Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 Ws 213/14 L

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts - Strafvollstreckungskammer - Z. vom 07. August 2014 aufgehoben.

2. Die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Z. vom ... wird zur Bewährung ausgesetzt.

3. Der Zeitpunkt der Entlassung wird auf den ... festgesetzt.

4. Die Bewährungszeit wird auf fünf Jahre festgesetzt.

5. Der Verurteilte wird ab dem Beschlussdatum und für die Dauer der Bewährungszeit dem zuständigen Bewährungshelfer unterstellt. Dies ist bis zur Entlassung des Verurteilten die für die Justizvollzugsanstalt V. zuständige Einrichtung der Bewährungshilfe.

6. Dem Verurteilten wird auferlegt, ab dem Beschlussdatum monatlich mindestens drei therapeutische Sitzungen bei der Forensischen Ambulanz wahrzunehmen. Die Kosten der Behandlung trägt ab dem Beschlussdatum die Staatskasse, solange und soweit der Verurteilte zur Tragung der Kosten selbst nicht in der Lage ist.

7. Die Entscheidung über die Erteilung von weiteren Auflagen und Weisungen bezüglich der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen der Entlassung wird auf die zuständige Strafvollstreckungskammer übertragen.

8. Die mündliche Belehrung des Verurteilten über die Aussetzung der Strafe nach § 454 Abs. 4 StPO wird der Justizvollzugsanstalt V. übertragen, die gebeten wird, die Niederschrift der Belehrung zu den Gerichtsakten zu geben.

9. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Staatskasse zur Last. Diese hat auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen.

Gründe

 
I.
Der nunmehr 63 Jahre alte O. wurde durch Urteil des Landgerichts Z. vom …. wegen Mordes in Tateinheit mit besonders schwerem Raub zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er 1973 gegen Mitternacht zunächst in die Parterrewohnung der 72jährigen B. in Z. eingestiegen war, um dort Geld zu entwenden. Obwohl er im schwach beleuchteten Zimmer die schlafende Frau bemerkte, schaltete er das Deckenlicht an, worauf Frau B. erwachte. Als diese zu schreien begann, würgte er sie, bis sie nur noch röchelte und rücklings aus dem Bett fiel. Nachdem er ihre Beine gespreizt hatte, um ihr Geschlechtsteil zu betrachten, wickelte er eine aufgefundene Schnur mehrfach um den Hals der Frau und zog so kräftig zu, dass tiefe Einkerbungen entstanden und Frau B. verstarb. Anschließend durchsuchte er die Wohnung nach Geld, fand zehn DM in einer Handtasche und ging mit dieser Beute nach Hause. Dort befriedigte er sich selbst, wobei er sich das Geschlechtsteil der Toten vorstellte. Das Schwurgericht ist bei der Beurteilung der Mordmerkmale des § 211 StGB davon ausgegangen, dass O. Frau B. getötet hat, um eine andere Straftat zu ermöglichen. Sichere Feststellungen, dass er die Frau auch zur Befriedigung seines Geschlechtstriebes getötet habe, konnte das Schwurgericht nicht treffen, auch wenn gewisse Anzeichen hierauf hin gedeutet hätten.
Mit Beschluss vom 28.01.1994 erklärte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts L., dass nach Verbüßung von mehr als 16 Jahren der lebenslangen Freiheitsstrafe, deren Vollstreckung zur Verbüßung anderer Freiheitsstrafen zeitweise unterbrochen war, die besondere Schwere der Schuld deren Vollstreckung nicht mehr weiter gebiete, lehnte jedoch deren Aussetzung zur Bewährung ab.
Hinsichtlich der Verbüßungszeiten des sich seit 19.07.1973 mit Ausnahme von kurzen Zeiten aufgrund von Ausbrüchen ununterbrochen nunmehr seit 41 Jahren in Haft befindlichen Verurteilten ist festzustellen, dass 15 Jahre der lebenslangen Freiheitsstrafe am 29.07.1989 verbüßt waren. Unterbrochen wurde die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe in der Zeit
Wird ausgeführt:
Mit Beschluss vom 05.05.2010 versagte die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Z. eine bedingte Entlassung nach Einholung eines schriftlichen kriminalprognostischen Gutachtens durch die Sachverständige Dr. S vom 29.10.2009 und der am 25.03.2010 erfolgten mündlichen Anhörung des Verurteilten und der Sachverständigen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Verurteilten verwarf der Senat mit Beschluss vom 03.06.2011 (1 Ws 111/10 L).
Zum Lebensweg, der Anlasstat, dem Vollzugsverlauf und der körperlichen und psychischen Verfassung des Verurteilten hat der Senat damals aufgrund der Aktenlage, insbesondere dem Urteil des Landgerichts Z. vom 04.12.1973 sowie dem Gutachten der Sachverständigen Dr. S. sowie den unten angeführten Vorbegutachtungen und sonstige Urkunden folgende Feststellungen getroffen:
Wird ausgeführt:
Mit Beschluss vom 07.08.2014 lehnte das Landgericht - Strafvollstreckungskammer - Z. erneut die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung aus dem Urteil des Landgerichts Z. vom 26.11.1973 nach Einholung einer sachverständigen Begutachtung durch Prof. Dr. F. ab. Hiergegen wendet sich der Verurteilte mit dem Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde, welche er über seinen Verteidiger mit Schrift vom 01.09.2014 form- und fristgerecht eingelegt und am 06.10.2014 mit weiterer Schrift näher begründet hat. Der Senat hat eine vom 09.02.2015 datierende schriftliche Stellungnahme der Forensischen Ambulanz eingeholt und am 06.03.2015 den Verurteilten, die Sozialarbeiterin R. von der Justizvollzugsanstalt V., die Diplom-Psychologin A. von der Forensischen Ambulanz und den Sachverständigen Prof. Dr. F. persönlich angehört, wobei wegen der Einzelheiten der Anhörung auf das hiervon gefertigte Protokoll verwiesen wird.
Das Rechtsmittel hat Erfolg, da es verantwortet werden kann, die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Z. vom …. zur Bewährung auszusetzen und den Verurteilten nach noch von der von Justizvollzugsanstalt V. zu gewährenden entlassvorbereitenden und vollzugsöffnenden Maßnahmen und der Fortführung der psychotherapeutischen Behandlung durch die Forensische Ambulanz zum …. aus der Haft zu entlassen.
II.
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1. Die Verantwortungsklausel des § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB, welche nach § 57 a Abs.1 Satz 1 Nr. 3 StGB auch für die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe gilt, fordert als Voraussetzung für eine vorzeitige bedingte Entlassung die Wahrscheinlichkeit des Erfolges der Aussetzung der Vollstreckung, wobei insbesondere das ausdrückliche genannte Kriterium des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit sowie das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgutes dem Wahrscheinlichkeitsurteil Grenzen setzen. In diesem Rahmen setzt das mit der Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung verbundene „Erprobungswagnis“ keine Gewissheit künftiger Straffreiheit voraus; es genügt vielmehr, wenn - eindeutig festzustellende - positive Umstände die Erwartung im Sinne einer wirklichen Chance rechtfertigen, dass der Verurteilte im Falle seiner Freilassung nicht mehr straffällig, sondern die Bewährungszeit durchstehen werde. Dabei gehen nicht aufklärbare Unsicherheiten und Zweifel, ob solche Umstände in zureichendem Maße vorliegen, zu Lasten des Verurteilten. Bezüglich möglicher künftiger Straftaten ist zwar ein Restrisiko einzugehen; ob dieses vertretbar ist, ist durch eine Gesamtabwägung aller entscheidungserheblicher Umstände zu ermitteln, wobei dem Sicherheitsanliegen der Allgemeinheit besonderes Gewicht zukommt. Je höherwertigere Rechtsgüter in Gefahr kommen können, um so geringer darf das Risiko eines Rückfalls sein. Auch insoweit gehen verbleibende Zweifel und Unsicherheiten zu Lasten des Verurteilten. Dies gilt insbesondere dann, wenn im Falle eines Bewährungsbruchs schwere Gewalttaten oder sogar Tötungsdelikte zu erwarten sind. Die nicht näher konkretisierbare bloße Möglichkeit, dass der Verurteilte erneut solche schwere Straftaten begehen könnte, steht der Aussetzung jedoch nicht entgegen (vgl. BVerfG NJW 1992, 2345; 1998, 2202; Senat StraFo 2004, 287 sowie zuletzt Beschlüsse vom 09.05.2007 - 1 Ws 247/06 -, vom 08.02.2011 - 1 Ws 122/10 -, vom 27.02.2014 - 1 Ws 136/13 - und vom 28.03.2014 - 1 Ws 12/13 -).
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2. Diese grundsätzlich auch für die Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a StGB geltenden allgemeinen Maßstäbe bedürfen wegen der nunmehr bereits über 41 Jahre andauernden Gesamtinhaftierung des Verurteilten im vorliegenden Fall besonders sorgfältiger Prüfung, um verfassungsrechtlichen Anforderungen zu genügen. Die lebenslange Freiheitsstrafe ist nämlich nur dann mit der sich aus Art. 1 Abs. 1 GG ergebenden Menschenwürde als vereinbar anzusehen, wenn der Verurteilte, dessen Freiheitsanspruch gegenüber dem Sicherheitsanliegen der Allgemeinheit mit der Dauer seiner Inhaftierung zunehmend an Gewicht gewinnt, eine konkrete und realisierbare Chance auf Wiedererlangung seiner Freiheit hat (BVerfGE 45, 187 ff., 245; Senat a.a.O.; zur Frage einer generellen zeitlichen Obergrenze für die lebenslange Freiheitsstrafe vgl. BVerfG EuGRZ 2002, 567 f. a.E.).
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a. Erforderlich ist zunächst eine qualifizierte Prognose im Hinblick auf das im Falle einer Freilassung des Verurteilten gefährdete Rechtsgut. Während es zwar grundsätzlich bezüglich des Rückfallrisikos nicht auf die Art der zu erwartenden Delikte ankommt, sondern bereits jede Straftat von einigem Gewicht ausreichen kann, ist bei der Aussetzung der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57a Abs.1 StGB die Gefahr der Begehung von Gewaltdelikten oder ähnlich schwerwiegender Straftaten erforderlich (BVerfG NJW 2007, 1933; KG NStZ-RR 1997, 382; NStZ 2004, 157; OLG Nürnberg StV 2000, 266). Ohne eine solche Begrenzung wäre die dem Verurteilten aus verfassungsrechtlichen Gründen eingeräumte konkrete und realisierbare Chance auf Wiedererlangung seiner Freiheit nicht gewährleistet, weil bereits die Befürchtung der Begehung weniger gewichtiger Delikte, wie etwa von leichten oder mittelschweren Vermögens- oder Betäubungsmittelstraftaten, die Fortdauer des wegen eines Gewaltdeliktes verhängten lebenslangen Freiheitsentzugs rechtfertigen könnte Senat a.a.O.).
13 
b. Auch sind erhöhte Anforderungen an die Kriminalprognose zu stellen. Dabei ist zunächst zu beachten, dass mit zunehmender Vollzugsdauer die Anlasstat an prognostischer Bedeutung verliert und demgegenüber solche Umstände an Bedeutung gewinnen, die Erkenntnisse über das Erreichen des Vollzugsziels vermitteln (BVerfG NStZ 2000, 109). Auch ist zu sehen, dass in Fällen von außergewöhnlich langer Vollzugsdauer und erheblicher Überschreitung der Mindestverbüßungszeit wegen besonderer Schuldschwere das Recht des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde (Art.1 Abs.1 GG) und sein verfassungsrechtlich verbürgter Freiheitsanspruch deutlich an Bedeutung gewinnen (BVerfG StV 1992, 25). Dies gilt insbesondere bei Fällen, in denen das fortschreitende Lebensalter die Wirkungen des Freiheitsentzugs noch verstärkt (BVerfGE 72, 105). Zwar kann die Verpflichtung des Staates zur Wahrung der Menschenwürde des Verurteilten wegen des fortbestehenden Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit vor schwersten Straftaten nicht dazu führen, dass ein wegen Mordes Verurteilter entlassen wird, wenn unklar oder zweifelhaft ist, ob die in der Tat zutage getretene Gefährlichkeit noch fortbesteht (BVerfG StV 1992, 25), jedoch muss die gewonnene Prognose sorgfältig gegen das Recht des Verurteilten auf Achtung seiner Menschenwürde abgewogen werden, so dass bei geringem Rückfallrisiko dieses Recht entscheidende Bedeutung erlangen kann. Auch darf die tatsächliche Verbüßungsdauer nicht außer Verhältnis zur Schuld des Verurteilten stehen (Senat JR 1988, 163 f.).
III.
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Zum weiteren Vollzugsverlauf seit der Entscheidung des Senats vom 03.06.2011, zur aktuellen körperlichen und psychischen Verfassung des Verurteilten, zum Stand der psychotherapeutischen Behandlung sowie zu den derzeit sich abzeichnenden Rahmenbedingungen nach Entlassung des Verurteilten aus der hat der Senat folgende Feststellungen getroffen, welche sich in erheblicher Weise von der früheren Ausgangslage unterscheiden:
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Wird ausgeführt: …
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5. Seit 2012 befindet sich der Verurteilte in psychotherapeutischer Behandlung bei der Forensischen Ambulanz. Nach Durchführung von zunächst sechs probatorischen Sitzungen haben mit ihm bis zum Zeitpunkt der Anhörung in der Regel in zweiwöchiger Sitzungsfrequenz 40 Sitzungen in der JVA V. durch die von der Forensischen Ambulanz beauftragte Therapeutin, Frau Dipl. Psychologin A. stattgefunden. Diese Gespräche haben eine erkennbare Veränderung der Persönlichkeit des Verurteilten bewirkt und dazu geführt, dass dieser zunehmend mit Konflikten umzugehen lernt. Während zu Beginn der Behandlung für die Therapeutin nur schwer Zugang zu den Gefühlen des Verurteilten zu finden war und dieser solche kaum kommunizieren und reflektieren konnte, ist er nunmehr in der Lage, eigene Affekte und solche anderer Personen wahrzunehmen. Dies zeigt sich etwa daran, dass er seit 2014 als Reiniger und Schänzer in der Justizvollzugsanstalt V. tätig ist und die Ausübung einer solchen Funktion eine Art „Brücke“ zwischen den Regeln der Vollzugsanstalt und den Gefangenen bildet, wobei er damit verbundenen Stress und Spannungen konfliktlos bewältigt. Allerdings ist die therapeutische Behandlung noch nicht abgeschlossen. Ziel der Therapie durch die Forensische Ambulanz ist es, über die biographische Anamnese die Ursachen für frühere Verhaltensmuster und damit auch für die früher begangenen Straftaten herauszufinden. Auch hat vor allem die Behandlung im Hinblick auf Fragen der sexuellen Entwicklung und aktuellen Sexualität des Verurteilten, einschließlich Fetischismus und Voyeurismus, erst begonnen und insoweit auftretende Fragen konnten noch nicht vertieft angesprochen worden. Jedoch liegt auch diesbezüglich zwischenzeitlich eine Behandlungsindikation, Behandlungsmotivation und Behandlungsfähigkeit vor, und es ist davon auszugehen, dass die therapeutische Intervention erfolgreich sein wird und noch bestehende Defizite aufgearbeitet werden können.
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6. Der Verurteilte kann nach seiner Haftentlassung zumindest vorübergehend bei … wohnen.
18 
Wird weiter ausgeführt
IV.
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Der Senat hält es unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit nunmehr für verantwortbar, unter Anwendung der Vorschrift des § 454a StPO die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe aus dem Urteil des Landgerichts Z. vom 26.11.1973 gemäß §§ 57, 57a StGB zur Bewährung auszusetzen, weil dem Verurteilten auch aufgrund der vom Senat am 06.03.2015 durchgeführten Anhörung bereits zum jetzigen Zeitpunkt eine günstige Sozialprognose gestellt werden kann (OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 311; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., 2014, § 454 a Rn. 1). Dabei waren bei der zu treffenden Prognoseentscheidung für den Senat folgende Erwägungen maßgebend:
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1. Neben der seit etwa 41 Jahren andauernden Inhaftierung des Verurteilten war für den Senat maßgeblich, dass dem Verurteilten durch die Justizvollzugsanstalt V. über die Forensische Ambulanz die Durchführung der im Beschluss des Senats vom 03.06.2011 angeregten intensiven einzeltherapeutischen Betreuung ermöglicht wurde und diese Behandlung entgegen zu Beginn bestehender Bedenken an der Erreichbarkeit des Verurteilten für eine solche therapeutische Intervention zu einer nachhaltigen und erfolgsversprechenden Persönlichkeitsveränderung geführt hat. Diese Bewertung des Senats hat auch der von der Strafvollstreckungskammer bestellte Sachverständige Prof. Dr. Klaus F. bei der Anhörung am 06.03.2015 ausdrücklich bestätigt. Nach dessen sachverständiger Expertise hat sich der Verurteilte im Vergleich zu der seinem schriftlichen Gutachten vom 20.01.2014 zugrundeliegenden persönlichen Untersuchung im September/Oktober 2013 im Anhörungstermin in einer sehr viel kontaktfähigeren und verantwortungsvolleren Weise präsentiert. Ein solches Verhalten wäre diesem - so der Sachverständige - früher noch nicht möglich gewesen, was er auf die von ihm als tragfähig angesehene therapeutische Betreuung durch die Dipl. Psychologin A. von der Forensischen Ambulanz zurückführte. Dies ist nach Ansicht des Sachverständigen angesichts des Vorlebens, der früheren Kriminalität und des Alters des Verurteilen sehr hoch zu bewerten, zumal inzwischen auch schon therapeutische Konfrontationen möglich seien, welche früher zu einem Therapieabbruch geführt hätten.
21 
Wird weiter ausgeführt:
22 
Zusammenfassend kam der Sachverständige zur Bewertung, dass er keine Gefahr der Begehung weiterer der Anlasstat entsprechender schwerwiegender Gewaltstraftaten insoweit mehr sehe, als diese in der Persönlichkeit des Verurteilten selbst liegen. Allerdings könne man auch nicht prinzipiell ausschließen, dass der Verurteilte erneut in eine Situation gerate, die seine Kompensationsmöglichkeiten überfordere. Dies sei zwar nicht naheliegend und konkret zu befürchten, aber auch nicht ausgeschlossen. Dass der Verurteilte - wie in der Vergangenheit - erneut Eigentums- und Einbruchsdelikte begehen könne, sei zwar ebenfalls möglich, aber nicht naheliegend.
23 
Wird weiter ausgeführt:
24 
Zur Reduzierung dieses Risikos sei es unbedingt notwendig, dass der therapeutische Kontakt zu Frau A. weiter bestehen bleibe, welcher noch intensiviert werden müsse, wenn der Verurteilte in Schwellensituationen der Entlassungsvorbereitung komme, so etwa bei dem Übergang von der Entlassvorbereitungsabteilung in den offenen Vollzug. Jeder Schritt der Entlassungsvorbereitung müsse therapeutisch sorgfältig vorbereitet und nachbereitet werden. Auch sei ein noch während des Vollzugs aufzunehmender frühzeitiger Kontakt zur Bewährungshilfe wichtig. Um finanzielle Engpasssituationen zu vermeiden, sollte der Verurteilte unmittelbar nach seiner bedingten Entlassung eine finanzielle Alltagsberatung erhalten. Aus seiner sachverständigen Sicht wäre eine sofortige bedingte Entlassung nicht günstig, da der Verurteilte in diesem Falle - wenn auch nicht unbedingt zwingend - in ihn derzeit noch überfordernde Situationen geraten könnte.
25 
Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Hinzu kommt, dass der Verurteilte sich in den letzten Jahren auch beanstandungsfrei im Strafvollzug geführt hat und die Entlasssituation, wie oben dargestellt, günstig ist. Dabei wurde bei der gebotenen Abwägung aller entscheidungserheblicher Umstände dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit und dem Gewicht der bei einem Rückfall bedrohten Rechtsgüter eine besondere Bedeutung beigemessen. Unter Beachtung der oben dargelegten Umstände und der weiteren prognostischen Gesichtspunkte sowie der sich durchweg positiv darstellenden Entlasssituation ist das Rückfallrisikos für gewalttätige Strafen bei dem Verurteilten jedoch als so gering zu werten, dass der Senat es auch im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit für verantwortbar hält, die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe unter den im Beschluss angeordneten Voraussetzungen und zum dort angeordneten Zeitpunkt zur Bewährung auszusetzen.
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2. Nachdem sich der Verurteilte nunmehr seit etwa 41 Jahren in Haft befindet, kam die Festsetzung eines unmittelbaren Entlasstermins nicht in Betracht (vgl. hierzu BVerfGE 117, 71), zumal der Verurteilte auch zur Minimierung des Risikos eines Rückfalls bis dahin und danach therapeutisch begleitet in das Leben in Freiheit sorgfältig vorbereitet werden muss. Nach Anhörung von Frau R. von der Justizvollzugsanstalt V. hat der Senat als Entlasstermin den ... festgesetzt, welcher die Durchführung folgender zwingend notwendiger entlassvorbereitender und vollzugsöffnender Maßnahmen ermöglicht:
27 
Wird ausgeführt:
28 
Da dem Verurteilten bislang weder vollzugsöffnende noch therapeutische Maßnahmen zu Unrecht verweigert wurden (vgl. hierzu Abschnitt IV Ziffer 2 des Senatsbeschlusses vom 03.06.2011 - 1 Ws 111/19 -; vgl. auch zur Anordnungs-kompetenz im Übrigen: OLG Hamm, Beschluss vom 11.02.2010, 1 Ws -L- 479/09), obliegt die Entscheidung über die Gewährung und die Ausgestaltung von entlassvorbereitenden und vollzugsöffnenden Maßnahmen weiterhin der Justizvollzugsanstalt V., welche ggf. zuvor die Zustimmung des Justizministeriums Baden-Württemberg einzuholen hat (§ 12 JVollzGB III Baden-Württemberg). Der Senat geht allerdings im Hinblick auf den bereits festgesetzten Entlasstermin sowohl von einer zügigen Umsetzung der oben genannten Maßnahmen durch die Justizvollzugsanstalt V. als auch von einer zeitnahen Erteilung der ggf. erforderlichen Zustimmung durch das Justizministerium Baden-Württemberg aus. Die Eignung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen ergibt sich bereits aus dem vorliegenden den Freiheitsanspruch des Verurteilten umsetzenden Aussetzungsbeschluss, konkrete Anhaltspunkte einer Flucht- und/oder Missbrauchsgefahr sind nicht ersichtlich (§§ 7 Abs.1, 9 Abs.1 JVollzGB III Baden-Württemberg).
29 
Der Senat weist insoweit allerdings darauf hin, dass ein etwaiger Widerruf von seitens der Justizvollzugsanstalt V. danach zu gewährender verfassungsrechtlich gebotener vollzugsöffnender Maßnahmen (§§ 7 Abs. 2 Satz 2; 11 Abs. 2 Satz 1 und 2 JVollzGB III Baden-Württemberg) besonderen rechtlichen Anforderungen unterliegt, und verweist insoweit auf seinen Beschluss vom 28.03.2014, 1 Ws 12/13 L, dort S. 27 f).
30 
3. Im Rahmen der zu treffenden Entscheidung nach § 454 a StPO hat der Senat die Bewährungszeit auf fünf Jahre festgesetzt und bereits ab dem Beschlussdatum den Verurteilten der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 454 a Rn.1). Auch war es unerlässlich, nicht nur die Fortsetzung der vom Verurteilten begonnenen Therapie bei der Forensischen Ambulanz anzuordnen, sondern auch für die Kostentragung zu sorgen, da nicht zu erwarten ist, der Verurteilte könne für diese derzeit oder zu einem späteren Zeitpunkt selbst aufkommen, und ohne eine solche Sicherung der Behandlung eine vorzeitige Entlassung - jedenfalls derzeit - nicht möglich wäre. Der Senat schließt sich insoweit der Rechtsprechung des 3. Strafsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe an, wonach die notwendigen Kosten einer Therapie in einer Forensischen Ambulanz im Falle einer Strafaussetzung zur Bewährung von der Staatskasse zu tragen sind, sofern der Verurteilte wirtschaftlich hierzu nicht in der Lage ist. Der Senat teilt die dortige Ansicht, dass in einem solchen Fall die von der obergerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen der Führungsaufsicht entwickelten Grundsätze zur Möglichkeit der Kostenübernahme durch die Staatskasse entsprechend Anwendung finden und der Senat zur Anordnung aufgrund einer Annexkompetenz befugt ist (siehe hierzu näher OLG Karlsruhe NStZ 2014, 62; ebenso OLG Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2012, 4 a Ws 33/12; vgl. auch OLG Bremen NStZ 2011, 216; OLG Nürnberg OLGSt StPO § 453 Nr. 11; OLG Jena NStZ-RR 2011, 296). Der Umstand, dass derzeit mit dem Fonds Psychotherapie und Bewährung bei der Bewährungshilfe Stuttgart e.V. noch ein anderer Kostenträger vorhanden ist, führt zu keiner anderen Beurteilung, zumal es gilt, die Finanzierung der Behandlung über den gesamten Bewährungszeitraum dauerhaft zu sichern, diese Einrichtung auch über das Land-Baden-Württemberg finanziert wird und spätestens mit der Haftentlassung des Verurteilten eine Weiterbehandlung auf der bisherigen Finanzierungsgrundlage in der Forensischen Ambulanz nicht mehr möglich ist, so dass die Behandlung beendet werden müsste.
31 
Hingegen erschien es vorliegend noch nicht notwendig, bereits über die Frage zu entscheiden, ob das Land Baden-Württemberg auch für die Kosten der möglicherweise erforderlichen Fahrten des Verurteilten zur Therapie ganz oder teilweise aufkommen muss (vgl. hierzu Senat NStZ-RR 2011, 30), denn solche dürften nach vorläufiger Beurteilung bei dem voraussichtlich in Karlsruhe zukünftig wohnhaften Verurteilten nicht in erheblichem Umfang anfallen. Die abschließende diesbezügliche Entscheidung bleibt jedoch der Strafvollstreckungskammer überlassen.
32 
Der zuständigen Strafvollstreckungskammer wird auch die nähere Ausgestaltung der weiteren Rahmenbedingungen der Entlassung im Hinblick auf weitere Auflagen und Weisungen übertragen. Hierzu sind der Strafvollstreckungskammer die Akten spätestens drei Monate vor dem vom Senat festgesetzten Entlasstermin vorzulegen. Der Senat geht im Übrigen davon aus, dass die Vollzugsanstalt der für die Vollstreckung zuständigen Staatsanwaltschaft im Hinblick auf § 454 a Abs. 2 StPO über etwaige besondere Vorkommnisse und neu eingetretene oder bekannt gewordene Tatsachen berichten wird.
V.
33 
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.

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