Beschluss vom Oberlandesgericht Koblenz (1. Senat für Familiensachen) - 13 WF 564/14
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den ihm Verfahrenskostenhilfe versagenden Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz vom 12.05.2014 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
- 1
Der Antragsteller nimmt den Antragsgegner auf Abänderung eines Unterhaltsvergleichs in Anspruch. Der Antragsgegner ist der am ...2008 geborene Sohn des Antragstellers; er lebt seit Oktober 2013 mit seiner Mutter, der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers, in Peru. Nachdem der Antragsteller seinen Unterhaltsabänderungsantrag nebst Verfahrenskostenhilfegesuch zunächst bei dem Amtsgericht - Familiengericht - Trier eingereicht hatte, hat dieses die Sache im Verfahrenskostenhilfeverfahren antragsgemäß formlos an das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz abgegeben. Dieses hatte anschließend das abgebende Gericht um Überprüfung gebeten, im Zuge derer sich das Amtsgericht - Familiengericht - Trier auf eine bindende Wirkung seines Beschlusses berief. Da das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz seine internationale Zuständigkeit jedoch weiterhin verneinte, hat es dem Antragsteller sodann die nachgesuchte Verfahrenskostenhilfe versagt. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde hat das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz nicht abgeholfen.
II.
- 2
Das statthafte und auch sonst zulässige Rechtmittel des Antragstellers ist nicht begründet. Das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz hat zu Recht die Erfolgsaussicht der Rechtverfolgung des Antragstellers mangels gegebener gerichtlicher Zuständigkeit verneint.
- 3
Die gerichtliche Zuständigkeit in Unterhaltssachen richtet sich hier aufgrund des bestehenden Auslandsbezugs zunächst nach §§ 105, 232 FamFG. Neben diesen Vorschriften sind jedoch bei Auslandsberührung die entsprechenden Staatsverträge und das EU-Recht zur internationalen Zuständigkeit zu beachten.
- 4
Die internationale Zuständigkeit regelnde bilaterale oder multilaterale Abkommen mit Peru sind nicht ersichtlich. Insbesondere normieren weder das UN-Übereinkommen vom 20. Juni 1956 über die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Ausland noch das an dessen Stelle tretende Haager Übereinkommen vom 23.11.2007 über die internationale Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen, sollten sie im Verhältnis zu Peru anwendbar sein, internationale Entscheidungszuständigkeiten (vgl. auch Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. 2014 Anh II H Art. 1 EU-UntVO Rn. 13).
- 5
Vorrangig anwendbar auf Unterhaltsansprüche ist seit dem 18.6.2011 jedoch die Verordnung (EG) Nr. 4/2009 vom 18. Dezember 2008 [EG-UntVO]. Diese erfasst gemäß Art. 1 Abs. 1 Unterhaltspflichten, die auf einem Familien-, Verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen, und damit auch das vorliegende Unterhaltsverhältnis. Regelungen über die örtliche (internationale) Zuständigkeit enthalten dabei Art. 3 ff. EG-UntVO. Diese Zuständigkeitsvorschriften gelten anders als nach dem früheren Art. 4 EuGVO auch universal, greifen also ebenfalls ein, wenn der Antragsgegner seinen Aufenthalt nicht in einem Mitgliedstaat hat. Die EG-UntVO regelt damit die Zuständigkeit abschließend und sieht dementsprechend in Art. 6 und Art. 7 Vorschriften über eine Auffang- und Notzuständigkeit vor (vgl. Musielak/Borth/Grandel FamFG 4. Aufl.2013 Vorbem. zu §§ 98 ff. Rn. 18).
- 6
Eine Zuständigkeit deutscher Gerichte nach Art. 3 EG-UntVO hat das Familiengericht zutreffend verneint. Denn vorliegend haben weder der Antragsgegner oder die unterhaltsberechtigte Person - hier ebenfalls der Antragsgegner - ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland noch ist vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz ersichtlich ein anderes in Art. 3 lit. c) oder d) EG-UntVO genanntes Verfahren anhängig. Als Folge dessen vermag der vom Amtsgericht - Familiengericht - Trier angeführte § 28 Abs. 1 AUG auch keine Zuständigkeit des Amtsgerichts - Familiengericht - Koblenz zu begründen. Denn die Zuständigkeitskonzentration nach § 28 Abs. 1 AUG gilt dem klaren Wortlaut nach nur für die Fälle, in denen Art. 3 lit. a, b EU-UntVO eingreifen (vgl. Heiderhoff in: Bork/Jacoby/Schwab FamFG 2. Aufl. 2013 § 28 Rn. 1).
- 7
Mangels Gerichtstandsvereinbarung bzw. rügeloser Einlassung ist das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz vorliegend auch nicht gemäß Art. 4 f. EG-UntVO örtlich bzw. international zuständig.
- 8
Eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte könnte sich allerdings aus Art. 6 EG-UntVO ergeben. Nach dieser Auffangzuständigkeit sind die Gerichte des Mitgliedsstaates der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Verfahrensbeteiligten zuständig, wenn sich weder aus Art. 3 bis Art. 5 EG-UntVO eine Zuständigkeit eines Gerichts eines Mitgliedsstaates ergibt noch ein Gericht eines Staates zuständig ist, der dem Übereinkommen von Lugano angehört. Ob der Antragsteller und sein Sohn indes die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, ist bislang nicht ausreichend bekannt. Selbst wenn aber danach eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte bestünde, wäre das Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz nicht örtlich zuständig. Denn wir bereits ausgeführt, umfasst die Zuständigkeitskonzentration nach § 28 Abs. 1 AUG nicht den Fall des Art. 6 EU-UntVO. Sind die deutschen Gerichte nach den Art. 6 EU-UntVO international zuständig, ist vielmehr ausschließlich das Amtsgericht Pankow-Weißensee in Berlin örtlich zuständig, § 27 AUG. Gleiches gilt für die Notzuständigkeit nach Art. 7 EU-UntVO.
- 9
Mangels ausreichendem Vorbringen des Antragstellers zum Vorliegen bzw. Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Art. 6 f. EU-UntVO kommt derzeit aber auch eine weitere Abgabe bzw. Weiterverweisung des Verfahrens nicht in Betracht. Dem nunmehr gestellten Verweisungsantrag an das Amtsgericht - Familiengericht - Bitburg - dürfte zudem aus den vorgenannten Gründen ohnehin nicht stattzugeben sein.
- 10
Sollte auch der Anwendungsbereich der Art. 6 f. EU-UntVO nicht eröffnet sein, wäre hingegen eine internationale Zuständigkeit der deutschen Gericht nicht gegeben. Denn Art. 3 ff. EU-UntVO verdrängen das nationale Zuständigkeitsrecht, und damit auch die §§ 105, 232 FamFG, in toto (vgl. OLG Düsseldorf FamRZ 2013, 55 sowie Zöller/Geimer ZPO 30. Aufl. 2014 Anh II H Art. 3 EU-UntVO Rn. 14 und Musielak/Borth/Grandel FamFG 4. Aufl.2013 Vorbem. zu §§ 98 ff. Rn. 18).
- 11
Die Zuständigkeit des Amtsgericht - Familiengericht - Koblenz wird hier schließlich ebenfalls nicht nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO durch den Abgabebeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Trier begründet. Denn hierbei handelt es sich nicht um eine bindende Verweisung nach Rechtshängigkeit, sondern lediglich um eine nicht bindende, formlose Abgabe im Rahmen des Verfahrenskostenhilfeverfahrens. Auf einen solchen Beschluss ist § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO indes nicht anwendbar.
III.
- 12
Nach alledem war das Rechtsmittel zurückzuweisen.
- 13
Eine Kostenentscheidung ist im Hinblick auf §§ 113 Abs. 1 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO sowie Nr. 1912 KV FamGKG entbehrlich.
Verwandte Urteile
Keine verwandten Inhalte vorhanden.
Referenzen
- § 27 AUG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 113 Fristbestimmung für Prozesskostensicherheit 1x
- ZPO § 281 Verweisung bei Unzuständigkeit 2x
- FamFG § 232 Örtliche Zuständigkeit 2x
- FamFG § 105 Andere Verfahren 2x
- FamFG § 113 Anwendung von Vorschriften der Zivilprozessordnung 1x
- § 28 Abs. 1 AUG 3x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 127 Entscheidungen 1x