Beschluss vom Oberlandesgericht Naumburg (1. Zivilsenat) - 1 AR 12/14

Tenor

Der Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen vom 19. August 2014 wird aufgehoben und die Sache diesem Amtsgericht zurückgegeben.

Gründe

I.

1

Der Kläger verlangt von der Beklagten nach einem vermeintlichen Wildunfall seines Fahrzeugs Leistungen aus der Teilskaskoversicherung. Die Klage reichte er beim Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen ein. Die Beklagte hat sich gegen die Klage verteidigt, ohne die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Gerichts zu rügen. Gleichwohl wies das Amtsgericht auf seine fehlende Zuständigkeit und die daraus folgende Unzulässigkeit der Klage hin. Der Kläger beantragte daraufhin unter Hinweis auf den Unfallort die Verweisung an das Amtsgericht Güstrow.

2

Mit Beschluss vom 19.8.2014 hat sich das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen ohne vorangegangene mündliche Verhandlung und ohne nähere Begründung für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit gemäß § 281 ZPO an das „zuständige“ Amtsgericht Güstrow verwiesen. Das Amtsgericht Güstrow sieht sich durch diese Entscheidung nicht gebunden und legt die Sache dem Senat zur Bestimmung der Zuständigkeit vor.

II.

3

Die dem Senat nach § 36 I Nr. 6; II ZPO obliegende Zuständigkeitsbestimmung ist nicht möglich. Weder das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen noch das Amtsgericht Güstrow sind örtlich zuständig. Das gemäß § 215 I S. 1 VVG zuständige Amtsgericht Wittenberg kann mangels Verweisungsantrages des Klägers nicht bestimmt werden. Danach unterliegt der nicht nach § 281 II S. 4 ZPO bindende Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen lediglich der Aufhebung.

4

Die gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit im Falle des negativen Kompetenzkonflikts setzt nach § 36 I Nr. 6 ZPO die feststellbare Zuständigkeit eines der beteiligten Gerichte voraus. Daran fehlt es. Das Amtsgericht Güstrow weist in seinem Beschluss vom 26.8.2014 zutreffend auf seine Unzuständigkeit hin. Der besondere Gerichtsstand der unerlaubten Handlung (§ 32 ZPO), den das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen in Anlehnung an den Verweisungsantrag des Klägers möglicherweise bei seiner Entscheidung im Auge hatte, findet keine Anwendung. Der Kläger geht nicht aus unerlaubter Handlung, sondern aus dem Versicherungsvertrag vor. Eine Zuständigkeit des Amtsgerichts Güstrow kraft Bindung des Verweisungsbeschlusses (§ 281 II S. 4 ZPO) kommt ebenso wenig in Betracht. Die Verweisung durch das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen war objektiv willkürlich, da eindeutige Zuständigkeitsnormen missachtet und gänzlich von einer Begründung abgesehen wurde.

5

Dennoch hat das Amtsgericht Bitterfeld-Wolfen richtig erkannt, nicht zuständig zu sein. Es fehlt jede zuständigkeitsbegründende Anknüpfung. Die bis zur Verweisung unterbliebene Geltendmachung der Unzuständigkeit des Amtsgerichts durch die Beklagte führte die örtliche Zuständigkeit nicht herbei. Gemäß § 39 S. 1 ZPO begründet erst die rügelose mündliche Verhandlung zur Hauptsache die Zuständigkeit des bis dahin unzuständigen Gerichts (Stein/ Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 39 Rdn. 1).

6

Zuständig ist neben dem Gericht am allgemeinen Gerichtsstand der Beklagten (§§ 12, 17 I ZPO) das für den Wohnsitz des Klägers zuständige Amtsgericht Wittenberg (§ 215 I S. 1 VVG). Da der Kläger zwischen diesen Gerichten wählen kann (§ 35 ZPO) und sich hierzu noch nicht in Form eines Verweisungsantrags geäußert hat, kann der Senat auch nicht ausnahmsweise ein drittes Gericht als zuständig bestimmen. Ihm bleibt nur, den Beschluss des Amtsgerichts Bitterfeld-Wolfen aus Zweckmäßigkeitsgründen aufzuheben und die Sache an das verweisende Gericht zurückzugeben (BGH NJW 1995, 534).


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