Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Ws 289/19

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Untergebrachten gegen den Beschluss des Landgerichts Heidelberg vom 17.7.2019 wird kostenpflichtig (§ 473 Abs. 1 Satz 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

 
Der Senat tritt im Ergebnis der im angefochtenen Beschluss vorgenommenen Bewertung bei, dass die Voraussetzungen für einen weiteren Vollzug der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus vorliegen, weil von dem Untergebrachten mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades auch in Zukunft infolge seiner paranoiden Schizophrenie erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind und der deshalb bestehenden Gefährlichkeit für die Allgemeinheit anders als durch den Vollzug der Maßregel nicht wirksam begegnet werden kann.
1. Soweit in der Vergangenheit als Ursache der auch im Unterbringungsverlauf beobachteten psychotischen Phänomene wie akustische Halluzinationen und Vergiftungsängste ein Substanzmittelmissbrauch für möglich gehalten wurde, kann es aufgrund der Längsschnittbetrachtung unter Einschluss der Unterbringungsdauer inzwischen als gesichert angesehen werden, dass der Untergebrachte an einer paranoiden Schizophrenie leidet, wobei die produktiv-psychotischen Symptome erst nach mehrfacher Umstellung der antipsychotisch wirksamen Medikation allmählich zum Abklingen gebracht werden konnten. Zudem macht sich die Erkrankung durch eine ausgeprägte Negativsymptomatik mit starker Herabsetzung von Aufmerksamkeit, Konzentration und Belastbarkeit bemerkbar.
2. Die Betrachtung der Vorgeschichte, der Anlasstaten und des Unterbringungsverlaufs führen zudem zu dem eindeutigen Ergebnis, dass mit Exazerbationen der schizophrenen Erkrankungen eine affektive Aufladung einhergeht, die immer wieder zu raptusartigen fremdaggressiven Entladungen geführt hat. Neben den Anlasstaten lassen sich auch die mit Strafbefehlen des Amtsgerichts Buchen vom 13.2.2014 bzw. 11.3.2014 abgeurteilten Taten sowie das Vorkommnis vom 22.7.2016, das Gegenstand eines - im Hinblick auf das zur Unterbringung führende Verfahren nach § 154 StPO eingestellten - Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft Mosbach war, in einen solchen Zusammenhang bringen, nachdem eigene und fremdanamnestische Angaben das Bestehen der psychischen Erkrankung, derentwegen der Untergebrachte spätestens ab dem Frühjahr 2014 in Behandlung war, für den damaligen Zeitraum belegen und von Zeugen zu den jeweiligen Tatgeschehen ein hochgradig auffälliges Verhalten des Untergebrachten berichtet wurde. Noch im Unterbringungsverlauf ist es nach dem Bericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden (PZN) bei noch nicht vollständiger Remission der akuten Symptome zu solchen Erregungsdurchbrüchen gekommen, so am 13.2.2017, als der Untergebrachte wutentbrannt Bett, Matratze und Stuhl durch sein Zimmer warf, und zuletzt im Oktober 2018 als Reaktion auf die Konfrontation mit Regelverstößen im Umgang mit einem Mobiltelefon.
3. In den Berichten des PZN, zuletzt vom 4.9.2019, wird nachvollziehbar geschildert, dass es dem Untergebrachten bei einer wohl im Bereich der leichten Minderung liegenden Intelligenz an einer eigentlichen Krankheitseinsicht fehlt. Zwar hat der Untergebrachte seine bei der mündlichen Anhörung am 11.5.2018 geäußerte Behauptung, gesund zu sein, zuletzt bei der mündlichen Anhörung am 16.7.2019 nicht mehr wiederholt. Seine dabei geäußerte Vorstellung, nach einer Entlassung einer Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt nachgehen zu können, steht aber in krassem Widerspruch zu den massiven mit der Erkrankung einhergehenden Einschränkungen, die nach dem Bericht des PZN Unterstützung selbst bei basalen alltagspraktischen Anforderungen wie der Körperpflege und der Einhaltung von Terminen erforderlich machen, und deutet auf ein völlig fehlendes Verständnis für die Erkrankung und ihre Auswirkungen hin. Angesichts der beschriebenen krankheitsbedingten Defizite bedürfte es eines - bislang nicht vorhandenen - engmaschigen Entlassrahmens, um die Fortsetzung der zur Symptomsuppression unerlässlichen Fortführung der Behandlung mit antipsychotisch wirksamen Medikamenten zu gewährleisten, eine Überforderung des Untergebrachten und die Wiederaufnahme des aus der Vergangenheit bekannten, in ungünstiger Wechselwirkung mit der psychischen Erkrankung stehenden übermäßigen Alkoholkonsums zu verhindern. Bei einer unvorbereiteten Entlassung wäre deshalb umgehend mit rascher Dekompensation der schizophrenen Erkrankung und darunter erneut mit fremdaggressiven Durchbrüchen zu rechnen.
4. Die im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung, dass deshalb vom Untergebrachten auch in Zukunft erhebliche rechtswidrige Taten drohen, teilt der Senat allerdings nur im Ergebnis. Bei der Betrachtung der strafrechtlich relevanten Vorgeschichte muss zweifelsfrei davon ausgegangen werden, dass der Untergebrachte bei Konfrontationen sich nicht nur auf verbale Angriffe beschränken, sondern auch mit Schlägen oder Tritten tätlich werden wird. Entgegen der Bewertung im angefochtenen Beschluss fehlt es für die Annahme, dass der Untergebrachte mit einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades dabei auch Messer oder andere zur Herbeiführung erheblicher Verletzungen geeignete Gegenstände einsetzen wird und deshalb die Gefahr erheblicher körperlicher Schädigung anderer besteht, an einer zureichenden tatsächlichen Grundlage. Zwar ist der Untergebrachte in der Vergangenheit mehrfach dadurch in Erscheinung getreten, dass er unter Verwendung von Messern andere bedroht hat - neben den Vorfällen, die Gegenstand der beiden vom Amtsgericht Buchen mit Strafbefehlen abgeschlossenen Verfahren waren, ist besonders das Vorkommnis vom 22.7.2016 zu nennen. Aus der vom Senat beigezogenen Akte dazu (Staatsanwaltschaft Mosbach 25 Js 6376/16) ergibt sich, dass der Untergebrachte damals mit einem Messer bewaffnet auf eine Gruppe Jugendlicher losging, wobei er in Richtung des Halses eines der Jugendlichen eine Schnittbewegung ausführte, der dieser ausweichen konnte. Für die dazu vom Untergebrachten abgegebene Einlassung des Untergebrachten, er habe die Jugendlichen nur erschrecken wollen, spricht dabei, dass es dem Untergebrachten nach der auch von dem Opfer beschriebenen Tatsituation ein Leichtes gewesen wäre, eine etwa vorhandene Verletzungsabsicht in die Tat umzusetzen. Der Senat hält es danach zwar ebenfalls für überwiegend wahrscheinlich, dass sich der Untergebrachte für Konfrontationssituationen auch in Zukunft mit Messern wappnen und diese als Drohmittel einsetzen wird. Dass er sie darüber hinaus auch als Mittel von Körperverletzungen einsetzen wird, erscheint danach jedoch als nur möglich. Ungeachtet dessen sind Handlungen, die den vom Amtsgericht Buchen abgeurteilten Vorfällen oder dem Vorkommnis vom 22.7.2016 vergleichbar sind, als erhebliche rechtswidrige Taten einzustufen, mit denen die Gefahr einer erheblichen seelischen Schädigung der Opfer verbunden ist und die deshalb die weitere Unterbringung rechtfertigen. Zwar wären solche Taten - je nach den Umständen - rechtlich nur als Nötigung (§ 240 StGB) oder als Bedrohung (§ 241 StGB) einzuordnen, die im Höchstmaß nur mit drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind und deshalb im Allgemeinen nicht die zeitlich unbefristete Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus rechtfertigen (BVerfG RuP 2014, 31; BGH FamRZ 2014, 1922 m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn Todesdrohungen geeignet sind, den Bedrohten nachhaltig und massiv in seinem elementaren Sicherheitsbedürfnis zu beeinträchtigen (BT-Drs. 18/7244 S. 19; BGH NStZ-RR 2011, 202). Dies ist bei Todesdrohungen unter Einsatz von Messern, die bei den Bedrohten - wie bei den genannten Taten - vor allem in Verbindung mit der vom Untergebrachten dabei jeweils an den Tag gelegten überschießenden Aggressivität unschwer den Eindruck erwecken, der Untergebrachte sei zur Umsetzung verbaler Todesdrohungen nicht nur in der Lage, sondern auch willens, der Fall, zumal, wenn dies, wie bei dem Vorkommnis vom 22.7.2016 mit direkt gegen den Körper gerichteten Bewegungen mit dem Messer verbunden ist.
5. Angesichts der erheblichen mit der Erkrankung verbundenen Beeinträchtigungen und dem bisher noch fehlenden Krankheitsverständnis des Untergebrachten ist auszuschließen, dass der beschriebenen Gefahr allein durch Maßnahmen im Rahmen der nach einer Entlassung aus dem Maßregelvollzug eintretenden Führungsaufsicht (§ 67d Abs. 2 Satz 3, Abs. 6 Satz 4 StGB) wirksam begegnet werden kann. Die Abwägung des Freiheitsanspruchs des Untergebrachten mit den Gefahren für die Rechtsgüter anderer führt danach zu dem Ergebnis, dass die Maßregel weiter zu vollziehen ist.

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