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Dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe auf Erlass einer Haftanordnung kann nicht entsprochen werden.
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Der am 23.8.2006 festgenommene Verfolgte ist Bezugsperson einer Ausschreibung der französischen Justizbehörden im Schengener Informationssystem (SIS) aufgrund eines Haftbefehls des Gerichts in C./Frankreich vom 28.7.2006. Hierin wird ihm unter dem Gesichtspunkt der bandenmäßig begangenen Hehlerei folgendes vorgeworfen:
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„Am 6.2.2002 wird ... im Tunnel von F. nach M. angehalten/festgenommen, als er Möbel und Gegenstände transportierte, die aus einem Diebstahl stammen, der in der Nacht vom 5.2.2002 auf den 6.2.2002 in C. begangen wurde, wobei die Tat bandenmäßig begangen wurde“.
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1. Die Voraussetzungen zum Erlass eines Auslieferungshaftbefehls liegen nicht vor. Zwar reicht nach § 83a Abs.2 IRG hierfür auch eine Ausschreibung des Verfolgten im Schengener Informationssystem (SIS) aus, erforderlich ist aber auch insoweit, dass diese die in § 83a Abs.1 IRG bezeichneten Angaben enthält. Danach bedarf es insbesondere einer ausreichende Beschreibung der Umstände, unter denen die Straftat begangen wurde, einschließlich der Tatzeit, des Tatortes und der Tatbeteiligung der gesuchten Person (§ 83a Abs.1 Nr. 5 IRG), welche in Fällen, in denen - wie hier - die Tat nicht ersichtlich und nachvollziehbar zu den in § 81 Nr. 4 IRG i.V.m. Art. 2 Abs. 2 RbEuHb bezeichneten Deliktsgruppen gehört, auch die nach Art.3 Abs. 1 IRG gebotene Prüfung möglich ist, ob das dem Verfolgten vorgeworfene Verhalten nach deutschem Recht strafbar ist. Hieran fehlt es, weil die Ausschreibung in diesem wesentlichen Punkt (vgl. hierzu Senat, Beschluss vom 10.8.2006, 1 AK 30/06) lückenhaft ist. Nach dieser wird dem Verfolgten weder die Begehung eines Diebstahls noch eine strafrechtlich relevante Beteiligung an einem solchen oder an der Weiterverwertung der Tatbeute vorgeworfen, sondern ihm liegt lediglich der Transport aus einem Diebstahl stammender Möbel und Gegenstände zur Last. Dies wäre aber nach deutschem Recht nach § 259 StGB nur dann als strafbewehrt anzusehen, wenn der Verfolgte von der Vortat - zumindest in Form des bedingten Vorsatzes - gewusst und in dieser Kenntnis den Transport durchgeführt hätte. Hierzu enthält die Ausschreibung keine Angaben. Eine gegenteilige Bewertung verschließt sich trotz der zeitlichen Nähe zwischen Diebstahl und Transport der Beute deshalb, weil der Verfolgte bei seiner Anhörung vor dem Haftrichter angegeben hat, das Transportgut auf einem Flohmarkt gekauft und der französischen Polizei bei der Fahrzeugkontrolle sogar entsprechende Kaufquittungen vorgelegt zu haben. Hinzu kommt, dass die Ausschreibung auch jeden Hinweis auf den Wert des Transportgutes vermissen lässt und damit eine Prüfung, ob und inwieweit der Verfolgte in Bereicherungsabsicht i.S.d. § 259 StGB gehandelt hat, nicht möglich ist.
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2. Auch der von der Generalstaatsanwaltschaft K. beantragte Erlass eines vorläufigen Auslieferungshaftbefehls (zu dieser Möglichkeit vgl. Senat StV 2005, 232) scheidet aus Rechtsgründen aus, weil auch hierfür eine Tatbeschreibung erforderlich ist, die eine zureichende Prüfung einer Strafbarkeit des Verfolgten und eine Subsumtion unter einen Straftatbestand ermöglicht (vgl. Senat, Beschluss vom 15.8.2005, 1 AK 40/05, Schomburg/Lagodny/Gleß/Hackner, Internationale Rechtshilfe in Strafsachen, 2006, § 16 Rn. 16 m.w.N.). Auch dieser Anforderung wird die in der Ausschreibung erfolgte Umschreibung des dem Verfolgten vorgeworfenen Verhaltens nicht gerecht.
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3. Der Senat hat die Vornahme von weiteren Ermittlungsmaßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts, insbesondere die kurzfristige Beiziehung von Haftunterlagen der französischen Justizbehörden, erwogen, hiervon jedoch aus folgenden Gründen abgesehen:
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Der Verfolgte verfügt in Italien über einen festen Wohnsitz, so dass er als Bürger der Europäischen Union nicht als wohnsitzlos angesehen werden kann. Seine Einlassung, er habe der Polizei anlässlich der Fahrzeugkontrolle seine Wohnanschrift in Italien angegeben, erscheint nach Aktenlage ebenso glaubhaft, wie seine Bekundung, in der Folgezeit trotz seiner Erreichbarkeit nichts mehr von den französischen Justizbehörden gehört zu haben, zumal der Haftbefehl des Gerichts in C./Frankreich vom 28.7.2006 mehr als vier Jahre nach dem der Ausschreibung zugrunde liegenden Vorfall ergangen ist. Bei dieser Sachlage vermag der Senat nicht davon auszugehen, dass sich der Verfolgte einem Ermittlungs- oder Strafverfahren der französischen Justizbehörden entziehen wollte und eine solche Befürchtung für die Zukunft bestehen würde. Hinzu kommt, dass die Ausschreibung auch keine Angaben zum Wert des Transportgutes trifft, so dass - auch einer Haftanordnung entgegenstehende - etwaige Auslieferungshindernisse nach § 73 Satz 2 IRG nicht beurteilt werden können.
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Bei dieser Sachlage war ein Zuwarten im Hinblick auf etwaige weitergehende Erkenntnisse aus den eigentlichen Haftanordnungen der französischen Justizbehörden nicht möglich, sondern unverzüglich - die Akten gingen erst am 30.8.2006 beim Oberlandesgericht ein - über die Haftfrage des sich aufgrund einer bloßen Festnahmeanordnung nach § 19 IRG schon acht Tage in Haft befindlichen Verfolgten zu entscheiden. Dies führte zu Ablehnung des Erlasses eines - auch vorläufigen - Auslieferungshaftbefehls und zur unverzüglichen Anordnung der Freilassung des Verfolgten.
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