Beschluss vom Oberlandesgericht München - 31 Wx 56/17

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Aichach - Nachlassgericht - vom 15.11.2016 wird aufgehoben.

2. Der Antrag des Beteiligten zu 29 auf Festsetzung des Geschäftswerts zum Zwecke der Nachforderung der angefallenen Nachlasspflegschaftsgebühr wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Der Senat teilt nicht die Auffassung, dass die Voraussetzungen für die von dem Nachlassgericht getroffene Wertfestsetzung des Geschäftswerts gegeben sind.

1. Alleiniger Zweck der hier inmitten stehenden Wertfestsetzung ist die von dem Beteiligten zu 29 erstrebte Nacherhebung der Nachlasspflegschaftsgebühr im Sinne des § 106 KostO gemäß § 15 KostO i.V.m. § 161 KostO a.F. i.V.m. § 136 Abs. 1 Nr. 1 GNotKG.

a) Gemäß § 15 Satz 1 KostO a.F. können Kosten wegen unrichtigen Ansatzes nur nachgefordert werden, wenn der berichtigte Ansatz vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach endgültiger Erledigung der Angelegenheit dem Zahlungspflichtigen mitgeteilt ist. Sofern innerhalb der vorgenannten Frist dem Zahlungspflichtigen davon Mitteilung gemacht ist, dass ein Wertermittlungsverfahren eingeleitet ist, ist die Angelegenheit erst mit der Beendigung dieses Verfahrens endgültig erledigt (Satz 2).

b) Insoweit ist für eine Wertfestsetzung des Geschäftswerts dann kein Raum, wenn offensichtlich die Voraussetzungen für eine Nachforderung von Gerichtskosten im Sinne des § 15 KostO a.F. von vornherein nicht vorliegen. Denn in solch einem Fall fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für eine Festsetzung des Geschäftswerts im Sinne des § 31 KostO (vgl. auch BGH NJW-RR 2017, 640 betreffend Festsetzung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit bei Fehlen einer gebührenauslösenden Tätigkeit).

2. Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze ist entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts und des Beteiligten zu 29 für eine Nachforderung betreffend die Nachlasspflegschaftsgebühr kein Raum, da den Zahlungspflichtigen die Einleitung eines Wertermittlungsverfahrens nicht binnen Ablauf des nächsten Kalenderjahres nach endgültiger Erledigung der Angelegenheit mitgeteilt wurde.

a) „Angelegenheit“ im Sinne des § 15 KostO a.F. ist das konkrete Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; das „Geschäft“ die eine Gebühr auslösende Maßnahme. Die Angelegenheit umfasst alle Geschäfte, die durch den Verfahrensantrag bedingt sind oder die der Einleitung eines Amtsverfahrens notwendig folgen (Korintenberg/Lappe KostO 16. Auflage <2005> § 15 Rn. 22). Dies schließt grundsätzlich auch Neben- und Folgeverfahren der betreffenden Angelegenheit mit ein (Lappe a.a.O. § 1 Rn. 2). Unter dem Begriff „Verfahren“ bzw. der „Angelegenheit“ ist in kostenrechtlicher Hinsicht stets das konkrete (z.B. Erbscheinserteilung, Erbscheinseinziehung, Ernennung eines Testamentsvollstreckers, Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnis, Entlassung eines Testamentsvollstreckers, Anordnung einer Nachlasspflegschaft etc.), nicht aber das gesamte Nachlassverfahren nach dem Tode einer Person als Ganzes gemeint, denn jedes dieser Verfahren ist selbstständig und hat grundsätzlich ein eigenes Schicksal (Rojahn in: Burandt/Rojahn 3. Aufl. <2019> § 58 FamFG Rn. 6; vgl. auch OLG München NJW-RR 2017, 1277 Tz. 18).

b) Demgemäß ist hier entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 29 nicht die Entscheidung des Senats im Jahre 2015 für die Bestimmung des Zeitpunkts der Erledigung im Sinne des § 15 Satz 1 KostO a.F. maßgebend, sondern die Aufhebung der Anordnung der Nachlasspflegschaft am 21.2.2013.

aa) Die Entscheidung des Senats im Jahre 2015 betraf die Festsetzung der Nachlasspflegervergütung durch das Nachlassgericht gemäß §§ 1960, 1962 i.V.m. §§ 1915 Abs. 1 Satz1, 1836 Abs. 1 BGB). Hierbei handelt es sich um ein gesondertes, eigenständiges Verfahren und entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 29 nicht um ein Neben- und Folgeverfahren bezüglich der Anordnung der Nachlasspflegschaft.

bb) Allein der Umstand, dass das Nachlassgericht gemäß § 56g Abs. 1 FGG (i.d.F. bis 1.9.2009) für die Festsetzung der Vergütung des Nachlasspflegers sachlich zuständig war und der Vergütungsanspruch in der Anordnung der Nachlasspflegschaft und der Bestellung des Nachlasspflegers durch das Nachlassgericht wurzelt, klassifiziert das Verfahren betreffend die Festsetzung der Nachlasspflegervergütung nicht als Neben- und Folgeverfahren der Anordnung der Nachlasspflegschaft. Denn für das Verfahren bezüglich der Festsetzung der Nachlasspflegervergütung, das der Schaffung eines Vollstreckungstitels im Sinne des § 56g Abs. 6 FGG zugunsten des Nachlasspflegers dient (vgl. Palandt/Diederichsen 68. Auflage <2009> Anh. zu § 1836 BGB § 4 VBVG Rn. 21), gelten gesonderte Regelungen (z.B. Erlöschen des Vergütungsanspruchs gemäß § 1836 Abs. 1 Satz 3 BGB i.V.m. § 2 VBVG, soweit nicht abweichend davon von dem Nachlassgericht eine gesonderte Frist bestimmt wird). Es wird insofern im Nachgang nach Anordnung der Nachlasspflegschaft in verfahrensrechtlicher Hinsicht eigenständig und unabhängig von der Anordnung der Nachlasspflegschaft als solcher geführt. Demgemäß ist das Verfahren, das der Nachforderung der angefallenen Nachlasspflegschaftsgebühr im Sinne des § 106 KostO zugrunde liegt, mit Aufhebung der Anordnung der Nachlasspflegschaft mit Beschluss vom 21.2.2013 endgültig erledigt (vgl. auch Lappe a.a.O. § 15 Rn. 28 betreffend Erledigung der gesamten Vormundschaft mit deren Aufhebung).

c) Insofern ist das im Jahre 2016 auf Antrag des Beteiligten zu 29 eingeleitete Wertermittlungsverfahren betreffend die Nachforderung für die Gebühr hinsichtlich der Anordnung der Nachlasspflegervergütung im Sinne des § 106 KostO nicht vor Ablauf des nächsten Kalenderjahres (hier: 2014) nach endgültiger Erledigung im Sinne des § 15 KostO a.F. (hier: 21.2.2013) erfolgt.

II.

Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 83 Abs. 3 GNotKG i.V.m. § 136 Abs. 1 GNotKG).

Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG)

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