Auf die Berufung des beklagten Landes wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 03.06.2005 abgeändert:
1. Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 5.720,24 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 2.900,-Euro seit 30.12.2004 zu zahlen. Im übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
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Der Kläger beansprucht vom beklagten Land Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung, weil das Vermessungsamt R... mit Veränderungsnachweis vom 15.09.1983 die Grundstücksfläche des von ihm und seiner damaligen Ehefrau mit notariellem Kaufvertrag vom 25.9.1983 erworbenen Grundstücks aufgrund eines Fehlers statt mit richtig 356 qm mit 376 qm mitgeteilt hat. Aufgrund dieses Veränderungsnachweises beantragte die Verkäuferin des Grundstückes im Kaufvertrag die Aufteilung des Gesamtgrundstückes und verkaufte die mit 3,76 ar ausgewiesene Fläche zum Kaufpreis von 270,-DM pro qm, insgesamt 101.520,-. Die Gewährleistung der Verkäuferin für Flächenmaßrichtigkeit u.a. wurde ausgeschlossen. Nachdem das Vermessungsamt R... den Fehler bemerkt hatte, berichtigte es mit Veränderungsnachweis vom 09.07.2004 das Flächenmaß.
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Der Kläger beansprucht vom beklagten Land Schadensersatz, weil im Kaufvertrag der Verkäuferin aufgrund des ursprünglich falschen Veränderungsnachweises 20 qm x 270,-DM somit 5.400,-DM zu viel bewilligt wurden. Da die Verkäuferin nicht in Anspruch genommen werden könne, fordert er vom beklagten Land den Mehrkaufpreis, den Mehrbetrag an Erschließungskosten und den Mehrbetrag der Grundsteuer, 163,90 und 108,-DM, insgesamt 5.671,90 DM. Weiter beansprucht er Zinsen aus Darlehen für diesen Betrag in der Zeit vom 15.10.1983 -31.12.1999 mit einem Durchschnittszinssatz von 6 % in Höhe von 5.515,92 DM, somit mit der Klage insgesamt 11.187,82 DM (=5.720,24 Euro).
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Der Kläger hat beantragt,
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das beklagte Land zu verurteilen, an den Kläger 5.720,24 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Das beklagte Land hat beantragt,
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Das Landgericht hat eine schuldhafte Verletzung drittgerichteter Amtspflichten bejaht und der Klage stattgegeben.
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Gegen dieses Urteil wendet sich das beklagte Land mit seiner Berufung.
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Es ergänzt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag und macht insbesondere weiter geltend, dass keine drittschützende Amtspflicht verletzt worden sei. Eintragungen in Liegenschaftskataster hätten keine Drittschutzwirkung. Die Vermessungsbehörden hätten auch nicht die Pflicht, den Flächeninhalt im Liegenschaftskataster exakt anzugeben. Bei Vermögensschäden würden Sie nur für Vorsatz haften. Im übrigen greife eine Haftung deshalb nicht ein, weil der Kläger die Verkäuferin wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage noch in Anspruch nehmen könne. Seinen Zinsanspruch habe der Kläger nicht hinreichend dargelegt.
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Das beklagte Land beantragt,
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auf seine Berufung das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 03.06.2005 abzuändern und die Klage abzuweisen.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er ergänzt sein Vorbringen erster Instanz und nimmt auf das Urteil des Landgerichts Bezug, das er für zutreffend hält.
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Die Berufung des beklagten Landes ist überwiegend unbegründet. Sie hat nur insoweit Erfolg, als das Landgericht Prozesszinsen auch für den in der Hauptforderung enthaltenen Zinsbetrag und nicht nur für die übrige Hauptforderung von 2.900,-Euro zugesprochen hat. Insoweit ist das Urteil auf die Berufung abzuändern und die Klage abzuweisen
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Auch der Senat bejaht eine Haftung des beklagten Landes gem. § 839 Abs. 1 BGB in Verb. mit Art 34 GG wegen schuldhafter Verletzung einer Amtspflicht der Beamten des Vermessungsamtes R... . Das fehlerhafte Handeln der zuständigen Beamten des Vermessungsamtes R... bei der Übermittlung des Ergebnisses der Vermessung ist ebenso unstreitig wie die Berechtigung des Klägers nach Scheidung und Auseinandersetzung mit seiner geschiedenen Ehefrau den Schadensersatzanspruch geltend zu machen. Abgesehen von den Zinsen nimmt die Berufung die Berechnung des Schadens hin.
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Es kann dahinstehen, ob, wie der Kläger meint, bereits durch die Aufnahme eines fehlerhaft ermittelten Flächenmaßes in das Liegenschaftskataster und dessen Mitteilung an das Grundbuchamt zur Übernahme in das Grundbuch gemäß § 6 Abs. 5 der Verordnung zur Durchführung der Grundbuchverordnung (Grundbuchverfügung -GBV-) eine drittgerichtete Amtspflicht gegenüber dem Eigentümer oder Erwerber des Grundstückes verletzt werden kann. Die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht gegenüber dem Kläger ist hier jedenfalls deshalb zu bejahen, weil gerade aus Anlass des bevorstehenden Verkaufs das Grundstück zum Zwecke der Aufteilung des gesamten Grundstückes vom Vermessungsamt R... im Auftrag der Verkäuferin vermessen werden sollte. Die Verkäuferin hat zeitnah 10 Tage später im notariellen Kaufvertrag mit dem Kläger und seiner früheren Ehefrau auf dieser Grundlage unter Bezugnahme auf diese Vermessung die Aufteilung des Gesamtgrundstückes beantragt und ein Teilgrundstück unter Bezugnahme auf diese Vermessung mit dem falschen Flächenmaß und mit einer im Kaufvertrag enthaltenen falschen, für die Käufer nachteiligen Kaufpreisberechnung an den Kläger und seine frühere Ehefrau verkauft. Dadurch wurden die Käufer so eng in den Pflichtenkreis des Vermessungsamtes R... gegenüber der Verkäuferin als Auftraggeber der Vermessung einbezogen, dass jedenfalls deshalb eine Drittwirkung ihrer Amtspflichten auch ihnen gegenüber nicht verneint werden kann. Es kann nicht ernsthaft zweifelhaft sein, dass das Vermessungsamt der Verkäuferin gegenüber die Amtspflicht hatte, das Grundstück fehlerfrei zu vermessen und ihr das richtige Ergebnis der Vermessung mitzuteilen. Zweifelhaft kann nur sein, ob diese Pflicht im Sinne der Drittgerichtetheit auch gegenüber den Käufern bestand.
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Die Drittgerichtetheit der Amtspflicht ist ein Tatbestandsmerkmal des Amtshaftungsanspruchs, das sowohl eine haftungsbegründende, als auch eine haftungsbegrenzende Funktion hat. Haftungsbegründend, soweit es klar stellt, gegenüber welchem Geschädigten die Verantwortlichkeit des Staates oder der haftpflichtigen Körperschaft eintritt. Haftungsbegrenzend insoweit, als anderen Personen, die nicht zum Kreis der "Dritten" zählen, ein Anspruch auch dann versagt wird, wenn sich das pflichtwidrige Handeln des Amtsträgers für sie nachteilig ausgewirkt hat. (Staudinger/Wurm BGB 2002 § 839 BGB Rdnr. 173). Der Kreis der anspruchsberechtigten Dritten ist stets nach der Zweckrichtung und der Schutzbereichswirkung der verletzten Amtspflicht zu bestimmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umkreisenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäftes ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäftes geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Die Wahrung der Interessen der Allgemeinheit darf nicht überwiegen oder der Amtshandlung nicht das entscheidende Gepräge geben. Liegt die Amtspflicht im Interesse einzelner Personen, so zieht die Rechtsprechung den Kreis der Dritten sehr weit und schließt auch Personen ein, die an dem Amtsgeschäft nicht unmittelbar beteiligt sind. Dritte können auch solche Personen sein, die im Zeitpunkt der Pflichtverletzung noch nicht als Mitglieder des geschützten Personenkreises erkennbar waren oder gegen die der Eingriff erst später wirksam wird. (Soergel/Vinke BGB 13. Aufl. § 839 Rdnr. 131). Namentlich auf dem Gebiet des Beurkundungs- und Grundbuchwesens wird deshalb seit je her der geschützte Personenkreis besonders weit gezogen, da diese Amtsgeschäfte nach ihrer besonderen Natur geeignet und bestimmt sind, in die Zukunft zu wirken und so den Rechtskreis auch der an dem Amtsgeschäft nicht urkundlich Beteiligten zu beeinflussen. Demgemäß zählen auch diejenigen zu den Dritten, die auf die richtige Führung der Bücher oder die Verlässlichkeit der Urkunde angewiesen sind und hierauf vertrauend im Rechtsverkehr tätig werden (Vinke aaO.; BGH VersR 1963, 1130 und 1135). Diese Grundsätze würden dafür sprechen, bereits der Mitteilung des Vermessungsamtes an das Grundbuchamt mit dem Flächenmaß solche Drittwirkungen zu Gunsten weiter Kreise zuzusprechen (so RGZ 148, 375 zugunsten eines Kreditgebers).
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Im hier zu entscheidenden Fall kommt als Besonderheit hinzu, dass das Vermessungsamt auf Veranlassung der Verkäuferin in deren Interesse aber auch im Interesse der bereits vorgesehenen Käufer tätig wurde. Das Gesamtgrundstück sollte zum Zwecke der Aufteilung in zwei Grundstücke vermessen werden. Für das Vermessungsamt war unter diesen Umständen erkennbar, dass auch die Größe der einzelnen Grundstücke wichtig war. Dies gab hier der Amtshandlung das entscheidende Gepräge zugunsten derjenigen, die aktuell an der Aufteilung interessiert waren. Daraus ergab sich gegenüber den aktuell an der Vermessung Interessierten die Verpflichtung der Beamten des Vermessungsamtes das richtige Ergebnis der Vermessung des Teilgrundstückes und nicht das des anderen mitzuteilen. Die Verletzung dieser Verpflichtung auch gegenüber dem Kläger als Käufer ist nicht mit der Auswirkung einer fehlerhaften Untersuchung eines PKW durch den Sachverständigen des TÜV für den späteren Erwerber des PKW vergleichbar. Für diesen Fall verneint der BGH eine drittgerichtete Amtspflicht weil diese nicht dem Schutz vor Vermögensschäden dient, die ein Käufer durch den Erwerb eines mangelhaften Fahrzeuges erleidet ( BGH NJW 1973,459). Hier war der Kläger anders als in jenem Fall bereits unmittelbar in den Pflichtenkreis der Amtsträger bei der Vermessung für die Teilung einbezogen.
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So ist auch im Falle eines Bauvorbescheides in der Rechtsprechung anerkannt, dass einem künftigen Käufer gegenüber eine drittschützende Amtspflicht bestehen kann (BGH NJW 1994, 130). Nach der Rechtsprechung ist jeweils zu prüfen, ob gerade das im Einzelfall berührte Interesse nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt werden soll. Es genügt, dass die Amtspflicht neben der Erfüllung allgemeiner Interessen und öffentlicher Zwecke auch den Zweck verfolgt, die Interessen einzelner wahrzunehmen. Die Feststellung einer besonderen Beziehung der Geschädigten zur verletzten Amtspflicht lässt sich einfacher treffen, wenn es um ein Amtsgeschäft geht, das auf Antrag des Dritten vorzunehmen ist (BGH NJW 2005, 742). Eine unmittelbare Beteiligung an dem Amtsgeschäft ist nicht notwendige Voraussetzung für die Annahme einer drittgerichteten Amtspflicht ( BGH NJW 2005,1865,1866).
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Nach diesen Grundsätzen bestand hier auch gegenüber den Käufern eine drittgerichtete Amtspflicht zur Ermittlung und Mitteilung des korrekten Flächenmaßes. Entgegen dem Vorbringen der Berufung bezog sich hier die Amtspflicht bei der Vermessung nicht nur auf die Individualisierbarkeit des Grundstückes und die Eintragung im Liegenschaftskataster sowie im Grundbuch. Fragen des öffentlichen Glaubens des Grundbuches haben für die Entscheidung keine Bedeutung. Die vom beklagten Land zitierten Entscheidungen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Sie beziehen sich nicht auf einen Sachverhalt bei dem wie hier die Beamten im Auftrag und für vorrangige Interessen von Bürgern tätig wurden.
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Die Haftung des beklagten Landes bereits für Fahrlässigkeit seiner Beamten ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Gegenteiliges kann der zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH BauR 2003, 860) nicht entnommen werden. Auch dort wurde eine Haftung schon wegen einfacher Fahrlässigkeit bejaht. Auf den Haftungsmaßstab für die persönliche Haftung eines Sachverständigen kommt es hier nicht an.
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Ohne Erfolg beruft sich das beklagte Land auf die Subsidiarität seiner Haftung gemäß § 839 Abs. 3 BGB. Der Gewährleistungsausschluss für das Flächenmaß steht der Anwendung der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage entgegen (BGHZ 117, 159). Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass beide Parteien von der Richtigkeit des im Kaufvertrag enthaltenen Flächenmaßes ausgegangen sind.
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Der Senat verneint ein Mitverschulden des Klägers. Er musste nicht erkennen, dass das andere Teilgrundstück tatsächlich das größere war und deshalb das Flächenmaß des von ihm erworbenen Grundstückes falsch sein musste. Solches drängte sich nicht auf. Er hatte keinen Anlass, überhaupt eine solche Betrachtung anzustellen.
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Die Zuerkennung von Zinsen, soweit sie als Hauptforderung geltend gemacht werden, ist nicht zu beanstanden. Das Vorbringen des Landes rechtfertigt keine abweichende Tatsachenfeststellung.
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Die Berufung des beklagten Landes hat nur insoweit Erfolg als das Landgericht Prozesszinsen auch für die in der Hauptforderung enthaltenen Zinsen zugesprochen hat. Dem steht das Zinseszinsverbot gemäß §§ 289 Satz 1, 291 Satz 2 BGB entgegen. Die Voraussetzungen eines insoweit entstandenen Verzugsschadens gemäß § 289 S. 2 BGB hat der Kläger nicht dargetan.
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