Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (Senat für Baulandsachen) - 2 U 63/12 (Baul)
Tenor
I. Die Berufung des Antragstellers gegen das am 26.03.2012 verkündete Urteil der Kammer für Baulandsachen des Landgerichts Halle wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Antragsteller.
Beschluss
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 187,19 Euro festgesetzt.
Gründe
A.
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Unter dem 24.02.2011 beantragte die Kostenschuldnerin auf der Grundlage von § 18 f. Bundesfernstraßengesetz (FStrG) die vorzeitige Besitzeinweisung in dem Antragsteller gehörende Grundstücksflächen. Nachdem der Antragsteller zur mündlichen Verhandlung am 07.04.2011 geladen worden war, beantragte sein Verfahrensbevollmächtigter unter dem 04.04.2011 Akteneinsicht. Unter dem 06.04.2011 nahm die Kostenschuldnerin ihren Besitzeinweisungsantrag zurück.
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Am 26.04.2011 erließ das Landesverwaltungsamt - Enteignungsbehörde - einen Einstellungsbeschluss, in dem der Kostenschuldnerin auch die Kosten des Antragstellers auferlegt wurden, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Am 04.05.2011 beantragte der Antragsteller die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 489,45 Euro nach dem „Auffangwert nach Streitwertkatalog“ in Höhe von 5.000,00 Euro. Mit Schriftsatz vom 13.09.2011 beantragte er auf der Grundlage einer korrigierten Kostenrechnung vom 01.09.2011 die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 Euro nach dem „Auffangwert nach Streitwertkatalog“ in Höhe von 15.000,00 Euro.
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Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 17.11.2011 setzte die Enteignungsbehörde die zu erstattenden Rechtsanwaltskosten auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 3.500,00 Euro auf 359,50 Euro mit der Begründung fest, dass der Gegenstandswert auf 20 % des – sich aus der durchgeführten Wertermittlung ergebenden - Grundstückswertes (von 17.201,18 Euro) zu bestimmen sei.
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Gegen diesen ihm am 22.11.2011 zugegangenen Beschluss hat der Antragsteller mit am 16.12.2011 beim Landesverwaltungsamt eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass vorliegend die Nr. 48.2 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit anzuwenden sei, wonach in Besitzeinweisungsverfahren als Gegenstandswert nicht lediglich 20 %, sondern 30 % des aktuellen Verkehrswertes anzusetzen seien, woraus sich unter Zugrundelegung des Verkehrswertes von 17.201,18 Euro ein Gegenstandswert von 5.160,35 Euro und dementsprechend Gebühren von 546,69 Euro ergäben.
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Der Antragsteller hat - sinngemäß - beantragt,
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unter Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 17.11.2011 die erstattungsfähigen Kosten nach einem Geschäftswert von 30 % von 17.201,18 Euro auf 546,69 Euro festzusetzen.
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Mit am 26.03.2012 verkündeten Urteil hat das Landgericht - Kammer für Baulandsachen - den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen und zugleich die Berufung zugelassen. Wegen der Gründe wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 86 – 88).
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Gegen die Zurückweisung seines Antrags hat der Antragsteller Berufung eingelegt.
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Der Antragsteller beantragt,
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unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Halle vom 26.03.2012 die erstattungsfähigen Kosten gemäß dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landesverwaltungsamts Sachsen-Anhalt vom 17.12.2011 -106.3.1-11510/3-8/2011 nach einem Geschäftswert von 30 % von 17.201,18 Euro auf 546,69 Euro festzusetzen.
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Die übrigen Beteiligten stellen keinen Antrag.
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Auf das Berufungsvorbringen der Beteiligten wird Bezug genommen.
B.
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I. Die Berufung ist zulässig. Zwar ist der nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes von 600,01 € vorliegend nicht erreicht (546,69 Euro – 359,50 Euro = 187,19 Euro). Jedoch hat das Landgericht in seinem angefochtenen Urteil die Berufung gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ausdrücklich zugelassen.
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II. Die Berufung hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
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1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig; insbesondere ist er statthaft gemäß § 19 Abs. 5 FStrG i. V. m. § 39 Abs. 1 EnteigG LSA, sowie innerhalb der Frist des § 39 Abs. 2 EnteigG LSA i. V. m. § 217 Abs. 2 BauGB eingelegt worden.
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2. Der Antrag ist jedoch unbegründet.
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a) Unter Anwendung der Rechtsprechung der ordentlichen Gerichte (BGH, Urteil vom 27.09.1973, III ZR 131/71, BGHZ 61, 240, 252 = WM 1973, 1299; OLG München, Beschluss vom 01.12.2003, W 8/03 Bau, NVwZ-RR 2004, 711) ist der Gegenstandswert auf 20 % des zwischen den Beteiligten unstreitigen Verkehrswertes des in Rede stehenden Grundstücks von 17.201,18 € festzusetzen.
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Der Bundesgerichtshof, dessen Auffassung sich der Senat anschließt, hat in seiner vorgenannten Entscheidung ausgeführt:
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„Die Besitzeinweisungsentschädigung wird erst hinterher festgestellt und entfällt ganz, wenn der Antrag auf Besitzeinweisung abgelehnt wird. Es ist untunlich, in diesen nicht seltenen Fällen nur für die Wertfestsetzung noch zu ermitteln, wie hoch die angemessene Besitzeinweisungsentschädigung gewesen wäre. Die Wertfestsetzung soll einfach vor sich gehen und kommt ohne ein Schematisieren nicht aus. Es ist daher berechtigt und geboten, den Streitwert nach einem Bruchteil des Wertes des in Frage kommenden Enteignungsgegenstandes zu bestimmen. Dieser Bruchteil ist in der Regel mit 20 % des Grundstückswertes angemessen und ausreichend angesetzt. Wenn auch die Besitzeinweisung einen schwerwiegenden Eingriff darstellt, ist ein Drittel regelmäßig deshalb zu hoch, weil es meist um die Regelung für eine verhältnismäßig kurze Zeit geht. Das Interesse des Betroffenen mag sich nicht in dem an der Nutzung des Grundstücks erschöpfen, sondern in erster Linie dahin gehen, den bestehenden Zustand zu erhalten. Entscheidend ist jedoch darauf abzustellen, dass es rechtlich lediglich um eine Vorverlegung der Wirkung der Enteignung geht. Der erkennende Senat hat in anderen Fällen, in denen es nicht um die Enteignung von Grundstücken als solche, sondern um andere Fragen aus dem Bereich des Bundesbaugesetzes ging, bei denen des geringeren Interesses wegen als Streitwert nicht der volle Grundstückswert in Betracht kam, mehrfach 20 % dieses Wertes angenommen, so bei Streit, ob in Geld oder in Land zu entschädigen ist (BGHZ 48, 200), bei Streit über die Einbeziehung von Grundstücken in ein Umlegungsverfahren (BGHZ 49, 317) und bei Anfechtung des Umlegungsplanes (BGHZ 51, 341 = LM § 3 ZPO Nr. 36 mit Anm. Pagendarm). Diese Streitgegenstände sind hinsichtlich des Interesses des Betroffenen grundsätzlich nicht niedriger zu bewerten als die vorzeitige Besitzeinweisung. Es sind deshalb auch für diese als Regelwert 20 % des Grundstückswertes anzusetzen.“
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b) Der Senat teilt ferner die vom Landgericht für eine fehlende Anwendbarkeit des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichte - dort Ziffer 48.2 - angegebenen Gründe.
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aa) Die ordentlichen Gerichte sind nicht die Adressaten des vorgenannten Streitwertkatalogs. Sie waren auch an der Erstellung dieses Katalogs nicht beteiligt. Der Katalog ist vielmehr das Arbeitsergebnis einer Streitwertkommission, an der die Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts und der Oberverwaltungsgerichte bzw. der Verwaltungsgerichtshöfe teilgenommen haben. Daraus folgt zum Einen, dass die Präsidenten der ordentlichen Gerichte ihre Erfahrungen und Erkenntnisse nicht in die Überlegungen der Streitwertkommission einbringen konnten, und zum Anderen, dass auch die Mitglieder der Streitwertkommission selbst einen Katalog ausschließlich für die verwaltungsgerichtlichen Verfahren schaffen wollten, da sie andernfalls die Präsidenten der ordentlichen Gerichte beteiligt hätten. Im Übrigen entfaltet der Streitwertkatalog – selbstredend – auch für die Verwaltungsgerichte keine rechtliche Bindung.
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bb) Es sind keine Gründe für die Annahme vorgetragen oder ersichtlich, dass die in Ziffer 48.2 des Streitwertkatalogs geregelte Besitzeinweisung im Vorfeld der vermögensrechtlichen Klärung wertmäßig mit der Besitzeinweisung im Vorfeld der Enteignung gleichzusetzen ist. Die Besitzeinweisung nach Ziffer 48.2 betrifft den Fall der vorläufigen Unternehmenseinweisung nach § 6 a VermG, bei der es dem Antragsteller darum geht, möglichst schnell die für das Unternehmen notwendigen Entscheidungen u. a. hinsichtlich der Investitionen, der Umstrukturierungen und des Produkt- und Leistungsangebots treffen und bereits zu einem frühen Zeitpunkt gemäß § 6 a Abs. 3 VermG Ausgleichsleistungen in Anspruch nehmen zu können sowie Veräußerungen des Unternehmens nach dem InvestitionsvorrangG zu verhindern. Bei der vorliegenden Besitzeinweisung jedoch geht es nicht um eine derartige vormögensrechtliche Klärung, sondern vielmehr lediglich um eine im Vorfeld einer Enteignung liegende Besitzeinweisung (vgl. den Schriftsatz der Beteiligten zu 4. vom 29.06.2012).
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c) Die demgegenüber vom Antragsteller für eine Anwendbarkeit der Ziffer 48.2. des Streitwertkatalogs angeführten Argumente vermögen nicht zu überzeugen.
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aa) Der Einwand des Antragstellers, das Landgericht habe das ihm nach § 48 GKG i. V. m. §§ 3 ff. ZPO zustehende Ermessen nicht ausgeübt, ist unzutreffend. Es hat sich vielmehr eingehend mit der Frage der Anwendbarkeit der Ziffer 48.2 des Streitwertkatalogs auseinandergesetzt und sich im Ergebnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs in dessen Entscheidung vom 27.09.1973 angeschlossen.
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bb) Dass auch in zivilrechtlichen Streitigkeiten der Auffangstreitwert von 5.000,00 € in entsprechender Anwendung des § 52 Abs. 2 GKG in Ansatz gebracht wird, lässt keinen Rückschluss darauf zu, ob dann, wenn es eines derartigen Auffangstreitwertes nicht bedarf, weil insoweit ein – wie vorliegend – ermittelter Grundstückswert der Berechnung zu Grunde gelegt werden kann, 20 % oder aber 30 % dieses Grundstückswerts maßgeblich sind.
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cc) Gleiches gilt in Bezug auf die vom Antragsteller in der Berufungsschrift (dort Seite 3) angeführte, mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz vom 05.05.2004 (BGBl. I S. 718) erfolgte Anhebung des Auffangstreitwertes von 4.000,00 Euro auf 5.000,00 Euro. Denn diese Anhebung gibt keine Antwort auf die Frage, ob eine differenzierte Betrachtung zwischen den Besitzeinweisungen in verwaltungsgerichtlichen Streitigkeiten einerseits und zivilgerichtlichen Besitzeinweisungen andererseits gerechtfertigt ist.
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dd) Letztlich vermag der Senat nicht zu erkennen, dass durch einen von einer Streitwertkommission erstellten Streitwertkatalog eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs - per se - „überfällig“ werden könnte (vgl. den Schriftsatz des Antragstellers vom 09.03.2012).
C.
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I. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 221 Abs. 1 BauGB i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
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II. Den Streitwert hat der Senat gemäß §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO festgesetzt.
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Referenzen
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- §§ 47 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO 2x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 3 Wertfestsetzung nach freiem Ermessen 2x
- VermG § 6a Vorläufige Einweisung 2x
- § 48 GKG 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 511 Statthaftigkeit der Berufung 2x
- FStrG § 19 Enteignung 1x
- § 39 Abs. 1 EnteigG 1x (nicht zugeordnet)
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- § 52 Abs. 2 GKG 1x (nicht zugeordnet)
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- III ZR 131/71 1x (nicht zugeordnet)