Urteil vom Oberlandesgericht Naumburg (2. Zivilsenat) - 2 U 159/12
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das am 16. Oktober 2012 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 11. Zivilkammer des Landgerichts Magdeburg teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 7.768,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.12.2011 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Beklagte zu 60 % und der Kläger zu 40 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
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Von einer Darstellung des Tatbestandes wird nach §§ 540 Abs. 2, 313 a Abs. 1 ZPO abgesehen.
II.
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Die Berufung ist zulässig. Sie hat auch in der Sache überwiegend Erfolg.
- 3
1. Der Kläger hat gegen die Beklagte dem Grunde nach einen Anspruch auf Ersatz des Schadens an dem Dienstfahrzeug, VW Passat Variant 1.4 TSI Ecofoul Trendline mit dem amtlichen Kennzeichen ... und dem Sonderkennzeichen … wegen der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten aus § 823 Abs. 1 BGB.
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a) Die Zulassung und Duldung öffentlichen Verkehrs auf einem Grundstück verpflichtet den Eigentümer zur Ergreifung der notwendigen Verkehrssicherungsmaßnahmen. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, dass derjenige der eine Gefahrenquelle schafft oder auch nur andauern lässt, die notwendigen Vorkehrungen zum Schutze der Nutzer zu treffen hat (Thüringer OLG, Urteil vom 12.10.2005, 4 U 843/04, zitiert bei juris, Rdnr. 8).
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b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze traf die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht.
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aa) Auf dem Gelände, auf welchem das klägerische Fahrzeug verunfallte, befindet sich eine Getränkefachgroßhandlung. Auf diese wird mit einem großen Schild, welches sich an einer Hauswand befindet, hingewiesen. Das Grundstück ist damit für den allgemeinen Fahrzeugverkehr eröffnet. Weder vor noch auf dem Gelände ist ein bestimmter Fahrtweg vorgegeben bzw. eine Begrenzung der für den Getränkehandel zugänglichen Fläche angezeigt. Dies hat zur Folge, dass damit sämtliche Wege frei nutzbar sind. Bei dieser Sachlage trifft die Beklagte eine Verkehrssicherungspflicht für den gesamten unbebauten Bereich ihres Grundstücks.
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bb) Diese Verkehrssicherungspflicht besteht auch zeitlich uneingeschränkt. Sie ist insbesondere nicht auf die Geschäftszeiten beschränkt. Eine zeitliche befristete Öffnung des Geländes nur während der Geschäftszeiten liegt nicht vor, entsprechende Hinweisschilder sind nicht aufgestellt. Es sind auch im Übrigen keine Vorkehrungen getroffen worden, die ein Befahren des Geländes lediglich zu bestimmten Zeiten ermöglichen würden, sei es durch das Einsetzen von Pollern oder durch die Beschränkung mittels einer Schranke.
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c) Diese Verkehrssicherungspflicht hat die Beklagte verletzt, indem sie es unterlassen hat, das Befahren ihres Gewerbegrundstücks, auf dem sich ein ungefähr 38 cm tiefer Absatz befindet, durch geeignete und ihr zumutbare Maßnahmen zu verhindern bzw. Dritte ausreichend vor der Gefahrenstelle zu warnen. Dabei wäre es ihr ohne Weiteres möglich und zumutbar gewesen, durch Absperrbänder, Hinweisschilder oder ggfs. eine Schranke zumindest diesen Bereich abzusichern. Hierzu wäre sie verpflichtet gewesen, weil die richterliche Augenscheinseinnahme erster Instanz ergeben hat, dass der Absatz für ein herannahendes Fahrzeug zunächst nur schwer – wenn überhaupt – erkennbar war.
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2. Allerdings muss sich das klagende Land gemäß § 254 Abs. 1 BGH ein Mitverschulden des Fahrers des Polizeifahrzeugs, des Zeugen S., zurechnen lassen, das der Senat mit 40 % bemisst. Nach § 3 Abs. 1 StVO darf ein Fahrzeugführer nur so schnell fahren, dass er sein Fahrzeug ständig beherrscht. Er hat seine Geschwindigkeit insbesondere den Straßenverhältnissen anzupassen. Dabei darf er nach § 3 Abs. 1 S. 4 StVO nur so schnell fahren, dass er innerhalb der übersehbaren Strecke halten kann. Der Fahrer des verunfallten Fahrzeuges fuhr bei Dunkelheit auch für ihn erkennbar auf einem Gewerbegelände. Bereits dies hätte ihn veranlassen müssen, langsam auf Sichtweite zu fahren, da er keinen ordnungsmäßen Straßenausbau erwarten durfte und er jederzeit damit rechnen musste, dass auf dem Gelände Gegenstände oder Transportkisten bzw. Sperrgüter frei gelagert wurden, die ein Ausweichen erforderlich machen würden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass er den Straßenabriss aus seiner Fahrtrichtung nicht hätte rechtzeitig erkennen können, so hätte ihm zumindest auffallen müssen, dass der Weg nicht einheitlich fortgeführt wurde, sondern sich teilte und sich aus seiner Fahrtrichtung gesehen rechts eine durchgängig befahrbare langsam abfallende Bodenplatte befand, die schätzungsweise ein Drittel der Breite des Weges in Anspruch nahm. Spätestens dies hätte ihn zu besonderer Vorsicht anhalten müssen.
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3. Der Schaden besteht in Höhe von insgesamt 12.047,38 EUR, wobei die Beklagte entsprechend ihrer Haftungsquote von 60 % auf Ersatz von 7.768,43 EUR haftet.
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a) Die Parteien haben die Schadenshöhe hinsichtlich der in der Klageschrift vom 05.06.2012 bezifferten Positionen 1.- bis 5. mit Ausnahme der Position 4. (Nutzungsausfallentschädigung) in der mündlichen Verhandlung vom 17.07.2013 unstreitig gestellt.
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b) Über die unstreitigen Schadenspositionen hinaus hat die Berufung des Landes ebenfalls Erfolg, soweit es eine abstrakte Nutzungsausfallentschädigung in Höhe von 472,00 EUR begehrt.
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aa) Der Senat geht in Anschluss an die Rechtsprechung des 1. Zivilsenats des Oberlandsgerichts (Urteil vom 26.02.2009, 1 U 76/08, zitiert bei juris, Rdnr. 19) davon aus, dass auch bei einem Ausfall eines zwar nicht privat, aber auch nicht gewerblich genutzten Kraftfahrzeuges, wie hier eines polizeilichen Dienstfahrzeuges, die entfallene Nutzungsmöglichkeit jedenfalls einen ersatzfähigen Vermögensschaden darstellen kann, wenn der Eigentümer auf die kostenintensivere Anmietung eines Ersatzfahrzeuges verzichtet. Diese Rechtsansicht steht im Einklang mit der Entscheidung des VI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 26.03. 1985, VI ZR 267/83 „Krankentransportwagen der Bundeswehr“ – NJW 1985, 2471, in juris Rdnr. 8; vgl. auch Urteil vom 04.12. 2007, VI ZR 241/06 – NJW 2008, 913, in juris Rdnr. 6, 8, 10) und derjenigen anderer Oberlandesgerichte (vgl. OLG München, Urteil vom 25.01.1990, 24 U 266/89 „Polizeifahrzeug“ – NZV 1990, 348; OLG Stuttgart, Urteil vom 16.11.2004, 10 U 186/04 „Polizeifahrzeug“ – NZV 2005, 309). Wegen der hiergegen vorgebrachten Einwendungen in der Literatur – die dort zitierte Rechtsprechung bezieht sich jeweils auf gewerblich genutzte Fahrzeuge – nimmt der Senat auf den Inhalt des Urteils des 1. Zivilsenats vom 13. März 2008 (1 U 44/07 – NJW 2008, 2511, in juris Rdnr. 20 bis 24) Bezug.
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bb) Der Kläger hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung. Die Nachteile des vorübergehenden Ausfalls des Polizeifahrzeuges sind für den Kläger deutlich fühlbar gewesen. Es kann davon ausgegangen werden, dass das klagende Land nicht mehr Einsatzfahrzeuge vorhält, als es für die Erfüllung der bestehenden polizeilichen Pflichten benötigt. Der Ausfall eines polizeilichen Dienstfahrzeuges stellt entsprechende Anforderungen an die Organisation der Einsatzfahrten der verbleibenden Fahrzeuge, die zwangsläufig zur Kompensation des Ausfalls häufiger im Einsatz unterwegs sind, an deren Wartung u.s.w.. Diese fühlbaren Nachteile wären nicht entstanden, wenn sich der Kläger für die Ausfallzeit des Polizeifahrzeuges ein Ersatzfahrzeug gemietet hätte.
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c) Die Höhe des Anspruches hat der Senat entsprechend dem Klageantrag für 8 Tage auf 59,00 EUR pro Tag, insgesamt 472,00 EUR, festgesetzt. Nach der Tabelle von Sanden/Danner/Küppersbusch, Ausgabe 2011, ist das Unfallfahrzeug in die Gruppe G einzuordnen, für die der Tagessatz der Nutzungsausfallentschädigung 59,00 EUR beträgt. Dass der Kläger in seinem vorprozessualen Schreiben vom 24.11.2011 seinen Schadensersatzforderung zunächst nur einen Tagessatz von 43,00 EUR – offenbar aufgrund einer veralteten Tabelle – zugrunde gelegt hatte, hindert das Land nicht daran, im jetzigen Rechtsstreit die Nutzungsentschädigung in der vollen berechtigten Höhe geltend zu machen.
III.
- 16
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 543, 544 Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
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Die Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO war nicht zuzulassen, da die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern.
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Referenzen
- ZPO § 544 Nichtzulassungsbeschwerde 1x
- ZPO § 543 Zulassungsrevision 2x
- 1 U 76/08 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 92 Kosten bei teilweisem Obsiegen 1x
- ZPO § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung 1x
- BGB § 823 Schadensersatzpflicht 1x
- § 26 Nr. 8 EGZPO 1x (nicht zugeordnet)
- § 3 Abs. 1 S. 4 StVO 1x (nicht zugeordnet)
- VI ZR 241/06 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 711 Abwendungsbefugnis 1x
- 24 U 266/89 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 713 Unterbleiben von Schuldnerschutzanordnungen 1x
- VI ZR 267/83 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 313a Weglassen von Tatbestand und Entscheidungsgründen 1x
- 1 U 44/07 1x (nicht zugeordnet)
- ZPO § 540 Inhalt des Berufungsurteils 1x
- 4 U 843/04 1x (nicht zugeordnet)
- Urteil vom Oberlandesgericht Stuttgart - 10 U 186/04 1x