Beschluss vom Oberlandesgericht Karlsruhe - 2 Rb 35 Ss 414/21

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Freiburg vom 11.3.2021 mit den Feststellungen zur Höhe des der Betroffenen für den Transport zugeflossenen Entgelts aufgehoben.

2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Freiburg zurückverwiesen.

3. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

Gründe

 
I.
Mit dem angefochtenen Urteil vom 11.3.2021 ordnete das Amtsgericht die Einziehung eines Geldbetrags von 6.866 EUR an. Nach den Feststellungen transportierte das betroffene Schwerlast-Transportunternehmen am 14.2.2020 einen Container 45'' Electric von Burgos (Spanien) nach Cieszanowice (Polen), wobei das Fahrzeug mit der Ladung eine Höhe von jedenfalls 4,17 Metern, eine Länge von 23,80 Metern und ein Gesamtgewicht von 45.668 kg aufwies. Abmessungen und Gewicht waren von der dafür eingeholten Ausnahmegenehmigung nicht abgedeckt. Nach Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigung konnte der Transport fortgesetzt werden. Das Amtsgericht hat das Entgelt für die Durchführung des Transports als den durch bzw. für die Tat erlangten Vorteil angesehen, dessen Höhe es auf der Grundlage der Kostensätze Gütertransport Straße (KGS) auf 6.866 EUR geschätzt hat.
Mit der frist- und formgerecht eingelegten und begründeten Rechtsbeschwerde beanstandet die Betroffene die Annahme, dass die Betroffene für die Durchführung des Transports ein Entgelt erhalten habe. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe hat mit ihrer Antragsschrift vom 17.6.2021 beantragt, die angefochtene Entscheidung wegen unzureichender Mitteilung der Schätzgrundlagen aufzuheben.
II.
Die Rechtsbeschwerde hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg, im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO).
1. Rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden sind die auf einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung beruhenden Feststellungen im amtsgerichtlichen Urteil, wonach bei der Durchführung des Transports sowohl die nach §§ 22 Abs. 2 Satz 1 StVO, 32 Abs. 3, 4 und 4a StVZO zulässige Höhe und Länge des Fahrzeugs als auch das nach § 34 StVZO zulässige Gesamtgewicht überschritten waren, ohne dass dafür eine Ausnahmegenehmigung nach §§ 29 Abs. 3 Satz 1, 70 StVZO vorlag, und dies sowohl vom Fahrer als auch von dem bei der Betroffenen zuständigen Disponenten zumindest billigend in Kauf genommen wurde.
2. Die Bestimmung des danach der Einziehung gemäß § 29a Abs. 1 OWiG unterliegenden Geldbetrags ist dagegen nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Soweit das Amtsgericht bei der Bemessung im Ausgangspunkt auf das für die Durchführung des Transports gezahlte Entgelt abgestellt hat, ist dies nicht zu beanstanden.
1) Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I 872) war allerdings umstritten, was bei der Durchführung eines die allgemeinen verkehrsrechtlichen Beschränkungen übersteigenden Schwertransports mit unteilbarer Ladung ohne die dafür erforderliche behördliche Erlaubnis als das aus bzw. für die Tat erlangte „etwas“ i.S.d. § 29a Abs. 1 OWiG anzusehen ist.
(1) Das Oberlandesgericht Celle (Beschluss vom 30.8.2011 - 322 SsBs 175/11 = DAR 2011, 642; Beschluss vom 15.5.2013 - 322 SsBs 108/13 = DAR 2013, 480) und dem folgend das Oberlandesgericht Hamburg (Beschluss vom 2.1.20214 - 2 - 43/13 (RB) = NStZ 2014, 340) unterschieden danach, ob es sich bei der nicht beachteten behördlichen Kontrollbefugnis um ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt oder aber ein repressives Verbot mit Befreiungsvorbehalt handelt und ordneten die Ausnahmegenehmigung nach §§ 29 Abs. 3 Satz 1 StVO, 70 StVZO als Letzteres ein. Da danach die Durchführung des Transports als solches als nicht nur formell, sondern auch materiell rechtswidrig eingestuft wurde, wurde - im Fall entgeltlicher Durchführung des Transports - der gezahlte Transportlohn als das durch die Tat Erlangte angesehen.
(2) Demgegenüber hielt das Oberlandesgericht Koblenz es - in der dazu ergangenen Entscheidung (Beschluss vom 28.9.2006 - 1 Ss 247/06 = ZfS 2007, 108) nicht tragend - für maßgeblich, ob der Transport schlechterdings nicht erlaubnisfähig ist. Lagen hingegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vor, lag der Verstoß danach nur in der unterbliebenen Einholung der Erlaubnis, weshalb nur die dadurch ersparten Aufwendungen wie Genehmigungsgebühren und Kosten für den Einsatz von Begleitfahrzeugen u.ä. das durch die Tat Erlangte darstellten.
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(3) Der Bundesgerichtshof hat in seinem zu § 73 StGB a.F. ergangenen Urteil vom 19.1.2012 (3 StR 343/11 = BGHSt 57, 79), in dem es allerdings um eine Erlaubnispflicht nach dem Außenwirtschaftsgesetz ging, ebenfalls darauf abgestellt, ob das Geschäft bzw. seine Abwicklung an sich verboten und strafbewehrt ist - in diesem Fall sollte grundsätzlich der gesamte hieraus erlangte Erlös dem Verfall unterliegen. War dagegen strafrechtlich nur die Art und Weise bemakelt, in der das Geschäft ausgeführt wurde, so war nur der hierauf entfallende Sondervorteil erlangt. Dies sollte insbesondere gelten, wenn bei einem erlaubnispflichtigen Vorgang die Voraussetzungen für die Erteilung der Erlaubnis vorlagen.
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2) Mit dem Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl. I 872) haben die einziehungsrechtlichen Vorschriften indes eine grundlegende Überarbeitung erfahren, die sich auch auf die Bestimmung der der Einziehung überhaupt unterliegenden Vorteile ausgewirkt hat.
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Aus der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung ergibt sich, dass mit der Änderung auch auf eine innerhalb der Strafsenate des Bundesgerichts bestehende Kontroverse bei der Bestimmung des Erlangten reagiert werden sollte (BT-Drs. 18/9525 S. 46 f.).
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In der Begründung zur Neufassung des § 73 StGB, der auch § 29a OWiG angepasst wurde (BT-Drs. 18/9525 S. 105), heißt es dazu (BT-Drs. 18/9525 S. 55, 56): „§ 73 Absatz 1 StGB-E erweitert die geltende Vorschrift, indem das Wort „aus“ durch das Wort „durch“ ersetzt wird. Abzuschöpfen ist damit jeder Vermögenswert, den der Tatbeteiligte „durch“ die rechtswidrige Tat erlangt hat. Dies umfasst zum einen alles, was nach geltendem Recht als das „aus“ der Tat Erlangte abzuschöpfen ist; insofern ist mit der Neufassung keine inhaltliche Änderung verbunden. Zum anderen unterstreicht die Neufassung des § 73 Absatz 1 StGB-E den quasi-kondiktionellen Charakter der Vermögensabschöpfung. Der Entwurf legt damit fest, dass die erforderliche Kausalbeziehung zwischen der Tat und dem rein gegenständlich zu bestimmenden Erlangten sich allein nach den Wertungen des Bereicherungsrechts richtet. § 73 Absatz 1 StGB-E entspricht mit dieser Erweiterung den Vorgaben von Artikel 2 Nummer 1 und Artikel 4 Absatz 1 der Richtlinie 2014/42/EU, wonach nicht nur „direkt“, sondern auch „indirekt“ durch eine Straftat erlangte wirtschaftliche Vorteile einzuziehen sind. Zudem reagiert der Entwurf damit auf das vom 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs entwickelte „ungeschriebene“ (einschränkende) Tatbestandsmerkmal der „Unmittelbarkeit“ (vgl. oben I.3). [...] Aus dem Zusammenspiel der Vorschriften des § 73 Absatz 1 StGB-E und § 73d Absatz 1 StGB-E folgt, dass das Erlangte nach dem „Bruttoprinzip“ in zwei Schritten zu bestimmen ist. Im ersten Schritt ist das Erlangte nach § 73 Absatz 1 StGB-E rein gegenständlich zu bestimmen. Erlangt sind danach alle Vermögenswerte in ihrer Gesamtheit, die einem Tatbeteiligten oder Drittbegünstigten aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase des Tatablaufs zugeflossen sind. Auf eine „unmittelbare“ Kausalbeziehung zwischen Tat und Bereicherung kommt es dabei nicht an.“
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3) In diesem rein tatsächlichen Sinn ist das Entgelt für einen unter Verletzung bußgeldbewehrter verkehrsrechtlicher Vorschriften durchgeführten Transport (bzw. der Anspruch hierauf) fraglos „durch die mit Geldbuße bedrohte Handlung“ im Sinn des § 29a Abs.1 OWiG erlangt.
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b) Aus dem im Urteil festgestellten Vorhandensein eines Frachtbriefs ergibt sich zudem mit hinreichender Sicherheit, dass die Betroffene den Transport nicht auf eigene Rechnung, sondern als Frachtführer ausführte (vgl. Art. 4, 9 Abs. 1 CMR), was auch den Schluss auf eine entgeltliche Besorgung trägt (vgl. für das deutsche Recht § 407 HGB). Die Feststellung, dass der Transport nach Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigung fortgesetzt werden konnte, berechtigte das Amtsgericht unter Berücksichtigung des weiteren Zeitablaufs bis zur Hauptverhandlung und der üblichen Geschäftsabläufe mangels gegenteiliger Anhaltspunkte auch zu der Annahme, dass die Betroffene das für den Transport vereinbarte Entgelt zwischenzeitlich erhalten hatte.
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c) Entgegen der in der Rechtsbeschwerdebegründung vertretenen Auffassung war das Amtsgericht nicht gehindert, die Höhe des vereinnahmten Entgelts gemäß § 29a Abs. 4 Satz 1 OWiG im Weg der Schätzung zu bestimmen, nachdem sich die Betroffene diesbezüglich nicht auskunftsbereit zeigte und Bemühungen des Amtsgerichts, von dem sich aus dem Frachtbrief ergebenden Versender Auskünfte dazu zu erhalten, erfolglos geblieben waren.
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d) Wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift zutreffend ausgeführt hat, sind im Urteil jedoch keine ausreichenden Feststellungen getroffen, die dem Senat eine rechtliche Überprüfung des Schätzvorgangs ermöglichen. Die Heranziehung der KGS als Schätzgrundlage ist allerdings nicht zu beanstanden, jedoch sind die dabei an die Darstellung im Urteil zu beachtenden Anforderungen (vgl. OLG Karlsruhe - Senat, ZfS 2013, 172 und Beschluss vom 23.12.2014 - 2 (6) SsBs 601/14, juris; OLG Stuttgart StraFo 2014, 26; OLG Braunschweig ZfS 2014, 230) nicht vollständig beachtet. Zwar sind die in die Schätzung eingeflossenen Positionen in den Gründen des angefochtenen Urteils benannt, hinsichtlich der zahlenmäßigen Beträge wird jedoch unzulässigerweise (die Möglichkeit der Verweisung auf bei den Akten befindliche Unterlagen ist gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf Abbildungen beschränkt) auf eine lediglich bei den Akten befindliche Aufstellung Bezug genommen.
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3. Die Sache war deshalb unter Aufhebung des Urteils und der von dem zur Aufhebung führenden Rechtsfehler betroffenen Feststellungen an die Vorderinstanz zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 6 OWiG, 353 StPO).
III.
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Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, dass der Umstand, dass die Durchführung des Transports zwar mangels Vorliegens einer ausreichenden Ausnahmegenehmigung formell rechtswidrig war, die Voraussetzungen für die Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung - wie die später erteilte Genehmigung belegt - aber an sich vorlagen, auch bei der Ausübung des Ermessens über die Höhe des Betrages, dessen Einziehung angeordnet wird, angemessen zu berücksichtigen sein wird.

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