch maßgeblich.
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a) Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 PStG hat der Standesbeamte die von den Ehegatten gemeinschaftlich angenommenen Kinder in das Familienbuch der Ehegatten einzutragen. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 PStG ist dabei der Familienname und der Vorname des Kindes sowie Ort und Tag seiner Geburt anzuführen. Im Falle einer Annahme des Kindes ist gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 PStG zugleich auf den die Annahme aussprechenden Beschluss hinzuweisen (vgl. Hepting, StAZ 1986, 305, 310).
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b) Wurde die Annahme als Kind nicht durch ein deutsches Gericht, sondern durch ein ausländisches Gericht ausgesprochen, hat der Standesbeamte als Vorfrage die Wirksamkeit der ausländischen Entscheidung zu prüfen (BayObLG, Beschl. v. 21.6.2000 - 1Z BR 186/99, BayObLGZ 2000, 180; Beschl. v. 11.11.1999 - 1Z BR 155/98, BayObLGZ 1999, 352; Hepting/Gaaz, PStG, § 15 Rdn. 33). Die Ukraine ist dem Haager Übereinkommen über den Schutz von Kindern und die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Adoption (AdÜbk) vom 29. Mai 1993 bislang nicht beigetreten. Die Frage der Anerkennung der Wirksamkeit einer in der Ukraine ausgesprochenen Adoption richtet sich daher allein nach § 16a FGG (Maurer, FamRZ 2003, 1337, 1339).
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Ob die Entscheidung des ukrainischen Gerichts nach dortigem Recht als Zivilurteil oder als Akt der freiwilligen Gerichtsbarkeit zu qualifizieren ist, bedarf keiner näheren Prüfung, weil es für die Anwendung des § 16a FGG nur darauf ankommt, dass die Annahme als Kind nach dem deutschen Verfahrensrecht der freiwilligen Gerichtsbarkeit unterliegt (Zimmermann in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Auflage, § 16a Rdn. 2a; BayObLGZ 2000, 180).
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Danach ist die vom ukrainischen Kreisamtsgericht ausgesprochene Adoption als wirksam anzuerkennen, wenn keiner der in § 16a Nr. 1 bis 4 FGG abschließend aufgezählten Ausschlussgründe gegeben ist.
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aa) Die Anerkennung des Beschlusses des ukrainischen Kreisamtsgerichts ist nicht nach § 16a Nr. 1 FGG ausgeschlossen. Die internationale Zuständigkeit des ukrainischen Kreisamtsgerichts war gegeben, weil der Beteiligte zu 3 im Zeitpunkt des Beschlusses Staatsangehöriger der Ukraine war und dort seinen Wohnsitz hatte, so dass spiegelbildlich die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 43b Abs. 1 und 2 FGG vorliegen (vgl. Zimmermann, a.a.O., Rdn. 5; Henrich in Staudinger, Art. 22 EGBGB, Rdn. 87).
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bb) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts ist die Anerkennung des Beschlusses des ukrainischen Kreisamtsgerichts auch nicht durch § 16a Nr. 4 FGG ausgeschlossen. Nach dieser Bestimmung ist eine ausländische Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn sie zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist.
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Abzustellen ist dabei nicht auf den nationalen ordre public, welchen die deutschen Gerichte bei eigener Anwendung ausländischen Rechts zu beachten haben, sondern auf den - großzügigeren - anerkennungsrechtlichen ordre public international (BGH, Urt. v. 18.10.1967 - VIII ZR 145/66, BGHZ 48, 327, 331; Urt. v. 21.4.1998 - XI ZR 377/97, NJW 1998, 2358). Nach diesem Maßstab ist eine ausländische Entscheidung nur dann nicht anzuerkennen, wenn sie mit Grundgedanken der deutschen Regelung und den in ihnen enthaltenen Gerechtigkeitsvorstellungen, insbesondere mit den Grundrechten, in so starkem Widerspruch steht, dass es nach deutscher Vorstellung untragbar erscheint, sie als wirksam anzusehen. In der vom Gericht ausgesprochenen Änderung des Geburtsdatums eines Kindes um sechs Monate im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Annahme als Kind ist ein solcher Verstoß gegen den ordre public nicht zu sehen.
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(1) Ob die vom ukrainischen Gericht ausgesprochene Änderung des Geburtsdatums durch Art. 112 des Ehe- und Familienkodex der Ukraine gedeckt ist, ist insoweit nicht maßgeblich. In der Tat ist zweifelhaft, ob die Entscheidung des Gerichts dem ukrainischen Recht in vollem Umfang entspricht. Zwar sieht Art. 112 Abs. 1 die Möglichkeit vor, dass zum Zwecke der Sicherung des Adoptionsgeheimnisses der Geburtsort des Kindes und, in Ausnahmefällen, das Geburtsdatum um höchstens sechs Monate geändert werden können, doch bestimmt Art. 112 Abs. 4, dass das Adoptionsgeheimnis für den Fall der Adoption durch ausländische Staatsbürger nicht gilt. Wenn die Änderung des Geburtsdatums der Sicherung des Adoptionsgeheimnisses dienen soll, dieses aber im Falle der Adoption durch ausländische Staatsbürger nicht gilt, liegt die Folgerung nahe, dass dann nur eine Änderung des Familiennamens und des Vornamens, nicht aber auch eine Änderung von Geburtsort und Geburtsdatum zulässig ist. Fraglich ist ferner, ob eine Änderung des Geburtsdatums erfolgen darf, wenn diese nicht jedenfalls auch zum Zwecke der Sicherung des Adoptionsgeheimnisses erfolgt, sondern allein aus anderen Beweggründen, etwa um einer verzögerten körperlichen Entwicklung des Kindes Rechnung zu tragen. Jedoch findet eine inhaltliche Überprüfung des ausländischen Adoptionsaktes außerhalb der Frage nach der Vereinbarkeit mit dem ordre public nicht statt (Maurer, a.a.O.; vgl. auch BayObLGZ 1999, 352). Für die Frage eines Verstoßes gegen den ordre public hat ein - möglicher - Rechtsanwendungsfehler des ausländischen Gerichts grundsätzlich als solcher keine Bedeutung. Maßgeblich ist allein, ob die Anerkennung der Entscheidung - sie mag nach dem Heimatrecht richtig oder falsch sein - zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts, insbesondere mit den Grundrechten, unvereinbar ist.
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(2) Die vom Beschwerdegericht aufgeworfene Frage, ob es dem deutschen Recht widerspricht, wenn in das Personenstandsregister Tatsachen bewusst unzutreffend eingetragen werden, geht in die falsche Richtung. Wurde das Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 durch die Entscheidung des ukrainischen Gerichts über die Annahme des Beteiligten zu 3 als Kind geändert und ist diese Entscheidung in Deutschland nach § 16a FGG anzuerkennen, würde der deutsche Standesbeamte, der den 18. März 1999 als Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 in das Familienbuch eintrüge, keine unzutreffende, sondern eine zutreffende Tatsache eintragen. Denn das Geburtsdatum des Beteiligen zu 3 wäre dann - rechtlich bindend - der 18. März 1999. Aus dem gleichen Grund sind die von der Beteiligten zu 4 herangezogenen Entscheidungen zur Frage der Bindung deutscher Behörden an eine im Ausland erfolgte Berichtigung von Eintragungen in das Personenstandsregister (vgl. dazu Hepting/Gaaz, PStG, vor § 45 Rdn. 32 ff; BSG, Urt. v. 31.1.2002 - B 13 RJ 9/01 R, Juris-Dokument KSRE016231514 ; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 22.10.1987 - 11 S 1827/87, ESVGH 38, 45; VGH München, Beschl. v. 11.12.1981 - 10 CS 81 A/2341, NVwZ 1982, 322; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 9.5.1997 - 3 Wx 261/96, StAZ 1997, 276) vorliegend nicht einschlägig. Der Beschluss des ukrainischen Gerichts stellt, wenn er nach § 16a FGG anzuerkennen ist, keine Berichtigung des Eintrags in das Personenstandsregister dar, sondern hätte das Geburtsdatum mit rechtsgestaltender Wirkung geändert. Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang damit nicht der Maßstab des Art. 4 des Übereinkommens betreffend die Entscheidungen über die Berichtigung von Einträgen in Personenstandsbüchern (Zivilstandsregistern) vom 10. September 1964, sondern § 16a Ziffer 4 FGG.
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(3) Die nach dem ukrainischen Recht bestehende Möglichkeit, im Zusammenhang mit dem Ausspruch über die Annahme als Kind das Geburtsdatum des Kindes um höchstens sechs Monate zu ändern, führt, wenn sie in Deutschland anerkannt wird, auch nicht zu einer Verletzung der Grundrechte.
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Mit einer solchen Änderung des Geburtsdatums um höchstens sechs Monate wird - entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts - das menschliche Dasein des Kindes nicht unter Verstoß gegen Art. 1 Abs. 1 GG von Staats wegen vorübergehend ignoriert. Die Änderung des Geburtsdatums erfolgt mit dem Ausspruch der Adoption (Art. 112 Abs. 1 Satz 2 des ukrainischen Ehe- und Familienkodex). Sie kann nur in der Weise erfolgen, dass ein Datum gewählt wird, das bereits in der Vergangenheit liegt. Wird dabei ein Datum festgelegt, das nicht vor, sondern nach dem tatsächlichen Geburtstag des Kindes liegt, kann dies zu einer Beeinträchtigung der Rechte des Kindes führen, etwa wenn ihm in dem fraglichen Zeitraum durch Erbgang oder in sonstiger Weise Vermögenswerte zugeflossen sind und dieser Zufluss rechtlich gefährdet wäre, wenn es rückwirkend als noch nicht geboren gälte. Solche Gesichtspunkte hat das Gericht bei der Frage zu berücksichtigen, ob die Änderung des Geburtsdatums dem auch nach ukrainischem Recht bei der Annahme des Kindes im Vordergrund stehenden Kindeswohl (Art. 101.1 des ukrainischen Ehe- und Familienkodex) entspricht. Dass jedoch durch eine rückwirkende Änderung des Geburtsdatums um höchstens sechs Monate auf einen bereits in der Vergangenheit liegenden Tag die Existenz des Kindes von Staats wegen ignoriert oder gar negiert würde, ist nicht ersichtlich. Die Änderung des Geburtsdatums hat lediglich zur Folge, dass die Volljährigkeit etwas später eintritt als dies sonst der Fall wäre. Darin liegt jedoch keine Verletzung der Menschenwürde, zumal eine Änderung nur um höchstens sechs Monate erfolgen kann und die Volljährigkeit nicht nur Vor-, sondern auch Nachteile mit sich bringt. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass die Änderung des Geburtsdatums nicht willkürlich erfolgt, sondern nach der ausdrücklichen Regelung in Art. 112 Abs. 1 des ukrainischen Ehe- und Familienkodex zum Zwecke der Sicherung des Adoptionsgeheimnisses. Das ukrainische Recht verfolgt damit den Zweck, es den leiblichen Verwandten des Kindes zu erschweren, nach der Annahme durch andere Personen nach dem Kinde zu forschen. Auf diese Weise soll erreicht werden, dass das Kind ungestört bei seinen Adoptiveltern aufwachsen kann. Das Adoptionsgeheimnis wird auch durch das deutsche Recht geschützt; nur in den Mitteln, mit denen dieser Schutz erfolgt, unterscheiden sich die beiden Rechtsordnungen teilweise. So begründet § 1758 BGB ein Verbot, Tatsachen, die geeignet sind, die Annahme und ihre Umstände aufzudecken, zu offenbaren oder auszuforschen. Diese Bestimmung wird ergänzt durch § 61 Abs. 2 PStG, wonach nur Behörden, den Annehmenden und deren Eltern, dem gesetzlichen Vertreter des angenommenen Kindes und diesem selbst, sofern es das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, Einsicht in den Geburteneintrag eines angenommenen Kindes gewährt werden darf. Auch die Möglichkeit einer Inkognitoadoption (§ 1747 Abs. 2 Satz 2 BGB) dient der Sicherung des Adoptionsgeheimnisses. Die dem ukrainischen Recht zugrundeliegende Überlegung, Nachforschungen der leiblichen Verwandten weiter dadurch zu erschweren, dass auch das Geburtsdatum geändert wird, erscheint auch nicht sachfremd.
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Der Anerkennung der Entscheidung des ukrainischen Gerichts auch insoweit, als das Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 geändert wurde, steht auch das Recht des Kindes auf Kenntnis seiner genetischen Abstammung nicht entgegen.
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Es ist bereits ausgesprochen fraglich, ob aus dem Grundgesetz ein solches Grundrecht abgeleitet werden kann (krit. Frank, FamRZ 1988, 113; Deichfuß, NJW 1988, 113; Gottwald, FS Hubmann 1985, 111 ff.). Die Entscheidung vom 31. Januar 1989, in der das Bundesverfassungsgericht ein Recht des Kindes auf Kenntnis seiner (genetischen) Abstammung bejaht hat (BVerfGE 79, 256), ist in der Literatur auf erhebliche Kritik gestoßen (Ramm, NJW 1989, 1594; Smid, JR 1990, 221, Koch, FamRZ 1990, 569 ff.; eingehend Deichfuß, Abstammungsrecht und Biologie, Mannheimer rechtswissenschaftliche Abhandlungen, Bd. 13, 1991, S. 125 ff). In einer späteren Entscheidung (Beschl. v. 6.5.1997 - 1 BvR 409/90, FamRZ 1997, 869) hat das Bundesverfassungsgericht, worauf Frank/Helms (FamRZ 1997, 1258 ff.) zutreffend hingewiesen haben, seine Rechtsprechung der Sache nach erheblich revidiert. Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte betont, dass dem Interesse des Kindes daran, Kenntnis über seine Abstammung zu erlangen, die Interessen der leiblichen Eltern an der Wahrung ihrer Anonymität und die Interessen der Adoptiveltern entgegenstehen können. Bei der Ausgestaltung der Lösung des Interessenkonflikts stehe den Staaten ein Ermessensspielraum zur Verfügung (EuGHMR, Urt. v. 13.2.2003 - 42326/98, FamRZ 2003, 1367, Tz. 44, 47, 49).
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Letztlich bedarf diese Frage jedoch keiner näheren Erörterung, weil die Anerkennung der Entscheidung des ukrainischen Gerichts, auch das Geburtsdatum des Beteiligten zu 3 zu ändern, nicht zu einer Beeinträchtigung der Möglichkeiten des Kindes führt, seine leiblichen Eltern zu ermitteln.
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Ob und wann Adoptiveltern als Inhaber des Sorgerechts dem angenommenen Kind offenbaren, dass sie nicht die leiblichen Eltern sind, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen. In der Regel wird das Kind spätestens dann, wenn es heiraten will und vom Standesbeamten zur Vorlage einer Abstammungsurkunde aufgefordert wird (vgl. § 5 Abs. 1 PStG), Kenntnis davon er-langen, dass es adoptiert wurde. Es hat ab Vollendung des sechzehnten Lebensjahres gemäß § 61 Abs. 2 PStG unabhängig von der Zustimmung der Annehmenden die Möglichkeit, das Familienbuch einzusehen. In Spalte 9 (rechts) des Familienbuchs ist auf den die Annahme aussprechenden Beschluss hinzuweisen (§ 15 Abs. 1 Satz 3 PStG). Hierdurch wird dem Angenommenen unabhängig von einer Information durch die Adoptiveltern die Möglichkeit eröffnet, den zugrundeliegenden Beschluss zu ermitteln und dort nachzulesen, wer seine leiblichen Eltern sind. Die entsprechenden Nachforschungen mögen im Einzelfall, gerade bei einer Adoption im Ausland, auf tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten stoßen. Diese werden jedoch nicht dadurch erhöht, dass durch das ukrainische Gericht nicht allein Vor- und Familienname des Kindes, sondern auch das Geburtsdatum geändert wurde. Wie bereits erwähnt, bestimmt Art. 112 Abs. 1 des ukrainischen Ehe- und Familienkodex, dass in dem Beschluss, mit dem die Annahme als Kind ausgesprochen wird, auf eine Änderung des Geburtsdatums ausdrücklich hingewiesen wird. Die Änderung des Geburtsdatums als solche führt daher nicht zu Erschwernissen bei der Ermittlung der leiblichen Eltern, die über diejenigen hinausgehen, die ohnehin mit der Adoption einhergehen. Auch ist gewährleistet, dass das Kind auch seinen tatsächlichen Geburtstag in Erfahrung bringen kann. Ob ein - angebliches - Recht des Kindes auf Kenntnis seiner Abstammung, wie das Beschwerdegericht meint, auch ein Recht auf Kenntnis des tatsächlichen Geburtsdatums umfasst, bedarf mithin keiner näheren Erörterung.
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c) Eine Änderung des Geburtsdatums des Kindes um höchstens sechs Monate im Zusammenhang mit dem Ausspruch der Adoption dieses Kindes ist zwar dem deutschen Recht nicht bekannt. Das steht jedoch einer Anerkennung eines Beschlusses des ukrainischen Gerichts, der eine solche Änderung ausspricht, nicht entgegen. Eine entsprechende Entscheidung des ukrainischen Gerichts wäre nach § 16a FGG für den deutschen Standesbeamten bindend, weil die Anerkennung dieser Entscheidung nicht mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts unvereinbar wäre, insbesondere auch nicht gegen Grundrechte des Kindes verstieße. Sollten die erforderlichen weiteren Ermittlungen des Beschwerdegerichts ergeben, dass das ukrainische Gericht eine solche Änderung des Geburtsdatums ausgesprochen hat, wäre der Beteiligte zu 3 mit diesem Geburtsdatum in das Familienbuch einzutragen.
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4. Sollte die weitere Aufklärung des Sachverhalts dagegen zu dem Ergebnis führen, dass das ukrainische Gericht mit dem Ausspruch der Annahme des Beteiligten als Kind zwar die Änderung von Vor- und Familienname, jedoch keine Änderung des Geburtsdatums beschlossen hat, wäre die weitere Beschwerde der Beteiligten zu 1 und 2 zurückzuweisen. In diesem Fall wäre nach den bislang vorgelegten Urkunden anzunehmen, dass das in der ursprünglichen Geburtsurkunde des Beteiligten zu 3 angegebene Geburtsdatum, der 18. September 1998, zutreffend und rechtlich maßgeblich ist. Die spätere, zeitlich unmittelbar nach dem Ausspruch der Adoption erstellte Geburtsurkunde, in der der Beteiligte zu 3 mit seinem neuen Vor- und Familienname bezeichnet ist, wäre hinsichtlich des dort angegebenen Geburtsdatums (18. März 1999) unrichtig. Anhaltspunkte dafür, dass diese abweichende Angabe des Geburtsdatums auf Erkenntnissen der zuständigen Behörden darüber beruht, dass die Angabe des Geburtsdatums in der früheren Urkunde unzutreffend war und berichtigt werden musste, sind bislang nicht ersichtlich. Gegebenenfalls kann auch insoweit eine weitere Aufklärung des Sachverhalts (§ 12 FGG) veranlasst sein.

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