Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 1 (3) Ss 163/15; 1 (3) Ss 163/15 - AK 51/15

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Z. vom 28. November 2014 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Z. zurückverwiesen.

Gründe

 
I.
Das Amtsgericht Z. sprach den Angeklagten mit Urteil vom 26.05.2014 vom Vorwurf der Erregung öffentlichen Ärgernisses frei. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Z. das freisprechende Urteil auf und verurteilte den Angeklagten am 28.11.2014 wegen Verbreitung pornographischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste zu der Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50 EUR. Nach den insoweit getroffenen Feststellungen hatte sich der Angeklagte am 20.11.2012 gegen 12.34 Uhr als Gast mittels seines Computers über Internet im sozialen Netzwerk „C“ und dort in einem Chatroom eingeloggt, dessen Besonderheit darin bestand, dass sich die darin „chattenden“ Mitglieder und Gäste über ihre Webcam anderen Nutzern visuell zeigen konnten, wenn diese ebenfalls eingeschaltet waren und mit dem anderen Teilnehmer, dessen Anwesenheit am Bildschirm angezeigt wurde, ebenfalls im Wege einer Live-Stream-Übertragung in Kontakt treten wollten. Als der Angeklagte die Übertragung durch seine Webcam für die anderen Nutzer aktivierte, waren etwa 18 weitere User in dem Chatroom anwesend, unter anderem auch Frau V., welche vom Betreiber des Netzwerkes als Moderatorin mit der Prüfung beauftragt war, ob in dem Chat verbotene oder anstößige Inhalte verbreitet wurden. Nunmehr entblößte sich der Angeklagte und onanierte, während seine Webcam auf seine Oberschenkel, sein Geschlechtsteil und seinen Oberkörper ausgerichtet war. Mindestens ein anderer Chatroom-Teilnehmer verfolgte diese Aktion und beschwerte sich bei der Moderatorin welche den Betreiber aufmerksam machte, der die Übertragung nach eigener Anmeldung und Überprüfung sofort unterbrach.
Gegen seine Verurteilung durch das Landgericht Z. wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Sachrüge gestützten, form- und fristgerecht eingelegten Revision.
II.
Das Rechtsmittel hat den aus dem Tenor ersichtlichen - vorläufigen - Erfolg.
1. Soweit es die vom Landgericht Z. erfolgte Verurteilung des Angeklagten wegen Verbreitung pornografischer Darbietungen durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste nach § 184 d StGB betrifft, hat sich die Strafkammer nicht mit der Frage befasst, ob der Angeklagte überhaupt als tauglicher Täter dieses Delikts in Betracht kommt. Nach dieser Vorschrift wird nach §§ 184 bis 184 c StGB nämlich nur bestraft, wer eine pornografische Darbietung durch Rundfunk, Medien- oder Teledienste verbreitet (§ 184 d Satz 1 StGB). Bereits der gesetzliche Wortlaut der Vorschrift deutet darauf hin, dass als Täter dieses Delikts nur der für die Sendung Verantwortliche in Betracht kommt, im Hinblick auf Rundfunksendungen vor allem der Programmdirektor und der Redakteur, nicht aber die lediglich mit der technischen Ausführung betreuten Personen wie etwa der Kameramann. Gleiches gilt für Übertragungen im Internet. Insoweit kommt nach Wortlaut und Sinn der Vorschrift als Täter vor allem für die Ausstrahlung der Sendung verantwortliche Anbieter des Dienstes in Betracht, nicht aber Personen mit lediglich mittelbarem Bezug wie Autoren, Produzenten und Regisseure (vgl. MüKo-Hörnle, 1. Auflage 2012, § 184 d Rn. 9 m.w.N.; Schönke/Schröder/Eisele, StGB , 29. Auflage 2014, § 184 d Rn. 8). Dies gilt nach Ansicht des Senats vorliegend auch für den Angeklagten als einfachen Nutzer des Internet-Chatrooms, der aufgrund seiner Stellung nicht in der Lage war, auf die Dauer und die Modalitäten der Internet-Ausstrahlung im Sinne einer Tatherrschaft in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen, vielmehr oblag diese Kontrolle vollumfänglich dem Betreiber des Netzwerkes bzw. allenfalls der von diesem eigens eingesetzten Moderatorin. Da diese Personen mit der pornografischen Handlung des Angeklagten nicht einverstanden waren und ihn sogleich vom Netz nahmen, scheidet auch eine Ahndung unter dem Gesichtspunkt der Beihilfe aus.
2. Soweit es die von der Staatsanwaltschaft im Strafbefehl angenommene Bewertung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Erregung öffentlichen Ärgernisses nach § 183 a StGB betrifft, wird sich das Landgericht jedoch mit der Frage des Vorliegens dieser Norm vor allem in subjektiver Hinsicht neu zu befassen haben. Da nach den getroffenen Feststellungen vorliegend mindestens eine Person die sexuelle Handlung des Angeklagten wahrgenommen hat und an dem Chatroom nicht nur ein geschlossener Personenkreis teilnehmen konnte, sondern dieser, wie beim Angeklagten der Fall, auch für Gäste offen stand, hat der Angeklagte in objektiver Hinsicht öffentlich eine sexuelle Handlung vorgenommen und tatsächlich auch bei einem anderen sich beschwerenden Nutzer ein Ärgernis erregt (Fischer, StGB, 62. Aufl. 2015, § 183 a Rn. 4 und 5). In subjektiver Hinsicht bedarf es jedoch zureichender Feststellungen, dass dem Angeklagten zumindest im Sinne eines bedingten Vorsatzes nicht nur der sexuelle Charakter seiner Handlung und deren Erheblichkeit, sondern auch die Öffentlichkeit seines sexuellen Handelns bewusst war, wovon vorliegend aufgrund der Möglichkeit der Erkennbarkeit der tatsächlichen Zuschaltung von weiteren Personen im Chat auch für den Angeklagten durchaus ausgegangen werden könnte. Bezüglich der Erregung des Ärgernisses muss der Täter jedoch zusätzlich absichtlich oder wissentlich handeln, d.h. es muss ihm entweder gerade darauf ankommen, dass er Ärgernis erregt, oder er muss als sicher voraussehen, dass dies geschieht, weshalb es nicht ausreichend ist, wenn der Täter die Möglichkeit der Erregung eines Ärgernisses bei anderen lediglich in Kauf nimmt (vgl. hierzu OLG Bamberg OLGSt StGB § 183 Nr. 4). Ob hiervon vorliegend ausgegangen werden kann, wird der neue Tatrichter zu beurteilen haben. Dabei bedarf es allerdings einer namentlichen Kenntnis bzw. Ermittlung der anderen zum Tatzeitpunkt eingeloggten User nicht, vielmehr reicht es aus, dass es dem Angeklagten darauf ankam oder er als sicher voraussah, dass bei anderen für ihn erkennbar tatsächlich aufgeschalteten Nutzern durch seine sexuelle Handlung Ärgernis bereitet wird, was auch davon abhängen könnte, welche Inhalte ansonsten Gegenstand der Kommunikation in diesem Chatroom waren.
III.
Das Urteil war daher auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Z. zurückzuverweisen.

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