|
|
|
Der Strafgefangene verbüßt in der Justizvollzugsanstalt Y. eine langjährige Freiheitsstrafe wegen Betruges, danach ist Sicherungsverwahrung vermerkt. Mit Verfügung vom 16.12.2003 gestattete der Anstaltsleiter der Verlobten des Strafgefangenen, an den der Mutter gewährten unüberwachten Langzeitbesuchen wegen deren gesundheitlichen Problemen teilzunehmen, widerrief diese Genehmigung jedoch am 18.05.2004, weil festgestellt worden war, dass die Mutter den Langzeitbesuchsraum verlassen und der Strafgefangene mit seiner Verlobten etwa eineinhalb Stunden bei geschlossener Türe alleine gewesen sei. Den vom Antragsteller erhobenen Antrag auf gerichtliche Entscheidung wies die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 04.10.2004 als unbegründet zurück, da die Justizvollzugsanstalt ihr Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt habe.
|
|
|
Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Rechtsbeschwerde rügt der Strafgefangene die Verletzung sachlichen Rechts. Außerdem macht er geltend, die Strafvollstreckungskammer habe gegen ihre Aufklärungspflicht verstoßen, da diese seinen Vortrag, eine die Anwesenheit der Mutter begründende Weisung sei nicht ergangen, unberücksichtigt gelassen habe.
|
|
|
Die Rechtsbeschwerde, welche zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Fortbildung des Rechts (Anforderung an die Begründung von Ermessensentscheidungen bei Widerruf von Langzeitbesuchen) zuzulassen war, ist bereits mit der erhobenen Sachrüge begründet und führt zur Aufhebung der ergangenen Entscheidungen.
|
|
|
1. Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 19.06.2001 (1 Ws 399/01) grundsätzlich zur Zulässigkeit von Langzeitbesuchen Stellung genommen und unter Bejahung derselben ausgeführt, dass solche möglich sind, wenn sie die Behandlung oder Eingliederung des Gefangenen fördern, § 24 Abs. 2 StVollzG. Der Langzeitbesuch ist zwar nicht gesetzlich ausdrücklich geregelt, unterfällt dieser Vorschrift aber als Sonderfall ebenfalls (OLG Hamm, ZfStrVO 99,308 f.). Wenn auch grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf Zulassung zum Langzeitbesuch besteht, so muss doch dort, wo entsprechende Räumlichkeiten eingerichtet und Langzeitbesuche grundsätzlich von der Anstalt zugelassen werden, wie dies bei der Justizvollzugsanstalt Y. der Fall ist, der Anstaltsleiter seine Entscheidung unter Berücksichtigung der in § 24 Abs. 2 StVollzG genannten Kriterien sowie der Grundsätze für die Durchführung des Strafvollzugs gem. §§ 2 - 4 StVollzG treffen, wobei allerdings - nachdem der Langzeitbesuch seiner Ausgestaltung nach ein unüberwachter Besuch ist - zusätzlich die in § 27 Abs. 1 Satz 1 StVollzG enthaltene Regelung zu beachten ist. Ergeben sich keine Gesichtspunkte, die eine Besuchsüberwachung - sei es in akustischer und optischer Form aus Gründen der Behandlung oder allein optischer Form aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt - erfordern, so steht die zu treffende Entscheidung im Ermessen des Anstaltsleiters; sie ist nur daraufhin gerichtlich zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist (OLG Hamm, a.a.O.). Da die räumlichen und persönlichen Kapazitäten der Vollzugsanstalt Y. nicht ausreichen, allen einsitzenden Strafgefangenen Langzeitbesuche zu ermöglichen, sind unter Berücksichtigung der wertsetzenden Bedeutung von Art. 6 Abs. 1 GG, wonach Ehe und Familie unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stehen, im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung Langzeitbesuche in erster Linie engen Familienangehörigen der Strafgefangenen wie deren Ehepartnern, den Eltern, den leiblichen Kindern und Geschwistern zu ermöglichen.
|
|
|
2. Diese Grundsätze sind auch beim Widerruf einer einmal erteilten Genehmigung eines Langzeitbesuches zu beachten.
|
|
|
a. Dabei kann der Senat offen lassen, ob auch die Verlobte zu dem nach § 24 Abs. 2 StVollzG i.V.m. Art. 6 GG geschützten Personenbereich gehört (vgl. OLG Hamm ZfStrVo 1999, 308 f.), da es hier um einen Widerruf einer bereits einmal erteilten Genehmigung für einen gemeinsamen Besuch der Mutter und der Verlobten des Strafgefangenen geht.
|
|
|
b. Die Verfügung der Justizvollzugsanstalt Y. vom 18.05.2004 stellt den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes dar. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG liegen ersichtlich vor, da davon auszugehen ist, dass der Strafgefangene schon wegen der anstaltsinternen Praxis wusste, dass ein jedenfalls längerfristiger Aufenthalt der Verlobten in Abwesenheit der Mutter von der ihm erteilten Genehmigung nicht erfasst war. Seinen gegenteiligen Äußerungen glaubt der Senat nicht.
|
|
|
c. Dieser Verstoß bedingt jedoch nicht zwingend den Widerruf, vielmehr steht die Entscheidung im Ermessen des Anstaltsleiters (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG).
|
|
|
Bereits hieran krankt die Verfügung vom 18.05.2004, weil dieser überhaupt keine Ermessenerwägungen zu entnehmen sind, vielmehr der Wortlaut („war zu widerrufen“) dafür spricht, dass die Justizvollzugsanstalt von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen ist. Dieser Mangel wurde auch durch die Verfügung vom 27.08.2004 nicht geheilt.
|
|
|
Auch im weiteren hält die Begründung entgegen der Ansicht der Strafvollstreckungskammer rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar handelt es sich nach Ansicht des Senates durchaus um einen nicht unerheblichen Vertrauensbruch, welcher eine solche Maßnahme durchaus rechtfertigen kann, es besteht vorliegend aber die Besonderheit, dass nach der eigenen Stellungnahme der Anstalt vom 27.08.2004 der Verstoß durch den Leiter der Besuchsabteilung fast eineinhalb Stunden hingenommen wurde, ohne dass dieser ein Einschreiten für notwendig erachtete. Ein solches wäre aber durchaus möglich gewesen. Hinzu kommt, dass nach § 27 Abs. 2 Satz 1 StVollzG ein Besuch sofort abgebrochen werden darf, wenn der Besucher oder der Gefangene gegen die Vorschriften des StVollzG oder die aufgrund dessen getroffenen Anordnung
trotz Abmahnung
verstoßen hat, wobei eine solche nach § 27 Abs. 2 Satz 2 StVollzG entbehrlich ist, wenn es unerlässlich ist, den Besuch sofort abzubrechen. Beides ist unterblieben.
|
|
|
Die in § 27 Abs. 2 StVollzG zum Ausdruck kommenden Grundsätze sind auf vorliegende Fallgestaltung zu übertragen, weshalb die Anstalt im Rahmen ihrer Ermessenerwägungen zu begründen haben wird, warum sie trotz früherer Duldung des Verstoßes nunmehr einen Widerruf der Genehmigung für unausweichlich hält.
|
|
|
Ergänzend wird zu bedenken sein, ob eine „nachträgliche“ Abmahnung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichen würde, zumal es sich beim Strafgefangenen um keinen „Gewalttäter“ handelt. Auch eine sonstige Abwägung der persönlichen Belange fehlt, insbesondere bleibt unklar, wie oft zuvor ein beanstandungsfreier Besuch erfolgt ist und ob die Mutter des Strafgefangenen wegen ihren gesundheitlichen Probleme Besuche auch alleine durchführen kann.
|
|
|
Da solche Erwägungen nicht angestellt wurden, sind der Beschluss der Strafvollstreckungskammer und die ihr zugrunde liegende Verfügung der Justizvollzugsanstalt aufzuheben und an diese zur neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zurückzugeben.
|
|
|
|