Urteil vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 (7) Ss 624/16; 2 (7) Ss 624/16 - AK 238/16

Tenor

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Freiburg im Breisgau vom 8. August 2016 wird als unbegründet verworfen.

2. Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe

 
I.
Der Angeklagte wurde durch Urteil des Amtsgerichts - Jugendrichter - Freiburg im Breisgau vom 08.08.2016 vom Vorwurf der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Hiergegen wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts - im Einzelnen insbesondere die rechtliche Würdigung sowie für eine revisionsgerichtliche Prüfung unzureichende Feststellungen - rügt.
II.
Die zulässige Revision ist unbegründet. Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat keinen Rechtsfehler ergeben.
1. Nach den amtsgerichtlichen Feststellungen zum Sachverhalt habe der Angeklagte, der als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling im Kinderheim A in der X Straße in R untergebracht gewesen sei, am frühen Abend des 20.07.2016 seinen Betreuer des Kinderheims, den Zeugen M, am Bahnhof von R getroffen. Aus Wut - unter anderem über einen zwei Tage zuvor ausgesprochenen Schulverweis wegen Drogenkonsums - habe er auf dem Bahnsteig gegenüber dem Betreuer geäußert: „Ich Bombe, Messer, Deutschland alles Feuer, alles scheiße, ich egal, Dina egal, komme nicht nach Hause.“ Dies habe der Angeklagte einem ruhigen Ton geäußert, so dass der Gesprächsinhalt für Dritte nicht wahrnehmbar gewesen sei. Zur Zeit der Äußerung habe am Bahnhof in R wenig Publikumsverkehr geherrscht. Eine andere Person habe ungefähr 20 Meter vom Angeklagten und seinem Betreuer entfernt gestanden, als er sich wie beschrieben geäußert habe.
2. Entgegen der Auffassung der Revision wird die angegriffene Entscheidung zunächst den Anforderungen an die Abfassung eines freisprechenden Urteils nach § 267 Abs. 5 S. 1 StPO gerecht; die Beweiswürdigung ist ebenso frei von Rechtsfehlern.
Die Begründung eines Freispruchs muss so abgefasst sein, dass durch das Revisionsgericht überprüft werden kann, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind, insbesondere ob der den Entscheidungsgegenstand bildende Sachverhalt erschöpfend gewürdigt und gegebenenfalls warum das festgestellte Verhalten nicht strafbar ist (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 267 Rn. 33 mwN). Ein Rechtsfehler liegt dabei insbesondere vor, wenn sich die tatrichterlichen Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, wenn keine Beweisgründe angegeben oder keine Beweiswürdigung vorgenommen wird oder wenn die Beweise nicht erschöpfend gewürdigt werden (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 267 Rn. 33, § 261 Rn. 38 jeweils mwN). Die Beweiswürdigung ist darüber hinaus dann rechtsfehlerhaft, wenn sie in sich widersprüchlich, lückenhaft oder unklar ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt, über schwerwiegende Verdachtsmomente hinweggeht oder einzelne Belastungsindizien nur gesondert erörtert, ohne eine Gesamtabwägung vorzunehmen, oder wenn der Tatrichter überspannte Anforderungen an die für die Verurteilung erforderliche Gewissheit stellt (Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 337 Rn. 27 mwN).
a. Das Amtsgericht hat die Einlassung des Angeklagten entgegen der Revision noch in einem der Entscheidung angemessenen Umfang dargestellt und zudem auch - als unglaubhaft - gewertet (vgl. grundsätzlich BGH NStZ 2016, 25, juris Rn. 12). Zugleich schließt der Senat auch ein Beruhen des Urteils (§ 337 Abs. 1 StPO) auf einer etwa rechtsfehlerhaft fehlenden Darstellung der Einlassung des Angeklagten angesichts der zutreffenden rechtlichen Würdigung des festgestellten Sachverhalts (vgl. unten 3.) aus.
b. Den seitens der Revision geltend gemachten Widerspruch in der Bewertung der fraglichen Äußerung des Angeklagten durch den Zeugen M - dass diese „aus Wut“, indes „in ruhigem Ton“ erfolgt sei - vermag der Senat nicht zu erkennen. Ein Erfahrungssatz, dass sich die emotionale Motivation stets auch in der Art und Weise der Äußerung niederschlägt, existiert nicht. Den Gründen der angefochtenen Entscheidung ist diesbezüglich außerdem zu entnehmen, dass die amtsgerichtlich gewählte Formulierung, dass die Äußerung „in einem ruhigen Ton“ erfolgt sei, sich aufgrund der verwendeten konsekutiven Konjunktion entgegen der Revision nicht auf eine Bewertung des Tonfalls der Äußerung durch den Zeugen, sondern auf deren Lautstärke bezieht („Dies äußerte der Angeklagte in einem ruhigen Ton, so dass der Gesprächsinhalt für Dritte nicht wahrnehmbar war“).
c. Ein Darstellungsmangel liegt auch nicht darin, dass in den Gründen des Urteils nicht ausdrücklich dargestellt wird, wer die Polizei aufgrund der Äußerung des Angeklagten verständigt hat. Aus dem Gesamtzusammenhang der amtsgerichtlichen Beweiswürdigung mit den Feststellungen zum Sachverhalt ergibt sich allerdings, dass der Inhalt des Gesprächs zwischen dem Angeklagten und dem Zeugen M von niemand anderem wahrgenommen wurde. Die etwas unpräzise passivische Formulierung in der Beweiswürdigung - „dass die Polizei gerufen wurde“ - kann daher bei verständiger Würdigung nur im Kontext zu der im Aufbau der Beweiswürdigung unmittelbar zuvor mitgeteilten, durch den vorbezeichneten Zeugen telefonisch an einen Kollegen weitergegebenen Information über die gegenständliche Äußerung des Angeklagten verstanden werden; dieser Kollege hat sodann anschließend unmittelbar oder mittelbar eine Mitteilung an die Polizeibehörden veranlasst.
3. Auch die rechtliche Würdigung des dementsprechend rechtsfehlerfrei festgestellten Sachverhalts durch das Amtsgericht hält rechtlicher Prüfung stand.
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a. Die Voraussetzungen des Tatbestands der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten (§ 126 Abs. 1 StGB) liegen - ungeachtet des auch von den im Urteil nicht wiedergegebenen sprachlichen Fähigkeiten des Angeklagten abhängigen interpretationsbedürftigen Sinngehalts seiner wörtlich im Urteil wiedergegebenen, eher vage gebliebenen Äußerung - nicht vor; diese war nämlich bereits objektiv nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.
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Nach ständiger Rechtschreibung ist der öffentliche Frieden dann gestört, wenn das Vertrauen der Bevölkerung in die öffentliche Rechtssicherheit erschüttert wird oder wenn potentielle Täter durch Schaffung eines „psychischen Klimas“, in dem Taten wie die angedrohten begangen werden können, aufgehetzt werden können (BGH, Beschluss vom 20.09.2010 - 4 StR 395/10 -, NStZ-RR 2011, 78 f., juris Rn. 6 mwN; MüKo-StGB/Schäfer, 2. Aufl., § 126 Rn. 26; LK-StGB/Krauß, 12. Aufl., § 126 Rn. 27). Vorausgesetzt wird dabei nicht, dass eine Störung bereits eingetreten ist; es reicht aus, dass die Handlung zumindest konkret zur Störung des öffentlichen Friedens geeignet ist. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn die entsprechende Ankündigung in der Öffentlichkeit erfolgt. Eine Ankündigung gegenüber einem Einzelnen kann dann genügen, wenn nach den konkreten Umständen - beurteilt sowohl nach Art und Inhalt der Äußerung sowie den Umständen ihrer Abgabe als auch nach ihren voraussichtlichen Folgewirkungen und dem Kreis der Erklärungsempfänger (MüKo-StGB/Schäfer, aaO, § 126 Rn. 26; LK-StGB/Krauß, aaO, § 126 Rn. 27) - damit zu rechnen ist, dass der angekündigte Angriff nach dem aus der Sicht eines objektiven Beobachters voraussehbaren, wahrscheinlichen Geschehensablauf einer breiten Öffentlichkeit bekannt werden wird - wie bei einer Zusendung an die Medien oder einen nicht näher einzugrenzenden Kreis von Privatpersonen, von deren Diskretion nicht auszugehen ist, aber auch an einen unmittelbar Betroffenen, wenn anzunehmen ist, dass dieser sich aus Sorge um Opfer oder aus Empörung über diese Drohung an die Öffentlichkeit wenden wird (BGH aaO mwN; MüKo-StGB/Schäfer, aaO, § 126 Rn. 31; LK-StGB/Krauß, aaO, § 126 Rn. 27, 31; Schönke/Schröder/Sternberg-Lieben, StGB, 29. Aufl., § 126 Rn. 9).
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Vorliegend ist das Amtsgericht zurecht davon ausgegangen, dass von dem mit der Betreuung des Angeklagten aufgrund dessen Unterbringung im Kinderheim befasst gewesenen Wohngruppen-Bezugsbetreuer - ebenso wie von staatlichen Organen (so für Polizeibeamte und Mitarbeiter des Sozialamts: BGH, Beschluss vom 30.11.2010 - 3 StR 428/10 -, NStZ-RR 2011, 109; für Rechtspfleger: BGH, Beschluss vom 19.05.2010 - 1 StR 148/10 -, NStZ 2010, 570; für Bahnhofsvorstände der (ehemaligen) Deutschen Bundesbahn: BGH, Beschluss vom 02.04.1987, 4 StR 55/87 -, NStZ 1987, 364, juris Rn. 10) - auch vor dem Hintergrund der eine Tat lediglich andeutenden Äußerung zu erwarten war, dass dieser zwar präventive Maßnahmen - wie die Information der Dienstvorgesetzten oder der Polizeibehörden - veranlassen, im Übrigen aber - vergleichbar der Verfahrensweise der mit Präventionsmaßnahmen befassten Behörden - mit Diskretion vorgehen würde, um eine entsprechende Vorgehensweise dieser Behörden nicht zu gefährden und die Öffentlichkeit nicht zu beunruhigen. Dies gilt vorliegend umso mehr, als sowohl der Name als auch der einzige vom Angeklagten als unbegleiteten minderjährigen Flüchtling genutzte Hinwendungsort in Deutschland bekannt waren (entsprechend für eine ehemalige Mitarbeiterin einer Betreuungseinrichtung für Menschen mit psychischen Behinderungen: BGH, Beschluss vom 20.09.2010 - 4 StR 395/10 -, NStZ-RR 2011, 78 f., juris Rn. 7).
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b. Auch der Tatbestand des Vortäuschens des Bevorstehens einer Straftat gegenüber einer Behörde in mittelbarer Täterschaft nach §§ 145d Abs. 1 Nr. 2, 25 Abs. 2 StGB ist nach den Feststellungen offensichtlich nicht erfüllt (LK-StGB/Ruß, aaO, § 145d Rn. 13).
III.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1, Abs. 2 StPO.

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