Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (12. Zivilsenat) - 12 Wx 15/12
Tenor
Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird die Zwischenverfügung der Rechtspflegerin des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Stendal vom 06. Februar 2012 aufgehoben.
Gründe
I.
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Im Grundbuch von K. Blatt 483 sind die Beteiligten zu 1) und zu 2) als Miteigentümer zu je ½ des im Beschlussrubrum näher bezeichneten verfahrensgegenständlichen Grundstücks verzeichnet. In Abteilung I ist zu Wirtschaftsart und Lage der 2.664 qm großen Liegenschaft aufgeführt: „Grünfläche, Wohnbaufläche“.
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Das Wohngrundstück stand vormals im Eigentum der Beteiligten zu 1) und deren Ehemann E. H. zu je 1/2, dessen Miteigentumsanteil die Beteiligte zu 2) durch Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Stendal vom 28. Juli 2011 (Geschäftszeichen 7 K 62/10) im Wege der Zwangsversteigerung erworben hat.
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Mit dem vor dem Notar K. M. am 09. September 2011 zur Urkundenrollen-Nr. 1592/2011 beurkundeten Grundstückskaufvertrag nebst Auflassung veräußerte die Beteiligte zu 1) ihren ½ - Miteigentumsanteil an die Beteiligte zu 2) gegen Zahlung eines Kaufpreises in Höhe von 24.000,- Euro und bestellte und bewilligte zugleich die Eintragung einer Auflassungsvormerkung, die zu deren Gunsten am 15. September 2011 im Grundbuch eingetragen wurde. In der Vertragsurkunde beschrieben die Beteiligten unter § 1 das Vertragsgrundstück als mit einem Wohnhaus bebaute Wohnbaufläche.
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Unter dem 31. Januar 2012 beantragte der Urkundsnotar gemäß § 15 GBO - unter Vorlage der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung, der Vorkaufsrechtsverzichtserklärung der Kommune und der Genehmigung des Landkreises S. nach der Grundstücksverkehrsordnung - die Löschung der Auflassungsvormerkung sowie die Eintragung der Rechtsänderung in dem Gemeinschaftsverhältnis der Eigentümer gemäß § 5 Abs. 2.3 des notariellen Vertrages.
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Das Grundbuchamt hat durch Zwischenverfügung vom 06. Februar 2012 den Beteiligten aufgegeben, zum Vollzug der Eigentumsumschreibung noch eine Genehmigung nach § 2 GrdstVG vorzulegen und hierzu eine Frist von einem Monat gesetzt.
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Hiergegen hat die Beteiligte zu 2), vertreten durch den Urkundsnotar, Beschwerde eingelegt und zur Begründung vorgetragen, dass die Eigentumsumschreibung nach ihrer Ansicht nicht dem Genehmigungserfordernis nach § 2 GrdstVG unterliege. Weder aus dem Grundbuch noch aus dem Vertrag gehe hervor, dass es sich bei dem Vertragsgrundstück um eine genehmigungsbedürftige landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzte Grundfläche handeln würde. Die Beteiligten hätten in der Vertragsurkunde eindeutig und ausschließlich das Vorliegen einer Wohnbebauung vorgetragen.
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Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 13. Februar 2012 der Beschwerde nicht abgeholfen und das Rechtsmittel dem Oberlandesgericht zur Entscheidung in der Sache vorgelegt. Zur Begründung hat es ergänzend ausgeführt, dass das Grundstück mit einer Größe von 2664 qm die in § 1 Abs. 2 Ausführungsgesetz LSA zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG bestimmte Freigrenze überschreite. Aus dem Grundbuch sei nicht ersichtlich, ob das Wohngebäude nicht auch als Wirtschaftsgebäude genutzt werden könne. Auch sei dem Grundbuchamt nicht bekannt, ob die Fläche nach der Bauleitplanung für Land- und Forstwirtschaft ausgewiesen sei. Entscheidend sei im Übrigen nicht die tatsächliche Nutzung des Grundbesitzes, sondern deren objektive Eignung für landwirtschaftliche und forstwirtschaftliche Zwecke.
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In ihrer Stellungnahme auf die Nichtabhilfeentscheidung des Grundbuchamtes hat die Beteiligte zu 2) an ihrer Ansicht festgehalten, dass eine Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz nicht verlangt werden könne. Soweit das Grundbuchamt allein aus der Größe der veräußerten Grundfläche auf eine landwirtschaftliche Nutzung schließe, sei dies nicht begründet. Der in § 1 Abs. 2 des auf der Grundlage des § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrStVG ergangenen Ausführungsgesetzes Sachsen-Anhalt getroffenen Regelung lasse sich entnehmen, dass der Gesetzgeber nicht schon jedes bebaute Grundstück, das die Freigrenze von 0,25 ha überschreite, dem Genehmigungserfordernis unterstellen wollte, sondern nur solche Grundflächen, die einer land- oder forstwirtschaftlichen Zweckbindung unterliegen würden. Nach der landesrechtlichen Freigrenzenregelung sei die Genehmigungsbedürftigkeit für Gebäudeflächen vielmehr die Ausnahme. Soweit die Grundbuchrechtspflegerin mutmaße, das Wohngebäude sei möglicherweise auch als Wirtschaftsgebäude eines landwirtschaftlichen Betriebes nutzbar, entbehre diese Mutmaßung jeder tatsächlichen Grundlage. Das Grundbuchamt habe in seiner Entscheidung nicht ausgeführt, aus welchen Grund es die Angaben der Beteiligten zur Wirtschaftsart aus dem vorgelegten Vertrag und den Inhalt des Grundbuchs nicht für ausreichend erachte.
II.
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Die nach § 71 Abs. 1 GBO statthafte und auch im übrigen zulässige Grundbuchbeschwerde der Beteiligten zu 2) hat auch in der Sache Erfolg und führt zu der begehrten Aufhebung der Zwischenverfügung des Grundbuchamtes.
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Das in der Zwischenverfügung vom 06. Februar 2012 geltend gemachte Eintragungshindernis besteht nicht. Das Grundbuchamt kann den Vollzug der Auflassung nicht von der Vorlage einer Genehmigung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz bzw. eines Negativattestes der Genehmigungsbehörde nach § 5 GrdstVG abhängig machen.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 GrdstVG bedarf die Veräußerung eines land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücks im Sinne des § 1 GrdstVG der Genehmigung der hierfür zuständigen Behörde. Es ist hier indessen nichts dafür ersichtlich, dass der Grundstückskaufvertrag den Bestimmungen des Grundstücksverkehrsgesetzes unterliegt, d.h. nach § 2 Abs. 1 GrdstVG genehmigungsbedürftig ist.
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Die Verfügungsbefugnis der an der Veräußerung und Auflassung eines Grundstücks Beteiligten hat das Grundbuchamt zwar von Amts wegen selbständig zu prüfen. Dazu gehört auch die Frage, ob eine Verfügungsbeschränkung nach dem Grundstücksverkehrsgesetz besteht. Nach einhelliger Ansicht in Rechtsprechung und Schrifttum hat das Grundbuchamt deshalb in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob ein Grundstücksgeschäft unter die Regelungen des § 2 GrdstVG fällt (z. B. BGHZ 94, 24; BayObLGZ 69, 144; OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9). Allerdings ist das Grundbuchamt zur Anstellung eigener Ermittlungen weder berechtigt, noch verpflichtet (z. B. BayObLGZ 1969, 144, 145; OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 179; OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9; Demharter GBO, Rdn. 46 zu§ 1 GBO; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 4025). Über die Frage der Genehmigungspflicht hat es allein aufgrund des ihm vorgelegten Vertrags, des Inhalts des Grundbuchs und unter Berücksichtigung eventuell offenkundiger Tatsachen (Kenntnis der örtlichen Verhältnisse) zu entscheiden. Maßgebend für die Prüfung ist mithin außer dem Inhalt des Grundbuchs der dem Grundbuchamt unterbreitete Sachverhalt, es sei denn, dass dessen Unrichtigkeit dem Grundbuchamt bekannt ist oder bei gehöriger Prüfung erkennbar gewesen wäre (z. B. BayOblGZ 1969, 144, 145). Steht nach dem Inhalt des Vertrags und aufgrund sonstiger Tatsachen (z. B. Beschrieb des Grundstückes im Grundbuch) fest, dass der Gesetzesanwendungsbereich des Grundstücksverkehrsgesetzes mangels eines landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Grundstücks schon nicht eröffnet ist, kann das Grundbuchamt weder eine Genehmigung noch einen Negativattest verlangen (z. B. OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 179; OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9; Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 11. Aufl. Rdnr. 4025 m. w. N.). Nur wenn aufgrund konkreter Anhaltspunkte begründete Zweifel am Vorliegen der Verfügungsbefugnis der Beteiligten auftauchen, ist das Grundbuchamt nach § 18 GBO zur Beanstandung berechtigt und auch verpflichtet (BayObLG, Rpfleger 1969, 301 f; OLG Stuttgart, Justiz 1973, 324; OLG Zweibrücken Rpfleger 1999, 179; OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9). Bejaht es danach die Genehmigungsbedürftigkeit oder erachtet es diese nach der sachlichen Seite trotz sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage, die eine Auslegung der Genehmigungsvorschrift einschließt, als zweifelhaft, so hat es durch Zwischenverfügung den Nachweis der Genehmigung oder eine Negativbescheinigung zu verlangen. Von einer Entscheidung der Genehmigungsbehörde darf und muss das Grundbuchamt hingegen absehen, wenn nach sorgfältiger Prüfung der Sach- und Rechtslage an der Genehmigungsfreiheit keine ernstlichen Zweifel bestehen (z. B. OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9; Demharter, Grundbuchordnung, Rdn. 117 und 125 zu § 19 GBO; Schöner/ Stöber, a.a.O. Rdn. 4025).
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Ernsthafte Zweifel an der Genehmigungsfreiheit des Rechtsvorganges bestehen hier aufgrund des vorgelegten Kaufvertrages, des Inhaltes des Grundbuches und unter Berücksichtigung offenkundiger Tatsachen indessen nicht. Eine im Übrigen kostenpflichtige Entschließung der Genehmigungsbehörde, also die Vorlage einer Genehmigung nach § 2 GrdstVG oder eines Negativattestes nach § 5 GrdstVG, kann dementsprechend nicht verlangt werden. Soweit das Grundbuchamt allein aus der Größe der Liegenschaft folgert, dass es sich bei dem Kaufgrundstück um ein landwirtschaftliches Grundstück im Sinne des § 1 GrdstVG handeln müsste, weil es die Freigrenze nach § 1 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes LSA vom 25. Oktober 1995 zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG (GVBl., S. 302) überschreitet und schon deshalb nach seiner natürlichen Beschaffenheit und Lage objektiv landwirtschaftlichen Zwecken zu dienen geeignet sei, folgt der Senat dieser Auffassung nicht.
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Dem Grundbuchamt ist allerdings darin beizupflichten, dass die Genehmigungsbedürftigkeit der Veräußerung oder des Verkaufs nicht von der jeweiligen tatsächlichen Nutzung, sondern von der objektiven Eignung zur landwirtschaftlichen Nutzung abhängt. Allerdings ist weiterhin erforderlich, dass das Grundstück tatsächlich einmal in der Vergangenheit zu landwirtschaftlichen oder forstwirtschaftlichen Zwecken genutzt worden ist. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann geht die Qualität des Bodens als landwirtschaftliches Nutzland selbst dann noch nicht ohne weiteres verloren, wenn das Grundstück inzwischen nicht mehr zu landwirtschaftlichen Zwecken, sondern nur noch als Gartenland und Wohnbaufläche genutzt wird (z. B. BGHZ 75, 86). Konkrete, aussagekräftige Anhaltspunkte, die auf eine objektive Eignung des Kaufgrundstückes zur landwirtschaftlichen Nutzung sowie für eine entsprechende frühere tatsächliche Bewirtschaftung hinweisen, fehlen hier jedoch. Woraus das Grundbuchamt auf eine landwirtschaftliche Betriebsplanung geschlossen hat, hat es auch weder in dem angefochtenen Beschluss noch in seiner Nichtabhilfeentscheidung mitgeteilt.
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Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 2 GrdstVG ist Landwirtschaft die Bodenbewirtschaftung und die mit der Bodennutzung verbundene Tierhaltung, um pflanzliche oder tierische Erzeugnisse zu gewinnen, besonders der Ackerbau, die Wiesen- und Weidewirtschaft, der Erwerbsgartenbau, der Erwerbsobstbau und der Weinbau sowie die Fischerei in Binnengewässern. Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen eines landwirtschaftlichen Betriebes hier vorliegen, lässt sich dem Akteninhalt jedoch nicht entnehmen. Berechtigte Zweifel an der Genehmigungsfreiheit der Überlassung des Grundstücks und der Auflassung hätte das Grundbuchamt hier nur dann haben können, wenn bestimmte Umstände dafür vorgelegen hätten, dass es sich um landwirtschaftlichen Grundbesitz handelt. Hierfür fehlen aber konkrete Anhaltspunkte. Ob auf der Grünfläche überhaupt eine Bodenbewirtschaftung stattfindet, um etwa pflanzliche Erzeugnisse als Futter für den Eigenverbrauch zu gewinnen, ist nicht ersichtlich.
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Den Angaben der Beteiligten in dem notariellen Grundstückskaufvertrag zufolge war die mit einem Wohnhaus bebaute Liegenschaft von der Beteiligten zu 1) und deren Ehemann lediglich zu Wohnzwecken genutzt worden. Dass Anlass zu Zweifeln an der inhaltlichen Richtigkeit der Erklärung der Beteiligten im notariellen Kaufvertrag bestehen könnten, ist nach Lage der Grundbuchakten nicht ersichtlich und auch von dem Grundbuchamt in dem angefochtenen Beschluss nicht dargelegt worden. Nach dem Beschrieb des Grundstückes im Grundbuch handelt es sich bei dem verkauften Grundbesitz um eine Grünfläche, Wohnbaufläche zu 0,2664 ha. Allein die die Freigrenze nach § 1 Abs. 2 des Ausführungsgesetzes zu § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrdstVG überschreitende Größe des Grundstückes und die abstrakte Möglichkeit, dass es unter Umständen einer landwirtschaftlichen Nutzung zugeführt werden könnte, reicht für die Annahme begründeter Zweifel nicht aus. Auch soweit das Grundbuchamt für nicht ausgeschlossen gehalten hat, dass das Wohngebäude in ein Wirtschaftsgebäude umgewidmet werden könnte, handelt es sich eben nur um eine bloße, nicht auf einer konkreten Tatsachenbasis beruhende Mutmaßung (z. B. BayObLG Rpfleger 1969, 301, BayRpfleger 2001, 231). Unrichtig wäre es jedenfalls, bei jeder Veräußerung eines in einer Landgemeinde liegenden Grundstücks generell eine Genehmigung oder ein Negativzeugnis zu verlangen. Eine solche Handhabung würde zudem nicht nur einen unnötigen zusätzlichen Verwaltungsaufwand erfordern, sondern auch das Ausmaß des inzwischen eingetretenen Strukturwandels der Dorfgemeinschaften verkennen (z. B. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 14. Aufl., Rdn. 4025).
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Nachdem Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur das in der Zwischenverfügung angenommene Eintragungshindernis, nicht jedoch der Eintragungsantrag selbst ist, ist die Zwischenverfügung lediglich aufzuheben. Das Grundbuchamt wird daher unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut über den Antrag auf Eigentumsumschreibung zu befinden haben.
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Die erfolgreiche Grundbuchbeschwerde ist gerichtsgebühren- und auslagenfrei (§ 131 Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 KostO). Die Geschäftswertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren folgt aus §§ 131 Abs. 4, 30 KostO. Der Senat hat den Beschwerdewert auf die niedrigste Wertstufe nach der KostO geschätzt, dies entspricht dem Aufwand für die Beseitigung des in der Zwischenverfügung aufgezeigten Hindernisses (z. B. OLG Frankfurt FGPrax 2012, 9).
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Referenzen
- GrdstVG § 5 2x
- GrdstVG § 1 3x
- GBO § 18 1x
- GBO § 19 1x
- § 131 Abs. 1 S. 2 und Abs. 5 KostO 1x (nicht zugeordnet)
- § 2 Abs. 3 Nr. 2 GrStVG 1x (nicht zugeordnet)
- GBO § 71 1x
- 7 K 62/10 1x (nicht zugeordnet)
- GBO § 15 1x
- GrdstVG § 2 9x
- GBO § 1 1x
- §§ 131 Abs. 4, 30 KostO 2x (nicht zugeordnet)