Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (3. Senat für Familiensachen) - 4 WF 66/12
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beklagten zu 2 wird der Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. April 2012, Az.: 212 F 121/04 KI, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Kostenansatz bzw. die Kostenrechnung des Amtsgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006, Geschäfts-Nr.: 212 F 121/04, wird auf die Erinnerung des Beklagten zu 2 insoweit aufgehoben, als dort von diesem zu zahlende Gerichtskosten in Höhe von 500,36 € ausgewiesen sind.
Gerichtskosten für das Verfahren in erster Instanz werden in Abänderung von Ziffer 3 des Urteils des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. Mai 2005, Az.: 212 F 121/04 KI, von dem Beklagten zu 2 nicht mehr erhoben.
2. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
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Im Rahmen eines Verfahrens wegen Anfechtung und zugleich anderweitiger Feststellung der Vaterschaft sind dem damals dreizehnjährigen Beklagten zu 2 durch Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. Mai 2005, Az.: 212 F 121/04 KI, die Gerichtskosten des Verfahrens zu einem Drittel auferlegt worden (Bl. 55 ff. d. A.).
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Durch Kostenrechnung des Amtsgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006 sind dementsprechend ein Drittel der Gerichtskosten in Höhe von 500,36 € gegen den minderjährigen Zweitbeklagten festgesetzt worden. Der inzwischen volljährige Beklagte zu 2 (im Folgenden auch verkürzt: Beklagte), auf Zahlung des Betrages von der Landeskasse in Anspruch genommen, hat dagegen mit Schreiben vom 19. Oktober 2011 Einspruch eingelegt, weil es ihm schlechterdings unverständlich sei, überhaupt als damals dreizehnjähriges Kind zum Teil mit den Verfahrenskosten belastet worden zu sein.
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Das Amtsgericht Magdeburg hat mit Beschluss vom 24. April 2012 (Bl. 64 f. d. A.) den als Erinnerung gegen den Kostenansatz verstandenen Einspruch mit der Begründung zurückgewiesen, der Kostenansatz sei sachlich und rechnerisch nicht zu beanstanden, der Vortrag des Beklagten mithin kostenrechtlich nicht relevant.
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Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten und Kostenschuldners vom 11. Juni 2012 (Bl. 79 d. A.).
II.
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Die gemäß § 57 Abs. 2 Satz 1 FamGKG statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde des vormals minderjährigen Beklagten und Kostenschuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. April 2012 hat auch in der Sache Erfolg.
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Denn bei richtiger, das heißt verfahrens- und verfassungskonformer Sachbehandlung wäre es in dem erstinstanzlichen Erkenntnisverfahren im Ergebnis nicht zu einer Kostenbelastung des minderjährigen Beklagten gekommen, weshalb gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 FamGKG – nichts anderes ergäbe sich unter Zugrundelegung des alten Rechts nach § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG – die Nichterhebung der ihm in offensichtlich verfahrenswidriger Weise ohne vorherige Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch Urteil des Amtsgerichts Magdeburg vom 23. Mai 2005 zu einem Drittel auferlegten Gerichtskosten anzuordnen und damit auch eine entsprechende Teil-Korrektur bzw. Teil-Aufhebung der darauf basierenden Kostenrechnung des Amtsgerichts Magdeburg vom 13. Januar 2006 geboten war.
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Die Unrichtigkeit der damaligen Sachbehandlung verdeutlicht bereits nachdrücklich, gewissermaßen gesetzeshistorisch, die seit dem 01. September 2009 geltende Regelung des § 81 Abs. 3 FamFG, wonach einem minderjährigen Beteiligten Kosten in Verfahren, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden können. Dies bekräftigt nochmals die Vorschrift des § 183 FamFG, wonach bei einer erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung wie im vorliegenden Falle das minderjährige Kind keine – aus dem seine Person betreffenden Statusverfahren resultierenden – Gerichtskosten zu tragen hat. Dürfen aber nach neuem Recht einem Minderjährigen aus einem ihn angehenden Abstammungsverfahren keine Gerichtskosten mehr zur Last fallen, so kann bei einer verfassungskonform notwendigerweise gleichen Sachbehandlung des stets in besonderem Maße prozessual schutzbedürftigen, da zum Entscheidungszeitpunkt minderjährigen Personenkreises nach Art. 3 Abs. 1 GG nichts anderes gelten für entsprechende Altverfahren, in denen die dem damaligen Minderjährigen, sei es auch formaliter korrekt, auferlegten Gerichtskosten noch nicht beglichen sind und wie im streitigen Fall weiterhin von der Staatskasse reklamiert werden.
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Das gleiche Ergebnis der letztlich stets notwendigen Kostenbefreiung des Minderjährigen für das ihn betreffende Abstammungsverfahren hätte sich auch nach damaligem Recht unschwer erzielen lassen und, wie die jetzige Rechtslage anschaulich für jedermann illustriert, auch herbeigeführt werden müssen, weshalb in concreto ausnahmsweise auch noch auf der Ebene des vordergründig streitigen Kostenansatzes die evident unrichtige Sachbehandlung in dem der Kostenrechnung zugrunde liegenden Erkenntnisverfahren zu einer Korrektur des dortigen Ergebnisses der partiellen Kostenbelastung des minderjährigen Kindes Anlass gibt. Denn das Amtsgericht hätte, in Erfüllung seiner sowohl zivilprozessual als auch verfassungsrechtlich begründeten und namentlich sozialstaatlich fundierten Hinweispflicht nach § 139 Abs. 1 ZPO in Konkretisierung der Art. 3 Abs. 1, 19 Abs. 4, 20 Abs. 1 und 3 GG seinerzeit zwingend dafür Sorge tragen müssen, dass dem minderjährigen und offenkundig hilfsbedürftigen Beklagten, der sich ebenso wie seine ihn vertretende Mutter der kostenspezifischen Problematik der stets nach § 93 c Satz 1 ZPO a. F. mit einer Kostenaufhebung endenden erfolgreichen Vaterschaftsanfechtung nicht bewusst sein konnte, Prozesskostenhilfe für das Verfahren zuteil geworden wäre. In dem Falle wäre spätestens nach vier Jahren gemäß § 120 Abs. 4 Satz 3 ZPO eine – so denn überhaupt zulässige – Abänderung der Prozesskostenhilfe zum Nachteil der ihrer dann immer noch bedürftigen, weil weiterhin minderjährigen Partei ausgeschlossen gewesen.
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Selbst wenn, wofür vorliegend keine Anhaltspunkte bestehen, der Minderjährige seinerzeit wegen eventuell guter Finanzverhältnisse seiner Mutter ausnahmsweise keine Prozesskostenhilfe hätte erlangen können, hätte statt seiner jedenfalls die Mutter für die ihm auferlegten Prozesskosten aufkommen müssen. Im Interesse des tunlichst definitiv von den Prozesskosten zu entlastenden Minderjährigen wäre es notfalls auch unerlässlich gewesen, dessen auf Übernahme der Prozesskosten gerichteten und bestehenden Unterhaltsanspruch gegen die Mutter, notfalls im Wege der Zwangsvollstreckung nach vorheriger Pfändung und Überweisung, von Seiten der Staatskasse geltend zu machen.
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In keinem Falle erscheint es nach alledem gerechtfertigt, den ohne eigenes Zutun als Minderjährigen mit Kosten belasteten Beklagten noch weiterhin seitens der Staatskasse auf Zahlung von Prozesskosten in Anspruch zu nehmen, von denen er richtigerweise bei korrektem Verfahrensablauf seit Langem hätte entbunden sein müssen und die nach neuem Recht seit September 2009 ihm überhaupt noch aufzuerlegen von vornherein unzulässig gewesen wäre.
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Die gegenteilige, die Erinnerung des vormals minderjährigen Beklagten gegen die Kostenrechnung bzw. den Kostenansatz zurückweisende Entscheidung des Amtsgerichts Magdeburg vom 24. April 2012 war daher, wie nunmehr beschwerdehalber tenoriert, unter notwendiger Einbeziehung der Kostengrundentscheidung zu korrigieren.
III.
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Einer Kostenentscheidung für die Beschwerdeinstanz bedarf es im Hinblick auf die Regelung des § 57 Abs. 8 FamGKG nicht.
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Denn danach ist die Beschwerde gerichtsgebührenfrei und außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
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Referenzen
- ZPO § 93c (weggefallen) 1x
- FamGKG § 20 Nichterhebung von Kosten 1x
- 212 F 121/04 4x (nicht zugeordnet)
- § 21 Abs. 1 Satz 1 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- FamGKG § 57 Erinnerung gegen den Kostenansatz, Beschwerde 2x
- FamFG § 183 Kosten bei Anfechtung der Vaterschaft 1x
- FamFG § 81 Grundsatz der Kostenpflicht 1x
- ZPO § 120 Festsetzung von Zahlungen 1x
- ZPO § 139 Materielle Prozessleitung 1x