Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 69/17; 2 Ws 70/17; 2 Ws 71/17

Tenor

1. Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 16.02.2017 aufgehoben,

a) soweit die mit Urteil des Amtsgerichts F vom 17.01.2013 angeordnete Unterbringung des Verurteilten in einer Entziehungsanstalt für erledigt erklärt wurde (II. des Beschlusses). Die vorbezeichnete Maßregel bleibt zur Bewährung ausgesetzt.

b) hinsichtlich der als Folge der Erledigung der vorbezeichneten Maßregel getroffenen Anordnungen (III. bis VI. des Beschlusses).

2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen den Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 16.02.2017 als unbegründet verworfen.

3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Verurteilte, jedoch wird die Beschwerdegebühr um ein Viertel ermäßigt. Dem Verurteilten sind ein Viertel der ihm durch das Beschwerdeverfahren erwachsenen notwendigen Auslagen aus der Staatskasse zu erstatten.

Gründe

 
I.
Dem Verfahren liegen die folgenden Verurteilungen des Beschwerdeführers zugrunde:
1. Durch Urteil des Amtsgerichts F vom 27.04.2004 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts F vom 14.04.2005 wurde wegen Urkundenfälschung, Betrugs sowie Urkundenfälschung in Tateinheit mit Betrug unter Einbeziehung der Einzelstrafen aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts S vom 09.03.2004 eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit versuchtem Betrug eine weitere Freiheitsstrafe von fünf Monaten festgesetzt. Die zunächst gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wurde mit Beschluss des Landgerichts F vom 14.01.2010 widerrufen.
2. Das Amtsgericht K erkannte mit Urteil vom 08.01.2009 wegen Diebstahls, Urkundenfälschung in zwei Fällen, davon einmal in Tateinheit mit Betrug und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit versuchtem Betrug, auf die Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten.
3. Schließlich verurteilte das Amtsgericht F den Beschwerdeführer am 17.1.2013 wegen Diebstahls in fünf Fällen, Betrugs in vier Fällen, Computerbetrugs sowie wegen Urkundenfälschung in Tateinheit mit Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs und mit fahrlässiger Körperverletzung zu der Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und fünf Monaten und ordnete seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Auf der Grundlage sachverständiger Beratung ging das Amtsgericht davon aus, dass infolge des Zusammenwirkens einer langjährigen Alkoholabhängigkeit, pathologischen Spielens (beides bildete auch den Hintergrund der beiden vorangegangenen Verurteilungen), einer histrionischen Persönlichkeitsstörung mit selbstunsicheren und abhängigen Zügen sowie einer akuten Belastungsreaktion - bei Begehung der Taten befand sich der Verurteilte auf der Flucht, nachdem er aus einem Hafturlaub nicht zurückgekehrt war - nicht nur die Steuerungsfähigkeit des Verurteilten zu den Tatzeitpunkten nicht ausschließbar erheblich vermindert war, sondern die süchtige Bindung an Alkohol und Glücksspiel auch überwiegend die wesentliche Triebkraft für die Begehung der Taten war und infolge dieses Hanges weitere Straftaten, vor allem Eigentumsdelikte, zu besorgen waren.
Der Verurteilte befand sich ab dem 10.06.2011 - unterbrochen durch seine Entweichung im Frühsommer 2011 - in Strafhaft. Nachdem zwei Drittel der Strafen aus den Urteilen des Amtsgerichts F vom 27.04.2004 und des Amtsgerichts K vom 08.01.2009 verbüßt waren, wurde seit dem 7.3.2013 die mit Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 17.01.2013 angeordnete Maßregel im Zentrum für Psychiatrie Emmendingen vollzogen.
Mit Beschluss des Landgerichts F vom 05.03.2015, rechtskräftig seit 19.03.2015, wurde die Vollstreckung der Reststrafen aus den eingangs geschilderten Urteilen sowie der durch Urteil des Amtsgerichts F vom 17.01.2013 angeordneten Unterbringung in einer Entziehungsanstalt zur Bewährung ausgesetzt. Die Dauer der Bewährungszeit und der mit der Aussetzung der Maßregel eintretenden Führungsaufsicht wurde auf drei Jahre und sechs Monate festgesetzt und dem Verurteilten verschiedene Weisungen erteilt.
Nachdem der Verurteilte bereits wegen eines am 10.4.2015 begangenen Betrugs durch seit 28.11.2015 rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts E vom 13.11.2015 zu der Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 10 EUR verurteilt worden war, erkannte das Amtsgericht V mit seit 15.10.2016 rechtskräftigem Urteil vom 02.03.2016 wegen Computerbetrugs in neun Fällen auf die Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten, die der Verurteilte seit dem 07.02.2017 in der Justizvollzugsanstalt Z verbüßt.
Nach schriftlicher Anhörung des Verurteilten widerrief das Landgericht Freiburg mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.02.2017 im Hinblick auf die Verurteilung durch das Amtsgericht V die Aussetzung der Reststrafen zur Bewährung und erklärte die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt. Die Dauer der infolge dieser Erledigung eintretenden Führungsaufsicht wurde auf drei Jahre festgesetzt, der Verurteilte der Aufsicht und Leitung des für seinen Wohnsitz zuständigen Bewährungshelfers unterstellt und die Entscheidung über die Erteilung von Weisungen bis zur Entlassung des Verurteilten aus der Strafhaft zurückgestellt. Im Hinblick auf die neu eingetretene Führungsaufsicht wurde schließlich das Entfallen der mit der Aussetzungsentscheidung vom 05.03.2015 eingetreten Führungsaufsicht angeordnet.
Gegen den ihm am 20.02.2017 zugestellten Beschluss legte der Verurteilte am 22.02.2017 Beschwerde ein, mit der er erstrebt, dass die Reststrafen zur Bewährung ausgesetzt bleiben.
II.
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Das Rechtsmittel ist gemäß § 300 StPO als die gemäß §§ 453 Abs. 2 Satz 3, 462 Abs. 3 Satz 1, 463 Abs. 6 Satz 1 StPO statthafte sofortige Beschwerde zu behandeln, die in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg hat und im Übrigen unbegründet ist.
11 
1. Soweit sich der Verurteilte gegen den Widerruf der für die Reststrafen aus den drei Anlassverurteilungen gewährten Aussetzung zur Bewährung wendet, muss seinem Rechtsmittel der Erfolg versagt bleiben.
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Es liegt der Widerrufsgrund nach §§ 56f Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 57 Abs. 5 Satz 1 StGB vor.
13 
Der Verurteilte ist wegen mehrerer in der Bewährungszeit begangener Straftaten vom Amtsgericht V rechtskräftig zu einer Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt worden, deren Vollstreckung nicht zur Bewährung ausgesetzt wurde. In dem maßgeblichen Berufungsurteil des Landgerichts K vom 21.06.2016 wurde die Versagung der Bewährung mit dem Fehlen einer günstigen Sozialprognose begründet. Für diese Beurteilung des Landgerichts, der wegen der besseren Erkenntnismöglichkeiten des Tatgerichts erhebliche Bedeutung für das Widerrufsverfahren zukommt (Fischer, StGB, 61. Aufl., § 56f Rn. 8b m.w.N.), war bestimmend, dass es sich bei der neuerlichen Straffälligkeit auch unter Berücksichtigung der festgestellten finanziellen Notlage des Verurteilten nicht um eine einmalige Ausnahmesituation, sondern den Rückfall in kriminelle Verhaltensmuster handelte. Der im Urteilszeitpunkt verbesserten persönlichen Situation des Verurteilten mit Arbeitsplatz, Wohnung und Beziehung maß das Landgericht keine entscheidende protektive Bedeutung zu, weil es unter vergleichbaren Bedingungen in der Vergangenheit gleichwohl zur Begehung von Straftaten gekommen war. Das Landgericht hat somit auch unter Berücksichtigung der vom Verurteilten im Beschwerdeverfahren erneut vorgebrachten Gesichtspunkte - finanzielle Notlage, Veränderung der persönlichen Verhältnisse - eine günstige Prognose verneint, weshalb auch der Senat davon ausgeht, dass es der Vollstreckung der Reststrafen bedarf, um ihn von weiteren Straftaten abzuhalten.
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2. Dagegen liegen die Voraussetzungen für die Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, durch die der Verurteilte jedenfalls im Hinblick auf die daran anknüpfenden Entscheidungen zur Führungsaufsicht beschwert ist, nicht vor.
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Gemäß § 67d Abs. 5 Satz 1 StGB ist die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt für erledigt zu erklären, wenn die Voraussetzungen für ihre Anordnung nicht mehr vorliegen. Davon kann vorliegend, auch wenn die neuen Straftaten ersichtlich nicht im Zusammenhang mit dem Hang des Verurteilten zu übermäßigem Genuss von Alkohol stehen, keine Rede sein. Dass die Maßregel aus anderen Gründen ihren Zweck nicht mehr erreichen kann, lässt sich auch unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Dauer der Strafhaft, die die restliche Bewährungszeit aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich übersteigen wird, ebenfalls nicht feststellen.
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3. Infolge des Wegfalls des Ausspruchs über die Erledigung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt können auch die daran anknüpfenden Entscheidungen über das Entfallen der bisherigen Führungsaufsicht (VI. des angefochtenen Beschlusses) und die Ausgestaltung der mit der Erledigung neu eintretenden Führungsaufsicht (III. bis V. des angefochtenen Beschlusses) keinen Bestand haben. Hinsichtlich der Führungsaufsicht bleibt es danach bei den im Beschluss des Landgerichts Freiburg vom 05.03.2017 getroffenen Anordnungen; allerdings ruht die Führungsaufsicht während der Inhaftierung des Verurteilten (§ 68e Abs. 1 Satz 2 StGB).
III.
17 
Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

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