Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 12 U 106/16

Tenor

1. Die Berufungen beider Parteien gegen das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 31.05.2016 - 8 O 53/16 - werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Parteien streiten im Zusammenhang mit dem sogenannten „VW-Abgasskandal“ um Deckungsansprüche aus einer Rechtsschutzversicherung.
Die Klägerin ist bei der Beklagten rechtsschutzversichert. Dem Versicherungsvertrag liegen Allgemeine Bedingungen (im Folgenden: ARB) zugrunde; § 18 ARB lautet auszugsweise:
„18 Verfahren bei Ablehnung des Rechtsschutzes durch den Versicherer
(1) Lehnt der Versicherer den Rechtsschutz ab,
a) weil der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht
oder
b) weil (...) die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat,
ist dies dem Versicherungsnehmer unverzüglich unter Angabe der Gründe schriftlich mitzuteilen.
Der Versicherer kann sich bei einer ablehnenden Entscheidung aus anderweitigen Gründen eine Ablehnung nach Absatz 1 vorbehalten. In diesem Fall kann der Einwand der Mutwilligkeit oder fehlender Erfolgsaussichten bei Wegfall des anderweitigen Ablehnungsgrundes noch nachträglich erhoben werden.
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(2) Mit der Mitteilung über die Rechtsschutzablehnung ist der Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass er anstelle einer gerichtlichen Klärung innerhalb eines Monats eine anwaltliche Überprüfung einleiten kann.
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Auf Kosten des Versicherers kann der Versicherungsnehmer einen Rechtsanwalt veranlassen, eine begründete Stellungnahme darüber abzugeben, dass Ablehnungsgründe nach § 18 Absatz 1 nicht vorliegen.
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Die Entscheidung des beauftragten Rechtsanwaltes ist für beide Seiten bindend, es sei denn, dass sie offenbar von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweicht.“
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Am 19.09.2012 bestellte die Klägerin bei der G (im Folgenden: Autohaus) einen Gebrauchtwagen VW Passat Variant 2.0 (Erstzulassung: Januar 2012). Das Fahrzeug ist vom sogenannten „VW-Abgasskandal“ betroffen und deswegen mangelhaft, wobei Ausmaß und Folgen des Mangels zwischen den Parteien streitig sind. Mit Schreiben vom 19.01.2016 erklärte die Klägerin gegenüber dem Autohaus die Anfechtung des Kaufvertrags wegen arglistiger Täuschung, hilfsweise den Rücktritt. Das Autohaus antwortete mit Anwaltsschreiben vom 21.01.2016, dass die geltend gemachten Ansprüche nicht anerkannt würden. Der Fahrzeughersteller, die Volkswagen AG (im Folgenden: VW AG), bot der Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2016 an, die zur Nachbesserung geplanten Maßnahmen im Einzelnen zu erörtern.
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Die Klägerin will eine Klage gegen das Autohaus und die VW AG erheben, gerichtet auf Rückzahlung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. Am 26.11.2015 richteten die Prozessbevollmächtigten der Klägerin deswegen eine entsprechende Deckungsanfrage an die Beklagte. Die Beklagte lehnte den begehrten Rechtsschutz mit Schreiben vom 03.02.2016 ab. Hinsichtlich des Vorgehens gegen die VW AG berief sich die Beklagte darin auf den Ausschluss übergegangener Ansprüche; ein Rechtsverstoß der VW AG sei bereits bei Erstzulassung im Januar 2012 erfolgt. Deckungsschutz gegen das Autohaus lehnte die Beklagte „zur Zeit wegen Mutwilligkeit“ ab.
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Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin fertigten daraufhin am 08.02.2016 einen Stichentscheid, in welchem sie zum Ergebnis kamen, dass Deckungsschutz zu gewähren sei. Mit E-Mail vom 09.02.2016 (Anl. K7, AH Kl. 375) verblieb die Beklagte bei ihrer Ablehnung.
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Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, das von ihr beabsichtigte Vorgehen sei nicht mutwillig. Ob und gegebenenfalls wann der bestehende Mangel an ihrem Fahrzeug beseitigt werden könne, sei völlig offen. Sie müsse deswegen nicht abwarten und sich auf zukünftige ungewisse Nachbesserungsversuche verweisen lassen. Zudem habe ihr Fahrzeug durch den Abgasskandal auch einen erheblichen Wertverlust erlitten. Gegen die VW AG würden keine abgetretenen, sondern originäre Ansprüche geltend gemacht. Im Übrigen habe die Beklagte die Deckungsablehnung nicht unverzüglich erklärt und sei zudem an den Stichentscheid gebunden.
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Die Kläger hat erstinstanzlich beantragt:
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1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte aus dem Versicherungsvertrag ... verpflichtet ist, die Kosten der außergerichtlichen und gerichtlichen Rechtsverfolgung hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegenüber der G und hinsichtlich der Schadensersatzansprüche gegenüber der Volkswagen AG zu tragen, die auf dem Kauf eines Fahrzeugs durch die Klägerin am 19.09.2012 beruhen.
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2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten freizustellen, die durch Fertigung des Stichentscheids bzgl. des Versicherungsvertrages hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegen die G und hinsichtlich der Schadensersatzansprüche gegenüber der Volkswagen AG durch die Dr. S. Rechtsanwaltsgesellschaft mbH entstanden sind.
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3. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin alle Schäden zu ersetzen, die ihr aus der unberechtigten Deckungsablehnung bzgl. des Versicherungsvertrages hinsichtlich der Gewährleistungsansprüche der Klägerin gegenüber der G und hinsichtlich der Schadensersatzansprüche gegenüber der Volkswagen AG entstanden sind oder noch entstehen werden.
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Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
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Sie hat die Auffassung vertreten, es sei kein erheblicher Schaden an dem klägerischen Fahrzeug entstanden, der Abgasskandal führe auch nicht zu einem Minderwert. Die VW AG habe bereits eine kostenlose Nachbesserung angekündigt, welche unproblematisch durchzuführen sei. Es sei deswegen mutwillig, einen Prozess auf Rückabwicklung des Fahrzeugkaufs anzustrengen. Hinsichtlich der beabsichtigten Klage gegen die VW AG greife der Ausschluss wegen übergegangener Rechte, weil der Rechtsschutzfall bereits vor dem Erwerb der Klägerin eingetreten gewesen sei.
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Das Landgericht hat den Klageanträgen zu 1. und 2. (Deckungsansprüche sowie Stichentscheidskosten) stattgegeben. Den Klagantrag zu 3. (Feststellung der Schadensersatzpflicht wegen unberechtigter Deckungsablehnung) hat es mangels Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.
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Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren unabhängig voneinander eingelegten Berufungen. Beide Parteien wollen dabei im Ergebnis eine Entscheidung nach ihren unverändert weiterverfolgten erstinstanzlichen Anträgen erreichen, jeweils unter Zurückweisung der gegnerischen Berufung. Hierzu wiederholen, vertiefen und aktualisieren sie ihr bisheriges Vorbringen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird, soweit in diesem Urteil keine anderen Feststellungen getroffen sind, auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung, die gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie die von ihnen vorgelegten Anlagen Bezug genommen.
II.
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Die Berufungen beider Parteien sind zulässig, aber unbegründet. Das Landgericht hat in allen Punkten richtig entschieden.
27 
1. Die Beklagte ist aus dem Versicherungsvertrag verpflichtet, der Klägerin Deckung für die beabsichtigte Geltendmachung von Rückabwicklungs- und Schadensersatzansprüchen zu gewähren, § 125 VVG.
28 
a) Das gilt zunächst für die Deckung gegen den Hersteller, die VW AG.
29 
Im Ablehnungsschreiben vom 03.02.2016 hat die Beklagte sich hinsichtlich der VW AG allein auf den Ausschluss wegen übergegangener Ansprüche (§ 3 Abs. 4 c der ARB) gestützt. Den Einwand der Mutwilligkeit hat sie lediglich hinsichtlich des Autohauses erhoben.
30 
Einen Leistungsausschluss für übergegangene Ansprüche hat das Landgericht zutreffend verneint, weil sich die Klägerin im Verhältnis zur VW AG nicht auf eine Abtretung beruft, sondern geltend macht, sie selbst gehöre originär zum deliktsrechtlich geschützten Personenkreis. Dagegen erinnert auch die Berufung der Beklagten nichts mehr.
31 
Soweit sie sich nunmehr offenbar auf Mutwilligkeit stützen will, ist ihr das verwehrt. Gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 a.E. ARB sind die dort genannten Ablehnungsgründe - Mutwilligkeit oder fehlende Erfolgsaussicht - unverzüglich schriftlich mitzuteilen. Unterlässt der Versicherer diese unverzügliche Mitteilung - etwa weil er wie hier die Leistung aus anderen Gründen ablehnt -, kann er sich nicht mehr nachträglich auf einen der Ablehnungsgründe des § 18 Abs. 1 ARB berufen (BGH VersR 2003, 638). Nichts anderes ergibt sich hier aus § 18 Abs. 1 S. 2 und 3 ARB; danach soll sich der Versicherer bei einer ablehnenden Entscheidung aus anderweitigen Gründen den Einwand der Mutwilligkeit oder fehlender Erfolgsaussichten vorbehalten und bei Wegfall des anderweitigen Ablehnungsgrundes noch nachträglich erheben können. Die Wirksamkeit dieser vorformulierten Klausel erscheint zweifelhaft (vgl. BGH aaO.), kann aber hier dahinstehen. Denn jedenfalls hat die Beklagte in ihrem Ablehnungsschreiben nicht einmal den nach dieser Klausel erforderlichen ausdrücklichen Vorbehalt ausgesprochen.
32 
b) Auch zur Deckung gegen das Autohaus ist die Beklagte verpflichtet.
33 
aa) Es kann dahinstehen, ob sich die Deckungsverpflichtung der Beklagten bereits daraus ergibt, dass sie die Ablehnung insgesamt nicht unverzüglich erklärt hat, § 18 Abs. 1 a.E. ARB.
34 
Nach ständiger Rechtsprechung hat der Verstoß gegen die Pflicht zur unverzüglichen Prüfung der Erfolgsaussicht und Stellungnahme über die Eintrittspflicht für den Versicherer den Verlust der darauf gestützten Ablehnungsrechte aus § 18 ARB zur Folge (vgl. BGH VersR 2014, 742 mwN.). Unverzüglich bedeutet ohne schuldhaftes Zögern. Dabei ist dem Versicherer Zeit für eine sachgerechte Prüfung einzuräumen. Hierfür wird in Rechtsprechung und Literatur im Allgemeinen ein Zeitraum von zwei bis drei Wochen angesetzt (OLG Frankfurt VersR 1998, 357; Harbauer/Bauer, ARB, 8. Aufl., Vor § 18 ARB Rn. 8; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 29. Aufl., § 3a ARB 2010 Rn. 16; Loosschelders/Paffenholz/Herdter, ARB, 2014, § 3a Rn. 35). Die Prüfungspflicht beginnt, sobald der Versicherungsnehmer seinerseits der Obliegenheit zur vollständigen Unterrichtung nach § 17 Abs. 3 ARB nachgekommen ist (Harbauer/Bauer aaO.).
35 
Jedenfalls hinsichtlich des Ablehnungsgrundes fehlender Erfolgsaussichten (§ 18 Abs. 1 Buchst. b ARB) fehlt es an einer unverzüglichen Ablehnung. Diesen Gesichtspunkt macht die Beklagte erstmals mit der Berufungsbegründung geltend. Ihr ursprüngliches Ablehnungsschreiben vom 03.02.2016 hat sie auch hinsichtlich des Autohauses ausschließlich auf Mutwilligkeit (§ 18 Abs. 1 Buchst. a ARB) gestützt; die Erfolgsaussichten hat sie dort ausdrücklich als „ungewiss“ bezeichnet, also nicht verneint. Auch erstinstanzlich hat die Beklagte allein Mutwilligkeit geltend gemacht und dies ausdrücklich von der Frage der Erfolgsaussichten abgegrenzt. Da die Beklagte den Ablehnungsgrund fehlender Erfolgsaussichten nicht gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 a.E. ARB unverzüglich schriftlich mitgeteilt hat, ist ihr eine spätere Berufung auf diesen Ablehnungsgrund verwehrt (vgl. BGH VersR 2003, 638; s. auch § 18 Abs.1 S. 2 und 3 ARB).
36 
Eine rechtzeitige Ablehnung hinsichtlich des Autohauses kommt damit allein unter dem Gesichtspunkt der Mutwilligkeit in Betracht. Ob die Ablehnung vom 03.02.2016 insoweit noch rechtzeitig erfolgte, nachdem eine Vielzahl gleichgearteter Deckungsanfragen geprüft werden mussten und im hiesigen Einzelfall das Autohaus erst mit Anwaltsschreiben vom 21.01.2016 und die VW AG mit Schreiben vom 14.01.2016 auf das Begehren der Klägerin reagiert hatten, bedarf keiner Vertiefung.
37 
bb) Denn jedenfalls folgt die Deckungspflicht der Beklagten aus dem bindenden Stichentscheid.
38 
Nach § 18 Abs. 2 S. 2 ARB ist ein Stichentscheid für beide Teile bindend und kann gerichtlich nicht mehr überprüft werden, es sei denn, er weicht offenbar erheblich von der wirklichen Sach- und Rechtslage ab. „Erheblich“ ist die Abweichung, wenn der Stichentscheid die Sach- oder Rechtslage gröblich verkennt; „offenbar“ ist dies erst dann, wenn es sich dem Sachkundigen nach der gebotenen Prüfung mit aller Deutlichkeit aufdrängt (Senat r+s 1996, 271; OLG Düsseldorf VersR 2006, 649 Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., § 18 Stichentscheid Rn. 26; Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 29. Aufl., §3a ARB 2010 Rn. 41). Das ist jedenfalls solange nicht der Fall, als eine vertretbaren Rechtsauffassung zu einer höchstrichterlich noch nicht vollständig geklärten Frage zugrunde gelegt wird (BGH VersR 1994, 1061 Senat r+s 1996, 271 Harbauer/Bauer aaO. mit Beispielen aus der Rspr.). Nach diesen Maßstäben kann hier kein Zweifel an der Bindungswirkung des Stichentscheids bestehen.
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(1) Hinsichtlich des (ohnehin verspätet eingewandten) Gesichtspunkts der Erfolgsaussichten gilt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung bislang ungeklärte Fragen betrifft. Deshalb sind in der obergerichtlichen Rechtsprechung im Rahmen der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe für eine vergleichbare Klage hinreichende Erfolgsaussichten i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO bejaht worden, weil die zugrunde liegende Rechtsauffassung zumindest vertretbar erscheine (OLG Celle MDR 2016, 1016; vgl. auch Schaltke NJW 2016, 3126, 3130 mwN. zum Streitstand). Der hiesige Stichentscheid stimmt mit der Rechtsauffassung des OLG Celle überein und kann schon deshalb nicht als unvertretbar angesehen werden.
40 
Soweit die Berufung auf klagabweisende Hauptsacheentscheidungen verschiedener Landgerichte seit März 2016 verweist, ist dies in zweierlei Hinsicht unbehelflich. Zum einen kann die zitierte Rechtsprechung schon aus zeitlichen Gründen nicht gegen die Erfolgsaussichten angeführt werden. Bei der Prüfung, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Erfolgsaussicht hat, ist auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen (Harbauer/Bauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl., Vor § 8 ARB Rn. 20; vgl. auch OLG Frankfurt VersR 2016, 246), hier also spätestens auf den Zeitpunkt Januar 2016. Ist im maßgeblichen Zeitpunkt die Rechtslage noch unklar und entfallen die Erfolgsaussichten erst später - etwa aufgrund höchstrichterlicher Klärung -, so kann sich der Rechtsschutzversicherer, der die Deckung zunächst durch eine aus damaliger Sicht unberechtigte Ablehnung verzögert hat, nicht nachträglich auf die zwischenzeitliche Klärung berufen. Zum Anderen und vor allem aber ist eine endgültige, insbesondere höchstrichterliche Klärung der in der Hauptsache streitigen Rechtsfragen bislang nicht erfolgt. Hinreichende Erfolgsaussichten entfallen nicht dadurch, dass Instanzgerichte in Einzelfällen abschlägig entschieden haben.
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(2) Hinsichtlich der von der Beklagten eingewandten Mutwilligkeit gilt nichts anderes.
42 
Nach § 18 Abs. 1 Buchst. a ARB setzt eine Ablehnung unter diesem Gesichtspunkt voraus, dass der durch die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen voraussichtlich entstehende Kostenaufwand unter Berücksichtigung der berechtigten Belange der Versichertengemeinschaft in einem groben Missverhältnis zum angestrebten Erfolg steht. Ausgehend von diesen Grundsätzen legt der Stichentscheid vom 08.02.2016 umfangreich dar, weshalb hier kein derartiges grobes Missverhältnis vorliege. Der Stichentscheid verweist dazu darauf, dass entsprechend dem Wortlaut des § 18 Abs. 1 Buchst. a ARB auf das Verhältnis der Prozesskosten (hier: rund 7.100 EUR) zum Wert der geltend gemachten Rückabwicklung (hier: 25.300 EUR) abzustellen sei und nicht auf das Verhältnis zu den mutmaßlichen Kosten einer Nachbesserung; ergänzend führt er an, dass eine Nachbesserung wegen der vorangegangenen Täuschung durch die VW AG sowie angesichts der ungewissen Erfolgsaussichten und Folgewirkungen einer Nachbesserung ohnehin unzumutbar sei. Das erscheint jedenfalls vertretbar; eine gröbliche Verkennung der Sach- und Rechtslage ist nicht ersichtlich. Auch insoweit steht der Stichentscheid im Einklang mit der bereits zitierten Entscheidung des OLG Celle (MDR 2016, 1016; vgl. auch die weiteren Nachweise bei Schaltke NJW 2016, 3126, 3130), die im Rahmen der Prozesskostenhilfe eine etwaige Mutwilligkeit i.S.d. § 114 Abs. 1 S. 1 ZPO konkludent verneint, ohne eine gesonderte Erörterung dieser Frage für erforderlich zu halten.
43 
Der umfangreiche Berufungsvortrag der Beklagten zu den zwischenzeitlichen Entwicklungen hinsichtlich der Kosten einer Nachbesserung sowie deren Erfolgsaussichten und Folgen ist irrelevant. Wie oben ausgeführt sind die späteren Entwicklungen nach dem maßgeblichen Zeitpunkt der Bewilligungsreife schon aus zeitlichen Gründen nicht berücksichtigungsfähig; das gilt auch im Rahmen der Mutwilligkeitsprüfung. Vor allem aber ändern sie nichts an der Vertretbarkeit der Rechtsauffassung des Stichentscheids, wonach von vornherein nicht auf die Höhe der Nachbesserungskosten abgestellt werden könne und - unabhängig davon - eine Nachbesserung unzumutbar sei.
44 
2. Dass die Beklagte die Kosten des Stichentscheids zu tragen hat, ergibt sich unzweifelhaft aus § 18 Abs. 2 S. 2 ARB. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist auf diese Kosten auch nicht verzichtet worden. Soweit die Prozessbevollmächtigten der Klägerin mitgeteilt haben, dass hinsichtlich des Stichentscheids keine Kosten auf sie zukämen, stellt das keinen Verzicht dar, sondern gibt lediglich die Rechtslage gemäß § 18 Abs. 2 S. 2 ARB zutreffend wieder, wonach die Kosten des Stichentscheids nicht von der Klägerin, sondern allein von der Beklagten zu tragen sind.
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3. Den Feststellungsantrags zu 3. - betreffend mögliche Zukunftsschäden aufgrund unberechtigter Deckungsablehnung - hat das Landgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen, so dass auch die insoweit eingelegte Berufung der Klägerin unbegründet ist. Ein Feststellungsinteresse der Klägerin besteht derzeit nicht.
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a) Eine Feststellungsklage, mit der die Ersatzpflicht für reine Vermögensschäden festgestellt werden soll, ist nach ständiger Rechtsprechung nur zulässig, wenn zumindest die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlung zurückzuführenden Schadenseintritts besteht. Die Klägerin muss die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts substantiiert dartun. Geht es - wie hier - um Schäden wegen einer unberechtigten Deckungsablehnung, ist insbesondere vorzutragen, warum aus der Verzögerung der Deckung ein Schaden entstehen oder entstanden sein soll (BGH NJW 2015, 1683 mwN.).
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b) Entgegen der Auffassung der Klägerin stehen vorliegend - bislang - allenfalls reine Vermögensschäden im Raum. Soweit sie meint, unter bestimmten Voraussetzungen könne es auch zur Verletzung absoluter Rechte kommen, folgt daraus nichts anderes: Nur wenn ein absolutes Rechtsgut bereits verletzt ist, genügt für das Feststellungsinteresse die Möglichkeit, dass aus dieser vorliegenden Verletzung künftig noch Schadensfolgen entstehen werden (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 256 Rn. 9 mwN.). Die bloße Möglichkeit einer zukünftigen Verletzung absoluter Rechte reicht hingegen nicht aus.
48 
c) Dass der Klägerin durch die Verzögerung der Deckung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ein Schaden entstehen wird, ist bislang nicht ersichtlich. Die Klägerin macht schon nicht geltend, dass und weshalb sie außerstande wäre, die Prozesskosten für die beabsichtigte Rechtsverfolgung in der Hauptsache zunächst selbst vorzuschießen und sich - nach erfolgreicher Deckungsklage - von der Beklagten erstatten zu lassen. Soweit die Klägerin meint, sie werde durch die Verzögerung seitens der Beklagten faktisch zur (unerwünschten) Nachbesserung gezwungen, weil andernfalls die Stilllegung des Fahrzeugs drohe, ist zudem nicht ersichtlich, dass und wie dieses Ergebnis im Fall einer früheren Hauptsacheklage vermieden worden wäre. Weshalb - wie die Klägerin meint - noch vor der Nachbesserung eine gutachterliche Untersuchung des Fahrzeugs erforderlich sein soll, erschließt sich ebenfalls nicht: Dass das Fahrzeug derzeit mangelhaft ist, steht zwischen allen Beteiligten außer Streit; ob es nach der Nachbesserung mangelhaft ist, bestimmt sich nicht im Vergleich zum vorherigen Zustand, sondern allein im Vergleich zur vertraglich vereinbarten Sollbeschaffenheit (§ 434 BGB). Soweit die Klägerin anführt, an ihrem Fahrzeug trete ein beträchtlicher Minderwert ein, beruht dies auf dem sogenannten „Abgasskandal“ als solchem, nicht auf der unberechtigten Deckungsablehnung.
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4. Die Kostenentscheidung folgt §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision (§ 543 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.

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