Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (2. Strafsenat) - 2 Ws 103/13 (Vollz)
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung gegen den Beschluss der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Koblenz vom 15. November 2013 wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Untergebrachten fallen der Staatskasse zur Last.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 250,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
1.
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Das Landgericht Bad Kreuznach verurteilte den Untergebrachten am 27. April 2011 wegen schwerer räuberischer Erpressung, vorsätzlicher Körperverletzung und Diebstahls mit Waffen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten; zugleich ordnete es wegen Betäubungsmittelabhängigkeit seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt an. Die Maßregel wird seit dem 27. Juli 2011 in der Klinik …[A] vollzogen. Hier wurde festgestellt, dass der Untergebrachte nicht nur an Polytoxikomanie (ICD 10: F19.21), sondern auch an einer emotional instabilen Persönlichkeitsstörung impulsiven Typs (Borderline-Persönlichkeitsstörung, ICD 10: F60.30) leidet. Die Klinik …[A] verfügt sowohl über Fachabteilungen eines psychiatrischen Krankenhauses im Sinne von § 63 StGB als auch über solche einer Entziehungsanstalt im Sinne von § 64 StGB.
- 2
Um eine drohende, gefährliche Eskalation in der suchttherapeutischen Abteilung aufgrund aggressiven und bedrohlichen Verhaltens des Untergebrachten zu vermeiden, verlegte die Anstalt diesen am 22. März 2012 gegen seinen Willen in die Psychiatrie der Anstalt. Hier war er bis zur Rückverlegung in die Entziehungsanstalt am 19. Januar 2013 untergebracht.
2.
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Auf Antrag des Untergebrachten vom 19. August 2013 hat die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 15. November 2013 festgestellt, dass seine Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus in der Zeit vom 22. März 2012 bis zum 19. Januar 2013 rechtswidrig war, weil nicht vom zuständigen Gericht angeordnet.
- 4
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung vom 24. Januar 2014. Die Aufsichtsbehörde ist der Auffassung, es stehe im Ermessen der Anstalt, in Fällen wie diesem innerhalb derselben Klinik eine Verlegung in die jeweils andere Maßregelunterbringung zur Aufrechterhaltung der Sicherheit vorzunehmen.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.
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Dabei kann dahinstehen, ob das Landesamt als im Rechtsbeschwerdeverfahren beteiligte Aufsichtsbehörde (§ 111 Abs. 2 StVollzG) auch zur Einlegung der Rechtsbeschwerde selbst befugt ist (so Schmidt/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 6. Aufl. § 111 Rn. 5; OLG Stuttgart 4 Ws 447/83 v. 3.1.1984 - NStZ 1984, 528; Kerner NStZ 1984, 95; a.A. Callies/Müller-Dietz, StVollzG, 11. Aufl. § 111 Rn. 4; KG 5 Vollz (Ws) 248/83 v. 19.7.1983 - NStZ 1983, 576).
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Unzulässig ist die Rechtsbeschwerde jedenfalls deswegen, weil die Voraussetzungen des § 116 Abs. 1 StVollzG nicht gegeben sind. Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist weder zur Fortbildung des Rechts noch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten.
1.
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Der Fall gibt keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung gesetzlicher Vorschriften des materiellen und formellen Rechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. hierzu Callies/Müller-Dietz aaO § 116 Rn. 2 mwN). Die Rechtslage ist in Bezug auf die Verlegung eines Untergebrachten von einer Entziehungsanstalt in ein psychiatrisches Krankenhaus eindeutig; offene Rechtsfragen, die der Senat durch seine Entscheidung klären könnte, ergeben sich dabei nicht.
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a) Bei der Verlegung aus einer Entziehungsanstalt in ein psychiatrisches Krankenhaus (und umgekehrt) handelt es sich um einen Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG), in die von Verfassungs wegen nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden darf (Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG). Die Freiheit der Person darf nur aus besonders gewichtigen Gründen und unter strengen formellen Gewährleistungen eingeschränkt werden (BVerfG 2 BvR 2543/08 v. 26.3.2009 - NStZ-RR 2010, 122, zit. n. juris Rn. 39). Insoweit bestimmt Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG, dass eine solche Einschränkung nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Voraussetzungen erfolgen darf. Nur der Gesetzgeber darf nach Art. 2 Abs. 2 und Art. 104 GG darüber entscheiden, in welchen Fällen Freiheitsentziehungen zulässig sein sollen (vgl. BVerfGE 29, 183 <195 f.>; 2 BvR 1437/93 u.a. v. 9.3.1995 - NStZ 1995, 399, zit. n. juris Rn. 39). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn dergestalt, dass die Einhaltung der Formvorschriften eines freiheitsbeschränkenden Gesetzes zum Verfassungsgebot erhoben wird (BVerfG 2 BvR 2543/08 v. 26.3.2009, aaO Rn. 47).
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Förmliche Gesetze im Sinne von Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG sind nur solche Rechtsnormen, die in einem vorgeschriebenen Gesetzgebungsverfahren vom Parlament beschlossen worden sind (BVerfG 2 BvR 15/62 v. 3.7.1962 - BVerfGE 14, 174, zit. n. juris Rn. 39). Im Anwendungsbereich der Unterbringung im Maßregelvollzug sind dies die §§ 63 ff StGB.
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b) Die Voraussetzungen, unter denen ein Untergebrachter in eine andere Maßregelform verlegt werden darf, hat der Gesetzgeber abschließend geregelt.
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§ 67a Abs. 1 StGB bestimmt, dass das Gericht die in einem psychiatrischen Krankenhaus oder einer Entziehungsanstalt untergebrachte Person nachträglich in den Vollzug der anderen Maßregel überweisen kann, wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann. Die Vorschrift dient ausschließlich der Förderung der Resozialisierung des Täters. Der Resozialisierungsanspruch eines zu einer Freiheitsstrafe Verurteilten aus Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG ist auch für die Ausgestaltung des Maßregelvollzugs bestimmend. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt bezweckt den Schutz der Allgemeinheit durch eine Behandlung des Untergebrachten, die darauf abzielt, ihn von seinem Hang zu heilen und die zu Grunde liegende Fehlhaltung zu beheben (BVerfG 2 BvR 1368/05 v. 25.11.2005 - juris Rn. 5). Deshalb erfordert auch die Verlegung in ein psychiatrisches Krankenhaus immer einen konkreten Resozialisierungsbezug. Andere Zwecke dürfen mit der Verlegung nicht verfolgt werden (Veh in: MüKo-StGB, 2. Aufl. Bd. 2 § 67a Rn. 1; Stree/Kinzig in: Schönke-Schröder, StGB, 28. Aufl. § 67a Rn. 1 mwN). Die Verlegungen eines suchtkranken Patienten aus seiner Entziehungsanstalt in ein psychiatrisches Krankenhaus, das keine spezialisierte Abhängigkeitsbehandlung durchführt, ist deshalb unzulässig (vgl. Volckart/Grünebaum, Maßregelvollzug, 7. Aufl. Rn. 41). Unzulässig ist es auch, den Untergebrachten deshalb zu verlegen, weil er die suchttherapeutische Behandlung verweigert (Stree/Kinzig aaO) oder im psychiatrischen Krankenhaus untergebracht zu werden wünscht, weil ihm dies angenehmer erscheint (BVerfG 2 BvL 12/94 v. 17.5.1994 - NJW 1995, 772, zit. n. juris Rn. 22). Fällt er der Entziehungsanstalt zur Last und will diese ihn loswerden, so ist dies ebenfalls kein zulässiger Grund für eine Verlegung (BVerfG aaO). Selbst Platzmangel kann kein Kriterium für eine Verlegung sein (Stree/Kinzig aaO); dies gilt jedenfalls dann, wenn in dem psychiatrischen Krankenhaus eine Suchtbehandlung nicht stattfinden kann (OLG Celle 1 VAs 4/94 v. 10.11.1994 - NStZ 1995, 255; Stree/Kinzig aaO). Der Umstand, dass der Untergebrachte - wie hier - im Vollzug der primär angeordneten Maßregel die Sicherheit innerhalb oder außerhalb der Anstalt gefährdet, reicht für sich ebenfalls nicht aus, um eine Überweisung nach § 67a Abs. 1 StGB zu rechtfertigen (Rissing-van Saan/Peglau in LK-StGB, 12. Aufl. Bd. 3 § 67a Rn. 33; Stree-Kinzig aaO mwN; Veh aaO).
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Die Voraussetzungen des § 67a Abs. 1 StGB für eine Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus lagen hier nicht vor. Nach der Stellungname der Klinik …[A] vom 11. Oktober 2013 erfolgte die Verlegung einzig zur Abwendung einer drohenden, gefährlichen Eskalation in der suchttherapeutischen Abteilung wegen des Verhaltens des Untergebrachten. Ein solcher Zweck rechtfertigt jedoch, wie dargelegt, die Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus nicht.
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Zu einer anderen Beurteilung kann hier auch nicht der Umstand führen, dass der Untergebrachte neben der Betäubungsmittelabhängigkeit an einer Persönlichkeitsstörung leidet, die nur in einem psychiatrischen Krankenhaus adäquat behandelt werden kann. Der für eine Verlegung erforderliche Resozialisierungsbezug wurde dadurch nicht hergestellt. Nach dem Gutachten des Sachverständigen ...[B] vom 23. August 2012 wäre eine vorrangige Behandlung der Persönlichkeitsstörung des Untergebrachten in einem psychiatrischen Krankenhaus zwar sinnvoll gewesen; ihr stand jedoch entgegen, dass der Untergebrachte eine Mitarbeit an einer solchen Behandlung strikt ablehnte. Der Sachverständige hielt es deshalb auch im August 2012, mehrere Monate nach der Verlegung des Untergebrachten, nicht mehr für sinnvoll, noch länger abzuwarten, ob sich die entsprechende Behandlungsbereitschaft noch einstellen werde und er empfahl deshalb, die Behandlung im psychiatrischen Krankenhaus abzubrechen.
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Abgesehen von dem fehlenden Resozialisierungsbezug hätte eine Verlegung des Untergebrachten in ein psychiatrisches Krankenhaus auch nur durch die Strafvollstreckungskammer als zuständigem Gericht im Sinne von § 67a Abs. 1 StGB angeordnet werden dürfen (vgl. §§ 463 Abs. 1, 462, 462a StPO). § 67a Abs. 1 StGB enthält als eine die persönliche Freiheit im Sinne von Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG einschränkende gesetzliche Vorschrift den von Art. 104 Abs. 2 GG für Freiheitsentziehungen verfassungsrechtlich geforderten Richtervorbehalt, der es der Exekutive verbietet, Verlegungen von einer Maßregel in die andere ohne ausdrückliche richterliche Anordnung durchzuführen.
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Eine solche Anordnung kann vorliegend auch nicht in den Beschlüssen der Strafvollstreckungskammer vom 15. Juni und 19. Oktober 2012 gesehen werden. In der erstgenannten Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer - ausgehend von der Stellungnahme der Anstalt - zwar in Erwägung gezogen, die Fortdauer der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus anzuordnen. Sie hat sich für die Beurteilung dieser Frage jedoch als nicht ausreichend sachkundig angesehen und, wie es im Regelfall geboten ist (vgl. Fischer, StGB § 67a Rn. 3 mwN), einen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt. Nachdem dieser hinreichende Erfolgsaussichten für eine Behandlung des Untergebrachten in der Psychiatrie wegen fehlender Behandlungsbereitschaft jedoch verneinte, ordnete die Strafvollstreckungskammer mit Beschluss vom 19. Oktober 2012 die Fortdauer der Maßregel an, und zwar in einer Entziehungsanstalt. Zu keinem Zeitpunkt hat die hierfür allein zuständige Strafvollstreckungskammer bestimmt, dass die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu vollziehen sei.
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c) Jenseits von § 67a Abs. 1 StGB existiert für die Verlegung eines Untergebrachten in den Vollzug einer anderen Maßregel keine gesetzliche Grundlage. Eine solche findet sich insbesondere nicht im hier anwendbaren rheinland-pfälzischen Maßregelvollzugsrecht. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MVollzG sieht zwar eine Verlegung eines im Maßregelvollzug Untergebrachten aus wichtigen Gründen, insbesondere der Sicherheit vor, jedoch ausdrücklich nur in eine andere für den Vollzug der jeweiligen Maßregel vorgesehene Einrichtung. Diese Vorschrift rechtfertigt es damit nicht, einen Untergebrachten aus Gründen der Sicherheit aus einer Entziehungsanstalt in ein psychiatrisches Krankenhaus zu verlegen. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerdeführerin ist auch der Vollstreckungsplan für den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln nach den §§ 63 und 64 StGB vom 15. Januar 2013 (MinBl. 2013, S. 96) keine Ermächtigungsgrundlage für eine Verlegung in eine andere Maßregelvollzugsform. Es handelt sich hierbei um eine Verwaltungsvorschrift des Ministeriums für Soziales, Arbeit, Gesundheit und Demographie und damit nicht um ein förmliches, den verfassungsrechtlichen Anforderungen aus Art. 104 Abs. 1 GG genügendes Gesetz.
2.
- 18
Die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung ist auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Die Strafvollstreckungskammer hat zu Recht und unter Beachtung der hierfür maßgeblichen Rechtslage festgestellt, dass die Unterbringung des Antragstellers in der psychiatrischen Abteilung der Klinik …[A] rechtswidrig war.
3.
- 19
Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG iVm § 473 Abs. 2 StGB. Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf §§ 1 Abs. 1 Nr. 8, 60, 52 GKG.
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