Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 291/15

Tenor

Die Beschwerde der Nebenklägerin gegen die Verfügung der Vorsitzenden des Landgerichts - Schwurgericht - Freiburg vom 8. Juni 2015 wird als unzulässig verworfen.

Von der Erhebung von Kosten wird abgesehen (§ 21 GKG).

Gründe

 
I.
Die Nebenklägerin beantragte mit Schreiben vom 30.8.2012 ihre Zulassung und am 24.10.2012 - unter Darlegung ihrer Bedürftigkeit - die Bestellung von Rechtsanwalt M. als Beistand gemäß § 397a Abs. 2 StPO.
Am 27.02.2013 erhob die Staatsanwaltschaft Freiburg Anklage an das Amtsgericht - Strafrichter - Freiburg gegen Y. S. wegen gefährlicher Körperverletzung zum Nachteil der Nebenklägerin.
Mit Beschluss vom 15.8.2013 ließ das Amtsgericht Freiburg die Geschädigte als Nebenklägerin zu und ordnete ihr gemäß § 397a Abs. 2 StPO Rechtsanwalt M. als Beistand - unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe - bei.
Am 13.11.2013 legte das Amtsgericht Freiburg die Akten gemäß § 225a StPO dem Landgericht - Schwurgericht - Freiburg vor, da nach Auffassung des Amtsgerichts der Angeklagte eines versuchten Totschlags hinreichend verdächtig sei. Das Schwurgericht lehnte am 13.12.2013 die Übernahme des Verfahrens ab.
In der Hauptverhandlung vom 13.3.2014 verwies das Amtsgericht Freiburg die Sache gemäß § 270 StPO erneut an das Landgericht - Schwurgericht - Freiburg wegen des hinreichenden Verdachts auch des versuchten Totschlags. Das Schwurgericht verurteilte den Angeklagten am 13.8.2014 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Noch am gleichen Tag legte die Nebenklägerin Revision ein, welche der Bundesgerichtshof am 27.1.2015 als offensichtlich unbegründet verwarf.
Am 19.2.2015 beantragte der Nebenklägervertreter die Festsetzung seiner Gebühren für das Revisionsverfahren. Der Antrag wurde am 2.3.2015 mangels einer Beiordnung für das Revisionsverfahren zurückgewiesen. Hiergegen legte der Nebenklägervertreter am 9.3.2015 Rechtsmittel ein. Unabhängig von dem Bewilligungsbeschluss sei § 397a Abs. 1 StPO anzuwenden, da dessen Voraussetzungen vorgelegen hätten. Der Bezirksrevisor trat dem als Erinnerung ausgelegten Rechtsmittel entgegen. Mit Beschluss vom 21.5.2015 half die Urkundsbeamtin der Erinnerung nicht ab und legte die Akten dem Richter vor.
Am 22.5.2015 regte die Vorsitzende des Schwurgerichts an, die Erinnerung zurückzunehmen und Antrag auf (nachträgliche) Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO bzw. nachträgliche Entscheidung über den möglicherweise entsprechend auszulegenden Antrag vom 24.10.2012 zu stellen. Daraufhin teilte der Nebenklägervertreter am 2.6.2015 mit, dass das Rechtsmittel vom 9.3.2015 als Antrag auf nachträgliche Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO und auf nachträgliche Entscheidung über den entsprechend auszulegenden Antrag vom 24.10.2012 angesehen werden soll.
Mit angefochtener Verfügung der Vorsitzenden vom 8.6.2015 wurde der Antrag, der Nebenklägerin, Rechtsanwalt M. gemäß § 397a Abs. 1 Nr. 2 StPO nachträglich als Beistand zu bestellen, zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss legte der Nebenklägervertreter am 24.6.2015 Beschwerde ein, der mit Beschluss vom 25.6.2015 nicht abgeholfen wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die Beschwerde ist unzulässig. Es bestehen bereits Bedenken, ob das im eigenen Namen des Nebenklägervertreters eingelegte Rechtsmittel gegen die Ablehnung der Erstattung der im Revisionsverfahren angefallenen Gebühren und Auslagen sich in einen Antrag der Nebenklägerin auf nachträgliche Beiordnung nach § 397a Abs. 1 StPO umdeuten lässt. Dem Nebenklägervertreter kommt insoweit kein eigenes Antragsrecht zu. Auch die Beschwerde legte er im eigenen Namen ein. Dies ist insofern konsequent, als dass eine Beschwer der Nebenklägerin, die Voraussetzung für die Zulässigkeit eines jeden Rechtsmittels ist, vorliegend nicht ersichtlich ist.
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Eine Beschwer liegt nur vor, wenn die ergangene - oder abgelehnte - Entscheidung einen unmittelbaren Nachteil für den Betroffenen enthält, seine Rechte und geschützten Interessen eine unmittelbare Beeinträchtigung erfahren haben und wenn die Beseitigung einer fehlsamen Erwägung dem Beschwerdeführer die Aussicht auf eine andere, ihm günstigere Entscheidung eröffnet. Daran fehlt es hier. Denn das Verfahren war mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs am 27.1.2015 endgültig abgeschlossen. Für die Tätigkeit als beigeordneter Beistand besteht demnach kein Bedürfnis mehr. Die Grundsätze, die für die rückwirkende Bestellung eines Pflichtverteidigers (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.2.2015, 1 Ws 15/15 m.w.N.) und die rückwirkende Bestellung eines Zeugenbeistandes entwickelt worden sind (vgl. KG, Beschluss vom 25. Februar 2008, NStZ-RR 2008, 248), sind für die rückwirkende Bestellung eines Nebenklägervertreters als Beistand vergleichbar. Durch die Nebenklage wird denjenigen Verletzten, die besonders schutzwürdig erscheinen, die Gelegenheit gegeben, in dem Verfahren ihre persönlichen Interessen auf Genugtuung zu verfolgen, insbesondere durch aktive Beteiligung das Verfahrensergebnis zu beeinflussen und sich gegen die Verharmlosung ihrer Verletzungen zu wehren (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, vor § 395 StPO, Rn. 1 m. w. N.). Die Bestellung eines Beistandes dient auch nicht dem Kosteninteresse der Nebenklägerin und schon gar nicht ihres Vertreters, sondern verfolgt allein den Zweck, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass ein Geschädigter in den vom Gesetz ausdrücklich bezeichneten Fällen bei schwieriger Sach- und Rechtslage, in denen der Nebenkläger seine Interessen nicht selbst ausreichend wahrnehmen kann oder ihm das nicht zuzumuten ist, rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird. Die vom Nebenklägervertreter gewünschte rückwirkende Beiordnung würde ausschließlich dem verfahrensfremden Zweck dienen, dem Beistand für ein bereits abgeschlossenes Verfahren einen Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse zu verschaffen, nicht jedoch einen ordnungsgemäßen Rechtsbeistand der Nebenklägerin für das Verfahrens zu gewährleisten. Dies ist mit dem Normzweck des § 397a StPO nicht zu vereinbaren (KG Berlin, Beschluss vom 6.8.2009, 4 Ws 86/09 m.w.N.).
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Soweit die Rechtsprechung in besonderen Ausnahmefällen vor allem wegen einer Korrektur gerichtlicher Versäumnisse eine nachträgliche Beiordnung eines anwaltlichen Beistandes nach § 397a Abs.1 StPO oder der nachträglichen Gewährung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts nach § 397a Abs. 2 StPO zugelassen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 25.8.2000, 2 StR 236/00; OLG Celle, NStZ-RR 2012, 291) sind diese Voraussetzungen vorliegend nicht gegeben, denn das Amtsgericht hatte - worauf im Nichtabhilfebeschluss zutreffend hingewiesen wurde - den Antrag der Nebenklägerin - antragsgemäß - beschieden und die Nebenklägerin hat sich vor dem rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens weder gegen diese Entscheidung beschwert noch einen Antrag auf Bestellung eines Beistands nach § 397a Abs. 1 StPO gestellt. Eine rückwirkende Bestellung ist in diesen Fällen nicht statthaft (BGH, NStZ-RR 2008, 255; KG Berlin, Beschluss vom 6.8.2009, 4 Ws 86/09).
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Von der Erhebung von Kosten war gemäß § 21 GKG abzusehen, nachdem das Schwurgericht eine entsprechende Antragstellung angeregt und den Nebenklägervertreter ausdrücklich auf die Möglichkeit der Beschwerde hingewiesen hatte.

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