Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 18 UF 363/12

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 20.02.2013 wird zurückgewiesen.

Gründe

 
Dem Antrag der Antragsgegnerin, die sofortige Wirksamkeit von Ziffer 3 des angefochtenen Beschlusses anzuordnen, kann nicht stattgegeben werden. Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.
1. Die Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 2 und 3 FamFG ist in der jeweiligen Endentscheidung zu treffen (Prütting/Helms, FamFG, 2. Auflage 2011, § 116 Rn 30). Wurde eine entsprechende Anordnung versäumt, hat der Gläubiger die Möglichkeit, gemäß § 120 Abs. 1 FamFG in entsprechender Anwendung von §§ 716, 321 ZPO eine Ergänzung des Titels zu beantragen. Nach Ablauf der 2-Wochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO kommt weder eine Ergänzung der Endentscheidung noch eine isolierte Anordnung der sofortigen Wirksamkeit durch das Beschwerdegericht in Betracht.
2. Der teilweise vertretenen Ansicht, das Beschwerdegericht könne die in erster Instanz unterbliebene - in der Sollvorschrift des § 116 Abs. 3 FamFG vorgesehene - Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit nachholen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die insoweit herangezogenen Vorschriften der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 3 FamFG bzw. §§ 120 Abs. 1 FamFG, 718 Abs. 1 ZPO (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Auflage 2011, § 64 Rn 58a; nahezu wortgleich OLG Bamberg, Beschluss vom 22.06.2012 - 2 UF 296/11 - juris; Prütting/Helms, FamFG, 2. Auflage 2011, § 116 Rn 30 - ohne Begründung -; teils unklar Keidel/Weber, a.a.O., § 116 Rn 9), bieten für eine entsprechende Anordnung des Beschwerdegerichts keine hinreichende gesetzliche Grundlage.
a) Eine auf § 64 Abs. 3 FamFG gestützte nachträgliche Anordnung der sofortigen Wirksamkeit widerspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Nach § 64 Abs. 3 FamFG kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 24 Abs. 3 FGG (BT-Drucks. 16/6308, S. 206) und beruht darauf, dass der Einlegung der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt (Musielak/Borth, ZPO, 9. Auflage 2012, § 64 FamFG Rn 8; MünchKomm/Koritz, ZPO, 3. Auflage 2010, § 64 Rn 7). § 64 Abs. 3 FamFG soll es dem Beschwerdegericht ermöglichen, einer - der Endentscheidung vorgreiflichen - Veränderung der Sachlage entgegenzuwirken (Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Auflage 2006, § 24 Rn 14). Diesem Zweck liefe eine Anordnung der sofortigen Vollziehung zuwider, da sie die Vollstreckbarkeit der titulierten Unterhaltsansprüche und damit den Vorgriff auf die Endentscheidung gerade ermöglichen statt verhindern würde. Ausgehend hiervon bezieht sich § 64 Abs. 3 FamFG faktisch ausschließlich auf Familiensachen, die keine Familienstreitsachen darstellen (Musielak/Borth, a.a.O., § 64 Rn 8), da letztere gemäß § 116 Abs. 3 S. 1 FamFG ohnehin erst mit Rechtskraft wirksam werden.
Auch der Umstand, dass für Entscheidungen in Familienstreitsachen in §§ 116 Abs. 3, 120 Abs. 2 FamFG Sonderregelungen zur Vollstreckbarkeit vorgesehen sind, spricht gegen die Möglichkeit, eine unterlassene Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit unter Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG im Beschwerdeverfahren nachzuholen.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung über die sofortige Wirksamkeit unanfechtbar ist. Sie ist damit einer eigenständigen Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Form, dass die zweitinstanzliche Entscheidung an die Stelle der erstinstanzlichen gesetzt wird, entzogen. Das Beschwerdegericht kann vielmehr nur eine bereits ergangene Entscheidung an die Umstände des Einzelfalls anpassen, z.B. die Vollziehung aussetzen.
b) Die sofortige Wirksamkeit kann auch nicht in entsprechender Anwendung von § 718 ZPO nachträglich angeordnet werden.
Zwar ermöglicht es § 718 ZPO, aufgrund mündlicher Verhandlung eine erstinstanzlich unterlassene Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in der nächst höheren Instanz nachzuholen (MünchKomm/Götz, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 718 Rn. 2; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Auflage 2012, § 718 Rn 1). § 718 ZPO ist jedoch auf die zivilprozessualen Vorschriften der §§ 708 ff. ZPO zugeschnitten. Danach ist die von Amts wegen auszusprechende Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit für alle Urteile mit vollstreckungsfähigem Inhalt zwingend vorgeschrieben. Demgegenüber steht die in § 116 Abs. 3 FamFG vorgesehene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit - auch in Unterhaltssachen - im Ermessen des Gerichts. Im Falle der Nachholung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wäre daher eine im Verfahren nach 718 ZPO nicht vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen.
Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit aufgrund ihrer Unanfechtbarkeit nicht darauf überprüfen kann, ob bei der erfolgten oder abgelehnten Anordnung der sofortigen Wirksamkeit von dem eingeräumten Ermessen Gebrauch bzw. fehlerfrei Gebrauch gemacht wurde. Da die Ablehnung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nicht zwingend in den Tenor aufzunehmen ist, kann aus dem fehlenden Ausspruch hierzu grundsätzlich nicht geschlossen werden, dass das Ausgangsgericht hierzu keine (Ermessens-)Entscheidung getroffen hat. Schon von daher kann das Beschwerdegericht deshalb bei einem unterbliebenen Ausspruch zur sofortigen Wirksamkeit diese nicht aufgrund einer eigenen Ermessensentscheidung anordnen.

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